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Arleiterzeitung"(Essen ): Verlehrt wäre es.... dem ganzen Streit geringe Bedeutung zuzumessen. Bei den Genossen, die die-Z tun, kann es sich nur um zweierlei handeln, um unglaubliche üiurzsichtigkeit oder um vor­handene Nebenabsichten, die auszusprechen man nicht den Mut hat l Daß es auch Genossen der letzreren Art gibt, die unentwegt zum Frieden" raten, einer klaren Stellungnahme zu Streit- sragen aus dem Wege gehen in der Hoffnung, auf diese Art und Weise unsere Bewegung rascher ins reformistische Fahrwasser zu treiben, erscheint uns nicht zweifelhaft. Aber nicht Frieden um jeden Preis brauchen wir in der Partei, sondern Frieden und Ein- tracht auf dem Boden gemeinsamer sozialistischer Grundsätze. Die letzteren wieder scharf und entschieden betont zu haben, war eine der besten Taten dieses Parteitages! Möge die breite Masse der Partei- genossenschaft alles tun, um sich selbst m unseren Grundanschauungen zu festigen, damit sie, wenn nötig, irregehenden Erfolgspolitikeru den rechten Weg zeigen kann. Vidssut cousules!" x mm he.» Stimmen aus der Gewerhrcbaftspreffc. im DasKorrcspondenzblatt" der Generalkommisfio» der Gewerkschaften schwebt: 'Warum blieb diesmal die Einigung aus, warum hielt man .' Smal unbeirrt an dem Vorsatze fest, den Süddeutschen einen un- s�nehmbarcn Mehrheitsbeschluß aufzuzwingen? Weil man zu Sucher Frage des Prinzips ftentpelte, was lediglich eine Frage best!; parlamentarischen Taktik war, und weil man dieses Prinzip All' Gefahr erblicken und um jeden Preis retten wollte, selbst um swen Preis der Parteieincheit. Die Budgetbewilligung ist so wenig » eine Frage des Prinzips und so völlig eine solche der parlamentarischen Taktik, daß weder das Gothaer Einigungsprogramm der Pattei, noch auch das Erfurter Programm sie in seinem grundsätzlichen Teile berührt; im Gegenteil verlangt das letztere in seinen nächsten Forderungen das Recht der jährlichen Steuerbewilligung____ Nach zwei Seiten hin ist dieser Beschluß(die Lübecker Resolution) lückenhaft, indem er erstens die Budgetbewilligung in den G e- meindevertretungen unerörtert läßt und ferner nicht gleich- zeitig die Instanzen bestimmt, welchen jeweils die Entscherdung über da» Verhalten der Vertreter im Reich, Staat und Gemeinden zu- steht. Zweifellos weisen die Gemeinden in den Gebietes des Reiches, wo die Gemeindevertretungen nach einem Klassen- oder Zensuswahlrecht ge- wählt werden oder den Grundbesitzern eine gewisse Vertretung privilegiert ist. den Charakter der Klassenherrschaft auf; eine Zu- stimmung zu den Budgets solcher Gemeinden widerspricht genau so den Grundsätzen der Lübecker Resolution, wie zu denen der Einzel- staaten. Indem der Lübecker Beschluß es aber unterließ, die Instanzen festzustellen, von deren Entscheidung die Budget- bewilligung jeweils abhängig sein sollte, überließ er die volle Verantwortung den in solche Zwangs- läge kommenden Parlamentariern, deren guter oder böser Wille der Kritik der Parteigenossen unterstand. Aus diesem Verhältnis waren neue Streitigkeiten unausbleiblich; sie sind nur deshalb seither vermieden worden, weil die Neigung, in solchen Budgetzustimmungcn Verletzungen des Prinzips zu erblicken, geringer war, als gegenüber den bayerischen und badischen Ge- Nossen .... ... Die parlamentarische Praxis ist zu vielseitig; sie zeitigt Konstellationen, die sich nicht voraussehe» lassen, utrd bringt die Partei in Situationen, in denen man das kleinere dem größeren Uebel vorziehen muß. Tie Gefahr, eine Regierung durch Budget- Verweigerung zu stürzen, ist für die Partei nicht schwerwiegender als die, bei bevorstehenden Neuwahlen geschwächt in die Volksvertretung einziehen zu müssen. DaS parlamentarische Wirken erfordert eben bis zu einem gewissen Matze freie Hand für den Abgeordneten, dem auch die meisten Verfassungsgesetze durch das Verbot der Annahme gebundener Mandate Rechnung tragen. Dannt soll keineSlvegs das Isisser aller des Parlamentarismus proklanzicrt sein, die Allmacht des P a r l a m e n j a r i.e r s., dl? in der Partei ja schon durch den Fraktionszwang in allen wichtigen Fragen heilsam beschränkt wird. Auch die Fraktionen sollen nicht un- verantwortlich sein, sie sind den Landesparteitagen Rechenschaft schuldig. Ueberdics würde eS durchaus unserer Auffassung ent- sprechen, wenn Beschlüsse von solcher parlamentarischen Bedeutung wie Budgetablehnung oder Budgetbewilligung nicht von den Fraktionen allein entschieden würden, sondern der vorherigen Zustimmung deS LandesvorstandeL der Partei bedürften. Dann wäre dem größeren Teil der Streitigkeiten die Spitze abgebrochen. Aber solche Fragen können in befriedigender Weise nur innerhalb des bc- treffenden Einzelstaates selbst geregelt werden; sie vor das Forum der Gesamtpartei im Reiche zu ziehen, könnte höchstens in ganz groben Ausnahmefällen, in denen die Partei als solche geschädigt wird, heilsam sein. Der Lübecker Beschluß hat eine solche Erledigung nicht vor- gesehen und so hängt eS völlig vom Parteitage ab, ob er Prinzipien der Partei verletzt finden will. Unseres Erachtens waren grobe Ausnahmefälle weder in Süddeutschland noch irgendwo ge- gegeben, die eine solche ParteitagSdebatte. noch dazu mit der Gefahr einer Parteizersplitterung, auch nur entfernt gerechtfertigt hätten. Gewiß, die Badenser waren übel beraten, als sie dem Parteivorstande gegenüber ein Schweigegebot vorschützten, aber der Parteivorstand wäre auch anders in der Lage gewesen, sich vorher richtig zu informieren. Die Erörterungen auf den Konferenzen zu Wiirzburg und Stuttgart sollen einen komplottartigen Charakter gehabt haben. Aber dem ersten dieser Komplotte hatte ein Parteivorstandsvertreter beigewohnt. Alles dies sind Nebensächlichkeiten, über Gebühr aufgebauscht, um des Maß der Schuld zu füllen, und die bloß dadurch charakteristisch iverde», daß sie uns zeigen, bis zu welcher Verbitterung die Meinungsverschiedenheiten bereits gediehen sind. Dazu hat das unverantwortliche Gebaren eines Teiles der Parteipresse nicht wenig beigetragen, und daß das Zentralorgan davon teine Ausnahme macht, sondern womöglich der provinzialen Presse in Angriffen auf Genossen vorangeht, ist besonders ver- hänguisvoll. Diese Redakteure sollten sich, anstatt angebliche Prin- zipien um jeden Preis zu retten und Barrikaden aus Parteitags- eschlüffen gegen die eigenen Genossen aufzurichten, in erster Linie erufen fühlen, die Einigkeil der Gcsamtpartei nach außen hin zu -ahren und die öffentliche Austragung von inneren Streitig- '.itcn vermeiden, damit den Gegnern der Partei kein ohlfeiles Material zu unserer Bekämpfung geboten wird. �ade durch die dem Nürnberger Parteitag vorangehenden »ßerörterungcn, denen wir un» ferngehalten haben, ist der Streit W einer Siedehitze angefacht worden, die eine friedliche Klegung erschwerte. Sic wurde vollends unmöglich gemacht durch den Unfug der gebundenen Mandate. Solch ein Tribunal ist vielleicht geeignet, hochnotpeinliche Ketzer- geeichte abzuhalten und den angeklagten Sündern buchstaben- und siimmeninäßig zu beweisen, wie hundertfach sie den Tod verdient haben, aber um Frieden und Einigle it herzustellen, un, die Partei vor Zersplitterung zu bewahren um ein ein- trächtliches Zusammenwirken von Nord und Süd, Ost und West zu gewährleisten, das doch eine Lebensfrage für die Partei ist," dazu eignet eS sich wie ein Jagdhund für ein Milch- fuhrwerk. So mußte konunen, was gekonimen ist,� und die zwei­tägigen Debatten auf dem Parteitage mit ihren Zwischen­fällen endeten anstatt mit einem für Süd und Nord ersprießlichen Frieden, mit einem prinzipiellen Beschluß einer- und einer Un- abhängigkeitöerklärung andererseits. ... So war die Einheit der Partei nach außen hin zwar ge- rettet, aber die E i n m ü t i g k e i t ist nicht erreicht. Der zweitägige Streit ist ergebnislos geblieben. Was tvird die Folge dieses Beschlusses und dieser Erklänmg sein? Das ist die Frage, über die nunmehr in der Parteipresse lang und breit geleitartikelt wird. Man hätte sich diese Frage besser vor dem Parteitage vergegenwärtigt, denn sie führt fast allgemein zu ruhigerer Erwägung der Diuge und zu dem leb- haften Wunsche, die Süddeutschen möchten leinen Schritt tun. der zu einer Trennung führen könne. Die Frage ist aber auch gar nicht! unmittelbar zu beantworten, weil sich eben Budgetabstimmungen nicht auf Jahre hinaus dirigieren lassen. Eben deshalb, iveil es sich um eine Frage der parlamentarischen Taktik handelt, sind die süddeutschen Genossen gar nicht imstande, jetzt schon zu erklären, was sie bei der in zwei Jahren wiederum fälligen Abstimmung zu tun gedenken. Sie loerden durch den Gang der Landespolitik bestimmt, zu handeln, wie es notwendig erscheint. Sie werden dabei selbstverständlich nicht den Wunsch haben, neue Auseinandersetzungen mir Genossen jenseits des Mains oder der Elbe zu provozieren und die kostbare Zeit eines Parteitages für ihre Landesangelegenheiten in An- spruch zu nehmen, sie werden bei ihrer Entscheidung also auch dieses Maß von Verantwortlichkeit berücksichtigen müssen. Man kann indes nicht von ihnen verlangen, daß sie automatisch das Budget verweigern und eine entsprechende Menge von Gründen aufsagen, sondern man mutz ihnen in ihrcin Kampfe mit bürgerlichen Parteien so viel Ellbogenfreiheit gewähren, um im Dienste der Arbeiter- bcwegung politisch erfolgreich tötig sein zu können. Es werden also für die Folge Budgetabstimmungen doppelt vorsichtig erwogen werden, aber auch da werden Budgelbewilligungen nicht absolut ausgeschlossen sein. Möge dann von allen Seiten rechtzeitig der Weg der Verständigung beschritten werden, um einer Entwickelung der Auseinandersetzungen vorzubeugen, die diesmal die Partei der Gefahr der Spaltung nahegebracht hatten." Auf die Angriffe, die dasCorrespondenzblatt" gegen die Haltung desVorwärts" richtet, wollen wir hier nicht ein- gehen. Aber nicht umhin können wir, unserem Erstaunen Ausdruck zu geben über den Gleichmut, nut dem das Zentral­organ der Gewerkschaften die Möglichkeit eines Zuwider- Handelns gegen einen rechtsgültigen Parteitagsbeschluß be- handelt. Gerade die Gewerkschaftsleiter, so sollte man meinen, müßten die Disziplin in der Arbeiterbewegung über alles stellen. Denn ohne sie können die Gewerkschaften ihre Kämpfe nicht führen. Gegen die Gewerkschaftszersplitterer haben die Gewerkschaften und das mit vollem Recht die schärfsten Mahregeln von der Partei gefordert. Für Parteizersplitterer scheint dasCorrespondenzblatt" der Generalkommission ein anderes Maß zu haben._ Hud der partei Aus dem Wahlkreise Sorau -Forst. Ter Wrchlkreis Sorau -Forst ist einer von den Kreisen, welcher durch die Budgetdebatte auf dem letzten Parteitage in besondere Mitleidenschaft gezogen worden ist. Die KreiSgencralbersammlung in Eorau hatte zum Delegierten für den Parteitag den Genossen Maurenbrecher in München bestimmt. Maurenbrecher lehnte es ab, die Resolution des Kreises, die die Streichung des letzten Absatzes der Lübecker Resolution verlangte, zu vertreten. Sein Mandat zum Parteitag wurde darauf von einer darauf folgenden Kreisversammlung kassiert und der Genosse Müller- Forst an Stelle Maurenbrecher delegiert. Inzwischen war die Stellung Maurenbrechers zu wichtigen parteipolitischen Fragen be- kannt geworden und die Genossen hielten es für zweckmäßig, Maurenbrccher Gelegenheit zu geben, über das ThemaA r- beiterpolitik und Parlamentarismus" zu sprechen. Im Wahlkreise fanden zwei Versammlungen statt, eine am Freitag in S o r au und eine am Sonntagvormittag in F o r st. Die Kreis- leitung hatte es für zweckmäßig gehalten, dem Genossen Mauren- brecher einen Korreferenten in der Person des Genossen Grun- wald in Berlin entgegenzustellen. Beide Versammlungen, die Sorauer sowohl als auch die Förster trugen mehr den Charakter einer akademischen Erörterung und zeitigten keine Beschlüsse. Wir beschränken uns daher darauf, aus der Forst er Versammlung die wichtigsten Sätze des Maurenbrechcrschen Referats mitzuteilen. Maurenbrecher sagte eingangs seiner Darlegungen, daß er im Wahlkreise das erstemal die Gelegenheit habe, über umstrittene parteitaklische Fragen zu reoen. Er glaubte allerdings, daß den Genossen des Kreises seine Stellung über bestimmte Fragen in der Partei bekannt sei. In allen seinen Wahlreden habe er gesagt, daß der parlamentarische Weg der einzige sei, die politische Macht für die Arbeiterklasse zu erobern, um ihr eine bessere Stellung in Staat und Gemeinde zu erringen. Alle anderen Wege müßten uns hoffnungslos an den Abgruird des Verderbens bringen. Ter Zerschmetterungspolitik müßten wir die reformistische Arbeit in der Partei, in der Gemeinde, den Genossenschaften ent- gegenstcllen. Sie wird uns vorwärts bringen. Er wolle heute klipp und klar sagen, wie er sich die taktische Stellung der Partei zu allen politischen Fragen denke. Auch die praktische und theoretische Bildung der Parteigenossen spiele dabei eine Rolle.Wir haben in den Kreisen, in denen ich verkehre(damit sind natürlich gewisse bayerische Genossen gemeint), uns ent- schloffen, der Welt zu zeigen, daß die Tätigkeit der Theoretiker ein Ende haben muß." Redner wendet sich hierauf zur Budget- frage und erörtert des langen und breiten den Begriff Budget. Nach seiner Auffassung ist das Budget ein Voranschlag für Staat und Gemeinde, der für eine bestimmte Periode den Haushalt fest- zustellen habe. Was im Budget steht, hat die Regierung auSzu- geben; was nicht bewilligt ist, kann nicht ausgegeben werden. Jede Partei lege sich die Frage vor: Ist die Summe, die wir abgelehnt haben, oder die Summe, die wir bewilligt haben, größer? Dann nehme jede Partei den Rcchcnstift und kalkuliere, wie ihre Bilanz steht, und nach dieser Bilanz, die sie zieht, richte sie ihre Abstimmung ein. So verfahren alle bürgerlichen Parteien in der Praxis. Im Reichstage lehnen wir auch das Budget ab. weil die Art der Ein- nahmen sowohl als auch die Art der Ausgaben von uns bekämpft wird. Redner kommt nun auf das bayerisihe Budget zu sprechen und sagt, daß es mit 600 Millionen(?) bilanziere, von denen 15 Millionen für die Sozialdemokratie unannehmbar sind. Das habe selbst derVorwärts" gesagt. Wer die Wirklichkeit seiner Theorie und BegriffsbildunK zugrunde legt, der wird sich sagen, daß in Anbetracht der bayerischen Verhältnisse das Budget in seiner Gesamtverfassung annehmbar war. Einige Schönhcits- fehler, wie der Lohn für das königliche Haus, dürfen uns nicht stören. So verfahre man in der Praxis, und da der Redner sich als ein Mann der Praxis bekennt, der seine Tbeorie aus dieser Praxis gewinnt, so würde er trotz unliebsamer Einzelheiten dem Budget zugestimmt haben, denn er sei nicht der Narr, der wegen der 15 Millionen, die ihm nicht paffen, deshalb die übrigen Summen ablehne. Redner bemerkt dann noch, auch er sei bis zu einem gewissen Grade Theoretiker, jedoch ein solcher, der auf dem Boden der Wirklichkeit, nicht aber in der grauen Theorie oder aus einem Dogma stehe. Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Auf- fassung in der Budgetfrage führt er die Kämpfe in den GeWerk- schaften um die Tarifvertrüge an. Dort Nehm; man von den Unternehmern, was man bekommen kann. Weiterhin meint Maurenbrecher, daß es eineRedensart" sei, mit dem Budget be- willige man dem Staat auch seine Existenzmittel. Wir arbeiten doch auch an der Finanzreform mit und präsentierten sogar dem Staat die Steuern, die wir von unserem Klassenstandpunkt aus für nützlich halten. Was ist das aber weiter als dem Klassenstnat für seine Existenz die Mittel bewilligen? Auch die Budgetbcwilligung in Gotha diente dem Redner als Stützpunkt seiner Theorie. Er kann eS verstehen, wenn die Genossen radikal denken. Wenn sie aber nicht danach handeln, das kann er Vicht verstehen. Es fehle eben das Mitteloing. Eine grundsätzliche Budgetvcrweigerung könne er verstehen, dann muß sie aber für alle gelten. Ausnahmen könne es nicht geben, und nach dieser Richtung sei die Vorstandsresolution nicht konsequent. Ter Redner wendet sich noch einmal gegen die Theoretiker in der Partei, die mit ihren Anschauungen im Wider- spruch zur Wirklichkeit stehen. Und es muß deshalb den Massen gesagt werden, daß die Epigonewvon Marx und Engels mit ihren theoretischen Anschauungen die Köpfe verkleistern. Unsere politische Bildung müssen wir aus den wirklichen Verhältnissen ziehen. Der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist da. Das bestreitet keiner. Me Werte kommen aus der Arbeit deS Arbeiters. eS fragt sich nur, ob das etwas mit der Budgctbewilligung zu tun hat. Die Vergesellschaftung der Pro- duktionSmittel ist unser Ziel; eS kann aber nicht bewirkt und nicht gehindert werden in Aktionen, die sich alle Jahre wie bei der Budgetbewilligung wiederholen. Keiner hat uns den Weg gezeigt, wie wir zum Ziele kommen, und wer es deutlich gesagt, das sind die Reformisten. Wir wollen keine Aufspeicherung der Arbeitskraft zur Revolution, sondern in der Wirklichkeit arbeiten; langsam oem Ziele zu. Alle anderen Wege führen zum Verderben. Wenn wir in einem Staate so weit sind wie in Bayern , wo wir so viel Macht und Einfluß gewonnen haben, da können wir auch für das Budget stimmen. Er könne nicht einsehen, daß die Budgetbewilligung eine Schwächung des Klassenkampfes bedeute. Dem Referenten Maurenbrechcr trat nunmehr Genosse Grun Wald- Berlin als Korreferent entgegen. Redner bemerkte, daß er nicht aus persönlichen, sondern aus sachlichen Motiven auf Wunsch des Kreisvorstandes zur Stelle sei, und zur Klärung der Situation beitragen wolle. Grunwald beschäftigt sich zuerst mit der Behauptung Maurenbrechcr», daß nur der Parlamentarismus das einzige Mittel zur Erringung der politischen Macht sei. Wer so etwas behaupte, sei alles andere, aber kein Sozialdemokrat, der die ökonomischen und politischen Verhältnisse, unter denen wir wechselnd unseren Kampf führen, in Ansatz bringen müsse. Wir können noch gar nicht wissen, wie wir im politischen Kampfe zum Ziele kommen, und da kommt Maurenbrecher mit dem Hinweis. nur der Parlamentarismus führe zum Ziele. Führen wir denn den Klassenkampf allein? Wie dann, wenn uns das allgemeine Wahlrecht genommen, die Pforte zum Parlament verrammelt wird? Maurenbrecher verwirft auch die direkte Aktion: Massenstreik, Demonstration usw. Aber alle diese Mittel haben uns auch die Revisionisten als vornehmstes Kampfmittel geschildert. Die Radi- kalen sind solche simplen Kampfnaturcn, daß sie nicht erst lange über politische Kampfmittel große Worte machen, sondern auf Grund der gegebenen Situation die Kampfmittel wählen, die zweck- entsprechend sind. Diese Kampfmittel müssen aber auch mit unserem Parteiprogramm und unseren Parteitagsbeschlüssen überein- stimmen, d. h. aus ihnen herauswachsen, weil die Taktik immer nur eine Anwendung unserer Grundsätze sein kann. Mittel, die durch Entgegenkommen die Macht der Gegner aber stärken, die ver- werfen wir. Redner zerpflückt alle die Argumente, die Mauren- brecher zugunsten der Süddeutschen in der Budgetfrage gelten lassen will und kommt nach einigen Auseinandersetzungen staatsrechtlicher Natur auf den kuriosen Vergleich Maurenbrechcrs zu sprechen, der gesagt hatte, daß ein Budget dem Statut eines Vereins gleich zu fetzen fei, welches vom Verein doch angenommen werden könne, wenn auch einzelne Paragraphen hier und da auf� Widerstand stoßen. Dieser Vergleich hinke nach allen Seite». Wäre der Ver- gleich zutreffend, so würden wir wie die Mitglieder eines Vereins über das Statut auch über den grundsätzlichen Inhalt des Budgets zu bestimmen haben, z. B. über die Regierungsform. Im Verein bestimmen aber Gleichgesinnte die Satzungen, während da? Budget gerade in den grundlegenden Teilen von den gegensätzlichen Klassen und der Regierung festgesetzt werde. Die Budgetbcwilligung ist deshalb eine Verankerung der Klassenherrschaft im Staate, jenes Staates, der ökonomisch auf dem Gegensatz von Kapital und Arbeit, von Herrschenden und Beherrschten beruhe. Wer ihm die Mittel seiner gesamten Existenz bewillige, stärke auch dieses ökonomische Verhältnis, bekämpfe also durch Stärkung des Gegners seine eigene Partei. Wir dürfen unsere Hand nicht dazu bieten, dieser Klassen« Herrschaft die politischen Existenzmittel zu gewährleisten. Redner ersucht die Versammlung zum Schluß, au der altbewährten Taktik der Partei festzuhalten und den revisionistischen Bestrebungen keine Gefolgschaft zu leisten. Die beiden Referate wurden mit erfreulicher Ruhe angehört. Nach einer kurzen Diskussion, an der sich auch Genossen des Wahl- lreiseS beteiligten, und die zeitweilig einen persönlichen Charakter annahm, wurde die Versammlung nach vierstündiger Dauer mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie geschlossen. Ausschlüsse in Frankreich . Paris . 28. September. Der Kongreß der geeinigten Soziali st en des Seinedepartements beschloß gestern den Ausschluß des Abgeordneten B r o u s s c sowie der Gemeinderatsmitglieder Heppen heim er und Andre aus der Partei. Brousse hatte sich seinerzeit ge» weigert, den Aufruf gegen die Reise FalliireS nach Rußland zu unterzeichnen. Geriedts-Geltung. Du Schutzmann als Dieb. Unter großem Andränge des Publikums fand gestern die Bel» Handlung gegen den früheren Schutzmann Otto Werner aus Rummelsburg , dem die Anklage vorwirft, am 27. August d. I. aus dem Schlafzimmer des Schankwirts Rvhlig in Rummelsburg eine goldene Uhr nebst Kette entwendet zu haben, vor dem Schöffengericht in Lichtenberg statt. Am 27. August hatte Werner als Schutzmann von 7 Uhr früh bis 2 Uhr mittags Dienst vor der Friedrichsberger Bank in der Frankfurter Allee . Als er gegen 2Uhr nachmittag abgelöst wurde, traf er den ihmbekanntcn Brauer Ouade, mit welchem er mehrere Gastwirtschaften besuchte. Später begaben sie sich noch nach dem Restaurant von Röhlig in der Lessing- straße in Rummelsburg . Nachdem hier wieder eine größere Zeche gemacht war, mußte Werner austreten. Als Werner die Toilette verlieb, mußte er an dem offenen Schlafzimmer der Nöhligfchen Eheleute vorbei, auf dein Tisch in der Stube lag die goldene Uhr nebst Kette deS Röhlig. Werner betrat die Stube, sah sich die Uhr an und steckte die Uhr und Kette in seine Tasche, um dann wieder in das Schank- zimmer zurückzukehren. Nach einiger Zeit wurde das Kind der Frau Röhlig müde und letztere brachte dasselbe in dem Schlafzimmer zur Ruhe. Da Werner sah, wie Frau Röhlig nach dein Schlafzimmer ging, so folgte er ihr, Frau Röhlig schloß aber vor ihm das Schlaf- zimmer ab und beide gingen zur Gasistnbe zurück. Nachdem Ouade und Werner noch kurze Zeit in dem Lokal verweilt hatten, bezahlte ersterer die Zeche und beide begaben sich dann noch nach einigen anderen Lokalen. Gegen Abend vermißte Frau Röhlig die Uhr ihres Mannes und erstattete bei der Lichtenberger Polizeibehörde die An« zeige, gegen den Schutzmann hatte sie keinen Verdacht, wohl aber gegen dessen Begleiter. Am anderen Morgen ersckiien Werner auf dein Polizei- bnreau. Ob er erfahren hatte, daß Frau Röhlig Anzeige erstattet hatte. ist nicht bekannt geworden, und übergab dein Krimlnalschutzinann EnderS llhr und Kette. Werner wurde sofort auS dem Dienste entlassen und gegen ihn Anklage erhoben. In der VerHand- lung erklärte er, daß er an, 27. August von 7 Uhr früh bis 2 Uhr nachmittags Dienst gehabt habe und während der ganzen Zeit nichts genossen habe. Dann hätte er Ouade getroffen und mit diesem st a r l gekneipt, che sie zu Röhlig gekommen seien. hätte jeder schon»iindestenS 12 GlaS Bier und 10 Kognaks genossen. Er weiß, daß er sich dann die Uhr im Schlafzimmer angesehen habe, wisse aber nicht, wie sie in seine Tasche gekommen sei. Als er spät abends nach Hause gekommen sei, hätte er sich sofort hingelegt, am anderen Morgen hätte ihn seine Frau geweckt und habe ihm die Uhr und Kette, die in seiner Hose gewesen wäre, gezeigt. Erst hätte er sich nicht besinnen können, dann wäre ihm eine leise Ahnung aufgetaucht und er hätte die Uhr und Kette sofort aus das Amt gebracht. Bei Begehung der Tat müsse er sinnlos betrunken gewesen sein. Frau Röhlig bekundet, daß der Angeklagte sich mit ihr ganz gut unter- halten habe, von sinnloser Trunkenheit hätte sie nichts wahr- genommen. Der Brauer Ouade bestätigt dem An- geklagten, daß beide zirka zwanzig Glas Bier und zirka zwölf Kognaks vertilgt hätten, er, Ouade, hätte gewußt, wa» er tat, ob Werner sinnlos betrunken gewesen wäre, könnte er nicht sagen. Amtsanwalt Kope-skh hielt ihn der Tat für überführt und beantragte gegen den An- geklagten eine Woche Gefängnis. Der Gerichtshof kam zur Freisprechung des Angeklagten. Er nahm nicht an. daߧ 51 vorliegt, wohl aber, daß sich der Angeklagte in Bewußtseinstrübung befunden habe und nicht die Absicht gehabt hat, die Uhr zu stehle».