Mit demselben Recht müsse auch in der Partei verlangt werden,' daß ParleitagSbeschlüsse. so lange sie bestehen, nicht verletzt werden. wie es durch die Budgetbewilligung in Süddeutschland geschehen sei. Auch nachdem der Parteitag in Nürnberg einen ganz bestimmten Beschluß zur Budgetfrage gefaßt hatte, war jeder Genosse ver- pflichtet, sich dem zu fügen, und niemand habe das Recht, zu erklären, wir fügen uns nicht, wie es von Süddeutschland aus geschehen ist. Die auf dem Parteitage abgegebene«Erklärung der ötz sei keine Rückzugskanonade, sondern der Keim zu weiteren Störungen der Einheitlichkeit der Partei. Es sei im höchsten Grade zu bedauern, daß namhafte Gewerkschaftsführer, wie Bömel- bürg, Hue, Legten, Robert Schmidt, gegen die Resolution des Parteivorstandes" gestimmt haben. Beim letzten Maurerstreik, bei dem Stettiner Nietcrstreik, habe man mit Recht von einzelnen Gauen und Orten verlangt, daß sie auf den anderen Teil ihrer Gewerk- schaftsgenossen, auf die wirtschaftliche Lage im deutschen Markte Rück- ficht nehmen, bei Parteiaktionen aber solle jedes Land ganz ohne jede Rücksicht agieren können, wie es ihm beliebe. Erfteulich sei es dagegen, daß die Gewerkschaftler unter den Berliner Delegierten alle für die Resolution stimmten, wie Ritter, Brückner, Hetzschold und andere, daß überhaupt alle Berliner Delegierten außer Heine und Robert Schmidt auf diesem Standpunkt standen. Die Erklärung der 66 müsse als ein Schlag in das Gesicht des Parteitages auf- gefaßt werden, sie fei auch fachlich nicht berechtigt, denn Fragen der Landespolitik seien schon öfter von Parteitagen entschieden worden. So habe der Parteitag in Mainz entschieden, daß wir uns in Preußen an den LandtagSwahlen zu beteiligen haben. Dieser Be- schlutz sei wesentlich unter Mitwirkung der Süddeutschen gegen die Ansicht besonders der Berliner Genossen zustande gekommen. Die unterlegene Minderheit habe sich selbstverständlich dem Beschluß gefügt, sie sei gegen ihre Ueberzeugung m die Wahl eingetreten. Ja, als uns die erste Wahl 1863 keinen relativen Erfolg brachte und deshalb die Gegner! der Wahlbeteiligung von unserer Teilnahme an der nächsten Landtagswahl abrieten, beteiligten wir uns doch an der Wahl, weil es der Partei- tag beschlossen hatte. So müßten auch die süddeutschen Genossen den Beschluß des Parteitages als für sie unter allen Umständen bindend bewachten. Die Unterstützung der norddeutschen Genossen müsse ihnen wertvoller sein wie die Unterstützung ihrer Regierungen, die ja doch nicht mehr soziales Verständnis haben wie die preußische Regierung. Die Resolution Frohme wäre annehmbar gewesen, die Süddeutschen haben aber die von uns verlangte Deklaration zu dieser Resolution ausdrücklich verweigert; es wurde gefordert: wenn Landesvorstand oder Parteivorsland die Budgetbewilligung nicht gut- heißen, so fei das Budget abzulehnen. Dieser Deklaration wider- setzten sich die süddeutschen Parlamentarier, so daß mit dieser Weigerung die Resolution widersinnig und hinfällig wurde. Je mehr unsere Macht wächst, desto mehr müssen auch die Regierungen, wenn auch widerwillig, unsere Forderungen erfüllen. Deshalb muß es unsere Hauptausgabe sein, durch unablässige Agitation die politische Macht der Arbeiterklasse zu stärken. Unsere Gegner ver- fügen über alle Machtmittel des Staates und der Gesellschaft; das Kapital befindet sich in ihren Händen, Armee und Polizei kommandieren sie, sie leiten die Erziehung der Jugend, sie geben dem Volke von Kunst und Wissenschast nur das, was ihnen beliebt, dem haben wir nur unsere Ideale und die Geschlossenheit des Proletariats entgegenzusetzen. Wer an der selbsterwählten Einheit unserer Bewegung rüttelt, versündigt sich am Geiste des Sozialismus. Nicht durch soziale Reformen, so wichtig und nötig solche auch sind, sondern durch die Eroberung der poli- tischen Macht kommen wir zu unserem Endziel: der sozialistischen Gesellschaft. Die Diskusston. welche dem Referat LiepmannS folgte� drehte sich ausschließlich um die Budgetfrage. Die Erörterungen wurden mit prinzipieller Schärfe aber durchaus sachlich geführt. Robert Schmidt sagte unter anderem: Es sei unberechtigt, daß Liepmann eine Disharmonie zwischen Partei und Gewerkschaften anklingen ließ, denn aus dem Parteitage sei nur die Partei ver- treten, da gebe es leinen Unterschied zwischen Gewerkschaftsführern und Parteivertretern.— Zu seiner Abstimmung in der Budgetfrage sagte der Redner, er habe deshalb für die Resolution Frohme und gegen die Resolution des Parteivorstandes gestimmt, um der überaus ernsten Situation, in der sich der Parteitag befand. Rechnung zu tragen und die Einigkeit der Partei zu erhalten. Es habe sich um einen sehr ernsten und bedenklichen Konflikt gehandelt, bei dem die eine Seite das Mögliche durchführen, die andere Seite aber ihren Willen durchsetzen wollte. Das letztere sei geschehen. Liepmann habe darin recht, daß dieser Parteitag der erste war, der in Disharmonie auseinanderging und die Disharmonie auch noch nachklingen läßt. So wie die Dinge heute liegen, sei die Einheitlichkeit unserer Aktion in Frage gestellt. Die Resolution Frohme stelle einen Weg zur Verständigung zwischen den gegensätzlichen Auffassungen dar. Deshalb habe er, der Redner, für dieselbe gestimmt, ebenso wie andere Genossen, welche der Ansicht seien, daß die Vorstandsresolution einen Zustand schaffe, der für die Partei nicht zuträglich sei.— Durch die Budget- bcwilligung der süddeutschen Genossen habe die Partei keinen Schaden gelitten, aber die Debatten über drese Angelegenheit haben der Partei keinen Nutzen gebracht.— Der Redner verwies daraus, daß es in unserer Partei stets Streiftagen darüber gegeben habe, in welchem Maße wir uns an den parlamentarischen Arbeiten be- teiligen sollen, daß aber trotzdem unsere Beteiligung an den parlamentarischen Arbeiten eine immer eingehendere geworden sei. Der Einfluß unserer süddeutschen Fraktionen habe viel zur Verbessenmg der Verhältnisse beigetragen. Vorreile soviel wie möglich zu erlangen, liege im Interesse der Ardeirerklasse. Wenn man solche Vorteile erstrebt, so verliere man deshalb nicht das Endziel aus dem Auge. Jede Ver- besserung der Lage der Arbeiter stärke ihre Aktionslraft und wage dadurch zur Erreichung des Endziels bei.— Der Redner erklärte die Haltung der süddeutschen Genossen im wesentlichen mit denselben Argumenten, die von süddeutscher Seite in den Budgetdebatten an- geführt worden sind. Darüber seien wir alle einig, daß wir als Sozialdemokraten die politische Macht erobern wollen. Verschieden seien aber die Ansichten darüber, wie wir die politische Macht erobern können. Diese Verschiedenheiten dürfe man nicht so beurteilen, daß man sage, die einen stehen auf dem reformistischen, die andern auf dem Klassenstandpunkt. Wir haben in der Partei unter anderen Streitfragen auch um die Be- tciligung an den preußischen LandtagSwahlen hart gekämpft. Die Gegner der Wahlüeteilßflfng haben dieselben Gründe vorgebracht, die heute gegen die Budgetbewilligung geltend gemacht werden. Wie wir uns in der Frage der Landtagsivahl geeinigt haben und zu einer geschlossenen Allion gekommen sind, so werden wir auch, vielleicht nach Jahren, in der Frage der Budgetbewilligung zu einer anderen Auffassung kommen, ohne daß die Partei in ihrer Aktionskraft und in ihrer Auffassung vom Endziel Schaden leidet. Wir werden uns trotz der Disharmonie, in welcher der Parteitag auseinanderging, wieder zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden. WelS sprach seine Verwunderung darüber aus, daß Schmidt kein Wort sagte zu der Erklärung der süddeutschen Abgeordneten sowie des bayerischen Landesvorstandes, welche besagt, daß sie sich die Freiheit der Entschließung vorbehalten und sich dem Beschluß des Parteitages nicht fügen. Die DisHarn, onie könne nur dadurch beseitigt werden, daß sich jeder Genosse den Beschlüssen des Parteitages fügt._ Das in Rorddemschland gezeigte Bestreben, einen Ausgleich herbeizuführen, sei weder in der süddeutschen Presse noch in den dortigen Ver- sammlungen hervorgetreten. Im Gegenteil: Die Aeußerungen aus Siiddeutschland lassen deutlich erkennen, daß man sich dem Beschluß des Parteitages nicht fügen wolle.— Die derzeitigen Gegensätze in der Partei seien von der süddeutschen Parteipresse durch Hervorhebung des Gegensatzes zwischen Süddeutschen und „Preußen" geschürt worden. Das Verhalten der süddeutschen Parlamentarier mache nicht den Eindruck, als ob ihre Handlung not- wendig im Sinne der Lübecker Resolution war, sondern die Tatsache, daß sie kurz vor dein Parteitage die Konferenz abhielten, lasse dar- aus schließen, daß es sich um eine von langer Hand vorbereitete Aktion handelte, durch die der Parteitag vor die vollendete Tatsache des Disziplinbruchs gestellt werden sollte. Die Erfolge unserer süd- deutschen Genossen würden auch ohne die Budgetbewilligung bor - handen sein, diese hat in Bayern lediglich das Zentrum gestärkt. Die süddeutschen Genossen hätten sich doch sagen müssen, ob der Skandal, den ihr Disziplinbruch hervorrufen mußte, der Partei nicht mehr schaden würde als die Ablehnung des Budgets etwa hätte schaden können. Das Verhalten der Süddeutschen sei nichts anderes als eine Demonstration gegen eine bestimmte Richtung in der Partei. Den gegenwärtigen Streit haben die süddeutichen Genoffen angefangen. Die norddeutschen Genossen seien es der Partei schuldig, so vorzugehen, wie sie vorgegangen sind. Auch in diesem Falle sei es der in der Partei bestehende innere Gegensatz, welcher zum Austrag gebracht werde.— Schmidt habe ja recht, wenn er sagte, auf dem Parteitag sei niemand als Gewerk- schaftler anwesend gewesen, aber um die Haltung der einzelnen Genossen richtig zu würdigen, müsse man sich doch vergegen- wältigen, welche Stellung sie iu der Arbeiterbewegung ein- nehmen, und da sei es befremdlich, zu sehen, daß die Führer des einen Heerkörpers der Arbeiterklasse der Führung des anderen Heerkörpers der Arbeiterklasse die Unterstützung verweigerten, obwohl sie beide aufeinander angewiesen sind, indem sie gegen die Resolution des Parteivorstandes stimmten. Diese Untersiützung sei den süddeutschen Genossen zugute gekommen, die ihren Standpunkt im Gegensatz zum Willen oer Parteimehrheit durchsetzen wollten. Wenn Schmidt sich als der Richtung zugehörig bezeichnete, die jeden augenblicklichen Erfolg mitnehme, dabei aber das Endziel nicht auS dem Auge verlöre, so sei demgegenüber zu betonen: Es gibt in der deutschen Sozialdemokratie keine Richtung, die sich mit radikalen Phrasen unter Hinweis aus das Endziel be- gnüge. Auch die am weitesten links stehenden Genossen arbeiten in den Gewerkschaften bei Abschluß von Tarifverträgen usw. und nach den Beschlüssen der Parteitage in den Landtagen und Kommunal« Verwaltungen; sie alle leisten positive Arbeit. Der Streit um die Budgetbewilligung habe uns wieder gezeigt, daß es in unseren Reihen bürgerliche Ideologen gibt, eine kleine Gruppe, welche die Sozial- demokratie als Klassenkampftartei beseitigen und sie zu einem lmken Flügel der bürgerlichen Parteien degradieren will. Dagegen wehren wir nns und kämpfen weiter im Sinne der Nürnberger Beschlüsse. Böttcher wandte sich gegen die Haltung der süddeutschen Budgetbewilligungsfreunde. Dr. Weyl bezeichnete die in Nürnberg aufgestellte Behauptung, die Berliner sozialdemokratische Stadwerordneten-Fraktion habe für das Budget gestinunt, als eine.ausgestunkene Lüge". Es sei be- zeichnend, daß die Süddeutschen trotz aller gegenteiligen Erklärungen von anderer Seite bei dieser Behauptung blieben, obgleich sie sich durch eine Anftage beim Fraktionsvorstande von der Unrichtigkeit ihrer Behauptung hätten überführen können.— Ferner ging der Redner auf die Budgetftage selbst ein. Er wandte sich gegen die Ausführungen Schmidts und sagte unter anderen,, dieser habe gar keine Empfindung dafür, daß die Süddeutschen gegen die Partei rebelliert haben, indem sie durch die Budgetbewilligung gegen die Lübecker Resolution handelten. Gegen dieses Verhalten hätte Schmidt ein Wort des Tadels sagen müssen, da er doch als Mitglied der Generalkommission auch nicht dulden werde, daß in den Gewerkschaften bestehende Beschlüsse verletzt werden. Es habe sehr unangenehm berührt, daß die süddeutschen Budgetbewilliger unter den norddeutschen Vertretern Freunde fanden. Wenn die Süd- deutschen aus dem Standpunkt ihrer Erklärung beharren, welcher besagt: Beschließt, was Ihr wollt, wir tun, was wir für Recht halten!— dann möge, so bedauerlich es auch sei, eine Trennung eintreten und die Budgetbewilliger sich von der Klastenpartei trennen. Durch die Bewilligung des Budgets werde nur die Propaganda für die Ziele unserer Partei sehr erschwert, denn die bürgerlichen Parteien könnten sagen, sie hätten einen so guten Etat aufgestellt, daß selbst die Sozialdemokraten demselben zugestimmt haben. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wurde angenommen. Nach einem Schlußwort LiepmannS und einigen sachlichen Richtigstellungen von Robert Schmidt wurde die nachstehende von Dr. Weyl beantragte Resolutton einstimmig angenommen. Die Generalversammlung de» fünften Wahlkreises erklärt sich mit den Beschlüssen des Nürnberger Parteitages einverstanden. insbesondere soweit sie die prinzipielle Haltung der Partei be- Kesten. Mit auftichtiger Genugtuung begrüßt die Versammlung die Haltung ihrer Delegierten in der Frage der Budgetbewilligung. Gegenüber dem kapitalistischen Klassenstaat und der bürgerlichen Gesellschaft muß die sozialdemokrattsche Partei ihren Charakter als Partei des Klassenkampfes unverbrüchlich aufrechterhalten. Sechster Wahlkreis Den Bericht vom Parteitag gab Genosse Vieth. Einleitend betonte er, daß gemäß dem, was Singer schon in seiner Eröffnungs- rede sagte, die Parteitagsbeschlüsft bindend und unverbrüchlich für alle Parteigenossen im ganzen Reiche sein müssen. Der Redner schilderte dann unter Hinweis auf den ausführlichen Bericht des „Vorwärts" kurz die wichtigsten Verhandlungsgegenstände und Beschlüsse des Parteitages. Beim Bericht des Parteivorstandes erwähnte er, daß Berlin in der Stärke der Organisation und der Leistungen für die Parteikasse von anderen Städten und Kreisen übertroffen wird, was ein Ansporn zu größerem Eifer sein müsse, und äußerte mit Beziehung auf die Stellung der Partei zu den Lokalorgcmisationen, daß er bis zuletzt die Ansicht vertreten habe. dem Wiesenthal sei wohl etwas Unrecht geschehen. Dessen späteres Verhalten habe aber nun auch ihn zu der Ueberzeugung gebracht, daß er nicht zur Partei gehört. In der Maifeierfrage habe der Parteitag zu der Ueberzeugung kommen müssen, daß es nicht angebracht sei, die Unterstützungsmittel durch Sammlungen auf- zubringen. Zurzeit bestehe also nun in dieser Sache kein Ab- kommen zwischen Partei und Gewerkschaften, und man müsse ab- warten,>oas bei den bon neuem in Aussicht genommenen Be- ratungen herauskommen werde. Zur Budgetfrage führte der Redner aus: Wer Bebels Rede auf dem Parteitag hörte, hätte sich sagen müssen, daß man ruhiger und sachlicher nicht darüber sprechen konnte. Die Partei könne die Bestrebungen der süd- deutschen Budgetbelvilliger nicht mitmachen, sonst verliere sie den Klassenkampfcharakter. Erst hätten sie gesagt:„Hört uns und dann urteilt", aber nachdem:„Ihr dürft keinen anderen Beschluß fassen, als wir wünschen, sonst fügen wir uns nicht". Ihre Redner seien gegen einzelne Genossen persönlich mit einem solchen Grimm vorgegangen, daß man annehmen mußte, sie hätten es auf eine Spaltung abgesehen. Wir fühlten uns mit der übergroßen Mehr- heit des Parteitags verpflichtet, für die Parteivorstandsresolution zu stimmen, denn die Frohmcs konnte unserer Meinung nach nicht gutgeheißen werden, weil sonst der Parteivorstand gleichsam als Puffer hätte gebraucht werden können, und auch weil bei Meinungs- Verschiedenheit zwischen ihm und der betreffenden Landesorgaui- sation keine Entscheidung möglich geworden wäre. Aus taktischen Gründen sei das Ergebnis der Abstimmung von der Mehrheit mit größter Ruhe aufgenommen worden. Nun habe man auf der anderen Seite gesagt, daß auch die Erklärung der 66 ruhig hin- genommen wurde, und daß sich die Mehrheit deswegen auch damit einverstanden erklärt habe. Dies sei jedoch grundfalsch. Selbst- verständlich sei es unabweisbare Pflicht aller, und auch jener Gc- uossen, sich dem Beschluß des Parteitags unterzuordnen. Die Gründe, die die Budgetbewilliger anführten, waren so hinfällig, daß sie uns unmöglich überzeugen konnten. Um so mehr ist es notwendig, dafür zu sorgen, daß die Parteitagsbeschlüsse nicht mißachtet, die Partei nicht auf eine schiefe Ebene gedrängt wird. Ucber die Frauenkonferenz berichtete Genossin Matschke. Sic gab eine klare, zum Weiterstreben anfeuernde Uebersicht über die Fortschritte der Fraueuorgamsation und ihre Erfolge, sowie über die wichtigsten Beschlüsse der Konferenz, und hob dabei hervor, daß es nun jeder Genossin Pflicht ist, der Partei als Mitglied beizutreten, daß ja aber auch die alten Bildungs- vereine dort fortbestehen, wo sie ein wirksames Mittel zur Förde- rung der geistigen EntWickelung der Frauen sind, und daß auch sollst besondere Veranstaltungen zur Aufklärung der Fraum ge- troffeft Kerdekr sollen. Diese Beschlüsse seien etwas ganz Selbst» verständliches. Zum Wahlvereinsbeitrag der Frauen bemerkte die Rcdnerin, daß Berlin der Empfehlung, ihn niedriger zu setzen als den der Männer, in überreichem Maße nachgekommen sei. Niedriger, als hier geschehen, häte man den Beitrag der Ge- nossinnen ja überhaupt nicht bemessen können. Ferner wies die Rednerin darauf hin, daß das Zentralburcau der Frauen bestehen bleibt und betonte, daß es sehr erfreulich sei, daß eine so tüchtige und verdiente Genossm, wie Fräulein Baader, ihrer Tätigkeit er- halten bleibt und ihr eine andere Genossin zur Seite gestellt wurde. Außerdem macht sie aus das vorzügliche Referat der Genossin D u n ck e r über die sozialistische Erziehung der Jugend im Hause aufmerksam, und hob dabei hervor, daß die Grundbedingung solcher Erziehung die Selbsterziehung der Eltern ist. Leider gäbe es noch Genossen, die, wenn sie über die Schwelle des Hauses träten, den Sozialisten ausziehen und die Schlafmütze des Philisters überziehen. Allen Genossinnen und Genossen sei das eifrige Studium jenes Referats und die An- schaffung der Broschüre der Referentin über die Jugenderziehung dringend zu empfehlen. Was die Jugendorganisation anbetreffe, so sei es wohl zu verstehen, daß die jungen Leute hierin selbständig sein wollen, und darum dürfe man die Selbständigkeit ihrer Organisation nicht antasten. Aeltere Parteigenossen müßten ihnen als Berater, aber keineswegs als Schulmeister zur Seite stehen. Die Rednerin schloß mit der Mahnung an die Genossinnen, nun auch unter der neuen Form der Organisation mit allem Eifer zu wirken und zu streben für das große Ziel der Brfreiung der Arbeiterklasse. In der Diskussion bemerkte Genosse R e h b e i n, der Parteitag habe kein erfreuliches Bild geboten und nur wenig Posi- tives geleistet. So auch in der Haltung des Parteitags tn der Mllifeierfrage. Nun bestehe der alte unerfreuliche Zustand weiter, und die Gewerkschaften müßten das auslöffeln, was die Partei ihnen eingebrockt habe. Die nächste Maifeier werde die kläglichste von allen sein.(Zuruf: Abwarten!) Zur Budgetfrage äußerie der Redner, daß er sich rückhaltlos auf den Staadpunkt der süd« deutschen Genossen stelle. Diese Frage sei künstlich zu einer prin- zipiellen gemacht, in Wirklichkeit sei sie eine Frage der Taktik. Was im Reiche und was in Preußen richtig sei, sei es damit noch nicht in anderen Staaten. Frohmes Resolution sei wohl ein gangbarer Weg der Verständigung gewesen. Nun stehe man bor der Tatsache, daß die Süddeutschen sich nicht fügen würden, und dagegen nütze alle Entrüstung nichts. In der Presse sei es tat- sächlich so gewesen, wie der Genosse Wetzker schrieb:„Die„Leip- ziger Volkszeitung" habe vorgepfiffen, der„Vorwärts" nachge- pfiffen, und dieser habe jene noch übertroffen." Als Zentralorgan habe der„Vorwärts" die Aufgabe gehabt, die Gegensätze zu über- brücken. Der Redner äußerte sich auch wie die Fürsprecher der Budgetbewilligung über Vergewaltigung des Parteitags in dieser Frage und brauchte dabei von den brandenburgischen Delegierten den Ausdruck„bezahlte Kohorte", was, wie andere seiner Aeuße- rungen, tn der Versammlung scharfe Zwischenrufe zur Folge hatte. Er erwiderte daraus, daß die Zwischenrufer wohl jenes Wort nur im schlechten Sinne verständen und nicht wüßten, was es eigentlich bedeute. Der Redner schloß mit den Worten, daß die Einheitlich- keit der Partei um jeden Preis gewahrt werden müsse. Genosse Dannenberger wandte sich entschieden gegen den Vorredner, gegen die Budgetbewilliger und ihren Anhang. Leider sei es traditionell geworden, daß Akademiker, die zur Partei über» treten, wenn sie die Eierschalen ihrer bürgerlichen Auffassung noch nicht einmal abgeworfen haben, mit Ehrenämtern überhäuft würden. So sei es auch mit Maurenbrecher gewesen, der ja er» klärte, daß Wissen für die Lehrer gut sei, Theorie für die Arbeiter aber schädlich. Man fürchte eben aus jener Seite die Schulung der Parteigenossen. Zu bedauern sei eS. daß sich ein großer Teil der Gewerkschaftsführer auf Seite der Revisionisten und Budget- bewilliger stellte. Er, Redner, müsse als Lokalist darauf hinweisen, daß seine GewcrtfchaftSgenossen schon von jeher auf diese Gefahr der Preisgebung oer Parteigrundsätze aufmerksam gemacht hätten, und darum sei eS auch eine Inkonsequenz, wenn man jenen Revi» sionisten die größte Duldung angedeihen lasse und die Lokalisten aus der Partei ausschließe. Daß eine wirklich befriedigende Roge» lnng und Durchführung der Maifeier nicht erreicht werde, liege nicht an den Gewerkschaftsmitgliedern, sondern an ihren Führern. In der Budgctfrage hätte der Parteitag die Erklärung der 66 nicht mit Stillschweigen hinnehmen dürfen. Man sage ja: Wer schweigt, gibt zu! und darauf versteifen sich min die Süddeutschen. Genosse Weber spricht ebenfalls scharf und entschieden gegen Rehbeins Ausführungen. In der Maifeierfrage habe Reh- bein wieder den„großen theoretischen Lehrsatz" aufgestellt, daß die Gewerkschaften das von der Partei Eingebrockte auslöffeln müßten. Wir müssen uns gegen den Vorwurf, der damit gegen die Gewerkschaften erhoben wird, als ob sie eine von der Partei vollständig verschiedene Organisation darstellen, ganz energisch wenden. Partei und Gewerkschaften seien doch eins, und eine große Anzahl Gewerkschafter erfüllen in der Partei ihre volle Schuldigkeit, wie auch umgekehrt die Parteigenossen in den Gewerkschaften. In der Budgetfrage habe Rehbein zu den bekannten fadenschei- nigen Gründen der Süddeutschen einen neuen, sehr stichhaltigen Grund hinzugefügt. Wie er erklärte, habe die bayerische Regierung den Delegierten des Hilfs- und Landarbeitervcrbandcs freie Fahrt gewährt. Aber auch dies und der gleichfalls von Rehbein angeführte Grund, daß doch in Süddeutschland die Proletarier halbwegs als Menschen betrachtet werden, kann uns absolut nicht zwingen, für das Budget des Klassenstaates zu stimmen. Einen recht breiten Raum nahmen in den Ausführungen RehbeinS die Angriffegegen den„Vorwärts ein, der im Schlepptau der„Leipziger Volkszeitung" den Krakeel inszeniert hätte. Schon allein die Tatsache daß Rehbein, der ja seit Lösung seines Arbeits- Verhältnisses zum„Vorwärts" ständigaufden„Vorwärts" schimpft, mit der Haltung des„Vorwärts" nicht einverstanden ist, spricht dafür, daß der„Vorwärts" im Sinne der richtigen proletarischen Ausfassung geschrieben hat. Unter Anführung einiger Aeußerungen E i s n e r s und Maurenbrechers erklärt der Redner, daß diese Art Akademiker die Wissenschaft zu einer Spottgeburt machen. So habe Mauvenbrecher nach dem Bericht in Sorau -Forst erklärt, daß die Epigonen von Marx und Engels mit ihren theoretischen Anschauungen den Arbeitern die Köpfe verkleistern. Und das sagt ein Mann, der noch im Wahl- kämpfe des Jahres 1803 im gegnerischen Lager stand, und der, be- hastet mit dem Segenswunsche seines Freundes Naumann, er möge im alten Geiste weiter arbeiten, nachdem zur Partei kam. Wenn derartige Auffassungen, wie sie diese Akademiker vertreten, weitcrpropagiert werden, dann wäre es freilich möglich, daß die Verhältnisse sich so zuspitzen, daß die Partei einmal mit derartigen Treibereien Schluß macht und erklärt: Bis hierher und nicht weiter. Wohl hat Dannenberger recht, tvenn er behauptet, daß die Revisionisten in den Gewerkschaften ihren Resonanzboden finden. Aber gerade diese Tatsache spricht dafür, daß die bisher lokalorgani» sicrten Genossen in die Zentralverbände hineingehören. Nicht nur in der Budgetfrage haben sich die Genossen der höchsten Partei. instanz zu fügen, sondern auch in der Frage der Gctverkschafts- organisation. Hoffentlich werden Genosse Dannenberger und seine Freunde sich als gute Demokraten dem Parteitagsbeschluß fügen. Genosse Ledebour führte aus, Rehbein habe eine solche Fülle von Unrichtigkeiten angeführt, daß es an Zeit fehle, sie alle zu widerlegen. Der Redner widerlegt dann zunächst den schweren Vorwurf gegen die Berliner und Brandenburger Delegation und weist nach, daß man ihn mit weit mehr Recht gegen die süddeutschen Genossen erheben könnte, wie ja auch auf dem Parteitag fest- gestellt wurde, daß sich drei Fürsprecher der Budgetbewilligung ihre Mandate aus Reutlingen von einer außerordentlich schwachen Parteiorganisation holten. Rehbein habe es fertiggebracht, die Genossen, die aus der Provinz Brandenburg delegiert wurden, als bezahlte Kohorte zu bezeichnen. Die Genossen, die hierüber durch Zwischenrufe ihre Entrüstung kund gaben, haben durchaus recht gehabt, wenn sie das Wort als bezahlte Söldner auffaßten. Wenn im Reichstag sich unsere schärfsten Gegner einen solchen Ausdruck erlauben wollten, so würde im ganzen Hause ein Sturm
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