(m(Datfes abg<chalten, der»loch voll vielen Tausenden beseht ivclr. Von drei Tribünen an verschiedenen Stellen des Gartens sprachen gleich- zeitig die englischen Delegierten Ward, Sekretär der Kanal- und Erdarbeiter-Union. K e l l e h, Sekretär des Lithographen- Verbandes, und Freak, Präsident des Schuhmacherverbandes.— Hierauf wurde die vom Genossen Fischer empfohlene Resolution einstimmig angenommen. Mit begeisterten Hochrufen auf den Völkerfrioden schloß die Versammlung. Lebhafte Ovationen wurden den englischen Delegierten dar- gebracht. Mit Hochrufen und Hütefchwenken grüßte die Menge die Vertreter der enghschen Arbeitsbruder, und diese erwiderten die aus warmempfundener Solidarität entsprungenen Kundgebungen mit ebenso herzlichen Grüßen. Nach der Versammlung. Es dauerte lange, bis nach 3 Uhr, als die brausenden Hochs am Schlüsse der Versammlung auf der Straße widerhallten, und nun drängten die Massen heraus. Arbeiterlieder ertönten, die Mar- scillaise vor allen. Wo sich die englischen Abgesandten zeigten, wurden ihnen Ovationen dargebracht. Die Stimmung der Masse war feierlich und friedlich. Eifriger als je aber liefen die Schutz- leute umher und riefen ihr monotones:„Weitergehen, nicht stehen- bleiben!" Unbeweglich hielten die Berittenen auf ihren Rossen, und gespannt beobachteten die Polizeioffiziere, wie sich die Massen zer- teilten. Kein Zug bildete sich, keine Straßcnparade, keine ge° schlossenen Reihen zogen auf. Die Polizei schien von diesem Ergebnis enttäuscht zu sein, denn ihre großen Anstrengungen erwiesen sich als vollständig überflüssig und nutzlos. Man hätte ebenso gut zu Hause bleiben können. Die Verteidigung von Berlin ! Wie wenn ein feindlich� Kriegsheer nach dem Innern der Stadt im Anzüge wäre, hielt die Polizei die Brücken und Stege, die über den Landwehrkanal führen, besetzt und spähten unablässig mit weit aufgerissenen Augen über das Wasser von einer Brücke zur anderen, von der anderen zur nächsten, ob nicht der„Feind"— d. h. die Scharen der Friedensdemonstranten— Miene machte, nach der Stadt zu ziehen, um hier die Ruhe und Ordnung, wie sie nach preußischen Polizeibegriffen aussehen muß, in Gefahr zu bringen. Darum fuhren auch andere Polizeibeamte auf Rädern hin und her, in schnellstem Tempo, als gelte es, immerfort ungeheuer Wichtiges über die Bewegungen eines � furchtbaren feindlichen Heeres zu melden, jederzeit bereit zu sein, die in umliegenden Gebäuden der- steckten Mannschaften zu kühner Tat herbeizurufen. Die Besorgnis muß ungeheuer groß gewesen*sein. Sah man doch noch um b Uhr die bewaffneten Männer an den Brücken stehen und unablässig nach dem„Feind" ausschauen, obwohl doch die Massen der Friedens- freunde schon vor 4 Uhr von bannen gegangen waren. In der Stadt selbst hatte die Polizei einen eisernen, wenn auch ziemlich unsichtbaren Ring um daS königliche Schloß gezogen und Roß und Reisige schützten die steile Höhe, wo Fürsten stehen. Schon um die neunte Morgenstunde blitzten auffallend viel Pickel« Hauben im prächtigen Scptembersonnenschein, und Polizeiradfahrer huschten eilfertig und mit überaus wichtiger Miene hin und her. Auch die bekannten Gestalten, mit dem Aussehen pommerscher Guts- .nspektoren, grünes Hütchen und Joppe, nebst martialischem Schnauz- darf, waren zahlreich unter das lustwandelnde Publikum verstreut. Hellblaue Leutnants und Hauptleute mit Feldherrnblick tauchten bald hier, bald dort auf. Fliegende Wachen waren zur Genüge eingerichtet, um die be- drohte Monarchie zu schützen. So weit wir übersehen konnten be- fanden sich solche an folgenden Stellen: Im Wartesaale 3. Klasse des Dahnhofs Alexanderplatz : im hinteren Teil der Universität, gegen- über der akademischen Lesehalle, wimmelte cS von Helmspitzen; sogar in der Universitäts-Fraucnklinik in der Artilleriestraße war eine Wache. In der Börse, da wo sich das Postamt befindet, strömten ununterbrochen Mannschaften hinein. Im Marstall waren solche zu Fuß und zu Pferde untergebracht, und es mußte Lächeln hervor- rufen, wie die Retter des Vaterlandes mit grimmiger Miene neben den ungeduldig stampfenden und scharrenden Nossen standen. Nur einen Blick konnten wir in das Allerheiligste des Schloßhofes werfen, wo eine große Anzahl Geheimpolizisten sich um einen Polizeioffizier scharte, als auch schon die schnarrende Aufforderung erklang: „Weitergehen! Nicht da hineingucken I" Wir hatten aber schon ge- scheu, was uns interessierte. In der Nationalgalerie, in der Privatwohnung des Pförtners, sah man rechts und links schnür- gerade Reihen von derben Kommißstiefeln, blitzenden Säbelspitzen und Helmen. Ein schlanker Leutnant stand an der Tür und blin- zelte unmutig in die Sonne. Dasselbe Bild ,m Museum, wo die Stützen des Thrones im Souterrain sich gelangweilt in der Nase bohrten. Wie eine grimmige Ironie wirkte eS aber, als im Dom die Glocken mit ehernen Zungen die Frommen und Nichtfrommen zusammenriefen, den allmächtigen, allwissenden und allgütigen Herrn zu loben und zu preisen, ohne dessen Willen kein Spatz vom Dache fällt, und unten im GottcShause, tief unter dem Schall der menschlichen Rede, sich Schutzmann um Schutzmann sammelte, ohne Zahl. Und während oben der Diener Gottes die Lehre jenes großen NazarenerS verkündete, der da sagte:„Liebet die, die Euch hassen!". harrten unten im Keller Dutzende von Schutz. leuten mit Revolvern und scharfgeschliffenen Säbeln des Augenblicks, wo ihnen das Kommando zum Gegenteil gegeben würde. Die Engländer und die Polizei. Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen,— so kautet ja daS bekannte Sprichwort. Nun hat unsere heutige Zeit wenig an Romantik; es erlebt sich im allgemeinen auf Reisen nichts Außerordentliches. Aber, wo der Einheimische achtlos an den Dingen vorübergeht, fallen diese dem Fremden in die Augen. Und da? ist ja der Gewinn de» ReisenS . Eindrücke in sich aufzunehmen. Vergleiche mit den heimischen Verhältnissen anzu- stellen. Wir sehen z. B. kaum noch die große Zahl Uniformierter aller Art, die Beamten der Polizei. Post, die Straßenbahner usw., und die vielen Militärs. Dem Engländer aber fällt das auf. da er bei sich zu Hause Uniformen nur ganz wenig begegnet. Tragen doch da selbst die Postbeamten nur eine Uniformmütze, die Omnibusschaffner gehen gänzlich in Zivil. Und außer den Polizei» beamten gibt es wohl überhaupt keine Gruppe von Beamten weiter, der die Last einer Uniform ldenn für die Engländer bedeutet sie eine Last) zugemutet wird. Es ist deswegen nicht verwunderlich, was unZ ein mit der Führung der englischen Delegation betrauter Genosse hierüber mit- teilt. Derselbe schreibt: „Ich hatte einen der englischen Delegierten, der sich in der „Neuen Welt" verspätet hatte, per Auto nach dem Gcwerk- schaftöhaus der Hirsch. Dunckcrschen in d« Greifs- waldcr Straße zu bringen. Wir überholten ganze Trupps von Schutzleuten zu Fuß und zu Pferde, Polizeioffiziere, die in der Hafcnheide oder in der nächsten Umgebung wegen der Friedens- Versammlung stationiert gewesen waren. Verwundert fragte mich der Engländer, lvaö denn alle diese Uniformierten zu bedeuten hätten, ob es Soldaten wären usw. Ich gab ausweichende Ant- Worten, weil ich mich als Deutscher schämte, dem freien Eng. länder unsere ganze Schmach einzugestehen(daß ist unser Patrio- tiSmu», daß wir uns schämen), Mit elftem gewissen Recht mag man mich vielleicht fchcltcft, denn man sollte den Ausländern Wohl die Wahrheit sagen. Preußen-Deutschland der allgemeinen Ver- achtung preiszugeben das einzige Mittel. Besserung herbeizu- führen. Aber genug, die Scham überwog diesmal bei mir und ich würgte die Empörung in mich hinein.* » Auch der Verband der Deutschen Gewerkvereine Hirsch-Duncker hatte Sonntag zum Zweck der Friedensdemonstration seine Anhänger und Freunde zusammenberufen. Doch welch an- dercs Bild, als am Mittag der Süden Berlins , boten die Straßen in der Nähe des liberalen Gewerkvereinshauses in der Greifs- walder Straße, von dessen Front riesige Fahnen in den deutschen Reichsfarben herabwallten. Die Greifswalder Straße hatte selbst um 3 Uhr, dem Zeitpunkt der Anberaumung, kein anderes Aus- sehen, als sonst am Sonntagnachinittag. Nur hier und da an den Straßenecken und hinter den hohen Erdwällcn der aufgewühlten, im Umbau befindlichen Straße sah man einen SchutzmaiM, und ein Polizeiofsizier hielt auf bevorzugtem Posten Wacht. Dadurch wurden Spaziergänger aufmerksam, ohne sich lange aufzuhalten. Nur vereinzelte Neugierige harrten der Ankunft der Autos, welche nach 3% Uhr die englischen Arbeiterführer brachten. Inzwischen hatten sich der Saal und die Nebenräume gefüllt. Etwa 1000 Personen, wohl meist Gewerlvereinsmitglieder, waren zugegen, als die Versammlung gegen 4 Uhr eröffnet wurde. Als Ehrengast war der ehemalige Staatsminister von Berlepsch erschiene». Herr H a r t m a n n, der Vorsitzende des Generalrats, hieß die englischen Gäste willkommen, deren Erscheinen lebhaft begrüßt worden war. — Von diesen nahmen auch hier die Herren M a d d i s o n, S h a ck l e t o n. I. A. Allen und A p p l e t o n das Wort zu der Adresse, die überreicht wurde. Die Ausführungen waren die gleichen, wie in der„Neuen Welt". Sie wurden mit großem Bei- fall aufgenommen.— Herr Goldschmidt, der Verbandsvor- sitzende, beantwortete die Ansprachen und die Adresse der englischen Friedensfreunde. Einstimmig wurde folgende Resolution angenommen:„Die Versammlung billigt die Antwort des Zentralrats auf die Adresse und bringt erneut zum Ausdruck, daß die deutsche Arbeiterschaft in Friede und Freundschaft leben will mit allen Kulturnationcn, insbesondere mit dem Volke Großbritanniens . Unsere Parole ist: Krieg dem Kriege— hoch die Arbeit— für Fortschritt und Kultur im friedlichen Wettstreit der Völker." poUtifcbc Qebcrficbt Berlin , den 21. September 1908. Intellektuelle und sittliche Größen des Reichsverbandes. Der ehrsame ReichSverband gegen die Sozialdemokratie hat Pech. Sein großer Führer und Stratege, der General v. Liebert kapriziert sich in komischer Ueberschätzung seiner Fähigkeit immer mehr darauf, der Welt den Beweis zu liefern, daß zum Generalwerden und zur Leitung antisozialdemokratischer, patriotischer Vereine in Preußen gleich wenig Berstand gehört. Nachdem Herr Liebert tagelang zu dem Bericht der„Potsdamer Zeitung" über seine KommerSrede geschwiegen hat, entdeckt«r jetzt Plötz- lich, daß er doch nicht so ganz daS gesagt hat, waS ihn das Potsdamer Blatt hat sagen lassen. Nach seiner Be- richtigung will er gesagt haben: „Der Sieg von Sedan war nicht nur ein militärischer, sondem auch ein Sieg des Protestantismus über den UltramontaniSmuS. Ich erinnere an die Kaiserin Eugenie , die diesen Krieg als„ma. petite guorre" bezeichnete. Dem Siege von Sedan verdanken wir die Idee des deutschen Kaisertums, denn unmittelbar nach Sedan forderten Treitschke und andere Patrioten das Aufleben der Kaiserwürde." Wir wissen nicht, ob Herr v. Liebert sich wirklich so geäußert hat; sein Gedächtnis ist bekanntlich etwas kurz; aber selbst, wenn dieser Wortlaut richtig sein sollte, so wäre eS auch noch so, denn der Unterschied zwischen dieser und der anderen Lesart ist so winzig, daß er kaum in Betracht kommt. Aber der Reichsverband hat nicht nur insofern Pech, alS sein führender Stratege sich als ein kurioser Politiker erweist, auf den selbst die nationaMberalen Blätter mit mitleidiger Geringschätzung herabsehen; auch die Art und Weise, in der der Reichsverband die Sozial- demokratie bekämpft, steht wieder mal am Pranger. Nachdem schon früher so manche seiner Größen zweiten, dritten, vierten Ranges sich als verkommene Subjekte erwiesen haben und inS Gefängnis wandern mußten, hat sich jetzt auch herausgestellt, daß der ReichSverband höchstwahrscheinlich mit dem jetzt in Chemnitz zu 16 Monaten Gefängnis verurteilten Erpresser Amandus Schubert paktiert hat und ihm bei der Herausgabe feiner Broschüre zur Rettung der deutschen vaterländischen Ehrenhaftigkeit behilflich ge- wesen ist. Ein entsetzliches Pech I Monatelang ist Amandus Schubert vom Relchsvcrband als der sittlich strenge Mann gepriesen worden, der aus Ingrimm über die Unmoral in der Leitung der Chemnitzer Ortskrankenkasse sich zu der großen sittlich-patriotischcn Tat aufgerafft hat. die Mißwirtschaft bei dieser Kasse vor die Oeffentlichkeit zu bringen, und nun stellt sich heraus, daß dieser große, vom Reichsverband so hoch geschätzte Ethiker nicht nur die betreffende Broschüre nicht selbst geschrieben hat, sondern daß er nichts anderes ist, als ein ganz gewöhnlicher Er- Prester. So geht eine sittliche Größe des ReichSverbandeS nach der anderen flöten.—____ Sydows Empfänge. Wie tvenig in Deutschland das Bewußtsein für?on- stitutionelle Rechte entwickelt ist. zeigt am besten die Tatsache, daß die Empfänge der Vertreter bürgerlicher Parteien bei Herrn V. Sydow, um die geheimen Pläne über die Finanzreform zu erfahren, in der bürgerlichen Presse kein Wort der Kritik gefunden haben. Die Regierung hat sich diesmal nicht darauf beschränkt, die Führer ihrer Blockmajorität zu sich zu entbieten. Auch ein Teil der Opposition, nämlich das Zentrum, durfte seine Vertreter entsenden. Ausgeschlossen waren nur die S o z i a l- d e m o k r a te n. Run stehen wir sicher nicht im Ver- dacht, uns um einen Ministerempfang zu bemühen. Wogegen wir aber mit allem Nachdruck protestieren müssen, ist, daß sich die Regierung erlaubt, die parlamentarischen Parteien in zwei Gruppen zu teilen, in privilegierte Parteien, die rechtzeitig über die Rcgicrungs- vorlagen unterrichtet werden, und in entrechtete Parteien, die dann um so leichter überrumpelt werden können. In der Tat bedeutet dieses Vorgehen, daß den Ver- tretcrn der deutschen Arbeiterklasse auch noch die Gleich. bercchtigung innerhalb des Parlaments, die bisher rc- spektiert worden ist, in der unverschämtesten Weise geraubt wird. Würden unsere bürgerlichen Parteien überhaupt etwas übrig haben für die Würde einer Volksvertretung, so müßten sie selbst es mit aller Entschiedenheit ablehnen, daß die Reichötagsverhandlungcn zu einer Komödie herabgedrückt werden, deren Ergebnis schon längst vorher in einer ge- Heimen Verschwörung der Regierung mit einzelnen Parlamentariern ausgemacht worden ist. Es ist ein Unfug sondergleichen, wenn diese Herren, die ins Parlamenk gewählt worden sind, um die Interessen dc� Volkes zu vertreten, statt mit allem Nachdruck darauf zu bestehen, daß die Steucrpläne der Regierung endlich bekannt gegeben werden, sich auf ein Schweigegebot einlassen und damit zu Mitschuldigen an der Ver heim l i ch u n g und den» Ueberrumpelungsversuch der Regierung werden. Wenn die Abgeordneten unterrichtet worden sind, so haben sie unserer Meinung nach überhaupt nicht mehr das Recht, zu schweigen. Tun sie es dennoch, so degradieren sie sich damit zu sub- alternen Bureaukraten der Regierung, denen ein Minister ein Amtsgeheimnis auferlegen darf. Hätten sie etwas Pflichtbewußtsein, so hätten sie auf alle geheimen In- formationen verzichtet und mit aller Entschiedenheit die Veröffentlichung der Steuer vorlagen ver- langen müssen. Aber die bürgerlichen Abgeordneten fühlen sich schon lange mehr als Handlanger der Rc- g i e r u n g und nicht als Vertreter des Volkes. Die Landtagswahlen in Oldenburg . Aus Oldenburg wird uns geschrieben: Donnerstag, Freitag und Sonnabend fanden in Oldenburg die Wahlmännerwahlen für die Mitte Oktober stattfindenden Abgeordneten- Wahlen statt. Soweit sich bisher übersehen läßt, werden in den Neuen Landtag mehr Agrarier einziehen, als bisher in demselben saßen. Die Sozialdemokratie hat den Wahlkreis Rüstringcn be- hauptet, doch das eine Mandat im Fürstentum Lübeck verloren. Vor- auSsichtlich wird sie jedoch dafür ein Mandat im Fürstentum Birkenfeld gewinnen. Da Riistringen jetzt vier sbisher drei) Abgeordnete in den Landtag schickt, so wird sich die Zahl unserer Sitze demnach um einen vermehren. Im 1. Wahlkreise(Oldenburg ) hat sich unsere Stimmenzahl gegen die letzte Wahl im Jahre IWö etwas erhöht(von 1220 auf 1800), doch stehen dort 31 sozialdemokratische Wahlmänncr 104 bürger- lichen gegenüber. V4 von diesen sind allein in der Stadt Oldenburg gewählt, die somit die Mehrheit hat. Die Meldung des„Berliner Tageblatt", daß die dortigen Liberalen, um Kandidaten durch- zubringen, ein Kompromiß schließen ntüssen, ist also falsch. Gewaltige Anstrengungen haben die Agrarier besonders im 2. Wahlkreise(Delmenhorst ) gemacht. Sozialdemolraten und Links- liberale hatten dort ein Kompromiß geschlossen, um einen Sieg der Agrarier zu verhindern. Obwohl in der Stadt Delmenhorst die Liste der ersteren siegte, haben die Agrarier alle anderen Orte dieses Wahlkreises gewonnen und werden somit 6 Abgeordnete entsenden. Unsere Stimmenzahl ist annähernd die gleiche geblieben(1400 im Jahre 190S). Die Gegner haben dort über 300 Stimmen gewonnen. Einen guten Stimmenzuwachs hat der 3. Wahlkreis(Butjadingen ) aufzuweisen, wo unsere Stimmen von 260 auf über 400 gestiegen sind; die der Gegner von 400 auf über 500. Der 4. Wahlkreis(Varel ) hat uns einen Verlust von etwa 100 Stimmen gebracht, während die Gegner etwa 200 Stimmen mehr erzielten. Im 5. Wahlkreise(Jever) haben wir ungefähr dieselbe Anzahl Stimmen(250) wie 1905 erhalten; die gegnerischen Stimmen aber stiegen von 200 auf etwa 500. In Rllstringen wurden 1389 sozialdemokratische Stimmen (1905: 1404) und 500(141) bürgerliche abgegeben. Das katholische Münsterland bildet den 6. und 7. Wahlkreis, dort ist Zentrum Trumpf und iverden dessen Wahlmäitner, meist ohne eine Gegenliste, mit wenigen Stimmen gewählt. Wie schon oben erwähnt, verlieren wir daS Mandat im Fürsten tum Lübeck und können dafür auf eins aus dem Fürstentum Birkenfeld rechnen. Dort hat sich besonders in Oberstein »insere Stimmen- zahl erhöht auf 270 gegenüber 137 bürgerlichen(nicht Wahlmänner, wie es in unserer Sonnabend-Nummcr hieß).' Alles in allem haben wir, soweit sich bis jetzt feststellen läßt, etwa 100 Stimmen gewonnen, die bürgerlichen Parteien jedoch etlva 1500. Den größten Teil des Zuwachse? erhielt der Bund der Land- Wirte, der wochenlang seine Agitatoren im Lande herumsandte. Ob sich im neuen Landtag eine Mehrheit für das direkte Wahl- recht und das neue Schulgesetz finden wird, läßt sich noch nicht sagen. Neue Zwistigkeiten im Flottenverei». Die„Keimlinge" im Deutschen Flottenverein können sich noch immer nicht darüber beruhigen, daß ihr„großer" Keim kaltgestellt worden ist und an seiner Stelle der Admiral v. Köster das Prä- sidium übernommen hat. Besonders ist ihnen der Vorstand des bayerischen Landesverbandes des FlottenvereinS verhaßt, da in diesem die Hauptgegner KeimS das Wort führen. Die gestern in Rudolstadt abgehaltene Hauptversammlung des„keimfreundlichen" Landesverbandes für das Grobherzogtums Sachsen hat einstimmig folgenden Beschluß gefaßt: „Die Hauptversammlung des Landesverbandes des Großherzog- tnms Sachsen erhofft vom Präsidium und vom Präsidenten Groß- admiral v. Köster zuversichtlich, daß der'in Danzig gefaßten Resolution ohne jeden Vorbehalt in allen Landesverbänden Geltung verschafft wird, und daß der Deutsche Flottcnverein wieder im Sinne deS alten Kurses seiner filr die Nation so wichtigen Tätigkeit zugeführt wird, die durch die Streitigkeiten der letzten Jahre so schwer unterbunden worden ist. Zugleich erklärt die LaudeSversammlung schon heute, zu der Hauptversammlung des Deutschen Flotten- Vereins in Nürnberg 1999 keine Vertreter entsenden zu können, wenn die Herren: NeichSrat Freiherr v. Wuertzbnrg, Kammerherr Spieß und Re- gierungsrat v. Braune den Vor st and im bayc- tischen Landesverband ausüben, gleichviel, ob sie in Nürnberg anwesend sein werden oder nicht. Die Landes- Versammlung erblickt in diesen Herren eine Gefahr für die Einigkeit des Deutschen FlottenvereinS . Wenn etwa dem Landes- verband der Besuch der Hauptversammlung und bannt die Mit- arbeit an der EntWickelung des Vereins unmöglich gemacht wird. so steht die Landesversammlung nicht an. zu erklären, daß damit ihr weiteres verbleiben im Deutschen Flotten- v e rZe i n a u s g e s ch l o s s e n t st."— Reform des preußischen Bergrechts. Die„Neue pol. Tageödcp." meldet, daß gegenwärtig in der Berg« abteilung des Handelsministeriums mit den Vorarbeiten zu einer Neugestaltung deS Berggesetzes begonnen wird. Die Reform wird sich vor allem nach zwei Richtungen er- strecken. ES soll einmal eine Aenderung in der Organisation derBergbehürdc'N eintreten, indem getrennte Behörden geschaffen werden für den Bergbau- betrieb und für die staatliche AufsichtSbefugniS. Femer soll gegen Entscheidungen der Bergbehörden daS Verwaltungsstreit» verfahren eingeführt werden. Diese letztere Reform aber wird die Ursache sein, daß eine baldige Vorlage deS neuen Berggesetzes nicht zu erwarten ist, da das gegenwärtige Berwaltungs« streitverfahren im Rahmen der Neuorganisation der iimercn Vor- ivaltung möglicherweise ebenfalls eine Umgestaltung erfahren wird. Und bevor hierfür die Grundzüge nicht feststehen, kann naturgemäß auch dieser Teil des neuen Bcrggesctzcntwurfcs nicht zum Abschluß gebracht werden. Es ist ferner ivuhrscheinlich, daß die in det letzten Novelle zum Berggesetz vorgesehene Regelung der Verleihung von
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