Nr. 223. 25. Jahrgang.

3. Beilage des„ Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Mittwoch, 23. September 1908.

Der Parteitag von Florenz  .

Florenz  , den 19. September.

Bericht des Parteivorstandes, den Genosse Paoloni gibt.

unterbrochen wird, sowie Alfeni, der dem Vorstand die Ver- Rat zu geben. Das werde sie sich immer wieder erlauben. nachlässigung der Agitation in den südlichen Provinzen zum Vor- Wir müssen den Mut haben, uns der Popularität entgegen­wurf macht. zustämmen, wir dürfen nicht die Lobhudler des Proletariats

Sehr heftig geht gegen den Parteivorstand Genosse Modiglioni, sein. Ihm hätte man vorgeworfen, daß er gleich nach ein Reformist, vor, der den Vorstand der Untätigkeit und Schlaffheit dem römischen Blutbad auf der Piazza del Geju eine Artikelferie Erster Verhandlungstag. beschuldigt. Für die Südprovinzen habe man gar nichts getan. im„ Avanti" veröffentlicht habe, um die Proletarier davon zu über­Mit großer Feierlichkeit ist heute vor einem über tausend Köpfe vernehmens, sondern beständigen Haders gewesen. Die Stellung gegenüber den Gewerkschaften sei nicht die des Ein- zeugen, daß es unrecht sei, die Soldaten mit Steinen und gar mit Modiglioni Mauersteinen zu beiverfen. Er schäme sich dieser Artikel nicht, im zählenden Publikum von Delegierten und Gästen im Theater berührt dann auch die Siege der autonomen Zirkel. Der Gegenteil: er halte es für eine bessere revolutionäre Erziehung, den Savini der zehnte Parteitag der italienischen Sozialisten er­öffnet worden. Nach den üblichen Begrüßungsreden und Bureau- Borstand hätte den Mut haben müssen, über das Organi- Arbeitern zu sagen: werft keine Steine auf die Soldaten, aber wenn sationsstatut wegzuschreiten und die Mailänder ihr sie schon werfen wollt, so lauft nachher nicht auseinander wie wahlen erstattete der Sekretär Genoje Mongini den Bericht des Reformisten als berechtigte Mitglieder der Partei anzuerkennen. Redner die Hasen, sondern nehmt mit Mut die Antwort entgegen.( Beifall.) Sekretärs. Aus seinem schriftlichen Bericht über den Stand der legt eine Tagesordnung in diesem Sinne vor. Morgani entwirft die Geschichte der autonomen Zirkel in Mailand  Organisation haben wir seinerzeit im Auszug mitgeteilt. Er Ihm folgt ein Arbeiter, Genosse Ratti, von der Mailänder und zeigt, wie brutal und mit welch überlegenem Hochmut die Re­gibt jetzt einen ganz kurzen Bericht, in dem er unter anderen nach- Parteiorganisation. Für Turati gäbe es außer den Reformisten in formisten jeden Ginigungsversuch abgelehnt hätten. Sie spotteten frägt, daß die Zahl der Sektionen am 15. September auf 1312, die der Mailänder   Parteibewegung nur dumme Jungen oder Verrückte. über die kleinen Menschlein im Parteivorstande", und da Treves, der Mitglieder auf 44 114 gestiegen war, was am Jahresschluß einen Die Reformisten seien es, die die Einigung nicht gewollt hätten. Er einer der Mailänder   Autonomisten, in diesem Augenblick voll Suffi­Mitgliederbestand von mindestens 45 000 verheißt, eine bisher in weist darauf hin, wie ehrlich, mit wie großer Hingebung von der fance lächelt, ruft Morgari, plöglich ausbrechend, aus:„ Mit Eurem der italienischen Partei noch nicht erreichte Zahl. Dem Sekretär offiziellen Parteifektion auf die Herstellung der Einheit hingearbeitet Lächeln und Eurem Epott habt Ihr mehr Schaden getan als Ihr wird Decharge erteilt. fönnt.'( Langandauernder Beifall.) Von der Etwas unruhig wurden die Wellen des Kongresses, als worden sei. Genosse Lazzari, der sich auf Grund persönlicher verantworten ein Genosse vorschlägt, den Opfern des Streits von Parma   Differenzen mit einigen Genossen als ein Hindernis der Einigung offiziellen Parteisektion seien zwar auch Fehler begangen worden, einen Gruß zu senden, aber Genosse Costa beschwört taktvoll den gefühlt hätte, sei sogar aus der Mailänder   Organisation ausgetreten, aber sie haben doch besseren Willen gezeigt. Nachdem Genosse Lazzari in so versöhnender Weise von der Sturm, indem er den Vorschlag macht, alle nationalen und inter  - um den Friedensschluß zu erleichtern.( Beifall.) Der nächste Redner, Genosse Bussi, Mitglied des Partei- Möglichkeit gesprochen hatte, die Tagesordnung Modigliani   mit dem nationalen Opfer des Klassenkampfes in den Gruß einzubegreifen. vorstandes, führt aus, daß man die einzelnen Handlungent des Zusatz Lazzari anzunehmen, reden mehrere Genossen den Autono­Zu neuen Kontrasten scheint der 3arenbesuch Anlaß geben Parteivorstandes als Ausfluß der in Rom   angenommenen integra- misten zu, doch eine Erklärung abzugeben, die auf Frieden deutet. zu sollen. Genosse Bergamasco fchlägt vor, daß der Kongreß listischen Resolution ansehen müsse. Nicht alle Vorstandsmitglieder In der Tat gibt Turati eine Erklärung in diesem Sinne ab. Er sich verbinden solle, im Falle eines 3 arenbesuches in Italien   wären ganz mit dieser Resolution einverstanden gewesen.( Zwischen- würde für die Tagesordnung mit Zusatz stimmen, aber er wolle erst den Selbstherrscher aller Russen auszupfeifen. ruf:„ Wenn man von einem Grundsatz nicht überzeugt ist, braucht sicher sein, daß der Zusatz keinen Doppelsinn enthalte. Wenn Dis­Nach einigem Für und Wider wird dieser Vorschlag der Kommission man sich nicht danach zu richten".) Bussi, fortsetzend: Jawohl, mein ziplin Zusammenleben und Arbeiten bedeuten solle mit denen, mit für die Anträge zum Kongreß überwiesen. Freund, es gibt Umstände, in denen der einzelne einen Teil seiner denen Leben und Arbeiten unmöglich sei, so verzichte er darauf. Er Es folgt dann der Privatüberzeugungen zurückdrängen muß, um die Möglichkeit eines wolle das bißchen Leben, was ihm noch bleibe, in Arbeit für die Zusammenschlusses auf wesentlichen Uebereinstimmungen zu finden. Sache anlegen, aber nicht weiter in inneren Kämpfen. Er und die Hätte sich der Vorstand vor der ablehnenden und herrischen Haltung Seinen feien aber zur Versöhnung gestimmt und bereit. Das Er ist teilweise polemisch. In Nom hätte der Integralismus der Reformisten gebeugt, so würde er sich eines Aftes der Schwäche Lächeln, das Morgari an ihnen getadelt hätte, sei oft die Maske gesiegt mit dem ausdrücklichen Mandat, in der Partei die syndi schuldig gemacht haben. Indem er aber dem Organisationsstatut blutiger Tränen gewefen. Die Reformisten wollen auf dem Boden kalistische und die reformistische Degeneration zu beschneiden. Es die denkbar weiteste Auslegung gab, handelte er aus Liebe zur der Partei arbeiten. hätte sich dem Parteivorstande in den letzten zwei Jahren aber nur Parteieinheit und aus brüderlichem Sinn für die Mailänder Sozia­die Gelegenheit geboten, syndikalistische, nicht reformistische Erzesse listen.( Andauernder Beifall.) zurückzuweisen. Paoloni spricht auch über die Haltung des Bor- Lazzari, der nächste Redner, vertritt zunächst ein Votum, ner, vertritt zunäc standes zum Eisenbahnerstreik, zum Streit von Parma   und im das das Verhalten des Barteivorstandes in Sachen des geplanten allgemeinen über die Beziehungen zur Konföderation der Arbeiter. Eisenbahnerstreiks beklagt. Dann hebt er die geringe Unterstützung Der erste Diskussionsredner ist Turati, der nicht und die geringe Propagandierung der italienischen Parteisektion im möchte, daß man jezt über die prinzipielle Haltung des Vorstandes Auslande hervor. Schließlich kommt er auf die Frage der autonomen diskutiere. Diese Frage finde besser in der nachfolgenden Diskussion Zirkel zu sprechen. Gewiß, der Kongreß sei souverän und könne das über die Taktik und den Generalstreit ihren Platz. Dann geht Turati auf Organisationsstatut zerreißen und die Existenz zweier unab die Frage der autonomen Zirkel in Mailand   über. Der hängigen Organisationen in Mailand   erlauben; in Mailand   erlauben; dann solle Parteivorstand wolle, seinem Drganisationsstatut zu Ehren, die er aber wenigstens zur Tagesordnung Modigliani   einen Reformisten zum Eintritt in die Einheitsorganisation zwingen. Man Zusatz annehmen, der die Anerkennung der Parteidisziplin könne aber nicht ein Bündnis mit seinen Feinden schließen. Den zur Pflicht macht.( Beifall.) Man braucht eine solche Dis­Reformisten von Mailand   läge nichts daran, auf dem Kongresse als Re- ziplin. Ohne sie entferne sich die Partei immer mehr von der ferenten oder Abgeordnete geduldet zu werden. Sie wurzeln im Leben Aktion, die den wahren Interessen des Proletariats entspricht. der Partei und fordern deshalb Zutritt zum Kongreß. Der Vorstand Von Beifall empfangen betritt Genosse Morgari, jest Chef habe sich in Haltlosigkeiten gefallen. Entweder lehnte man redakteur des Avanti", die Rednertribüne. In einer langen Rede die Grundsäge der Reformisten ab und stieße sie meist er die Anklagen gegen den Vorstand zurück. Noch nie hätte aus dem Parteiverband aus oder aber man ließe ein Barteivorstand so regelmäßige Beziehungen zur Konföderation Bei Abstimmung über die Taftif- Resolution siegte soeben eine diese Grundsäge als echt und sozialistisch gelten, der Arbeit hergestellt wie dieser hier. Auch hätte er für die Streifs dann dürfte man aber die Reformisten nicht aus alles getan, was in seiner Macht stand. Für die füditalienische reformistisch- integralistische Konzentration über reine Integralisten formalen Gründen ausschließen. Redner kommt dann Propaganda hätte es an Geld gefehlt infolge der großen Ansprüche und Intransigenten. Die Konzentration vereinigte rund 14 000 auf die Haltung der Mailänder   Reformisten bei dem Generalstreit des Avanti". Für die Agitation im ganzen Lande verfügt der Vor- Stimmen, Integralisten 6000, die Intransigenten 5000 Stimmen. zu sprechen, der auf das Blutbad von Pietrasanta   folgte. stand nur über zwei Propagandisten und den Parteisekretär 2er da. Die wesentlichen Arbeiten des Kongresses sind damit beendet. Der Weitere Kritiken wenden gegen den Parteivorstand die Genossen Was den Eisenbahnerstreit betrifft, so hätte sich hierbei allerdings Avanti" fällt den Reformisten zu. Modiglioni, Bonavite, der vom Kongreß vielfach lebhaft die Partei erlaubt, den Organisationen, die ihre Kinder sind, einen

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Heute!

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Obwohl diesen Erklärungen ein wesentlich verbindlicher Satz fehlt, begrüßt sie doch der Kongreß mit Jubel und Genosse Modigliani  erklärt sich bereit, seine Tagesordnung, die den autonomen Zirkeln Heimatsrecht in der Partei gewährt, zurück zuziehen. Auch der Präsident Costa meint, daß die Beifallsbezeugungen bei den Worten Turatis und Lazzaris besser seien als jede Abstimmung. So gilt die Frage für heute in dem Sinne für erledigt, daß man die Existenzberechtigung der autonomen Zirkel anerkennt. Ueber die Art ihrer Angliederung an die Partei wird man aber bei dem Punkt der Aenderungen des Organisationsstatuts beraten müssen.

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Schließlich geht mit guter Mehrheit eine Tagesordnung Dugoni durch, die dem Parteivorstand die Billigung des Kongresses ausspricht und sein Verhalten gutheißt, mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten und finanziellen Hindernisse verschiedenster Art, die von Anfang an seiner Aftion entgegenstanden.

Florenz  , 22. Sept., 8,03 Uhr nachm. ( Privatdepesche des„ Vorwärts".)

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