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Nr. 220.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt.

25. Jahrg.

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Zelegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Sonnabend, den 19. September 1908.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

Partei- und Gewerkschaftsgenossen!

Demonstriert am Sonntag vormittag durch den Besuch der Friedens­kundgebung für den Völkerfrieden, gegen die Kriegshezze!

Die Entscheidung.

Nürnberg  , 18. September, 4.30 nam. ( Privatdepesche des Vorwärts".)

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der Auffassung festhielten, daß es das Recht der und gleichen Wahlrechts in Ungarn   fördern könnte. Organisationen der Einzelstaaten sein müsse, Die Pflicht zu dieser Erörterung entspringt nicht bloß nach bester Ueberzeugung über die Frage der Budget- aus dem Gefühle der Solidarität, welche das kämpfende Proletariat über alle Staatsgrenzen hinweg verbindet; und abstimmung selbständig zu entscheiden. Eine eigenartige Erklärung, an der der Vordersatz den natürlich gar nicht aus irgend einem großösterreichischen" Bedürfnis, welches in dem selbständigen Staate Ungarn   nur Nachsatz oder der Nachsatz den Vordersatz aufzuheben scheint, eine österreichische Provinz erblickt. Zu dieser freundnachbar­Der heutige Vormittag hat die Entscheidung in Wir glauben indessen, diese widerspruchsvolle Erklärung dahin lichen Hilfe fühlen sich die Arbeiter in Desterreich vor der Frage der Budgetbewilligung gebracht. Sie auslegen zu dürfen, daß die süddeutschen Fraktionen in allem aus der Erinnerung an ihren eigenen Wahlrechts­ist so ausgefallen, wie das nach dem Verlauf der Debatten freier, selbständiger Entscheidung zu der Ueber- fampf verpflichtet, dessen stärkster Antrieb bekanntlich das. zu erwarten war. zeugung gelangen werden, daß eine Budgetbewilligung durch das Ministerium Fejervary Kristoffy verkündete Wahl­

Zur Abstimmung standen im wesentlichen zwei Refo- fünftig nur in den Ausnahmefällen zulässig reformprogramm in Ungarn   war, wodurch die Einführung des Intionen, die Frohmes und die des Parteivorstandes. ist, die die Lübecker und die im Sinne sich mit ihr deckende allgemeinen Wahlrechts in beiden Staaten eine zwar un­Die Resolution Frohmes wollte vermitteln, den füd- Nürnberger Resolution nach nunmehr zweifelsfreier geschriebene, aber nichtsdestoweniger unerläßliche, neue ge­meinsame Angelegenheit geworden ist. Nicht minder leitet sie deutschen   Genossen eine unzweideutige Willensfundgebung des Deklaration des Parteitags vorsehen. aber das Bewußtsein, daß ihr eigener Fortschritt in so lange

Die Sozialpolitik.

Nürnberg  , 18. September( 8,30 Uhr nachm.) ( Privatdepesche des Worwärts".)

Parteitages ersparen. Sie begnügte sich mit der Be- Wir bringen also der Minderheit des Parteitags das nicht als bollendet betrachtet werden fann, als stätigung der Lübecker   Resolution und forderte Vertrauen entgegen, daß sie den Willen der nicht die Swingburg des Unrechtes auch in dem ver­für künftige Fälle einer Budgetzustimmung eine vorhergehende Partei gewissenhaft respektieren wird. Sollten bündeten Staate gebrochen ist, daß es also auch ihre Verständigung zwischen Fraktion, Landesvertretung und Partei wir in unserem Vertrauen getäuscht werden, so wären aller- eigene Sache ist, um welche der Stampf in Ungarn   geht. Was vorstand. Diese Resolution wurde mit 217 gegen 160 dings die letzten Konsequenzen aus solchem Verhalten zu an ihr liegt, wird die Sozialdemokratie in Desterreich tun, um der Wahlreform in Ungarn   die Wege zu ebnen. Jns­Stimmen abgelehnt. Daß sie die beträchtliche Zahl ziehen! besondere wird sie es treffen, den Machthabern mit der nötigen bon 160 Stimmen auf sich vereinigte, fam daher, daß eine Anzahl Genossen aus Besorgnis, durch die Nebellion Deutlichkeit klar zu machen, daß der Treubruch, der in der Zustimmung der Krone zu den schändlichen Absichten der der süddeutschen Genossen könnten schwere Parteiwirrnisse ent­Koalitionsregierung läge, auch von ihr als der Bruch eines stehen, für dieses unzulängliche Kompromiß stimmten. dem Proletariat geleisteten Bersprechens aufgefaßt werden müßte. So sehr die Sorge dieser Genossen um die äußere Ein­Der Nachmittag der heutigen Verhandlungen gehörte der Denn darüber, was die Koalitionsparteien planen, kann heit und Geschlossenheit begreiflich ist, so erfreulich ist es Sozialpolitit. Jn 18/ stündigem hochinteressantem Referat heute tein Zweifel obwalten: ihre Wahlreform ist ein Hohn doch, daß die Kompromißresolution Frohme nicht an behandelte Moltenbuhr das Thema: Die Sozial- auf den Gedanken des allgemeinen und gleichen Wahlrechts. genommen wurde. Denn ihre Annahme hätte nur neuen politik und der neue Kurs". Die Verkommenheit der bürgerlichen Parteien, die ihre Verwirrungs- und Verdunkelungsbestre- Die Rede war in gewissem Sinne eine Ergänzung der Programme just dann preisgeben, wenn sie sie ver­bungen Vorschub leisten tönnen. Zunächst wäre vorhergehenden Debatten, der Nachweis für die Richtigkeit der wirklichen können, bewährt sich auch an der Stossuth­es nicht zum Klaren Ausdruck gekommen, daß die große Marrschen Massenkampftheorie, schen Unabhängigkeitspartei, die sich in ihrer Oppositions­der Lehre bon ber zeit als Fahnenträgerin des demokratischen Fortschrittes Mehrheit der Pardeidelegierten der Auffassung ist, Sonzentration des Kapitals und der ausschlaggebenden Be- gebärdete, als Regierungspartei aber alles verrät, was daß sich die Abstimmung in Bayern  , Württemberg deutung der ökonomischen Faktoren, gegen die alle parla- fie einst angebetet hat. Man weiß nun, was Graf and Baden mit dem Lübecker   Beschluß nicht in mentarische Schlaumeierei und alle diplomatisierenden Künste Andrassy  , der Wahlreforminister, nach langen Mühen aus­Einklang bringen läßt. Zweitens wäre der Sag, daß fläglich versagen. geheckt hat: eine Wahlreform, die erstens dem Magyaren­die Resolution den Beschluß des Lübecker   Parteitages be- Moltenbuhr wies nach, daß die Blockpolitik gerade für die stamme, der in Ungarn   nicht einmal die Hälfte der Be­stätigt, dadurch entwertet worden, daß auch jene Sozialpolitik, den Prüfstein fortschrittlicher Entwickelung, äußerst| bölkerung ausmacht, das unerschütterliche Uebergewicht im süddeutschen Genossen für sie stimmten, die, ungünstig sei. Das Großunternehmertum habe die Kosten der Reichstage verschafft und zwar ein Uebergewicht, das über während der letzten beiden Tage so oft emphatisch erklärt Hottentottenwahlen aufgebracht, natürlich nicht, um Sozial- schlechtweg schamlose Wahlgeometrie herbeigeführt werden, die eine Dreiviertelmehrheit hinausgeht. Das soll durch eine hatten, für sie sei die Frage der Budgetbewilligung feine aus politik zu fördern. Die foloffale Konzentration des Kapitals den magyarischen Bezirken die Mandate mit Scheffeln zumißt, den Grundsäßen des sozialistischen   Klassenkampfes her- gerade in der Schwerindustrie habe nicht nur den wirt. wogegen den Nationalitäten, wie der hochnäfige Budapester Jargon zuleitende, sondern nur eine tattische", eine reine schaftlichen, sondern auch den politischen Einfluß die Rumänen und Slowaken benennt, sogar der gegenwärtige 8 wedmäßigkeitsfrage". Der Satz der Partei- des Unternehmertums gestärkt. Ein Zeichen des arbeiter Befitstand verfümmert werden soll. Zweitens hätte die Wahl­tag bestätigt die Lübecker   Resolution", wäre also eine und sozialreformfeindlichen Treibens des Unternehmertums fei reform auch das Regime der heute herrschenden Klassen, der feudalen wächserne Nase geworden, die sich jeder nach seinem des Professor Tille höchst bemerkenswerter Versuch, durch Gentry   und der Budapester Pseudointellektuellen zu konservieren; Gutdünken zurechtgetnetet hätte. Das bewies Schaffung einer reinen Großindustriellenpartei den reaktionären, wofür ein Pluralwahlrecht aufgeboten werden soll, Klassisch die Auslegung der Lübecker   Resolution selbst durch sozialpolitisch bremsenden Einfluß dieser machtvollen Unter- das über die belgischen drei Infamien noch hinausgehen und die Budgetbewilliger! nehmergruppen zu steigern. Und doch ermögliche die gewaltig breiten Massen, die heute rechtlos sind, in anderer Form. deffen Effekt fein anderer wäre, als die Vergewaltigung der Endlich war es, wie Genosse Ebert in seinem ruhigen gestiegene Produktionstraft, sowie die unerhörte Das Ergebnis der Wahlreform, die das Mittel feien sollte, und sachlichen, in Form wie Inhalt der Situation ent- Preissteigerung durch Kartelle und Syndikate die Er die bedrückten Klassen zu befreien, wäre also eine neue sprechenden Schlußworte nachwies, ganz unent- höhung der niedrig gebliebenen Löhne, Knechtung und eine dauerndere und empfindlichere als der schieden gelassen, in welcher Art denn in einem Falle speziell auch die Einführung des Acht stunden- heutige Wahlrechtsraub. Denn zu der Wahlgeometrie und zu der abweichender Meinungen die Verständigung zu erfolgen habe. tage 3. Pluralität, dem neuen Unrecht, würde sich das alte gesellen: Denn damit, daß auf den Einspruch des Partei- Der Redner geißelte weiter die sozialpolitische Heuchelei die öffentliche Abstimmung und die zentrale Wahl( daß es vorstandes hin die Entscheidung auszusehen der bürgerlichen Parteien, speziell des Zentrums, namentlich für einen Wahlbezirk immer nur einen Wahlort und nur ein und dem Parteitage selbst zu überlassen sei, fein heuchlerisches Trugspiel mit der Witwen- und Waisen- Wahllokal gibi), den befitlosen Klassen also die Freiheit der wollten sich ja die süddeutschen Budgetbewilliger, wie Segi versicherung. Er formulierte sodann die wichtigsten sozial- Ungarn  , die mit der feierlichen Verkündigung des allgemeinen Wahl völlig genommen wäre. Die Wahlreformbewegung in ausdrücklich betonte, nicht einverstanden erklären! politischen Forderungen des Augenblics: eine wirk- und gleichen, geheimen und gemeindeweisen Wahlrechts durch Die Annahme der Resolution hätte also die Situation lich durchgreifende ernsthafte Witwenversicherung, die Krone begann, würde nach diesen Fälschungsplänen in nicht geklärt, sondern künftige Konflikte die Ausdehnung der Versicherungsgeseze auf eine Reform münden, die von den Versprechungen auch nicht geradezu heraufbeschworen. die Landarbeiter, Schaffung eines einheitlichen Ar- eine erfüllt, tein einziges Unrecht beseitigt und ein trauriger Nachdem die Resolution Frohme und weiterhin ein beiterrechts, Sicherstellung des Anteils der Arbeiter an Schritt nach rückwärts wäre. Amendement zur Parteivorstands- Resolution gefallen waren, Wohlfahrtseinrichtungen usw. Wird die Krone diesen Schritt machen wollen! Monarchen gelangte die unveränderte Resolution des In der Debatte ergänzten die Genossen Paul Müller- find zwar selten Schwärmer für demokratische Fortschritte, und Parteivorstandes zur Abstimmung. Sie wurde Hamburg  , Hoch, Sachse und Dr. Duard die Dar- bas allgemeine und gleiche Wahlrecht steht im Statalog der nunmehr, da ein Teil der Befürworter der Resolution Frohme legungen durch wertvolle Anregungen. dynastischen Interessen nicht gerade an erster Stelle. Doch für die Resolution des Parteivorstandes stimmte, mit 258 Zum Schluß wurde beschlossen, den nächsten Parteitag in darf man bei der Beurteilung der Sachlage in Ungarn   eben gegen 119 Stimmen, also mit starter 3 weidrittel- Leipzig   abzuhalten. majorität angenommen.

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Wird die Krone wortbrüchig?

Daran schloß sich noch ein kleines Nachspiel. Genosse Segit verlas im Namen von 66 füddeutschen Delegierten eine Ertärung des Inhalts, daß sie zwar dem Parteitag Aus Wien   wird uns vom 15. d. M. geschrieben: das Recht zugeständen, über die prinzipiellen und Die österreichische Sozialdemokratie wird Ende dieses Monats tattischen Richtlinien für die gesamte Partet eine Gesamtberatung abhalten, um auf ihr die Maßregeln zu bindende Beschlüsse zu fassen, daß sie aber gleichwohl erwägen, durch welche sie die Erringung des allgemeinen

nicht vergessen, daß die Wahlreform dort als ein wahres Königsprogramm angefangen ward, daß sich in ihr ein Stück bewußter imperialistischer Politik verkörpert, die den Wider­stand und Aufruhr der Grafen durch die Entfesselung der Volfskräfte bannen und brechen will. Wohl ist es richtig, daß sich der feudale Uebermut, der zu der langjährigen Krise führte, feither gründlich verflüchtigt hat, daß aus den trozigen und anscheinend unversöhnlichen Rebellen sehr rasch ergebene Höf­linge geworden sind, die beute bei der Krone, die fie einft au