Fraktion muß ich erklären. Daß wir eine Ausnaßmestellvngfür uns nicht in Anspruch nehmen. Es waren zumgroßen Teil dieselben Gründe, die uns zu unserer Stellung der-anlaßt haben. Die Anklage gegen uns geht auf Disziplinbruchund Parteiverrat. Die„Leipziger Volkszeitung" hat unsereStellungnahme als parlamentarischen Kretinismus bezeichnet.Ich habe seit Jahren verlernt, die„Leipziger Bolkszeitung" ernst zunehmen.(Unruhe.) Ich glaube, daß meine bescheidene Ansicht auf dieRedaktion keinen sonderlichen Eindruck machen wird. Ich glaube, wirwerden, solange den Leipziger Parteigenossen eine solche Kampfes-art ihrer Redaktion recht ist, uns einig darin finden muffen,daß jeder anständige Mann in der Arbeiterbewegung von der„Leipziger Volkszeitung" Tag für Tag angespuckt wird.(GroßeUnruhe; Widerspruch und Zustimmung.) Wir sind nicht die ersten,denen die„Leipziger Volkszeitung" angekündigt hat, daß sie mitglühendem Eisen aus der Partei ausgebrannt lvedden müßten.Aber deshalb reklamiere ich doch, als Parteigenosse anerkannt zuwerden, vielleicht mit größerem Rechte als Leute, die sich gewöhnthaben, die Parteigenossen zu beschimpfen. Ich nehme die„L e i p-ziger Volkszeitung" nicht ernst.(Zuruf: Das merktman!) Etwas anderes ist es mit dem„Vorwärts". Der„Vorwärts" ist das offizsielle Parteiorgan. DerParteivo r st and hat die moralische Verant-Wartung für den„Vorwärts". Er hat sie dokumentiert, alser entgegen dem Willen und den Intentionen des Parteitages inJena seine Allmacht durch eine Neubesetzung der Redaktion gezeigthat.(Unruhe.) Ich will darüber hier nicht streiten. Genug, erhat die Verantwortung. Und er übernimmt sie auch mitseiner Resolution. Mir tut es leid, daß ich hier Dinge vor derOeffentlichkeit berühren mutz, von denen ich voraussehe, daß unsereGegner sie uns später in den parlamentarischen Verhandlungenentgegenhalten wenden. Es ist das für Sie, die Sie nie in derLage sind, in verantwortungsvoller Stelle die Partei den Gegnerngegenüber zu vertreten(Lebhafter Widerspruch und Lachen),vielleicht unverständlich. Ich nehme es Ihnen nicht übel, wennSie lachen. Mir ist es nicht gleichgültig, wenn uns in den par-lamentarischen Verhandlungen ein Gegner mit solchen Waffengcgenübertreten kann. Man hat versucht, die württemberger Zu-stimmung zum Etat als eine Entgleisung hinzustellen. UnsereZustimmung warkeine Entgleisung.(Hort I hört I) Ich glaube, daß kaum in der deutschen Sozialdemo-kratie— auch im Parteivorstande nicht— ein Beschluß je gefaßtworden ist, der Gegenstand so gründlicher Beratung geworden wäre,als unsere Zustimmung zum Etat im vorigen Jahre. Keine Partei-instanz kann gewissenhafter, ja ängstlicher die Wirkung eines Beschlussesauf die Partei prüfen, als wir es in diesem Falle getan haben.Und ich will noch mehr verraten, schon um nachzuweisen,wie wenig es sich um eine planmäßige Aktion handelt. Nachtagclangen Vorberatungen stand in der Fraktion die Sache so, daßdie Mehrheit sich für die Zustimmung zum Budget und eine Minder-heit sich für die Ablehnung erklätte. Da hätten wir nun zum Bei-spiel, dem Nürnberger Parteitag folgend, von unserem Mehrheits-recht Gebrauch machen und die Minderheit vergewaltigen können.Wir haben uns aber gesagt, daß eine B u d g e t a b st i m m u n geine Parteikrakeelerei nicht wert sei.(VielfacheRufe: Sehr richtig!) Wir haben es mit den Berlinerngehalten, die seither der Budgetabstimmung keinenWert beigemessen haben und haben gesagt, nein, dieMehrheit tritt von ihrem Standpunkt zurück unter der Bedingung,daß mit dem Parteivorstande und den änderestsüddeutschen Fraktionen beraten wird, ob sieüberhaupt gezlvungen sind, regelmäßig dieBudgets abzulehnen. Durch diese? Nachgeben der Mehrheitwar zwei Tage vor der Abstimmung die Ablehnung desBudgets beschlossen. Am Tage der Abstimmung selber sindauch Genossen der Minderheit zu der Auffassung gekommen, daß dieGründe für die Bewilligung nicht leichterhand abzuweisen waren,daß die R ü ck s i ch t auf d i e A g i t a t i o n, auf die P o p u l a-larität im Lande, auf die Entwaffnung der Gegnernicht zu unterschätzen sei. Dazu kam die Erkenntnis, daß unsereAbstimmung nicht ohne Einfluß sein würde auf dieHaltung der Regierung dem internationalen Kongreß gegenüber, undda waren wir uns des Ernstes der Situation durchaus bewußt.DaS kann doch die Partei mit dem Lübecker Beschluß nichtgewollt haben, daß wir einer reinen Formalität wegen unsereguten Gründe propagandistischer Art preisgeben müssen. In dieserSituation haben wir vielleicht eine Stunde vor der Abstimmungunseren früheren Beschluß verändert und haben geglaubt, im Diensteder deutschen Sozialdemokratie, im Dienste der Partei, der ganzenBewegung keinen Fehler zu begehen und keinen Schaden hervor-zurufen, wenn wir entgegen unserem vorher gefaßten Beschluß indiesem ausnahmSweisen Falle einmal das Budget annahmen. Wir warensicher, daß damit keine Aenderung unserer Stellung zum Klassenstaatund auch nicht eine solche der Regierung unserer Partei gegenüberirgendwie eintreten könne. Also ich glaube, Ihnen bewiesen, zuhaben, daß wir nicht beabsichtigt haben, die Partei zu verraten oderdie Disziplin leichtfertig zu brechen, und daß von einer wohlllber-legten Schädigung der Partei und Mißachtung der Parteitags-beschlüsse nicht die Rede sein kann.Nun die Gründe, die bei der ersten Beratung schon entscheidendwaren, daß es nicht richtig sein kann, daß die Sozialdemokratie, diePartei des Lebens, des wirtschaftlichen und politischen Lebens,auf eine Schablone jahrzehntelang festgelegtwird(Sehr gut i), die Meinung, daß eS der Sozialdemokratie garnicht entspricht, diese Budgetablehnnng zu einer Kapital-frage, zu einerSeins, des NichtVorstand drückt inrinzipienfrage, zu einer Frageeins der Partei zu machen. Der Partei-seiner Resolution aus, daß die Gesamt-abstimmung über das Budget als Vertrauensvotum für dieRegierung aufgefaßt werden muß. Ich habe mir Mühe gegeben,in der einschlägigen Literatur Belege dafür zu finden,ob unsere Partei oder eine andere Partei überhauptoffen auf dem Standpunkte steht, daß die Abstimmung überdas Gesamtbudget eine Vertrauens- oder Mißtrauens-frage sei. Es ist mir in unserer Literatur kein Fall bekannt ge-worden, wo das irgend einmal beschlußmäßig oder sonstwie fest-gelegt worden wäre, wenn man nicht den Lübecker Beschluß soauffaßt. Und ich kann Ihnen sagen, bei uns in Württembergist kein einziger Politiker, der bis jetzt gedacht hatte, daß dieZustimmung zum Finanzgesetz der Ausfluß eines besonderenVertrauens darstellt. Man hat bei uns in den politischenParteien auch nicht daran gedacht, die Ablehnung zu einerbesonderen Mißtrauenskundgebung zu benutzen. Keinesfalls abergilt das Umgekehrte. Unsere Zustimmung zum Budget ist die An-nähme, daß die vorgelegte Verteilung der Steuereimmhmen undDarstellung der Ausgaben ohne weitere Beanstandung akzeptiertwird. Aber die Ablehnung ist kein Mißtrauens-Votum. Wenn die Ablehnung des Budgets eine Mißtrauens-erklärung darstellt, so kann sie nicht wirkungsvoll sein, wenn sie— einem KaiechlsmuS gleich- alljährlich ohne Rücksicht aufdie politische Konstellation schablonenmäßig angewendet wird.(Sehr richtig!) Sie wird eine wirksame und entscheidendeWaffe sein, wenn'ch sie zu besonderer Betonung meines Miß-trauens benutze, sobald ich einen besonderen Grund dazuh ab e. Wir haben in Württemberg zwölf Jahre hindurch dasBudget abgelehnt und dadurch den Seisall aller Parteigenossen,auch aller radikalen gefunden. Glauben Sie aber nicht, daß dasan unS Beteiligten ebenso vorübergegangen ist wie an Ihnen,die Sie der Sache fern standen. Ich. weiß aus persönlicherBeobachtung, daß unsere Gegner— und wir haben in unseremLandtag nicht zu unterschätzende Gegner, die unsere Propaganda sehrerschweren— in diesen ganzen Jahren immer mit den Mittelnhausieren gegangen sind, daß sie den Arbeitern erklärt haben:Gewiß, die Sozialdemokratie hatschöne Reden gehalten, sie habenAber was nützenfür die Arbeiter wunderimmer mehr verlangt, alsalle Reden und Forde-rnngen und die großartigsten Ankündigungen von höherenLöhnen, wenn am Schlüsse durch die Ablehnung des Budgetsdie dazu notwendigen Mittel verweigert werden?(Lachen.)Glauben Sie nicht, daß Sie damit eine besondere Jnielligenz be-weisen, wenn Sie darüber lachen, das haben auch wir getan undhaben jahrelang in Versammlungen und in Parlamenten zu wider-legen gesucht. Aber immer sind Herr Gröber und Herr Hieber ge-kommen und haben gesagt:„Halten Sie doch keine großen Reden,das ganze Gebaren ist ja lächerlich. Sie lehnen am Schlüsse jadoch die Mittel ab. Wenn wir alle so handeln würden, würdees keinen Fortschritt geben."(Zuruf.) Mein lieberGenosse Ledebour, Herr Hicber geniert sich auch vor Ihnennicht, und wenn sich auch jemand vor Ihnen genieren sollte,so ist es mir unverständlich, daß Sie mir ins Wort fallen,wo Sie doch als mein Kollege wissen, daß ich noch nie darangedacht habe, daß auch nur der Gedanke Platzgreifen könne, im Reichstag das Budget an zu-nehmen. Die Verhältnisse im Reich und in den Einzelstaatensind grundverschiedene. Wenn wir in Württemberg derpreußischen Regierung gegenüber gestandenhätten, wären wir wahrscheinlich nnt einer Verhandlung voneinigen Minuten fertig geworden. Bei einer Regierung wie derpreußischen hätte keiner von uns auch nur die leiseste Konzessiongemacht. Aber ich kann die württembergische Regierungnicht mit derselben Pciische schlagen,wie die preußische verdient.(Sehr gut.) Ich will daS kurzbegründen. Sie haben ja nachher das Recht zu prüfen, ob ich nochinnerhalb oder außerhalb der Partei stehe, wenn eS Ihnen nichtradikal genug klingt. In der Lübecker Resolution ist als besonderes Kriterium zum Ausdruck gebracht, daß der Staat vonheute prinzipiell die Gleichberechtigung der Sozial-demokratie gegenüber anderen Parteien ablehnt. Ich weiß, daß auch bei. nnZ die Sozialdemokratienoch nicht in allen Dctailpunkten diese Anerkennung errungenhat. Aber ich fordere Sie alle auf, mir nachzuweisen, w o dieGleichberechtigung der Arbeiter in politischeriehung durch die wiirttem bergische Regierungin den letzten Jahren ausdrücklich verletzt wordenist. Infolge unserer Tätigkeit und unseres Einflusses, den wir durchdie hinter uns stehenden Masten zum Ausdruck bringen konnten, hatsich der bei uns in früheren Jahren der Soziaide mokratiegegenüber e in g e n o mm en e S t a n d p u n kt von Grundaus geändert. Ich rede nicht davon, daß eS in der Justizin Württemberg heute anerkannt ist, daß die politische Ge-s i n n u n g als Sozialdemokrat k e i n G r u n d ist zumAusschluß vom Amt eines Schöffen und Ge-s ch w o r n e n. Wir haben aber seit Jahren durch die Ar-beiter gewählte Vertreter in der Zentral st eilefür Handel und Gewerbe, einem Institut, das für dieFabrikinspektion bei uns von ungeheurer Bedeutung ist. Wirhaben Organisationen der Eisenbahnarbeiter,in denen bekannte Parteigenossen in leitender Stellungstehen, also Dinge, die Sie bielleicht nicht als an-erkemienswert bezeichnen, die aber bei Ihnen jedenfalls absolutausgeschlossen sind.(Sehr richtig!) Wir haben doch vor zweiJahren durch unsere Vertretung für die Werkstellenarbeiter der Staats-betriebe den neunstündigen Arbeitstag erreicht und diesesVorgehen ist der bestinunende Grund für die preußische Verwaltunggewesen, um auf diesem Gebiete zu folgen.(Hört! hört!) Wirhaben uns außerordentlich gefreut, daß es uns durch unsereparlamentarische Tätigkeit möglich war, auch den Arbeitern inPreußen diese Wohltat zuteil werden zu lassen. Wir haben in derletzten Zeit eine Aenderung der Finanzgesetzgebung,eine Aenderung unserer Verfassung erhalten, habendas gleiche, alige meine und direkte Wahlrecht er-kämpft, in einem Teil des Landes das Proportionalwahlrecht. Und wenn eS uns nicht gelungen ist, bis jetzteine Mehrheit im Landtag zu erreichen, so ist nicht daSWahlrecht schuld, sondern die noch zu geringe Anzahl unsererAnhänger. ES ist in den letzten Zeiten gar noch kein Fall bekanntgeworden, wo bei irgend einer Wahl die Regierung oder ein Ver-treter derselben irgendwie die Beeinflussung eiueS Staatsangestelltenoder eines Privaten versucht hätte. Alle diese Gründehaben, nicht als einzelne für sich, sondern in ihrer Gesamtheiteinen gewissen Einfluß ausgeübt, und wird unterstütztdurch die Tatsache, daß auch bei uns im vorigen Jahre eineallgemeine Beamten- und Arbeiteraufbesserungdurchgeführt wurde, die mit unserer Hilfe durch ändert-halb Millionen Mark verstärkt und wesentlich zugunstender Arbeiter abgeändert wurde. Bei unseren Beratungen war esein Parteigenosse, der nicht in den Verdacht kommen kann,Revisionist zu sein, oder opportunistische Anschauungen zuhaben, aber durch die Erfahrungen der letzten Reichstags-wähl nachdenklich geworden war, der erklärt hat, wirmüssen aus agitatorischen Bedürfnissen daran denken, ob nichtdurch die Haltu.. g in dieser Frage uns in derPropaganda Nachteile zugefügt werden können.(Hört Ihört I) Die Arbeiter der Staatsbetriebe und auch die übrigen, seiengar zu leicht geneigt, die Behauptung, daß wir durch die Ab-lehnung des Budgets alle früheren Verbesserungen illusorischmachen, als richtig anzuerkennen. Sie betrachten diese Stellung-nähme als Interesselosigkeit und als Falschheit, aberaus diesen rein praktischen Erwägungen und aus demBedürfnis heraus, der Partei keinen Schaden zuzufügen,ist in einem großen Teile unserer Fraktion die Idee durchgedrungen,daß es notwendig sei. unsere Stellungnahme durch Zustimmungzum Budget zum Ausdruck zu bringen. Also von einemDisziplin bruch, von einem Parteiderrat kann beiuns gar nicht die Rede sein. Wer auf diesem Parteitage durchAnnahme der Parteivorstandsresolution das Mißttauensvolum gegenuns zum Ausdruck bringt, der soll nicht vergessen, daß unsere Er-wägungen und unsere Beschlußfassungaus dem guten Herzen für die Parteientsprungen sind; der erklärt, daß wir gewissenlos unter Sticht-beachtung der Parteitagsbeschlüsse der Partei Schaden zufügen wollen.Das müssen Sie sich bei Ihrer Abstimmung überlegen.Ich habe früher gesagt, wir sehen in der Abstimmung keineprinzipielle Sache, keine Staatsaktion und habe betont, daß wirdamit ganz der Meinung sind, tvie die s o z i a l d e m o-krattschen Stadtverordneten in Berlin.Der Berliner Etatist wesentktchergrößer und umfangreicher als unserwürttembergische Etat und Sie werden zugeben, daß auch dieBerliner Kommunalverwaltung eine wesentlicheEinrichtung des Klassen st aateS darstellt. D i eBerlinerhaben aber bis jetzt nie daran gedacht,das Budget abzulehnen.(Lebhafte Zustimmung derBerliner Delegierten: Wir haben ja nie zugestimmt.)Parteigenossen! Für wie dumm müssen Sie mich halten, wennSie annehmen, daß ich, ohne etwas in der Hand zu haben, denBerliner Stadtverordneten hier einen solchen Vorwurf machenwerde. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, daß mit denBerlinern auf den Parteitagen schlecht Kirchencssen ist,wenn man nicht beschlagen ist. Ich hätte auch diese Ber-liner Geschichte nicht zum Gegenstand der Erörterung gemacht,wenn sie nicht so sehr interessant gewesen wäre. Die„MünchenerPost" hatte vor längerer Zeit sich einmal das Vergnügengemacht, daS Berliner Budget festzustellen und hatte dabei gefragt,warum denn die Berliner, die so kritisch seien gegen die Bayern undBadenser, doch selbst gar kein Verständnis dafür gezeigt hätten, daßdie Budgetabslimmung eine so große Staatsaktion sei. Da hat sichnatürlich der„Vorwärts" riesig entrüstet: eine solche Verlemndmig,eine solche Gemeinheit und Niedertracht, wie in der„MünchenerPost" gibt eö nicht wieder.(Heiterkeit bei den Süddeutschen.)Die„Münchener Post" aber hat sich erlaubt, noch auf ihrem Stand-Punkt bestehen zu bleiben— dies verächtliche Blatt.(Heiterkeit beiden Süddeutschen.) Die RedaNiou des„Vorwärts" ist natür-lich über Berliner Verhältnisse genau informiert und sie schreibtfolgendes:Unüberwindliche Abneigung gegen dieWahrheit.Die„Münchener Post" wiederholt in ihrer Sonntagsnummer:„Die sozialdemokratischen Stadtverordneten Berlins haben dasBudget nie abgelehnt.Der„Vorwärts" hat... festgestellt, daß die sozialdemo-krattschen Stadtverordneten Berlins niemals für den Etat derStadt Berlin gestimmt haben. Ist eS der„Münchener Post" nichtmöglich, ihre die süddeutschen Genossen irreführende Behauptungrichtigzustellen?"Die„Münchener Post" hat bis heute ihre Behauptung nichtrichtiggestellt, das hat mich außerordentlich interessiert. Ich habemir gedacht, ist denn die„Münchener Post" genau so schlecht wie der„Vorwärts"?(Große Heiterkeit.) Ich habe hier den stenographi-schen Bericht der Stadtverordnetensitzung vom 31. März Ob amAbschluß der Etatsberatung. Da werden eine große Anzahl vonEinzeletats angenommen. Verschiedene unserer Redner beteiligensich mit großer Verve daran. Ich habe dabei gesehen, wie die Ber-liner Parteigenossen im Rathause uns zum mindesten nicht nach-stehen in der Vertretung der Arbeiterinteressen, daß sie ganz wiewir in derselben revisionistischen und opportunistischen Weise ver-suchen, Kleinigkeiten der kapitalistischen Klasscnstaatorganisationabzuringen. Und dann sagt nach dem amtlichen Bericht der Stadt-verordnete Liebenow: Nachdem wir nunmehr mit sämtlichen EtatZfertig sind, schlage ich Ihnen vor, den Stadthaushalt für 1906 imganzen festzustellen, in Einnahme und Ausgabe mit 130 467 646 M.und dann heißt es weiter:„Die Versammlung beschließtdemgemäß..(Zurufe der Berliner.) Parteigenossen! Soungefähr könnten wir es auch haben, tvenn wir das wollten. AberSie verlangen ja von uns, daß wir nicht stillschweigen,wenn diese große Staatsaktion sich bollziebt,Sic verlangen nicht nur, daß wir geduldg und vergnügt der An-nähme des Gesamtbudgets durch andere zusehen, sondern Sie ver-langen von uns auch, daß wir das Budget ausdrückKch in der Formeiner besonderen Mißtrauenskundgebung ablehnen.(Sehr richtig!)(Wurm: Weil Sie namentliche Abstimmunghaben!) Ich gebe zu, daß meine Intelligenz bei weitem nichtheranreicht an die Intelligenz der Berliner Stadtverordneten, aberso weit glaube ich doch die Berliner parlamentarischen Verhältnissezu kennen, daß es auch dort möglich ist, daß die sozialdemokratischeFraktion einen Antrag auf namentliche Abstimmung stellen kannund daß der nicht abgelehnt wird. Wenn der Antrag dann zurAbstimmung kommt, so könnten die Berliner mit derselbe»demonstrativen Wucht, wie sie sie von uns verlangen,den Etat von Berlin ablehnen»um ihre Gegnerschaft zum Klassenstaat zum Ausdruck zu bringen.(Sehr gut!) Ich bin nur der Meinung, daß dadurch der Klassen-staat um keinen Zentimeter verrückt Wersen, würde. Aber was demeinen recht ist, muß auch dem andern billig sein. Ich habe Ihnendamit nur demonstrieren wollen, daß die Berliner mit uns derMeinung sind, daß die Annahme des Budgets nicht eine Frage vonprinzipieller, grundlegender Bedeutung ist(Widerspruch), sonderneine Frage von bloßer geschäftlicher Bedeutung, die nur aus tobtischen, aus Zweckmäßigkeitsgründen zu einer Demonstration be-nutzt werden kann oder nicht.Die Resolution des Partcivorstandes schlägt nuneine Verschärfung der Lübecker Resolutionvor. Ich will noch einmal kurz an die Parteigeschichte dieses Falleserinnern. Im Jahre 18114, als sie zum ersten Male erörtert wurde,hatten die Süddeutschen das Glück, Grillenberger und Wollmarzum Wortführer zu haben. Es ist unzweifelhaft, daß jene vielwirksamer all die Argumente zusammengetragen haben, als esuns möglich ist. Aber die Parteigenossen von damals waren sichwohl des Ernstes der Situation bewußt, was es bedeutete, einenTeil der Partei durch ein in gewisser Beziehung zwingendes Mittelzu fesseln und haben es abgelehnt, diesen Zwang aus-zusprechen, sie haben keinen Beschluß gefaßt. In Lübeck wardie Situation etwas anders. Aber die süddeutschen Abgeordnetenvon damals fanden beim Parteivorstand noch so viel Gehör, daßsich der Genosse Bebel dafür einsetzte, ihnen die gewünschte Freiheitnach Möglichkeit zu erhalten. Der Parteitagsbeschluß erklärt ja dieAbstimmung für eine prinzipielle Frage, setzt aber so-fort in der Resolution eine Ausnahme fest, und der Be-schlutz hört damit auf, ein Prinzip darzustellen. Wirhaben in der Zwischenzeit seit Lübeck eine Veränderungunserer politischen Situation in verschiedenen Staatenerlebt. Die sozialdemokratische Partei ist stärker und kräftigergeworden. Die Parteigenossen, die unter den schwierigsten Verhält-nissen uns in der parlamentarischen Vertretung die Wege geebnethaben, waren damals der Meinung, daß dieser parlamentarischeWeg uns zu� praktischen Resultaten führen solle und daß, wennwir einmal die Gelegenheit haben. Vertrauensmänner in das Par-lament zu schicken, wir diesen dann auch das Vertrauen zeigenmüssen, daß sie nach Pflicht und Gewissen die Parteiforderungenvertreten. Genosse Timm hat die Frage ganz auf den richtigerNenner zurückgeführt. Es handelt sich umdie Frage des gegenseitigen Vertrauensund um weiter nichts. UnS haben diejenigen, die in den vorigenWochen gegen uns Stellung genommen haben, ohne unsere Gründezu kennen, dieses Vertrauens von vornherein für unwürdig er-klärt. Sie haben unsere Stellung innerhalb der Parteiund innerhalb unseres Landes bereits heute in einer Weiseuntergraben, daß wir schwer jju tun haben werden, das Uebclwieder gutzumachen.(Lcbbafte Zustimmung bei den Süddeutschen.)Wir sind gezwungen, bei jeder Wahl diejenigen, die wir vorschlagen,den Wählern als vertrauenswürdige Männer zu empfehlen und inihren Diskussionen werden die Wähler dann von den Gegnernirregeführt, wenn wir auch immerhin das Vertrauen haben, daßsie imstande sind, zu prüfen, ob die Haltung unserer Abgeordnetenfür oder gegen das Budget im Interesse der Partei liegt, oder ihrzum Schaden gereicht. Die Vorstandsrcsolution enthält die pro-gramiilntifche Erklärung des Mißtrauens gegenüber Parteigenossen,die seither parlamentarisch gewirkt haben, und wenn Sie uns mitdiesem Mißtrauen belasten, g e b e n Sie unseren Gegnerneine Waffe in die Hand, die sie bei jeder Gelegenheitgegen uns benutzen werden. Sie werdcn uns vorhalten: Waswollen Sie, Sie sind ja von ihrem eigenen Parteitag als Männerproklamiert, die gar nicht das Vertrauen verdienen, eine solcheStellung einzunehmen!Es geht mir wider die Rat«r. Ihnen zu sagen.wenn Sie dle Resolution annehmen, dann wirddadurch ein Unglück geschehen. Lieber sage ich, daßich persönlich auf die Mitarbeit verzichte, als daßich proklamieren sollte, die Partei solle Schaden leiden. Aber daskann ich Ihnen sagen: Mit der Vorstnndsresolution belastet» istes mir und meinen Genossen nicht mehr möglich, im Parlamentwirksam für die Arbeiter einzutreten. Das können Sie nicht wollenund das dürfen Sie schon in Norddeuischland aus dem Grundenicht wollen» weil Sie uns dann ein Unrecht tun,dessen Tragweite Sie nicht ermessen können.weil Sie selber nichts darunter zu leidenhaben. �Stürmischer Beifall bei den Süddeutschen.) Ich weißnicht, ob wir auseinandergehen sollen von diesem Parteitag, ohnedaß es möglich wäre, in dieser Frage zu einer Verständigung zukommen. Die Rede des Genossen Bebel heute früh war, wie dieRede eincS Parteiführers sein muß, in versöhnlichem und aus-gleichendem Ton gehalten.(Sehr richtig!) Ich bedaure nur,daß wir nicht den Viktor Adler in unseremParteivorstand haben, der sich aus den Standpunkt stellt:in parlamentarischen Fragen wird gehandeltund nicht geredet, werden nicht Resolutionengefaßt.Mortsctzusg in der S. Beilage.)dt» anderen. Aber was__„_ i_,_____________Verantwortlicher Redakteur: Hans Weber- Berlin. Für den Inseratenteil verantw.: Th. Glocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts iSuchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.