über die bereits einmal abgelehnten Vorschläge der Arbeiter zu veranstalten. Die Arbeiterführer erklären, wenn die Aus- sperrungen nun doch einmal vorgenommen worden seien, so solle auch wirklich eine Betriebsunterbrechung stattfinden. Die Ar- beiter seien in der Lage, sich die Dinge mit anzusehen. Diese Versicherung ist keine leere Redensart. Ganz abgesehen davon, daß die Spinner von Lancashire zur Elite der englischen Arbeiterschaft gehören, gu� organisiert sind und über reiche Mittel verfügen, überhaupt materiell eine sehr starke Stellung haben, liegt in den allgemein wirtschaftlichen Ver- Hältnissen, die zurzeit in England herrschen, eine starke moralische Unterstützung für sie. Das ganze Land befindet sich in einem krisenhaften Zustand, in allen Gewerben und Handelszweigen herrscht ein äußerst ungünstiger Geschäftsgang— noch eine Nachwirkung der von Amerika herübergekommenen Depression—, Arbeiterentlassungen und Betricbseinstellungen aus Mangel an Be- schästigung sind an der Tagesordnung. Die Anzahl der Arbeits- losen ist so groß wie seit langen Jahren nicht— in Glasgow allein zählt man 20 000 Arbeitslose mit einem Familienanhang von 60 000 Personen—, und im ganzen Lande veranstalten die Notleidenden Kundgebungen, die vielfach einen bedrohlichen Charakter tragen und die Polizei zum Eingreifen zwingen. Sie verlangen, daß man ihnen Beschäftigung oder Unterstützung gebe. Wenn unter solchen Umständen aus einem verhältnismäßig geringfügigen Anlaß die Arbeitgeber einer der wichtigsten In- dustrien Englands durch Aussperrung von 110 000 Arbeitern eine Bewegung einleiten, die, falls sie noch einige Wochen dauert, rund 1 Million Arbeiter und Arbeiterinnen mit einem Wochen- verdienst von zusammen wohl 1 Million Pfund Sterling und einem Familienanhang von 3 Millionen Personen zu feiern zwingen würde, so setzen sie sich natürlich vor der Oeffentlichkeit stark ins Unrecht. Ferner rechnen die Arbeiter damit, daß unter den Spinnerei- Besitzern bereits jetzt allerlei Gegenströmungen auftreten. Eine ganze Anzahl Spinnereibesitzer lassen ihre Betriebe ruhig weiter arbeiten und zahlen lieber die Konventionalstrafe an den Fabrikantenverband. Das tun unter anderem auch Firmen, deren Inhaber leitende. Stellungen im Verbände bekleiden. Der Nutzen, den sie daraus ziehen, daß ihre Betriebe gerade jetzt arbeiten, läßt sie die Konventionalstrafe schon verschmerzen. Die Nachfrage ist nämlich so plötzlich und so stark gestiegen, daß die Preise für Baumwollgarne sprungweise erhöht werden konnten bis zu einem vollen Penny für das Pfund. Es haben nicht nur eine Anzahl Spinnereien, trotz ihrer Zugehörigkeit zum Verbände, sich an den Aussperrungen nicht beteiligt, sondern andere haben sogar die begonnene Aussperrung wieder aufgehoben und darauf verzichtet, die von ihnen ursprünglich gestellten Forderungen durchzusetzen. Die Spinnereibesitzer hatten vor Beginn des Kampfes, während der Verhandlungen mit den Arbeitern, die eine Einigung an- strebten, offen erklärt, eine Betriebsunterbrechung würde zur Ge- fundung des Marktes führen, der unter Ueberproduktion bei mangelnder Nachfrage leide, und deshalb käme ihnen eine Arbeits- einstellung gar recht. Nun ist die Wiederbelebung des Marktes, teilweise wenigstens, sehr schnell eingetreten, und viele suchen sie auszunutzen. Es scheint, daß die Arbeitgeber sich in ihren Berechnungen bezüglich des Marktes ebenso getäuscht haben- wie in ihrer Ab- schätzung der Arbeiter. Sie meinten, die Lager an Garn und fertigen Tüchern seien so überfüllt, daß eine Produktionsunter- brechung von mehreren Wochen nötig sein würde, um Luft zu schaffen. Aber jetzt stellt sich heraus, daß die Lager lange nicht so groß waren. Man rechnete, die Garnvorräte würden aus- reichen, um die Tuchwebereien aus mindestens drei Wochen hinaus mit Arbeitsmaterial zu versorgen; in Wirklichkeit sind sie zum großen Teil schon jetzt nach einer Woche erschöpft, und die Webe- reien müssen ebenfalls den Betrieb einstellen; in Bury, in Tarwen, in Leigh, in Heywood, überall sind nun auch sie zur Untätigkeit gezwungen. Infolgedessen ist auch die Nachfrage nach allen Arten Tuch sehr stark, und unverkäufliche Waren gibt es an den Lagern nicht mehr; die Leute sind froh, wenn sie nur überhaupt etwas bekommen. Die Konjunktur ist also wieder durchaus günstig, und die Spinnereien, die tatsächlich eine Zeitlang mit Verlust arbeiteten, die großen setzten wöchentlich bis zu 100 Pfd. Sterl. zu. könnten jetzt wieder lohnend arbeiten. Große Aufträge, namentlich aus Indien , sind dadurch bereits verloren gegangen, wie man annimmt, nach Deutschland , dessen Konkurrenz man auch hier besonders fürchtet. Unter diesen Umständen erfordert es in der Tat große Entsagungskraft, des Prinzips halber den Betrieb still liegen zu lassen. Die Arbeiter kennen diese Lage der Dinge sehr genau und halten sie den Arbeitgebern vor, ebenso wie sie während der Ber- Handlungen ihnen offen erklärten, die schlechte Zeit hätten die Fabrikanten selber verschuldet, und zwar durch die maßlosen Neugründungen und Vergrößerungen während der letzten günstigen Jahre, was ja auch den Tatsachen entspricht. Der Ver- band der jwrdensaal-Arbeiter hat jetzt ferner eine Uebersicht über die Dividenden und Zuweisungen veröffentlicht, die die Spinne- reien seit November 1906 aufgebracht haben. Es werden darin Gesellschaften aufgezählt, die 14prozentige Dividende und Lvprozentige Superdividende erzielten, und dabei noch große Ge- winnvorträge machen konnten; andere, die 10 und 33, 10 und Proz. erzielten, eine, die es sogar auf 50 Proz. brachte. während nicht ein einziges Unternehmen weniger als 10 Proz. verteilte. 100 Spinnereien chatten in dem mit November 1907 beendeten Geschäftsjahr einen Ueberschuß von 1 321 157 Pfd. Sterling, woraus eine Dividende von durchschnittlich rund HC Proz. verteilt wurde, die 574127 Pfd. Sterl. erforderten; die- selben 100 Spinnereien hatten zusammen 1 462 265 Pfd. Sterl. Gewinnvorträge und Reserven. Außerdem machen die Arbeiter darauf aufmerksam, daß der Geschäftsgang bis zum April d. I. gut war, und daß die paar ungünstigen Monate nicht zu der Forderung berechtigen, für das nächste Jahr niedrigere Löhne be- dingungsloS festzulegen. Jedenfalls wird es nicht so einfach sein, diese Arbeiter mit Zwangsmitteln zum Nachgeben zu veranlassen, selbst in einer dazu besser geeigneten Zeit nicht. Die Arbeiter der Lancashirer Baumwollindustrie sind an sich keine Proletarier. Sie verdienen bis zu 70 M. die Woche, die sie, als wirtschaftlich und sparsam sprichwörtlich bekannt, nicht leichtsinnig ausgeben, besitzen meistens ihr eigenes Häuschen mit einem Stückchen Land und ein Guthaben bei Konsumvereinen und anderen Gesellschaften. Ebenso gehören ihre Gewerkschaften zu den gediegensten und reichsten des Landes. Die Aussperrungsunterstützung für Familien, bei welchen außer dem Vater auch andere Angehörige in den Spinnereien tätig sind, beträgt bis zu 30 Schilling die Woche, und die vorhandenen Gelder— eine Gewerkschaft allein verfügt über annähernd 15 Millionen Mark— reichen aus, um über ein halbes Jahr lang diese Unterstützungen glatt auszuzahlen. Alle diese Faktoren muß man mit in Rechnung stellen, um die ruhige Sicherheit der Arbeiterführer richtig zu verstehen. Sie verhalten sich auch abwartend gegenüber den Bemühungen des Handelsministeriums, das Sonderkommissare entsandt hat, um zwischen den Parteien zu vermitteln, und es läßt sich noch gar nicht absehen, was das Ende sein wird. Auf der Börse in I Manchester, wo man anfangs sehr optimistisch war und ein ' baldiges Ende der Betriebsunterbrechung durch Nachgeben der Arbeiter erwartete, herrscht jetzt eine gedrückt: Stimmung, denn das„nationale Unglück", das heraufzubeschwöreg Einsichtige Warnten, scheint tatsächlich eintreten zu wollen. Tins der Partei. Zur Auslegung der Erklärung der 66. Privat-Telephonat des„Vorwärts*. Stuttgart , 30. September. In ber„Schwäbischen Tagwacht* nimmt Genosse W. K Stellung gegen die Versuche, den Parteitags- beschluß zur Budgetfrage für die süddeutschen Parlamen- tarier außer Kraft zu setzen. Genosse �V. K. führt in seinem Artikel u. a. aus: „Es ist rundheraus gesagt worden, der ParteitagSbcschluß habe für die Unterzeichner der Erklärung der 66 keine bindende Kraft, d. h. er bestehe für sie nicht. Der bayerische Landesvorstand hat sich nach- träglich in einer offiziellen Kundgebung der Erklärung angeschlossen. Man ist aber noch weiter gegangen und hat deduziert, der Parteitag habe durch stillschweigendn Entgegennahme der Erklärung der 66 an- erkannt, daß sein Beschluß für die 66 Süddeutschen nicht bestehe. Als ein Mitglied dieser süddeutschen Gruppe muß ich diese Anffassung entschieden ablehnen, und ich weiß, daß das gleich mir noch zahlreiche andere Unterzeichner der Erklärung tun. Wenn schon Parteiblätter wie das in Magdeburg gegen die Kund- gebung des bayerischen Landesvorstandes schärfsten Protest er- heben, so ergibt sich von selbst, daß der Bogen überspannt worden ist.— Es ist ein Unding, 2Va Tage in einer großen Diskussion den Parteitag zu beschwören, er möge so und nicht anders beschließen, zum Schluß aber zu erklären, alles, was da geschehen, gehe einen nichts an. Wohin eine solche Taktik führt, davon zeugt der vom Stettiner Parteiblatt bereits ge- machte Vorschlag, einen außerordentlichen Parteitag einzuberufen, um dem parteischädigenden Treiben der Süddeutschen ein Ende zu bereiten.— Wer trotzdem in der Weise, wie es geschehen, gegen den Parteitag und die Einheit der Partei de- monstriert, der erweckt den Anschein, als ob es ihm mehr um die Lostrennung einer Gruppe von der großen Parteiorganisation zu tun ist, als um eine glückliche Lösung der Streitfrage der Budgetbewilligung. Parteitag für den Regierungsbezirk Magdeburg . In Magdeburg hielt am Sonntag der sozialdemokratische Be- zirksverband Magdeburg seinen dritten Bezirkstag ab. AuS dem Rechenschaftsbericht des Parteisekretärs, Genossen Beims, sei u. a. erwähnt, daß mit dem 1. Oktober d. I. in allen acht Kreisen deS Bezirks der wöchentliche Beitrag von lOPf. in Kraft tritt. Trotz dieser für einige Kreise sogar recht erheblichen Erhöhung habe der Bezirk nicht an Mitgliedern verloren, sondern gewonnen. Die Mitgliederzahl betrug am 1. Juli d. I. rund 12000. Aus dem Be- zirk seien zahlreiche Versuche der Behörden zu melden, die „liberalen Errungenschaften" des ReichsvereinögesctzeS wieder illusorisch zu machen. Das neue Agitationsblatt für die Landarbeiter, die„L a n d p o st", die seit Februar d. I. monatlich erscheint, habe sich im allgemeinen gut eingeführt. Stur ein KreiS habe schlechte Erfahrungen gemacht, weil man dort die Verbreitung vom Abonnement abhängig gemacht habe. Nach dem Bericht über die Presse betrug die Gesamteinnahme des Verlags der„Volks- stimme* vom Juli 1907 bis Juli 1908 307 853 M.(mehr gegen das Vorjahr 21 021 M.>. die Ausgabe 292 520 M.(mehr 14 717 M.). so daß ein Gewinn von 15 333 M. zu verzeichnen war. Die Zahl der Abonnenten, die schon auf 22600 gestiegen war, ist infolge der Ein- Wirkungen der Krise wieder um 1400 zurückgegangen. Die Ueber- schlisse des Verlags werden zum Ausbau der Zeitung verwandt. Zunächst soll die„Volksstimme" in feuilletonistischer Hinsicht ver- bessert werden. Die Dxuckerei der„Volksstimme" erzielte einen Ueberschuß von 18 400 M. Die Agitationsleiterin der Frauen. Genossin B o l l m a n n- Halberstadt berichtete unter anderem, daß in letzter Zeit in Orten Fraucnorganisationen entstanden seien, wo man das bis vor kurzem noch für unmöglich gehalten habe. In der Diskussion über die Berichte wurde vor allem dem AuS- bau der„Landpost" das Wort geredet. Sie fei das geeignetste Mittel, die Landarbeiter zu gewinnen, und darum müsse beachtet werden, daß sie ein A g i t a t i o n L in i t t e l sei. Der Bezirkstag stimmte dann nach längerer Beratung dem Eni- würfe eines neuen Bezirks st atuts zu. Die wesentlichste Aenderung der bisherigen Bestimniungen dürfte die sein, daß das Parteigeschäft in Magdeburg , das bisher lediglich Eigentum der Magdeburger Genossen war, in den Besitz der Genossen des ganzen Bezirkes übergeht. Dementsprechend wurden auch die Funklionen der Preßkommission, in die künftig sämtliche Kreise Mitglieder ent- senden, geändert. In Zukunft beschließt die Preßkommission über die geschäftlichen Angelegenheiten deS Parteiorgans, der Buch- Handlung und der Druckerei und überlvacht die prinzipielle und taktische Haltung der.Volksstimme". Beschwerden gegen die Be- schlüsse der Preßkomnnssion hat der Bezirkstag zu erledigen. Der Bezirkstag nahm dann noch folgenden Antrag gegen die Krieger vereine an: „Die Agitation der Kriegervereine gegen die moderne Arbeiter» bewegung hat in der letzten Zeit eine Form und einen Umfang angenommen, daß es mehr denn je Pflicht der Sozialdemolratie und freien Gewerkschaften ist, die Arbeiterschaft über die reaktionären, arbeiterfeindlichen Ziele der Kriegervereine aufzuklären. Dem Beschlüsse des Kyffhäuser « blindes deutscher LandeSkriegerverbände, daß die„Kameraden die Pflicht zur Bekämpfung der Sozialdemokratie haben" und daß „Mitglieder der Kriegervcreine nicht gleichzeitig freien GeWerl- fchaften angehören können", setzt der Bezirkstag des sozialdemo- kratischen BezirksverbandeS Magdeburg den Beschluß entgegen, daß eS Pflicht eines jeden ausgeklärten Ar- beiters ist, die Militär- und Kriegervereine zu meiden. In den Kriegervereinen werden die Interessen der Arbeiterschaft derart mit Füßen getreten, daß es kein Arbeiter mft seiner Ehre vereinbaren kann, solchen Bereinen anzugehören. Der Bezirkstag fordert daher alle Arbeitermitglieder der Krieger- vereine auf. unverzüglich aus den Kriegervereinen auszutreten. Er verpflichtet ferner jeden Parteigenossen, wo immer sich die Ge- legeuheit bietet, über die volksfeindlichen Ziele der Kriegervereine Aufklärung zu verbreiten und zu ihrer Bekämpfung aufzufordem." Zum Schluß wurde noch der Antrag angenommen, auf dem Bezirkstage im nächsten Jahre die Landarbeiterfrage zu behandeln._ AuS den Organisationen. Die Parteiorganisation Württemberg zählt nach dem Bericht des LaiideSvorstandeS über das letzte Geschäftsjahr (1. September 1907—1908) 19 40 4 Mitglieder, 19112 mann- liche und 292 weibliche. Jni Vorjahre waren es 18 799. Die Krise hat der Gewinnung neuer Mitglieder stark entgegen gewirkt. Die Parteiorganisation umfaßt jetzt 245 Vereine; 12 sind neu gegründet worden, 14 sind eingegangen, zumeist infolge Ab- wandernng eines Teils der Arbeiterschaft aus den kleineren Industrie« orten. Im Landtage, der 92 Mitglieder zählt, ist die Sozial- demokratie durch 15 Genossen vertreten. Nach einer vom Parleisekretariat aufgenominenen Statistik hat Württemberg jetzt in 135 Gemeinden 413 sozialdemokratische Gemeindevertreter, von denen 198 dem Gemeinde- rat, 215 dem BürgerauSschuß angehören. Die Gesamt- aufläge aller ausgegebenen Flugblätter beziffert sich aus 1 072 000 Exemplare. Die Landeskasse hatte an Einnahmen 27 683 M.. denen 22 566 M. Ausgaben gegenüberstehen. Die „Sckwäb. Tagwacht", das Landesorgan, erzielte bei 269 402 M. Einnahme und 229 617 M. Ausgabe einen Ueberschuß von rund 10 000 M. Der Rechnungsabfchlnß des Provinzorgans, des„Neckarecho" in Heilbronn , liegt noch nicht vor. Die am 3. und 4. Oktober in Stuttgart tagende L a n d e S- Versammlung wird sich u. a. mit dem Projekt der Gründung einer eigenen Druckerei für die„Schwöb. Tagwacht" beschäftigen. polireilubes, Gerichtliches ufvc. Das Empfinden der Allgemeinheit sollte der Gen. Fromm- hold eines Tages verletzt haben, als er in Pas send orf gelegentlich der Beerdigung eines Genossen einen Kranz mit roter Schleife trug. Der zuständige Amtsvorsteher hatte wegen Vcrübung groben Unfugs ein Strafmandat gegen Fromm- hold losgelaffen und der angebliche Unfugverüber hatte dagegen vor dem Schöffengericht Halle gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Amtsanwalt beantragte 5 M. Geldstrafe. Das Gericht kam aber zur Freisprechung, und zwar mit dem Hinweise: Wenn auch die rote Schleife auf die Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Richtung hindeute, so sei daduxH daö Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt worden. Tins Industrie und Kandel . Brotteuerunz. Arbeitslosigkeit, Lohnkürzung und Brotteuerung, das sind die zuckende Wunden schlagenden kapitalistische» Geiseln, die dem arbeiten- den Volke nun den Segen der bestehenden Gesellschaftsordnung fühl- bar demonstrieren. Wenn versucht wird, an der Bewegung der Gc- treidepreise eine Erleichterung der Ernährung zu konstatieren, dann ist das eine Beweisführung, die leider mit dm Tatsachen in Wider- spruch steht. Richtig ist allerdings, daß zurzeit die Getreidcpreife den Höchststand dieses Jahres wie auch den Durchschnitt des Vor- jahres verlassen haben, aber sie stehen doch immer noch außer- ordentlich hoch und ragen über den Durchschnitt deS JahrcS 1906 erheblich hinaus. Nach den Ermittelungen der Berliner Kaufmann- schaff, mitgeteilt vom Statistischen Amt der Stadt Berlin , kostete in Berlin im Großhandel: Durchschnitt August 1906 1908 �en�urw- SU M.'T1" m06 mehr tn Proz. Roggen 1000 Kilogramm 160,60 178,40 8,0 Weizen., 179,61 204,00 13,6 Roggenmehl 100 Kilogramm 21,00 22,30 6,2 Die Großhandelspreise find aber nur begrenzt bestimmend für die Höhe der Preise im Kleinhandel. Die Bewegung beider geht nicht parallel, und die Brotpreise gehen wiederum durchaus nicht konform mit den Mehlpreisen. Die Stadt Berlin erniittelt die Brotpreise durch ein eigenes Verfahren. In 40 Bäckereien in den verschiedenen Stadtgegenden werden an sogenannten Stichtagen bestimmte Quantitäten Rogenbrote und Weizenbrote(Schrippen) cnt- nommen. Nach dem Gewicht der Brote wird der gezahlte Preis auf ein Kilogramm berechnet. Dabei werden die höchsten und niedrigsten Preise, sowie auch Eesamtdurchschnitte ermittelt. Der Vergleichs- wert dieser Zahlen ist wohl unbestritten. Sie ergeben, daß im August diese? Jahres die Preise tatsächlich um ein Geringes gegenüber April gesunken sind und zwar um 2,37 rcsp. 0,45 Proz. Aber mit diesem Rückgange sind noch bei weitem nicht die Durch- schnitte der Vorjahre erreicht, wie diese Tabelle ausweist. ES kostete im Durchschnitt 1 Kilogramm Pfennige: im August Ivos Durchschnitt April Aug. gegen Durch. 1906 1007 1903 1903(ömilt 1906 mehr in Proz. Roggenbrot.. 27.06 30,82 32,37 81.62 16, SS Weizenbrot... 44,93 49,36 58,18 52,94 l7.»Z Da kann man doch wirklich nicht von einer Erleichterung der Ernährung reden, wenn daS notwendigste Nahrungsmittel einen so außerordentlich hohen Preisstand zeigt. Und die Aermsten der Armen, die an Stelle des BrotgenuffeS die Kartoffel zur Hanpt- nahrung machen, müssen jetzt auch enorm höhere Preise zahlen. Im August waren die Kartoffeln nämlich um fast 45 Prozent teurer als im Durchschnitt des JahreS 1906. Man könnte mit Bezug auf unsere BrotpreiStabelle einwenden, der Monatsdurchschnitt(August) lasse sich nicht vergleichen mit Jahresdurchschnitten. Das ist schon richtig, denn tatsächlich wird der Durchschnitt deS laufenden Jahres kaum mit den Augustpreisen sich decken; aber der Jahresdurchschnitt wird höher sein als der Monatspreis, weil die Preise im August die Höhe der Vormonate verlassen haben, und auf ein weiteres Sinken der Preise kaum gerechnet werden kann. Um aber die Höhe der jetzigen Preise in einer vollständig einwandfreien Vergleichunx zu zeigen, machen wir noch folgende Aufstellung: ES kostete 1 Kilogramm Brot Monat von Roggen von Weizen August Pfennige 1901... 24,50 4l.yZ 1908... 23,62 41,91 1005... 24,17 42.81 1907... 81,37 49.03 1903... 32.37 SZ.l» Messen wir an dem Stande des Jahres 1901, dann ergibt fich für das laufende Jahr eine Verteuerung des Weizenbrotes um 32,12 Proz. und des Roggenbrotes um 26.83 Proz. DaS muß heute mehr gezahlt werden; und im Vergleiche mit dem Jahre 1903 ist die Mehrbelastung noch größer. So wird das Aolk geplündert, und da soll die Arbeiterschaft der herrschenden Gesellschaft Kon- Zessionen machen, auf den Klassenkampf verzichten. Der Dank dafür würde in Verschärfung der Profitmacherei und noch rücksichtsloserer Jntereffenpolitik zugunsten der Herrschenden bestehen. SyndikatSterror. Die„Kölnische BolkSzeiwng" teilt folgende Terrorgeschichte mit: „Beim Schraubstock-Syndikat in Hagen , welches sich in den Kreisen der Händler und Verbraucher.großer Beliebtheit" erfreut, frug eine Händlerfirma wegen Preisen an; ihr wurden die Syndikatspreise mitgeteilt. Die dem Syndikat fernstehende Firma Ewald Witte Aug. Sohn in Haspe , deren Ware sehr gut ist, war aber nicht unwesentlich billiger und erhielt auch den Auftrag. Ans eine Rückfrage vom Syndikat, ob eS noch auf die Bestellung rechnen könne, wurde ihm geantwortet, daß die Preise zu hoch ge- wcsen seien. Darauf lief bei der betreffenden Firma folgender hübsche Brief ein:„Wir besitzen Ihre Karte vom 22. d. M. und haben Kenntnis davon genommen, daß Sie Ihren Schraubstock- bedarf bei der außenstehenden Konkurrenz Witte gedeckt haben. Wir bitten gleichzeitig davon Vemierkung nehmen zu wollen, daß wir Sie von unserer Kundenliste gestrichen haben und werden für die Folge Ihre Aufträge als unerledigt zurückweisen. Hoch- achtungsvoll Schraubstock-Syndikat, G. m. b. H.* Wer sich nicht fügt, wird boykottiert. Krise. Wie ans Duisburg gemeldet wird, haben mehrere industrielle Werke des Bezirks wegen Mangel an Beschäftigung und um nicht Entlassungen voniehmen zu müssen, beschlossen, die tägliche Arbeits- zeit um zwei Stunden zu verkürzen.
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