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nahmen. Der DurchschmttSberdienst betrug 2,22 M. für den Tag, der höchste Verdienst 4.S8 M. In der öffentlichen Schreibstube für Stellenlose meldeten sich S30 Personen, von denen 286 beschäftigt werden konnten. Der Durchschnittslvochenverdienst betrug 10,86 M. Es waren durchschnittlich 24 Personen beschäftigt. Nach einer kurzen DiSlussion über den Bericht wurde zum zweiten Punkte: Zur Frage der Hebung unserer Zentralbibliothek über- gegangen. Der Bibliothekar, Genoffe Schiemann, konnte die er- freuliche Mitteilung machen, daß sich in der letzten Zeit ein kleiner Fortschritt in bezug auf die Benutzung der Bibliothek bemerkbar ge- macht habe. Trotzdem müsse noch viel geschehen, um das Lesebedürfms zu wecken. Redner macht in dieser Beziehung reformierende Vor- schläge, welche in der nachfolgenden Debatte allseitig anerkannt wurden. Zur Neuanschaffung von Büchern wurden einsnmmig vor- läufig SO M. bewilligt. Eine nochmalige Aussprache über die Angelegenheit derVorwärtS'-Austrägerinnett endete mit dem Wunsche. daß der gewerkschaftliche Gedanke auch unter diesen platzgreifen müsse, und daher eine ent- sprechende Agitation von feiten deS Transportarbeiter- Vcr- bandeS angebracht fei. Zum Schlüsse wurde noch ganz besonders auf die Freien Fortbildungskurse für Arbeiter, die von fetten der Stadtverwaltung ins Leben gerufen, aufmerksam gemacht und zum fleißigen Besuch empfohlen. Die Kurse, in welchen Volkswirtschaftslehre, Gesetzes- und Bürgerkunde, Naturwiffenschaft, Literatur, Deutsch   und Rechnen geboten wird und die zugleich unentgeltlich sind, beginnen am 12. Oktober in den Räumen der Fortbildungsschule, Wallstr. 75. Dort werden auch vorher schon Anmeldungen entgegengenommen. Unentschuldigt fehlten die Vertreter der Bäcker, Schuhmacher und Steinsetzer.____' Wilmersdorf. Bürgerliche EinigungZstreitigkeiten. Die im November dieses Jahres in Wilmersdorf   stattfindenden Wahlen zur Stadtverordnetenversaminlung dienen den bürgerlichen Elementen als Anlaß zu Kraftproben auf dem Gebiete deS EinigungS- fportS. Schon die Antwort auf die Anfrage wegen Einführung der Lezirkswahl, die Stadtrat Steinborn kürzlich in der Stadtverordnetenversammlung dem Interpellanten Dr. Wolfs erteilte, weckte insoweit Befriedigung, als sie den diversen Bezirks- und Hausbesitzervereinen von neuem die Gewißheit verschaffte, daß sie nicht stärker als bisher von der Arbeiterschaft bedrängt werden toürden. Dabei sah man stillschweigend darüber hinweg, daß die Begründung, die der Magistratsvertreter seiner Gegnerschaft gegen die Bezirkswahl gab, so haltlos wie nur möglich ist und dabei nicht einmal den Reiz der Originalität für sich hat. Man erinnerte sich eines Schreibens, mit dem vor einigen Jahren die Regierung den Gemeindcvorstand abspeiste, als er auf die Stadt- w e r d u n g hindrängte. Auch damals wurde in dem Ablehnungs­schreiben die Floskel benutzt, daß die einzelnen Ortsteile von Wilmersdorf   noch zu wenig miteinander zusammenhingen und daß daher aus der Stadtwerdung nichts werden könne. Man war sich zu der Zeit einig darin, daß die Regierung unter allen haltlosen Begründungen die haltloseste ausgesucht habe; heute ist diese Floskel aber gut genug, um die Ungerechtigkeit der Listenwahl zu stützen, weil man' hofft, auf diese Weise die verhaßte Sozialdemokratie aus der Stadtverordnetenversammlung fernhalten zu können. In dieser Hoffnung treiben nunmehr die bürgerlichen Vereine unter sich Kraftübungen im Mandatskampf. Es besteht am Ort ein Ausschuß von 2g Personen, der aus den Vertretern bürgerlicher Vereine zusammengesetzt ist. Von diesem Ausschuß verlattgen die Liberalen, daß er ihnen zu den vier Mandaten, die sie heute besitzen, noch weitere vier zuteile. Hiervon will aber der Ausschuß nichts wissen, und zwar erstens, weil eS ein heikles Stück ist, vier unschuldige Lämmer in die Wüste zu schicken, und zweitens, weil die Liberalen in der Tat am Ort nur eine sehr bescheidene Rolle spielen. Dann aber mncbte man noch geltend, daß auch andere Interessen- gt Uppen mit Sondcrwünschen hervortreten wollten und es daher am geeignetsten sei, überhaupt den jetzigen Besitz nicht anzutasten. Vielleicht geben sich die Liberalen damit zufrieden, daß man einfach vier Stadtverordnete, die bis dahin überhaupt nicht wissen, ob und welcher Ordnungspartei sie angehörten, liberal etikettiert. Vorläufig soll aber die Katzbalgerei noch weiter gehen. Bemerkt sei noch, daß eine der bürgerlichen Organisationen erklärt, den EmigungSsport nicht mitmachen zu wollen. Es ist dies die der Barthschen Richtung angehörende Demokratische Ber- e i n i g u n g, die etwa 250 Mitglieder stark ist. Die Zeit wird ja lehren, ob diese Männer bei den Stadtverordnetenwahlen ebenso fest stehen lverden wie im vorigen Frühjahre bei den Landtagswahlen. Vorab ist es aber Aufgabe unserer Parteigeuossen, die Arbeiterschaft von Wilmersdorf   bei jeder Gelegenheit über die gegenwärtige Krähwinkelherrschast der Ordnungsparteien aufzuklären und alles daran zu setzen, damit die Hoffnung dieser Herren, weiter ungestört wirtschaften zu können, zuschanden werde. Die fortwährenden Brandstiftungen, die in letzter Zeit in Wilmersdorf   verübt wurden, haben den Magistrat zur Aussetzung einer Belohnung von 1000 Mark veranlaßt. Sehnlich wie seinerzeit in Berlin   werden auch hier regelmäßig Dachstühle in Brand gesetzt. Hoffentlich gelingt es recht bald, den Ucbeltätern das Hand- lverk zu legen. Siieder-Schönhausen. Auf zur Wahl! Heute findet von mittags 12 Uhr bis abends 8 Uhr im Restaurant L i e d e m i t, am Marktplatz, für die dritte Wähler- klaffe eine Ersatzwahl zur Gemeindevertretung statt. Unser Kandidat ist Genoffe Otto Rißmanu. ES ist Pflicht der Parteigenossen, sich zu den Wahlarbeiten zur Verfügung zu stellen, nur dann wird eS uns gelingen, das Mandat wieder zu erobern. Die Parteigenoffen. die am Mittag erscheinen können, werden gebeten, sich um �12 Uhr im Wahllokal einzufinden. Die Er- fahrungen bei früheren Wahlen haben gelehrt, wie notwendig es für uns ist, im Wahlbureau vertreten zu sein. Diejenigen, die sich erst am Abend dem Wahlkomitee zur Verfügung stellen können, treffen sich von 6 Uhr ab in ihren Bezirkslokalen. Parteigenoffen I Da eS auf jede Stimme ankommt, spannt Eure ganzen Kräfte an, rüttelt die Lauen und Säumigen auf, damit es uns gelingt, unseren Kandidaten Otto Rißmann zum Siege zu verhelfen._ Lichtenberg  . Vom 1. Oktober ab befindet sich die.Vorwärts"- Spedition nicht mehr Kronprinzenstraße 50, sondern Krön- Prinzen st raße Nr. 4, vorn 1 Treppe. Weihensee. Die Gemeindetiirnhalle ist am Sonnabend eröffnet worden, jedoch diente sie am Eröffnungstage nicht ihrem eigentlichen Zweck, sondern eS fand dort ein Müitänottzcrt statt. Der monumentale Bau, einer der wenigen Sehenswürdigkeiten des Ortes, liegt an der Pistoriusstraße. Die große Halle soll zugleich als Fest-, Konzert-, Theater- und Versammlungslokal dienen und bietet bequem'für 1000 Personen Sitzgelegenheit. Im Obergeschoß des Vorderteils befindet sich ein besonderer Damen-Turnsaal. Restauratioitöräume sowie vier Kegelbahnen, eine modern eingerichtete Badeeinrichtung bieten Gelegenheit zur Erholung und Erfrischung. Mit dem Ge- bände verbunden ist ein Turn- und Spielplatz. Für Turnzwecke ist die große Halle an fünf Tagen reserviert, während sie an den Sonnabenden und Sonittagen für RestaurationSzwecke benutzt wird. Friedrichshagen  . Ju der letzte« Gcmeindevertteterfitzung wurde einstimmig be- schloffen, für die Hündefängerstelle, da trotz wiederholter AuS- schreibung keine Belverbuttg eingegangen ist, neben der Fangprämie von 3 M. und den Verpflegungskosten von 50 Pf. pro Hund und Tag noch eine monatliche Entschädigung von 10 M. festzusetzen. Der Antrag des RathauSkellerpächtcrS, das Wirtschaftsgebäude des Rathaüsgrundstücks für ihn zu WohuungSzwecken um- zubauen, wogegen er bereit ist, an Pacht pro Jahr 200 M. mehr zu zahlen und den Pachtvertrag auf drei Jahre zu verlängern, wurde einer Kommission zur näheren Prüfung und späteren Berichterstattung überwiesen. Der aus sanitären Gründen durch Gemeindcbeschluß dem öffentlichen Verkehr entzogene Schön- eicktcr Weg soll auf Antrag des Gemeindevorstandes den anliegenden Adjazenten gegen eine Entschädigung von einer Mark pro Quadrat- meter überlassen werden. Damit endlich dieser Schmutzwinkel ver« schwindet, wurde der Antrag einstimmig angenommen. Der Antrag der Gemeindevertretung vom 31. Juli d. I. au den Bezirksansschuß, derselbe möge durch DiSpettS da? Bewohnen der polizeilich ver- botenen Mansarden gestatten, ist von dem Bezirksausschuß abschlägig beschieden. Der Haus- und Grundbcsitzervcrein ersucht daher die Vertretung, aus ihrer Mitte eine Kommission zu Ivählen, die nunmehr bei dem Minister um DiSpcnSerteilung vorstellig wird. Nach eingehender Debatte, an der sich der Gemeindevorsteher, der Schöffe Dr. Wall burg, die Vertreter Glöde. Barth(Soz.) und Sonnenburg(Soz.) beteiligten, wurde dem Antrage zugestimmt und eine Kommission von vier Mitgliedern gewählt. Zur Borberatung des Etats für das Rechimugsjahr 1909/10 wurde die bisherige Kommission wieder- gewählt. Die erste Kommissionssitzung soll im Monat Dezember stattfinden, in welcher der Etat gedruckt borgelegt werden soll. Friedrichsfelde  . Die Regulierung der Trcskow-Allee scheint sich in der nächsten Zeit zu verwirklichen. Die Gemeindebehörden sind mit den An- liegern in Verbindung getreten und ist eine Einigung über die von der Gemeinde den Besitzern zu zahlende Entschädigung erzielt worden. Der Kanalisationsverband der Stadt Lichtenberg   und der Gemeinde Boxhagen-Rummelsburg   hat in der Berliner Straße Kabel verlegen lassen. Seitens des Friedrichsfelder   Gemeinde- Vorstandes find über diese Angelegenheit technische Gutachten ein- geholt worden, die darlegen, daß der KanalisationSverband eine Er- laubnis zur Verlegung der Kabel hätte einholen müssen. Lankwitz  . UebrrStaat, Kirche und Schule" sprach Genosse Adolf Hoff« mann am letzten Freitag in einer überfüllten öffentlichen Ver- sammlung. Der imposante Besuch legte Zeugnis davon ab, welches Interesse die Arbeiterschaft derartigen Fragen entgegenbringt. Ve- sonders erfreulich war der äußerst zahlreiche Besuch der Frauen. In seinem anderthalbstündigen Vortrage legte der Referent unter lebhaftem Beifall der Versammelten die Forderungen der Sozial- demokratie zu den Punkten Staat, Kirche und Schule dar. Sein Vortrag klang in die Worte aus: Eine neue Religion ist an die Stelle der alten getreten und zwar die sozialistische Weltanschauung, die, wissenschaftlich begründet, der alten Religion mit der Klaffen- kirche den Boden abzugraben anfängt. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hat an die Stelle der Volksknechtung und-Entrech- tung zu treten. Viele der Anwesenden glaubten, daß der Orts- Pfarrer Schacht, der öfter an Stellen, wo ihm nicht entgegen­getreten werden kann, seine Ansicht über die Sozialdemokratie äußert, in der Diskussion das Wort nehmen würde, jedoch trügte der Glaube. In einem kurzen Schlußwort kritisierte Genosse Hoff- mann das Verhalten des Pfarrers, der den Kindern gegenüber wohl seinen Mißmut in scharfer Weise äußert, aber da, wo er die Ge- legenheit hat, vor einer größeren Gemeinde seine Ansichten zu ver- treten, vollständig versagt. Mit einem Appell zum Maffenaustritt auS der Landeskirche schloß die Versammlung. Serickts- Leitung. AmtSverfehluiig. Der Obervriesträger Albert Hertter hatte sich gestern vor den Geschworenen des Landgerichts I   wegen schwerer Urkundenfälschung und Urkundenunterdrückung im Amte, Unterschlagung und Betruges zu verantworten. Der Angeklagte ließ sich durch Geldbedrängnis verleiten, eine Postanweisung, die ihm vom Postamt IX zur Be- ftellung übergeben war, mit dem Namen deS Adressaten zu fälschen und daS Geld für sich zu behalten. Als der Angeklagte dann be- fürchten mußte, daß fein Vergehen zur Entdeckung kommen würde, stellte er sich eine neue Postanweisung aus, die er mit schon entwerteten Marken beklebte. Um sich in Besitz von Geldmittel zu setzen, unterschlug er dann eine neue Postanweisung über eincii höheren Betrag. Mit diesem Gclde und der nachträglich hergestellten Postanweisung begab sich H. dann zu dem ersten Adressaten und zahlte diesem den früher unterschlagencit Betrag aus. In dieser Weise operierte der Angeklagte in 30 Fällen, wobei er immer, um die vorher unterschlagene Postanweisung auszahlen zu können. eine neue, über etnen höheren Beirag lautende fälschte und daS Geld unterschlug. Diese fortgesetzten Vergehen des H. kamen schließlich auf eine eigenartige Weise zur Entdeckung. Der am Tschadsee stationiert gewesene und inzwischen im Gefecht gefallene Hauptmann in der Schutztruppe Klannink hatte von der Baseler Mission die Summe von 1600 M. mit dem Auftrag erhalten, daS Geld per Postanweisuttg an die Firma Dinpcldey u. WerreS ab­zusenden. Wenige Tage darauf fiel der Offizier im Gefecht. Die hiesige Firma stellte erst in Afrika   Recherchen nach dem Verbleib deS Geldes an, bis sich schließlich herausstellte, daß der Angeklagte auch diese Postanweisung gefälscht und die 1600 M. für sich behalten hatte. Vor Gericht legte der Angeklagte ein offenes und reuemütigeS Geständnis ab. StaatSattwaltschastsrat C r ü g e r plädierte auf Bejahung der Schuldfragen im Sinne der An- klage, durch welche Hertter dem Zuchthause verfallen wäre. Rechtsanwalt Dr. Klee hielt nur eine einfache Amtsunter- schlagung in Verbindung mit Urkundenfälschung für vorliegend und trat für eine Bejahung der von ihm gestellten Nebenfragen ein. Die Geschworenen bejahten auch nur die Schuldftagen in diesem Sinne. Das Gericht erkannte dem Antrage des Staatsanwalts gemäß aus ein Jahr und drei Monate Gefängnis, unter Anrechnung von ftiits Monaten der erlittenen UtttersttchuttgS- Haft sowie Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von zwei Jahren. Die bevorzugte Stellung deS KommerzienratS." In unserer Nr. 254 vorigen Jahrganges berichteten wir über einen Streikpostenprozetz vor dem Osnabrücker Schöffen- g c r i ch t. Es handelte sich um polizeiliche Razzias gegen streik- postenstehende Arbeiter der dortigen Gasuhrenfabrik K r o tn s ch r ö d e r. die vom Gericht unter Freisprechung sämtlicher Arbeiter als G e s e tz w i.d r i g k e i t e n charakterisiert ivurden. Die Osnabrücker Polizei behauptete, eS sei der herrliche K 82 ihrer.Straßenordnung" lädiert, wonach»von den polizeilichen Auffichtsbeamten im Interesse der Ruhe und Sicherheit deS öffcnt- lichen Verkehrs erlassenen Anordnungen unbedingt Folge geleistet lverden muß". Obwohl sämtliche vernommenen Polizisten selber von irgendwelcher Slörttttg der«Ruhe und Sicherheit" durch die Streikposten nicht das geringste bekttndett konnten, deren Verhalten im Gegenteil noch lobend an« erkannten, und obwohl von einem nennenswerten.Verkehr" vor der Krontschröderschett Fabrik um jene Zeit erwiesenermaßen gar nicht die Rede war, beantragte der A m t S a n lo a l t dennoch eine Strafe von drei' Monaten Gefängnis. Gegen das freisprechende Urteil des Schöffengerichts legte der Amtsanwalt Polizeiinspektor Lembke Be- rufung ein und erreichle denn auch, daß die Straf- k a m m e r für jeden Streikposten zehn Mark Geld- strafe festsetzte, indem es ein Recht des Schutzmanns kott- struierte zurVorbeugung" etwamöglicher" Ausschreitungen, die Ausübung gesetzlich gewährleisteter Rechte zu verbieten... Derselbe AmtSanwalt. der drei Monate Gefängnis gegen anerkannt ruhige und anständige Arbeiter beantragt hatte, die nur bon einem gesetzlich und reichsgerichtlich geschützten Recht Ge« brauch gemacht, kann auch sehr utilde auftreten. DaS bewies ein Beamtenbeleidigungsprozeß, der am Sonnabend vor demselben Osnabrücker Schöffengericht verhandelt wurde. Diesmal waren nicht Arbeiter der Kromschröderschcn GaSuhrettfabrik die Angeklagten, bielmehr der Chef dieser Firma, Kommerziell rat K r o m s ch r ö d e r. Der Herr Kommerzienrat sollte einen Steuer« b e a m t e n, der Mitte Januar auf dein Kontor der Firma Kromschröder erschien, um von den Inhabern unter Vor- legttttg von 25 Onittuitgen die Steuern einzufordern, auf ziemlich ungehobelte Weise beleidigt haben, lind zwar sollte Herr K. dem Beamten zuerst in barschem Tone erklärt haben, die Quittungen stimmten nicht; auf die wiederholte höfliche, aber bestimmte Auskunft des SteuererheberS, daß alle? nachgeprüft sei und seine Richtigkeit habe, soll ihm der Herr Kommerzienrat die Quittungen auf einen Tisch geknallt haben mit den erregten Worten: Scheren Sie sich hiitauS, Sie Mensch S i e, ich werde mich beitn Oberbürgermeister über Siebe- s ch lo e r e n I" Der beleidigte Beamte, der als Nebenkläger auftrat, bekundete, daß er während seiner 4//-, jährigen Tätigkeil von den» Inhaber der Firma Kromschröder noch nie gut behandelt worden sei. bei demungebildetsten" Arbeiter sei er noch stets besser empfangen worden.... Der Gasuhrenfabrikant leugnete, die fragliche Aeußerung getan zu haben, die ihm gar nichtgeläufig" sei; er seigegen jedermann artig", keiner könne ihm aus seinem Verkehr mir den Arbeitern, in Kriegervereinen usw. Schroffheiten imch- sagen. Der Zeuge Kaufmann Lenzing. der dieArtigkeit" des Herrn KommerzienratS bekräftigen soll, sagte auf Befragen deS AintsanwaltS ans, er habe die RedensartSie Mensch" votr Kromschröder, mit dem er regen Berkehr pflegt, noch nicht gehört. Darauf legte ihm jedoch der Nebenkläger die Frage vor: Haben Sie mir nicht gesagt, ich sollte mich beruhigen, dtese Redensart führe der Herr Kommerzienrat öfter im Munde?" Zeuge Lenzing  :Das ist möglich, ich erinnere mich nicht genau." Die beiden Neffen des Angeklagten, Mitinhaber der Firma, versicherten, der inkriminierte Ausdruck fei nicht gefalle», siehätten ihn sonst un» bedingt hören müssen". Nach der eidlichen� Aussage de-Z SteuererheberS, die gestützt wurde durch die Bekundungen des vorgesetzten Senators, dem der Beamte seinerzeit den Fall sofort vorgetragen hatte, sowie des Oberbürgermeisters, hätte das Zeugnis seiner nichtvereidigten Verwandten dem Herrn Kommerzienrat wohl kaum geholfen, hätte er nicht in der Person deS Vertreters der Anklagebehörde einen beredten Verteidiger gehabt.... Der AmtSanwalt be- antragte kostenlose F r e-i s p r e ch n n g. Der Herr Kommerzien-. rat nehmeeine bevorzugte Stellung" in der Gesell- schaft ein und führe sich eittwandfrei es sei deshalbnicht au- zunehmen", daß er die inkriminierten Worte gebraucht habe. DaS Gesetz bestrafe auch nur die vorsätzliche Beleidigung. Der An- geklagte habe aber nicht den Willen gehabt, zu beleidigen. Der Steuer- beamle ieijedenfalls" aufgeregt gewesen, und da habe er sich jene Aeußerung eingebildet. Zudem habe auch der Zeuge L e n z i n geinwandfrei" bekundet, daß dem Herrn Kommerzienrat solche Redensartennicht geläufig" wären. Nach dieser glänzendet» Verteidigungsrede des A m t S a n w n l t s brauchte sich der eiacnt« liche Verleidiger natürlich mir den Ausführungen femes verehrten Herrn Vorrednersanzuschließen". Das Urteil lautete denn auch auf kostenlose Freisprechung. DaS Gericht nimmt an. daß der Steuerbeamte sich in Aufregung befunden und infolge- dessengeglaubt" habe, beleidigt worden zu sein. Es sei nicht anzunehmen", daß die beiden Neffen deS Herrn Kromschröder die Unwahrheit gesagt hätten; ihrem Zeugnis fei Glauben zu schenken, wenn es auch u n e i d l i ch sei. Der Herr Hauptmann und sei« Brunnen. Eine merklvürdige Anzeige hatte der Hauptmann, AmtZborstehS� und RittergutSpächter R e h f e l d von Böllberg gegen die HauS- hältcrin Becker bonfeinem" Dorfe erstattet. Die Frau hatte aus einem Brunnen des Amtsvorstehers nnbefugt zwei Eimer Wasser geschöpft und deshalb eine Anklage wegen Diebstahls erhalten.' Natürlich hatte sie bei der Entnahme deS Waffers nicht daran gedacht, sich deS Diebstahls schuldig zu machen. Dem Amts- anwalt in Halle fiel es schwer, die Frau wegen der Tat ins Gefängnis zu schicken. Er deduzierte deshalb so: Wasser sei ein Nahrungsmittel und die Frau sei wegenMundraubes" mit 10?.£. zu bestrafen. DaS Hallenser   Schöffengericht verurteilte die Frau wegenHausfriedensbruchs" zn 3 M. Geldstrafe. Ein Diebstahl" liege nicht vor. Konnte doch die Frau unmöglich sich denken, daß der Hauptmann ihr daS Waffer abschlagen würde. Ihr fehlte also das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit bei Entnahme der zwei Eimer Waffer. Der Hauptmaun, Amtsvorsteher und Ritterguts­pächter hat durch seine Anzeige bewiesen, welch' geringes Maß juristischer Kenntnis und menschlichen Empfindens in Preußen für einen AintSvorsteher erforderlich find. Vermischtes. Die Cholerastatistik der letzten 24 Stunden weist für Petersburg 263 Neuerkran» kungen auf und 102 Todesfälle. Die Gesamtzahl der Er» krankten beträgt 1346. Es scheint demnach, als ob mit dem Ein» setzen der kühleren Temperatur daS Umsichgreifen der Seuche ihren Höhepunkt überschritten hat. Durch Starkstrom getötet. Wie aus K a t t o w i tz gemeldet wird, kam auf dem Afchboru« fchacht der Monteur Meißner der Starkstromleiw.ug zu nahe und wurde sofort getötet. Ein anderer Arbeiter wurde tödlich verletzt._ Gerettete Schiffsmannschaft. Laut einem Telegramm des Kapitäns des Norddeutschen LlohS» dampferSMain  ", der sich auf der Reise von Baltimore   nach Bremen  befindet, hat derselbe die Besatzung des SchoonersMystcry" aus St. John, welcher auf hoher See gesunken ist, gerettet und an Bord genommen. Die Mannschaft wird in Bremerhaven   gelandet lverden. Der Burcaukrat tut seine Pflicht. Aus A r a d(Ungarn  ) verschwand vor einiger Zeit ein gewiffer DanielowSky unter Hinterlassung einer Anzahl trauernder Gläubiger. Das gesamte von ihm zurückgelaffene Guthaben bestand in einem Hemdkragen. DaSUngarische Amtsblatt" veröffentlicht nunmehr gewiffenhaft folgende Kundmachung:Hiermit wird bekanntgemacht, daß Beroslaw DanielowSky zurzeit unbekannten Atifemhalts ist und daß ein ihm gehörender Hemdlragen im Werte von einem Heller, falls DanielowSky nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist dagegen Einspruch erhebt, vom königlichen Gericht in A r a d unter der Zahl 9427 zur öffentlichen Versteigerung gebracht werden wird." Man kann sich lebhaft vorstellen, wie jetzt Herr DanielowSky nach Arad   eilen lvird, um seinen Hemdkragen zu retten. Eine Tragödie auf hoher Tee. Nach einer telegrophischcn Meldung aus London   ist der Drei» masterPinIaS", welcher nach Callac   unterwegs war, gesmikcn. Von den 24 Mann der Besatzung wurden vier Mann ge» rettet. Ein Matrose wurde wahnsinnig und sprang über Bord. Die Katastrophe erfolgte an der nordöstlichen Küste Tas» manien».