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iir.23o. 25. wt» Z. Dtllllgt!ltsfJotniW Dtllllltl e»'WIW. GroB'ßcrlin und die Budgetfrage. In den sechs BerlinerWahlkreisbercinen wurde amDienstag- abend über die Verhandlungen des Parteitages in Nürnberg Bericht erstattet. Wie kaum anders zu erwarten, stand überall die Budgetfrage in dem Vordergrund des Interesses. Und ab- gesehen von einzelnen Genossen, die mit derHaltung der Mehrheit in dieser Frage nicht einverstanden waren, oder die nur Un- Zufriedenheit vckundeten, ohne zu wissen, welche Haltung sie selbst einnehmen sollten, stellte sich die Masse der Genossen auf den Boden des Parteitagsbeschlusses. Manche allerdings mit dem Vorbehalt, daß sie selbst lieber einer schärferen Reso- lution zugestimmt hätten. Und das rege Interesse sür die zur Erörterung stehenden Fragen bekundete der teilweise außerordentlich starke Andrang zu den Versammlungen. Einige, speziell die des 6. Wahlkreises, war auch sehr stark von Genossinnen besucht. Wenn auch in einigen Ausnahmefällen die Errregung über den streng sachlichen Nahmen herausspringen ließ, so kann doch konstatiert werden, daß ebenso wie die norddeutschen Delegierten auf dem Parteitag selbst mit Ernst und Würde an den Verhandlungen teilnahmen, auch die Gesamtheit der Berliner Parteigenossen- schaft durchaus ruhig und sachlich zu der bedauerlichen Streit- frage Stellung nahm. Die Einmütigkeit der Ansichten und des Willens in dieser wie in den anderen Fragen lassen die nachfolgenden Einzelberichte deutlich genug erkennen. ' Erster Wahlkreis. Wolderski eröffnete die Versammlung und erstattete Be- richt von den Verhandlungen in Nürnberg . Er erklärte eingangs seiner Rede, daß ihm durch seine Abwesenheit in den verschiedenen Kommissionen ein Teil der Reden und Debatten entgangen sei, er könne infofern auch nur den Gesanrteindruck wiedergeben und in den betreffenden Punkten auf den Bericht imVorwärts" ver- weisen. Redner bespricht den gegebenen und veröffentlichten Ge- schäftsbericht. Mit dem Resultat der Parteischule sei der Partei- tag im allgemeinen zufrieden gewesen. Das gleiche sei über das Prcßbureau zu berichten. Betreffs der Jugendorganisation sei zu bemerken, daß die beiden Jugendzcitungen zusammen in LOOOO Exemplaren erscheinen, die Zahl der Mitglieder der Jugendorgani- sationen betrage 1012 000. Das sei. an den evangelischen und katholischen Jünglingsvereinen gemessen, wenig. Die Tätigkeit des Bildungsausschusscs sei nicht so erheblich gewesen, doch hätten sich die Wanderkurse und Wanderbibliotheken gut bewährt. Für die Frauen sei ein Provisorium geschaffen, es ist ihnen noch ein Jahr Spielraum gelassen, che man sich endgültig festlegt. Ein lvunder Punkt sei die Maifeier. In Essen habe man geglaubt, daß die Frage gelöst sei. Run hat der Parteivorstand mit der General- kommission Thesen aufgestellt, die der Gewerkschaftskongreß in Hamburg angenommen hat. Auf dem Parteitag hätten sich aber gegen diese Abmachung viele Stimmen gewandt. Aus einigen Wahl- kreisen sei beantragt worden, überhaupt keine Unterstützung zu zahlen. Er. Redner, meine, das dies konsequent genommen, die glücklichste Lösung wäre. Die betreffenden Gegner hätten aber besiere Vorschläge, als die in Hamburg angenommenen, nicht ge- macht. Parteivorstand und Generalkommission wüßten auch keine geeigneteren und so sei man nun auf dem toten Punkt angelangt. Solche, die am 1. Mai durch Feiern keinen Lohnverlust erleiden, sollen laut Beschluß einen Tagesverdienst abliefern. Man müsse eben versuchen, dies zu erreichen, schwer dürfte es aber halten. Die Zukunft werde doch noch eine glücklichere Lösung finden. Die Budgetfrage, die man unter gewöhnlichen Verhältnissen als eine Akademikerfrage betrachten könnte, habe die Leidenschaften scharf entfacht. Großen Eindruck habe das ruhige, sachliche Auftreten unseres alten Genossen Bebel hervorgerufen. Den Süddeutschen sei in größter Kulanz unbeschränkte Redezeit gewährt worden, die sie auch ausgenutzt hätten. Bezeichnend sei eS, daß diese sich auf keine gebundene Marschroute festlegen, sondern nach ihrem Er- messen handeln wollten. Er könne diese Art nicht billigen. Ihr eigenartiges Verhalten von Anfang an habe die Empörung erzeugt. Der bayerische Genosse Simon habe das sehr wirkungsvoll dar- gelegt. Auf dem LandcSparteitag der Bayern , sechs Wochen vor dem deutschen Parteitag, habe keiner der BewilligungSfreunde den Mund aufgemacht. Redner bespricht die Verhandlungen zwischen den süddeutschen Abgeordneten und dem Parteivorstand. Auf dem Parteitag sei stundenlang versucht worden, einen Ausweg zu finden, die Süddeutschen hätten aber kategorisch auf ihrem Standpunkt be- harrt, so daß sich selbst Richard Fischer, der ihnen doch offtziell eine Liebeserklärung dargebracht, dieses Verhalten gemißbilligt hat. Die Vorwürfe gegen die sozialdemokratischen Stadtverordneten in Berlin seien sofort widerlegt worden und doch habe man immer noch darauf herumgcpaukt. Für die häßliche Szene bei dem Fall Segitz-Ebert mache er nicht den Genossen Nimmerfall, der in gutem Glauben gehandelt haben mag, verantwortlich, sondern Segiy, der sich als alter und kluger Parteigenosse nicht schön benommen hat. Er, Redner, hoffe, daß trotz allem die Süddeutschen den Beschluß des Parteitags respektieren werden. Er und Genosse Weihnacht hätten gegen die Bewilligung gestimmt. In den übrigen Punkten verweist Genosse WolderSti auf den gedruckten Bericht. Erster Diskussionsredner Bloch: Was habe man gegen die diSziplinbrcchenden Führer unternommen? WaS man mit ge» wohnlichen Genossen in solchen Fällen mache, sei ja bekannt. So- wohl bei Segifc wie bei Singer sei man nicht klug geworden, was jetzt werden sab. War die Erklärung nur ein Rückzug oder wollen die Süddeutschen auch in Zukunft bewilligen. Vieles in deren Ver- halten sei gar nicht genügend gewürdigt worden. Der Parteitag habe nicht den Äiut gehabt, konsequent zu handeln. Wenn ihr Grundsatz gelte, dann könne fürderhin jeder Genosse machen, was er will. Es berühre eigentümlich, daß die Gewerkschaften, an der Spitze dasKorresvondenzblatt", den Disziplinbruch gutheißen. Diese betrachten die Partei schon längst nur als ihren Büttel. Die Gewerkschaftsführer hätten mit ihren Mitgliedern zu wenig Be- rührung. tWiderspruch.) Die Süddeutschen hatten solchen Mut, weil sie wußten, daß die Partei keinen Mut hatte. Kolb in Baden sei schon so weit gegangen, sich für Ausnahmegesetze zu erklären. Früher wünschte die bürgerliche Presse stets die Spaltung, jetzt ist es ihr lieber, wenn die Reformisten in der Partei bleiben, weil sie davon in ihrem Sinne mehr erhofft. Misbach: Er sei nicht ganz einverstanden mit den Er- gebnissen der Nürnberger Tagung. ES sei jetzt eine Ernüchterung eingetreten. Man hätte die Frage vorher ruhiger behandeln müssen. In der Maifeier habe der Parteitag daneben gestoßen, der Beschluß hänge in der Luft. Eine Einigung müsse unter allen Umständen eintreten. Was Genossin Luxemburg über die Maifeier sagte, hätten sich andere Leute schon längst an den Schuhsohlen abgelaufen. Der Parteitag hätte nicht ergebnislos auseinanderlaufen sollen. In der Budgetfrage habe man schon vorher unverständlich gewütet. DerSimplizissimus" habe mit seinem Bilde recht gehabt. Er, Redner, halte die Frage für eine taktische. Auch der Parteivorstand treibe ja praktische Politik. Ihn, Redner, habe der Ton der Presse geärgert. Die Vernunft solle vor der Leidenschaft kommen. Die Reichstagsfraktion mache auch Konzcssionen. Die Erhöhung der Soldatenlöhnung stärke den Militarismus, verstoße demnach auch gegen das Prinzip. Der Parteivorstand gehöre auch auf die An- klagebank, er habe manches gewußt in der Budgetfrage. Der Ton desVorwärts" sei ihm unangenehm, man solle nicht gleich ander» I�die parteigenössische Ucberzeugung und die Ehrlichkeit absprechen. I Das sei weder sozialistisch noch menschlich. Die Presse sei den Ge- Nossen Rechenschaft schuldig. Er bedauere, daß nicht tüchtigere Leute, die Matz halten können, das Blatt leiten.(Rufe: Eisner!) Es führen viele Wege nach Rom! Gutmann: Ihn freue, daß die Resolution des Partei- Vorstandes angenommen sei. Revisionisten nähmen immer ernste Fragen sehr leicht. Daß man mit dem ZylinLerhut zum groß- herzoglichen Leichenbegängnis geht, daß ein Sozialist Minister oder Vizepräsident werde und ob man das Budget bewilligen könne, das alles sei ihnen selbstverständlich. Sind wir eine Reformpartei oder eine Klasscnkampfpartei? David habe sich mit wünschenswerter Deutlichkeit für das erstere erklärt. Das zeige, wohin die Nevi- sienisten wollen. Wollen die Arbeiter� warten, bis sie durch das Parlament und die Gewerkschaften glucklich werden, so kann das bis zum Sankt Nimmerleinstag dauern. Wir versuchen nur im Parlament Einfluß zu bekommen, um Arbeiterschutzgesetze durch- zubringen, damit die Arbeiter wirtschaftlich stärker werden, damit sie sich mit voller Wucht dem Klassenkampf, der Beseitigung des kapitalistischen Klassenstaates widmen können. Was hätten denn die Süddeutschen durch ihre Gemütspolitik viel erreicht. Herrlich wenig. Wenn Frank sage, man soll den Baum der Regierung schütteln, so sage er, Redner, von dem Baum fallen nur die Früchte, die der Regierung angenehm sind.(Täterow: Und die sind madig! Große Heiterkeit.) Jedoch könne er nicht dem Ausschluß aus der Partei das Wort reden, dadurch erreiche man nichts. Wir müssen an die süddeutschen Massen appellieren, damit zwischen den süd- deutschen und norddeutschen Genossen eine innere Festigung ein- tritt, dann würden sich die Führer in Zukunft vorsehen. Nicht Reformpolitik, sondern Klassenkampf! Täterow: Nach seiner Meinung konnte der Parteitag nichts anderes zeitigen. Ueber die Maifeier rede man am besten gar nicht, sonst rede man sie schließlich noch tot. Redner wendet sich gegen Misbach. der den Ton beklagt hat. Elegische Betrachtungen seien im Kampfe schlecht angebracht, da entscheiden die schärfsten Waffen. Wo Gegensätze aufeinanderprallen, fielen auch harte Worte. Nach- her trete gewöhnlich doch eine Verständigung ein. Das sei bei allen Parteien so. Früher sei man gegen die Radikalen noch schärfer vorgegangen Er sei nicht für Ausschluß, man solle das Kind nicht mit dem Bade ausgießen. Er bedauere, daß der Revisionismus schon so tief in die Partei eingedrungen sei; aber der Radikalismus werde sich bestimmt wieder Bahn brechen. Auch die Gemütspolitik helfe nicht viel. Dem Klassenstaat könne man nicht durch den Par- lamentarismus beikommen. ES sei falsch, wenn die Revisionisten glauben, sie könnten sich in den Staatskörper hineinfressen, wie die Made in den Speck. Auch den Gewerkschaften werde der Klassen- kämpf durch die Brutalität des Unternehmertums beigebracht. Das lehre der Vulkanstreik, wo sie, um den Kladderadatsch zu vermeiden, beinahe Streikbrecher geliefert hätten. Auf die Dauer lasse die Arbeiterschaft nicht mit sich spielen. Timm sei in Berlin auch radikal gewesen. Wir haben eine kulturhistorische Mission zu er- füllen; was das Christentum in 2000 Jahren nicht geleistet, müssen wir leisten, sonst wären wir Verräter und verlören, wie jenes, das Vertrauen der Massen. Dr. Cohn: Er habe in Nürnberg beobachtet, daß Nord und Süd beinahe geschlossen sich gegenüberstanden. Die Gegensätze kämen durch die verschiedenen wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Kastengeist sei im Süden nicht wie bei uns ausgeprägt. Minister und Sozialdemokraten grüßten sich dort freundschaftlichst und verkehren persönlich und gesellschaftlich miteinander. Auch brauchen die süd- deutschen Regierungen unsere Genossen vielfach. Es gebe Fälle, wo Referendare, Regierungsräte usw. eingeschriebene Mitglieder unserer Partei sind. Die Industrie sei im Süden nicht so ver- breitet wie im Norden, Rittergüter und Junker fehlen ganz. Die Süddeutschen wollen sich von uns auch finanziell unabhängig machen. Die Trennung komme von selbst. Jene redeten sich immer tiefer hinein in die GemütSpolitik. Es fei besser, wenn die Leute gleich gehen. Er, Redner, hätte gewünscht, daß die Jugendftage mehr zur Geltung gekommen wäre. Das wäre wertvoller wie die Budgetfrage. Die jetzige Lösung habe weder Hand noch Fuß. M anasse: Gegen die Berliner habe immer eine Animosität geherrscht, izur nicht gegen ihr Geld. Wenn wir unS mit den Ge- nassen fremder Nationen einigen, werden wir uns wohl auch noch im eigenen Lande verstehen. Nach solchen Sturmtagen könne man die Allgemeinstimmung nicht beurteilen. In Dresden hätten sich die Revisionisten verkrochen, erst der Nürnberger Resonanzboden hätte ihnen Mut eingeflößt. Leipzig werde ein anderes Bild er- geben. Ueber dem Streit stehe unsere Weltanschauung. Wir wollen uns im heutigen Staat wohnlich einrichten, aber dabei das Endziel nicht vergessen. Wir müssen den Sozialismus in die Familie ver- pflanzen mehr wie bisher Wolderski gibt noch einige Ergänzungen und schließt: Wenn die Süddeutschen nicht folgen wollen, müssen wir alleine gehen. Folgende Resolution wurde fast einstimmig angenommen: Die Versammlung spricht ihr Einverständnis mit den Er- gebnissen deö Parteitages aus und erklärt sich mit dem Verhalten ihrer Delegierten und ihrer Stellungnahme zur Budgetfrage im besonderen einverstanden." Desgleichen gegen wenige Stimmen ein Antrag: Die Versammlung des 1. Berliner KreiseS stellt an die OrganisationSrommission den Antrag: Die Mitglieder der Parteileitung müssen auf dem Parteitag mit absoluter Majorität gewählt werden» eventuell muß eine Stichwahl stattfinden. Zweiter Wahlkreis. Nach einem anSführlichen Bericht der Genossin Nürnberg über die dem Parteitag vorausgegangene Frauenkonferenz und dem vom Genossen Witt« erstatteten umfangreichen Bericht über den Parteitag selbst setzte eine äußerst angeregte Diskussion, hauptsächlich über die Budgelfrag« ein. Genosse Witte hatte in seinem Bericht hervorgehoben, daß der Antrag des zweiten Wahlkreise? betreffend die den Zivilmusikern gefährliche Konkurrenz der Militärkapellen der Fraktion znr Berücksichtigung überwiesen worden sei. Ewald sen.: In Nürnberg handelte eS sich bei Erörterung der Budgetfrage um eine Kraftprobe des Revisionismus. Die Be- gründung, weshalb man für das Budget fttmmte, sollte nur den Kern der prinzipiellen Stteitfrage verhüllen. ES mußte Klarheit geschaffen werden: die Resolution Frohme würde diese nicht gebracht haben. Ihm habe die Resolution deS ParteivorstandcS nicht ge- fallen; wenn er dafür stimmte, dann deshalb, weil keine schärfere Resolution vorlag. Das Verhalten der Süddeutschen nach dem Parteitage zeige ja auch, daß man nicht scharf genug vorgehen könne. Zur Mustkerfrage übergehend, hält Ewald seine in Nürn- berg gemachten Ausführungen aufrecht. Die Anbahnung neuer Ver- Handlungen in der Maifeierfrage sei zu begrüßen. Tannhausen : Die Arbeitsruhe hört auf eine Demonstration -u fein, wenn sie erst von der vorher eingeholten Erlaubnis der Unternehmer und von der Unterstützungsfrage abhängig ge- macht wird........ Pätz!« bemerkte, auch in Nürnberg seien es Gewerkschafts- führer und GewerkschastSangestellte gewesen, die die bürgerlichen Auf- fassungen in der Partei unterstützten. Richard Fischer: Wenn man die Reden von der gefährdeten Parteieinheit höre, so könne man den Eindruck gewinnen, eS stehe mit der Partei Matthäi am letzten. Liegen die Dinge aber so. daß wir in der Budgetfrage nicht miteinander gehen können? Gclviß sind wir für Disziplin, aber nicht für jene Kaserneneinheit, bei welcher jeder daS Maul zu halten hat. Er sei kein Anhänger der Budgctbewilligung und ParteitagSbcschlüsse müssen geachtet und gehalten werden, andererseits jedoch haben wir daS Recht solche Beschlüsse innerhalb der Parteiorganisation zu besprechen und auch zu bekämpfen, wenn sie uns verfehlt erscheinen. Genosse Viktor Adler , ein Parteiführer, dem jedenfalls nicht nachgesagt werden kann, daß er eS auf die VerWässerung der Partei abgesehen habe, hat an die Spitze seines, auf dem Parteitag mehrfach er« wähnten Artikels den Satz gestellt, daß er die Budgetbewilligung nicht gut heiße, es aber Dummheit sei, den Süddeusichen das Fehlen des Klassenbewußtseins, den Mangel an Klassenempfinden vorzuwerfen. Dieser Ansicht sei auch er. Die Genossen in Bayern und Baden haben in der Budgetfrage einen schweren Irrtum be« gangen, ihnen dieserhalb das Klassenbewußtsein abzusprechen, falle ihm jedoch nicht ein. Weil ein Irrtum vorlag, konnte man auf dem Wege der Resolution Frohme die Verständigung finden. Bestehen Meinungsverschiedenheiten, dann müsse Klarheit geschaffen werden, dann seien sie tolerant auszutragen. Im Mittelalter bestand de Brauch, daß der Verurteilte das Recht hatte, drei Tage nach Herzens. lust auf seine Richter zu schimpfen, am vierten Tage jedoch mußte er sich fügen; die Römer bauten dem geschlagenen Feinde ein Brücke. Nun gut! Die Bayern sind die Verurteilten, die Unter legenen, lassen wir sie getrost die drei Tage schimpfen, sie werde». wieder mit uns gehen und sich den Beschlüssen fügen. Sie wäre» in einem Irrtum befangen, sie sahen schon den Himmel voller Geigen und glaubten, daß die entgegenkommende Politik von der Regierung ihrethalben gemacht worden ist. Bei allen Vorzügen de» süddeutschen Staaten dem reaktionären Preußen gegenüber, blieben jene trotzdem Klassenstaaien wie Preußen ebenfalls, und das werde für daS künftige Verhalten in der Budgetfrage bestimmend sein. Ewald habe von der Parteiverwässerung gesprochen und darauf ver« wiesen, daß sich daS Endziel der Partei nicht durch die Parlamente verwirklichen lasse. Das wisse auch er. Die Befürworter jener Theorie von der Geringschätzung deS Parlamentarismus laufen jedoch Gefahr, daß dieser in der Masse im Sinne des Anarchismus aufgefaßt werde, und die weitere Folge sei dann der Anarchismus selbst. Vorläufig haben wir im Gegensatz zu jener Theorie noch Jahrzehnte zu tun, den Parlamentarismus dem Interesse der Arbeiter dienstbar zu machen. Es hieße die ganze Entwickelung der Partei verleugnen, wenn wir jetzt hierzu eine andere Stellung einnehmen wollten. Was ist übrigens Radikalismus und was ist Revisionismus? Oft waren schon die radikalsten Genossen in ihren Forderungen recht bescheiden, während in praktischen Fragen die Revisionisten sehr radikal vorgingen. Ihm habe einmal jemand gesagt:Revisionist ist, wer mir nicht gefällt!" Man muß alt geworden sein in der Partei, um zu wissen, was eS heißt, in ihr den Bruderkampf herauf- zubeschwören. Die große französische Partei ist machtlos, weil ihr die Einigkeit fehlt. Weil die Bayern usw. für das Budget einmal stimmten, werden wir uns dieserhalb von ihnen trennen? Die Erklärung der Süddeutschen auf dem Parteitage ist ein Akt politischer Klugheit, den späteren Vorhaltungen der politischen Feinde und den Regierungen gegenüber, das müsse man nur verstehen. Unsere Genossen wissen dort sehr wohl, daß eS gelte. Schulter an Schulter in der Gesamtpartei zu stehen. Wenn eS ihnen gelang, politische Erfolge zu erzielen, dann deshalb, weil sie gewissermaßen im Schatten der großen deutschen Sozialdemokratie standen. Vertrauen müssen wir zu einander haben und uns zu ver- ständigen suchen. Hat der Parteitag beschlossen, dann heißt eS sich fügen, aber räsonieren dürfen wir doch.(Beifall.) Bemerkt sei, daß Fncher im Verlauf seiner Ausführungen die Gewerkschaftsbeamten gegen die in der Versammlung erhobenen Angriffe verteidigte und zur Maifeier im Sinne seiner in Nürnberg gemachten Ausführungen sprach. Grunwald: Niemand werde im Saale anwesend sein, der nicht Fischers Ausführungen bezüglich der Parteieinheit unter- schreibe; fragen müsse man aber doch auch, wer denn immer wieder den Spaltungsgedanken aufwerfe. Wenn eS sich nur lediglich um eine taktische Streitfrage handle, weshalb unterließen eS unsere Freunde in Bayern und Baden, rechtzeitig die Entscheidung ihrer Organisationen anzurufen? Budgetfrage und Budgetantwort ist weiter nichts als das Zusammenfassen jener systemattschen Gedanken der Politik deS Entgegenkommens. Bei der Erklärung der 66 handelt eS sich nicht um eine drei» tägige Karenzzeit des RäsonierenS, um sich dann unterzuordnen. sondern um ein ernst gemeintes Auflehnen gegen die Beschlüsse. Fischer möge doch seine Rede in Bayern halten, da würde er sehen, wie er sich mit seiner milden Auslegung der Erklärungen in die Nesseln setze. Man habe ja erst kürzlich rund und nett absichtlich er- klärt, daß eS sich nunmehr darum handelte, den Ansichten deS Revisionismus mit Nachdruck Geltung zu verschaffen. Allerdings wollen wir aus unseren Kongressen keine Katholikentage machen, aber unsere Beschlüsse sind bis zum nächsten Parteitage zu halten und dürfen nur auf organisatorischem Wege bclämpft werden. Auch dürfen wir nicht die Hand vor die Augen legen, wir dürfen uns der Tat- fache tief wurzelnder Differenzen nicht verschließen. Die Erledigung der Budgetfrage habe Fischer so dargestellt, als ob beide Seiten über den Strang gehauen und es schließlich mit der Uneinigkeit nicht schlimm bestellt sei. Zu Bebels sachlicher, von ausgleichendem parte»« genössischem Geiste getragenen Rede haben die scharfen Reden Franks, HildcnbrandS und besonders Timms Rede in krassestem Gegen« satz gestanden. Wenn jetzt der Einigungsgedanke unterstrichen werden soll, dann möge man die versöhnlichen Mahnungen an die Süd« deutschen richten.(Lebh. Beifall.) Nauendorf greift auf die Auslassungen in derFränkischen Tagespost" zurück, nach welcher eS scheine, als fürchteten gewisse Führer die volle und richtige Aufklärung des Arbeiters. Dieser sei infolge seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht in der Lage, rücksichtslos für die Parteiprinzipien einzutreten. Von den un- abhängigen Führern haben wir dies jedoch zu verlangen; unter» lassen sie es trotzdem, dann müsse mit Freiligrath zu reden einmal ein Dämpfer von unten kommen.(Lebhafte Zustimmung.) Aehnlich spricht Belg er, der bezüglich der Preßpolemikoi meint, wenn man diese»n der Parteipresse gehässig finde, dann möge man doch auch nachlesen, in welcher Art und Weise zum Beispiel daSKorrespondenzblatt" der Generalkommisston polemisiere. Richard Fischer: Grunwald habe die Vorgänge in der Budgetfrage als einen Kampf deS und gegen den Revisionismus bezeichnet; einer der Vorredner habe die Entfernung der Vertreter dieser Richtung aus der Partei ge­fordert. Dann also müssen die Süddeutschen aus der Partei aus« geschlossen werden, und wer habe denn dazu den Mut? ES sind nur einzelne Radikale und einzelne Revisionisten, die aus der Budgetfrage eine Sache des Revisionismus machen. Maurcnbrecher habe in seinem Artikel nur von der Agitation in den Volks« versanmilmigen geredet und gesagt, daß dort für die Mehrwert» theorie kein Ranm sei.(Widerspruch.) AuS dem Wortlaut der Erklärimg des Landesvorstandes der sozialdemokratischen Partei Bayerns sucht Fischer unter Widerspruch aus der Versammlung nachzuweisen, daß eS sich dabei um keinen ständigen Widerspruch gegen die ParteitagSbefchlüsse handele, sondern diese vielmehr so aufzufassen sei, wie er in seinen ersten AuS- führungen bereits darlegte. Nicht auf Worte kommt es an, sondern auf Taten; warten wir also ab, was die Süddeutschen tun werden. Seine Rede in Bayern zu halten habe er keinen Anlaß; er wende sich an den Stärkeren, Klügeren, der nachzugeben habe. Gewiß stehe Timm? Rede im Gegensatz zu der Bebels, aber jedermann wisse doch, daß sie keine Gegenrede auf Bebel, sondern der Preß« polemik galt und ein SchmerzenSschrei war gegen alleS, was man den Bayern in dieser Sache angetan. Ein Schlußanttag wird niit 132 gegen 181 Stimmen an« genommen und auf den Bericht der Provinzialkonferenz Verzicht geleistet. Angenommen wird cinstimniig eine Resolution, die sich mit den Beschlüssen deS Parteitags einverstanden erklärt und welche die Parteigenossen verpflichtet, im Sinne dieser Beschlüsse zu wirke«, >