Punlt, d'ah neben den Zigärrengeschäften auch die Blumengeschäfte vom Achtuhrladenschluß ausgenommen werden sollen.— K w a s- nick, der in der Versammlung referierte, wandte sich gegen das Verlangen einer solchen Ausnahmebestimmung. Die Gründe, welche im Magistrat zugunsten der Ausnahme geltend gemacht wurden, seien hinfällig. Die Angestellten in Blumengeschäften haben ebenso wie die Angestellten anderer Branchen Anspruch auf den Achtuhrladenschluß, um so mehr, als sie nach Schluß des Geschäfts noch manche Arbeiten zu erledigen haben, die notwendig sind, um die Blumen und Pflanzen vor dem Verwelken zu schützen. Daß eine Ausnahme für die Blumengeschäfte nicht not- wendig ist, dafür geben einige große Geschäfte in den besten und verkehrsreichsten Stadtgegcnden selber einen Beweis, da sie schon jetzt regelmäßig um acht Uhr schließen.— In demselben Sinne sprachen sich auch die Diskussionsredner aus. Unter anderem wurde erwähnt, daß in München alle Geschäftsinhaber der ' Blumenbranche ohne gesetzlichen Zwang, durch freiwillige Verein- barung, um L Uhr schließen. Andere Großstädte, wie' Frankfurt am Main und Hamburg haben den gesetzlichen Achtuhrladenschluß. Was in anderen Großstädten ohne Geschäftsschädigung durchgeführt werde, das müsse auch in Berlin durchgeführt werden können.— Die Versammlung nahm einstimmig folgende Resolution an: „Die zahlreich versammelten Angestellten der Blumen- geschäfte im Polizeibezirk Berlin protestieren enregisch gegen jede Ausnahmebestimmung zum Achtuhrladenschluß. Sie erklären viel- mehr, daß gerade für die Blumengeschäftsangestellten die Arbeits- zeit noch über die Verkaufszeit um Vi bis% Stunde hinausgeht. Im übrigen treffen auch für die Blumengeschäfte alle Gründe zu, die den Achtuhrladenschluß auch für die übrigen Branchen not- wendig machen. Die Versammelten erwarten darum von der Stadtverordnetenversammlung, daß diese dem Beschluß des Magistrats und der Gewerbcdeputation, die Blumengeschäfte vom Achtuhrladcnschluß auszunehmen, nicht beitreten wird.">- Unter Cholcraverdacht. Wie aus dem Rudolf-Virchow-Krankenhause berichtet wird, hat die bakteriologische Untersuchung in dem Falle der Gattin des russischen Staatsrates Grigolewskh aus Peterhof in Rußland , die dort am Montag unter dem Verdacht der Choleraerkrankung ein- gebracht worden ist, heute mit Sicherheit ergeben, daß es sich hier nicht um Cholera asiatica, sondern um einen TyphuSfall mitt besonderen Erscheinungen handelt. Frau Grigolewskh wurde daraufhin gestern vormittag sofort auS der Cholerabaracke herausgeschafft und fand in einer anderen Baracke Aufnahme. DaS Allgemeinbefinden der Patientin ist vorläufig zufriedenstellend. Professor Dr. Klemperer, der Frau Grigolewskh vor der Ueber- führung nach dem Rudolf Virchow -Krankenhaufe in Behandlung hatte, begab sich, als ihm das Resultat der bakteriologischen Unter- suchung mitgeteilt wurde, heute selbst an das Krankenlager seiner Patientin. Die übrigen gleichzeitig mit Frau Grigolewskh im Rudolf- Virchow-Krankenhaufe eingelieferte Personen sind sämtlich gesund, so daß voraussichtlich ihre Entlassung bald erfolgen kann. Am Dienstag wurden der Arbeiter Koscopliada auS der Straße Am Schlesischen Bahnhof 5, seine zwei Töchter und zwei Schlaf- burschen nach der Infektionsabteilung des Rudolf-Virchow-Kranken- Hauses gebracht, weil die Frau des K. unter verdächtigen Umständen verstorben sein sollte. Die Untersuchung ergab, daß diese Personen oollkommen gesund sind. Eine amtliche Meldung besagt: „Bei der vorgestern unter choleraverdächtigen KrankheitS- erscheinungen in daS Rudolf-Virchow-KrankenhauS eingelieferten Frau Staatsrat Grigolewskh hat die Untersuchung mit Sicherheit ergeben, daß Typhus vorliegt. Im Falle der gestern gestorbenen Frau des Kohlenarbeiters KoScopliada ist vermutlich Brechdurchfall die Ursache. Die Familie und die beiden Schlafburschen, die alle ganz gesund sind, sind nur der Vorsicht wegen zur zeitweiligen Beobachtung als ansteckuugsverdächtig im Rudolf-Virchow-Krankenhaus untergebracht und isoliert, solange die Todesursache der Frau noch nicht bestimmt festgestellt ist."_ Großstadtelend. UnS wird geschrieben:„Gestern nach 10 Uhr abends ging ich von der Friedrichstraße nach dem Brandenburger Tor zu, als eine große Menschenansammlung meine Aufmerksamkeit rege machte. Ich drängte mich durch die Masse und sah auf der Schwelle einer Haustür eine Frau in mittleren Jahren mit verbundenem Gesicht, welche ein eiwa zwei Jahre alles Kind im Arme hielt; neben ihr hockten ein Knabe im Alter von etwa fünf Jahren und ein Mädchen, daS zirka acht Jahre alt sein mochte. Alle befanden sich, ihrer Verfassung nach zu urteilen, in sehr großer Not. Angeblich wurde die Frau— deren Mann derzeit von Berlin abwesend ist, von ihrem Hauswirt exmittiert, da sie die Miete nicht bezahlen konnte. Sie wandte sich an den Armenvorsteher, der die Aermste unter der Angabe:„Er könne nichts für sie tun, wenn ihr Mann nicht persönlich zu ihm komme", abgewiesen haben soll. Schließlich fanden sich unter der. Menge Retter. Ein Herr gab einen größeren Geldbetrag und eine.Dame notierte sich die Adresse der armen Frau und versprach für den nächsten Tag Hilfe. Ein Schutzmann brachte hierauf die arme Familie nach der Wache." Erwünscht wäre, wenn der Name des Armenvorstehers fest- gestellt werden könnte, der so seine Pflicht verletzte. Unter dem dringenden Verdacht de-Z Raubmordes rist Dienstag der 43 Jahre alte Maler Albert S e n g e r aus der AndreaSstr. 58 verhaftet worden. Das Verbrechen, das ihm zur Last gelegt wird, erinnert in seinem ganzen Plan und in allen Einzelheiten an die Ermordung deS Kellners Giernoth durch den später hin-. gerichteten Lederarbeiter Rudolf Hennig. Senger wird be- schuldigt, den 25 Jahre alten Hausdiener August Franke ans der Fehrbelliner Straße 11 durch eine Vorspiegelung nach der Provinz verschleppt und im Walde ermordet und beraubt zu haben. Die Leiche wurde am 27. August in den gräflich Brühlschen Waldungen bei Forst in der Niederlausitz eine Meile vom Wege entfernt von einem Reistgsucher aufgefunden. Die Obduktion ergab als Todesursache einen Schuß, der von hinten nach vorn durch den Kopf ging. Man nahm zuerst Selbstmord an, bis sich der Verdacht auf Senger lenkte. Erwiesen ist, daß Senger an demselben Tage in Begleitung eines solchen gutgekleideten Mannes, der einen Ueberzieher trug, nach Forst gefahren ist, Ivo er sich aber am 25. und 23. weiter mit ihm aufgehalten hat, ist noch nicht bekaimt. Ei» verhängnisvoller Znsanlmenstoß ztvischen einem Straßenbahn- wage» und einem Automobil fand gestern nachmittag am Oranien- burger Tor statt. Der Chauffeur eines DroschkenautomobilS, in dem sich zwei Frauen und ein Mann befanden, kam die Chausseestraße herunter gefahren. Am Oranienburger Tor stieß er mit dem Kraftivagen gegen den aus entgegen- gesetzter Richtung kommenden Motorwagen Nr. 2756 der Linie 26. Durch die Gewalt des Anpralls wurde das Automobil Kr Seite geschleudert und zwei der Insassen, der Arbeiter Paul Ripprecht. Nügener Straße 22. und dessen Braut. Marie Megereit, wurden auf die Straße geschleudert. Sie erlitten beide am Kopfe schwere Verletzungen und wurden auf der Unfallstation mit Not- verbänden versehen. Zcugengesuch. Am Freitag, den 4. d. M.. nachmittags gegen g Uhr, wurde ein Mann am Küstriner Platz von einem Straßen- bahnwagen der Linie 78 überfahren. Diejenigen, die den Vorfall gesehen haben, werden gebeten, sich brieflich oder mündlich bei A. Dittmann, Zorndorfer Str. 13, vorn ll, zu melden. Im Gebrüder Herrnfeld-Theatcr gelaugt am 1. Oktober eine Novität:„Die beiden Bindebandcls" betitelt zur Erstausführung. Fcucrwchrnachrichtcn. Der Berliner Automobillöschzug wurde gestern abend nach der GreifSwaldcr Straße 62 alarmirt, wo ein Strohhaufen auf freiem Felde angezündet worden war. Mit einer Schlauchleitung wurde der Brand gelöscht. Der 12. Zug hatte in der Schlveriuftr. 12 zu tun, wo das Zwischengebälk in einer Küche brannte, und in der Bülowstr. 56, wo in einer Tischlerei Feuer aus- gekommen war. Der 19. Zug rückte abends nach der Charlotten- flraße 72 aus, dort war ein Gasmesser geplatzt und Gas ausgeströmt. Die Wehr beseitigte die Gefahr. Betten, Gardinen usw. wurden in der Sieboldstr. 3 ein Raub der Flamme». Der 1. Zug hatte in der Prenzlauer Straße 6 einen kleinen Wohnungsbrand zu löschen. Heute früh lief ein Alarm aus der Paul-Heyse-Straße ein. Grober Unfug ivar die Ursache. Der Täter wurde ergriffen und der Polizei übergeben.___ Vorort- J�acbncbtern Charlotteubnrg. Die Ersatzwahlen an Stelle miserer Genossen Flemming und Schar nberg, deren Wahl der Bezirksausschuß infolge der durch den Wahlvorsteher und liberalen Stadtverordneten I o l e n- b c r g veraulaßten groben Verstöße gegen die gesetzlichen Vor- schrisien für ungültig' erklärt hat, finden am Montag, den 19, Ok- tober, statt. Obwohl weder Scharnberg noch Flemming als HauS- bescher gewählt worden waren, muß jetzt einer der beiden zu Wählenden plötzlich Hausbesitzer sein. DaS kommt daher, daß gleich- zeitig in einem anderen Bezirk ein bürgerlicher Stadtverordneter, der Hausbesitzer ist, sein Amt niedergelegt hat. Das Los hat nun entschieden, daß nicht im 8. Bezirk, der bisher durch einen Hausbesitzer vertreten war, sondern im 5. Bezirk, wo Scharnberg und Flemming gewählt waren, ein Hausbesitzer zu wählen ist. Also nicht genug damit, daß zwei Sozialdemokraten aus der Stadtverordneten-Ver- sammlung einfach entfernt werden, weil der Wahlvorsteher zur Er- füllung seines Amtes unfähig ist, ist den Wählern auch die Möglich- keit geuommeu, die Männer ihres Vertrauens von neuem zu wählen; einer der beiden bisherigen Vertreter muß auf die Wiederwahl ver- zichten, da keiner von ihnen Besitzer eines Hauses ist. Der Blöd- sinn des Dreiklassenwahlsystems für die Gemeindewahlen wird nur noch durch das preußische Landtagswahlrecht übertroffen. Daß die Sozialdeinokraten alles aufbieten werden, um zu verhindern, daß das Mandat der FreisinnSclique zufällt, braucht nicht noch besonders betont zu werden. Wenn jeder Genosse seine Pflicht tut. dann wird der Sieg allen gesetzlichen Schwierigkeiten und allen Machinationen zum Trotz der Sozialdemokratie zufallen. Eine Vereinbarung mit dem Verein Säuglingsheim unterbreitet der Magistrat den Stadtverordneten zur Genehmigung. Dieser Verein betreibt vom 1. Oktober 1993 ab in der Platanenallce auf Westend ein auf seine Kosten errichtetes Säuglings- und Mütterheim. Das Säuglingsheim gewährt mit seinen zurzeit bestehenden Einrichtungen 49 Säuglingen mit ihren unverehelichten oder eheverlassenen Müttern für je drei Monate nach der Entbindung, also jährlich 169 Säuglingen und Müttern unentgeltlich Unterkunft und Pflege, Nach Ablauf der drei Monate können ferner in dem mit dem Säuglingsheim verbundenen Mütterheim 40 Mütter mit ihren Kindern gegen einen Pflegesatz von monatlich 29 M. für das Kind und 5 M. Schlafstellengebühr für die Mutter ohne zeitliche Beschränkung Aufnahme finden. ES sollen vor- zugsweise Charlottenburgerinnen berücksichtigt werden. Die Stadt gewährt dem Verein einen Zuschuß von jährlich 6909 Mark, sie er- hält als Gegenleistung für die dem Verein von der städtischen Armenverwaltung überwiesenen Säuglinge und Mütter 6209 freie Verpflegungstage in jedem Jahre, und zwar 5999 Verpflegungstage oder 14 Betten für Kinder mit Müttern, 1299 Verpflegungstage oder 4 Betten für Kinder ohne Mütter. Es ist mit Sicherhett zu erwarten, daß die Stadtverordnetenversammlung dem Bertrage zu- stimmt. Schöneberg . Der neue städtische Friedhof an der„Blanken Hölle" ist der Be- Nutzung übergeben worden. Leider ist bisher verabsäumt worden, eine Fahrverbindung nach dem Friedhofe zu schaffen, und gehört ein etwa einstündiger Marsch im Sonnenbrand wie auch bei schlechtem Wetter gerade nicht zu den Annehmlichkeiten. Dringendes Bedürfnis ist die Anlage einer Fahrgelegenheit. Von dem aus dem Kirchhof zu errichtenden Krematorium ist bisher nichts zu bemerken. Wilmersdorf . Ein gewaltiger Dachstuhlbrand, bei dem zwei Feuerwehr- leute verunglückten, kam am Dienstagabend in dem Eckhause Holsteinische Straße 53» Gasteiner Straße 6 zum Ausbruch. Das Feuer muß schon lange Zeit aus dem Boden ungemerkt geschwelt haben, denn als man aus die Gefahr aufmerksam wurde, schlugen schon aus mehreren Stellen des Dachgeschosses Flammen hervor. In wenigen Minuten brannte dann der Dachstuhl an beiden Straßenfronten. Die alsbald herbeigerufene Feuerwehr aus Wilmersdorf griff angesichts dieser gefährlichen Situation mit sechs Schlauchleitungen ein. Erst nach fast zweistündiger Lösch- tätigkeit war die Gewalt des Feuers gebrochen. Mit der vollständigen Ablvschung und Aufräumung hatte die WilnierSdorfer Wehr biS gegen Mitternacht am Brandplatze zu tun. Der Dachstuhl deS Vorderhauses ist an beiden Fronten vollständig vernichtet. Bei den Ablöschungs- arbeiten verunglückten leider auch 2 Feuerwehrleute. Der Feucrmann Wangrin wurde von Stichflammen erfaßt und erlitt schwere Brand- wunden im Gesicht und an den Händen, der Feuerwehrmann Busse trug Brandverletzungen an den Armen davon. Infolge mehrfacher Alarmierungen waren auch die Feuerwehren von Charlottenburg und Schmargendorf nackt der Brandstelle geeilt. Beide Wehren traten aber nicht in Tätigkeit. Ueber die EntstehungSursache läßt sich be- stimmkeS noch nicht sagen, doch geht unter den Hausbewohnern das Gerücht, daß das Feuer unbedingt angelegt worden ist. Die Ermittelungen nach dieser Richtung hin sind noch im Gange. Ein zweiter gewaltiger Dachstuhlbrand brach gestern vormittag nicht weit von der ersten Brandstelle entfernt, in dein Hause Uhlandstraße 116/117 auS. Auck hier scheint Brand - st i f t u n g vorzuliegen, denn es brannte gleich an mehreren Stellen. Die Flammen griffen mit unheimlicher Schnelligkeit um sich und sprangen vom Dagstuhl des V o r d e r h a u s c s auf die Dach- stühle der angrenzenden Seitenflügel über. Infolge starker Rauchentwickelung batte die Wilmersdorfer Wehr einen schweren Stand. Von dem Dackistuhl des Vorderhauses konnte� nichts mehr gerettet werden, die Dachstühle der beiden Seitenflügel find teilweise zerstört. Treptow . Ueber postalische Mißstände wurde im Treptower Grundbesitzer- verein Klage geführt. Insbesondere der Berlin nächstliegende Orts- teil zwischen der Görlitzer Bahn und der Rixdorfer Weichbildgrenze ist in postalischer Beziehung arg vernachlässigt, er besitzt nicht nur kein Postamt, sondern nicht einmal eine M a r k e n v e r k a u f S st e I l e. Aucki im übrigen Treptower Gebiet. namentlich im Bezirk deS Postamts 36, soll die Bestellimg usw. viel zu wünschen übrig lassen. Beschlossen wurde, an die kaiserliche Ober« postdirektion das Ansuchen zu richten, den Mißständen, in erster Linie durch Errichtung eines Zweigpostamtes im Berliner OrtSterl. abzuhelfen. Ckncbts- Zeitung. Konflikt zugunsten eines BolkSschullchrerS. Im September 1906 hatte der damalige Volks schullehrer Rett - schlag in der 262. Gemeindeschule in der Seestraße zu Berlin den 13jährigen Schüler Günter stark gezüchtigt. Nach einem ärztlichen Gutachten soll das Gefäß des Knaben ausgesehen haben, als ob es blau und rot angestrichen war. Frau Günter begab sich zum Rektor, um sich zu beschweren. Sie war aus jenem Anlaß ziveimal dort. Der Lehrer Nettschlag kam hinzu und äußerte sich sehr abfällig über den Jungen. Der Vater ver- klagte den Lehrer beim Schöffengericht wegen Beleidigung. Er hatte auch Strafantrag wegen Körperverletzung gestellt, das Verfahren in dieser Sache stellte aber später die Staatsanwaltschaft wieder ein. Die Beleidigungsklage kam seinerzeit vor dem Schöffengericht zur Verhandlung. Nettschlag ver- teidigte sich damit, daß der Knabe durch sehr schlechtes Verhalte» Anlaß zu der Züchtigung und auch dazu gegeben habe, daß An- geschuldigter sich über ihn bei passender Gelegenheit scharf äußerte und auch dabei das Verhalten der Eltern berücksichtigte. Er habe bessernd wirken wollen, DaS Schöffengericht sprach den Angeklagten frei, ES ver» neinte die Absicht der Beleidigung. Das Provinzial-Schulkollcgium erhob, nachdem Günter Berufung eingelegt hatte, zugunsten des Lehrers Nettschlag den Konflikt, aber nur insoweit, als es sich um Aeußerungen vom 29. und 25. September handelte, die im Rektorzimmer fielen. Insoweit verlangte das Provinzial- Schulkollcgium die endgültige Einstellung des Strafverfahrens gegen den Lehrer, indeni eS ausführte: Der Angeschuldigte habe zu der Ehefrau deS Klägers gesagt, der„Lümmel" habe sich ungebührlich betragen, er bedauere nicht, daß er den„flapsigen Lümmel" geschlagen habe. Am 25. September habe R. in Gegen- wart des Rektors die Bezeichnungen wiederholt. Nicht die Absickt, zu beleidigen, sondern die, erzieherisch einwirken zu wollen, habe R. geleitet. Die allerdings drastischen Aeußerungen(FlapS, Lümmel, Flegel) stellten deshalb keine Amtsüberschreitung dar. Das Ober-BerwaltungSgericht erklärte den Konflikt am 22. September in der vom Probinzial-Schiilkollegium gewünschten Beschränkung für begründet, es entschied also, daß der Be- leidigungsprozeß gegen Rctischlag(der übrigens inzwischen sein Amt selber aufgegeben hat) insoweit endgültig einzustellen sei. als die Bezeichnungen Flaps(flapsig). Lümmel und Flegel am 20. und 25. September 1906 gefallen seien. Er führte auS: Ob es taktvoll war. in Gegenwart der Mutter so von ihrem Sohn zu sprechen, möge dahingestellt bleiben. Jedenfalls habe der Lehrer die Worte nur gebraucht in der Absicht, mittelbar auf ein besseres Vcr- halten des Knaben einzuwirken. Die Ausdrücke seien kräftig, es sei aber nicht anzunehmen, daß R. damit seine LlmtSbesugnisse über- schritten habe. S o w e i t sich der Privatkläger, seine Frau und sein Sohn noch durch andere Aeußerungen beleidigt fühlten, nimmt das Privat- klageverfahren in der Berufungsinstanz natürlich seinen Fortgang. Aus diese anderen Aeußerungen wurde in dem KonfliktZverfahren nicht eingegangen._ Falschspieler. Da? Treiben in einer Spielhölle in der Elsasserstraße, die fast ausschließlich von Falschspielern und Bauernfängern besucht werden, kam in einer Verhandlung zur Sprache, mit der sich gestern die fünfte Strafkammer des Landgerichts I zu beschäftigen hatte. Wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels war der Schuhmacher Otto Mann angeklagt.— Anfang Juni dieses Jahres kam der Oberschweizer B u ch h o l z aus seinem kleinen märlischen Dörfchen Hönow das erste Mal nach Berlin , um sich hier eine besser bezahlte Stellung zu suchen. In einem Lokal in der Nähe des Stettiner Bahnhofes machte B. die Bekanntschaft eines Mannes, mit dem er nach einiger Zeit ein Lokal in der Elsasser Straße 69 besuchte. Hier gesellte sich, ebenfalls wie zufällig, ein dritter Mann zu ihnen, der, nachdem man einige Zeit gekneipt hatte, den Vorschlag machte, sich durch ein kleines Spielchen die Zeit zu vertreiben I Bei dem harmlosen„Sechsundsechzig" gewann Buchholz mehrere Mark. Er tvar deshalb damit einverstanden, als der hinzugekommene Dritte ein anderes Spiel vorschlug. Als Buchholz nach einiger Zeit aufftand, hatte er seine ganze Barschaft in Höhe von 70 Wl. verloren. Jetzt erst kam ihn» der Verdacht, daß er Falschspielern in die Hände gefallen war. Als er sich nach seinen Mitspielen: umsah, waren diese längst durch einen Hinterausgang verschwunden. An demselben Abend wurde in diesem Lokal der Lokomotivführer Liebenthal beim Spiel um 59 M. betrogen. Der unbekannte Dritte wurde in der Person des jetzigen Angeklagten Mann ermittelt. Das Gericht nahm nicht getverbs- mäßiges Glücksspiel, sondern Betrug au und erkannte mit Rüsicht auf vaS überaus gemeingefährliche Treiben deS Angeklagten auf eine Gefängnisstrafe von neun Monaten und zwei Wochen Haft.__ Vermischtes. Eine schwere Explosionskatastrophe hat sich gestern an Bord deS in der Nähe von T o u I o n übender» ftanzösischcn Kreuzers„Latouche-Treville" ereignet. Wahrscheinlich durch Entzündung einer Kartusche kam es bei einer Schießübung zu einer Geschützexplosion, die eine verheerende Wirkung ausübte. Elf M a n n, die daS Geschütz bedienten, wurden buch st üblich zermalmt. ES gelang bisher nur eine der Leichen zu rekog- noSzicren, Die anderen Opfer der Katastrophe sind bis zur U n» kenntlichkeit entstellt. Zwei Matrosen wurden schwer verletzt. Eine große Menge wartet am Strande und verlangt von der Marinepräfeltur Auskunft. Da diese eS verweigerte, die Einzelheiten des Vorfalls und die Namen der Verunglückten bekanntzngcbeir, er- eigneten sich mehrere Zwischenfälle und es werden Anschuldigungen erhoben wegen des Schweigens der Präfektur. Die Cholera. Ans Petersburg schreibt man uns vom 15. September: Alle eingeweihten und kompetenten Leute Petersburgs wissen es genau, und manckie sprechen eS auch mit einer ihre Position ge- fährdenden Offenheit unverhohlen auS, daß der Ausbruch der immer unheimlicher grassierenden Epidemie hier hätte vermieden werden können oder richtiger hätte vermieden werden m ü s s e n. Denn eS ist eine jener unverschämten Lügen, wie sie daS hiesige Regierungssystem züchtet, wenn die regrerenden Kreise eS hinaus- posaunen, die Cholera sei„überraschend" gekommen und hätte darum die städtische Verwaltung völlig unvorbereitet gefunden. Speziell Petersburg hätte rechtzeitig alle erforder» l i ch e n Vi a ß n a h m e n t r e f f e n können, ivenn dessen reaktiv- näre Gebieter von ernstlicher Sorge um daS Wohl und Wehe der Residenzbevölkerung erfüllt gewesen wären.... Den ganzen Sommer hindurch mehrten sich die unheilküudenden Symptome»n Form von massenhaften Diarrhöecrkranlungen, die darauf hindeuteten, daß die Keime der Pest bereits vorhanden feien und sich rmmer ausbreiteten. Was aber unternahm die Petersburger Stadtverwaltung? Abgesehen von verhältnismäßig unbedeutenden Summen, die sie für diese Zwecke aussetzte, und von der Bereit» stellung einiger Baracken in den entlegensten Teilen der Stadt zur Aufnahme von höchstens 399 Kranken, kümmerte sie sich unr nichts, ließ den alten Schlendrian gewähren und sah mit fatalistischein Gleichmut zu, wie die Epidemie- Herde genährt und erzeugt wurden. Nicht einmal für die erforderliche il Kranken wage nwarhiervorge sorgt, so daß jetzt einfache Droschken den Transport von Cholerakranken besorgen und so trotz offizieller Vorsichtsmaßregeln die Ansteckungs- gefahren noch verstärken. _ Niemand glaube indes, daß hier einzig und allein Mangel an Initiative geherrscht hat. Weit gefehlt! Hier sind tiefere, in den ganzen Verhältnissen liegende Ursachen verborgen. Zur regel» reichten Bekämpfung der �drohenden Epidemie wäre ein Apparat voir nöten gewesen, der nur bei vollständiger Umgestaltung der Stadtbewirt- schastuug möglich wäre. Um diese Behauptung mcht als Uebertreibung anzusehen, muß man Petersburg und seine Ber «
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