Die proletarischen Eltern aber Ver5en sich angesichts dieser Tatsachen mit gesteigertem Eifer daran machen, ihre Kinder zu bewahren vor dem verderblichen Einfluß einer mißbrauchten Schule und„Jugenderziehern", die in der Drillanstalt des Reichslügenverbandes niedrige, ekle Klopf- fechterweise lernen«________ FrlcdensFtSrer. DlS Nachrichten aus Bulgarien wiederholen immer kvieder, daß die Regierung entschlossen ist, die geraubten Bahnlinien zu behalten. Wie um die unverschämte Provo- kation der Türkei noch zu unterstreichen, sind die bulgarischen Minister in die Provinz abgereist, um zu demonstrieren, daß sie in dieser Frage überhaupt nicht mehr beraten wollen und ihre dringendste Aufgabe darin sehen, in der Wahlagitation die Volksleidenschaften anzufachen. Die Gründe für diese Haltung liegen klar zutage. Die bulgarischen Machthaber glaubten bereits die Stunde ge- kommen, um in Mazedonien das Erbe der Türkei anzutreten. Jahrelang hatten sie in Mazedonien einen unaufhörlichen, grausamen Bandenkrieg gegen Türken, Griechen und Serben geführt. Da brachte sie der Umschwung in der Türkei um den Ertrag ihrer Mühen. Eine durch die Revolution neu be- lebte und neu erstarkte freiheitliche Türkei ist ein zu starkes Hindernis für neuen bulgarischen Landerwerb. Daher das Bestreben, dem neuen Regime in der Türkei Schwierigkeiten zu bereiten. Sie wissen, daß die Jungtürken ihre ganze Kraft auf die Lösung der Probleme der inneren Politik konzen- triercn müssen und daß für sie jede auswärtige Komplikation eine große Gefahr bedeutet. Diese schwierige Situation sucht nun die bulgarische Regierung mit tückischer Hinterlist aüs- zunutzen. Die eben aufgelösten bulgarischen Banden sucht man neu zu organisieren, um den Bürgerkrieg in der Türkei mit all seinen Scheußlichkeiten aufs neue zu entfachen und so die jungtürkische Regierung um ihren ersten großen und segensreichen Erfolg, die Herstellung friedlicher und gesicherter Zustände zu bringen. Demselben edlen Zweck dient die Unverschämtheit, �mlt der die Bulgaren in der Eisenbahnfrage der Türkei gegenüber auftreten. Mit voller Absicht soll der Türkei eine nationale Demütigung zugefügt werden, für die das neue Regime ver- antwortlich wäre. Dadurch sollen die schlummernden Kräfte der türkischen Reaktion geweckt werden, den gestürzten An- hängcrn des Despotismus Gelegenheit gegeben werden, die nationalistischen Instinkte mit der Anklage aufzustacheln, die jungtürkische Regierung hätte nicht zu verhindern gewußt, was man selbst dem Absolutismus eines Abdul Hamid mcht zu bieten gewagt hätte. Bulgarien verletzt aber mit seinem Vorgehen mcht nur die Türkei , sondern ebenso ganz Europa . Die gesamte europäische Diplomatie hat feierlich versichert, daß sie die neue Entwickelung in der Türkei mit Sympathie begrüßt und in sie nicht störend eingreifen will. Das Vorgehen Bulgariens verletzt die Sicherheit des europäischen Frie- d e n s, die durch die Umwälzung in der Türkei außerordent- lich gefördert worden ist. Es ist daher auch hoch an der Zeit, das; die größenwahnsinnige Balkanregierung endlich in ihre Schranken zurückgewiesen wird und wir stimmen ausnahms- weise vollständig mit der Haltung unserer auswärtigen Politik überein, die in einer offiziösen Zuschrift der„Süd- deutschen Reichskorrcspondenz" folgendermaßen dargelegt wird: „Das Verhalten Bulgariens in der Frage der Orientbahn bedeutet, neben dem Bruch des Völkerrechts, auch einen Schlag gegen das Gelingen des jungtür- tischen Reformwerkes und muß auch unter diesem (Äesichtspunkt die Mächte beschäftigen. In allen diplomatischen Unterredungen der letzten Kit haben die Staatsmänner des europäischen Konzerts liebere instimmuna dahin festgestellt, daß sie den Uebergang der' Türkei in ein konstitutionelles Staatewesen durch eine' Politik sympathischen Abwartens erleichtern wollen, und dieser für das neue Regime in der Türkei freundlichen Hal- tung sind die Regierungen der Großmächte treugeblicbcn, mehrere unter Verzicht auf eigene, seit langem gehegte Wünsche. Diese Sclbstbeschränkung gibt den Mächten das Recht, auch von Bulgarien zu verlangen, daß es seine Ziele nicht ohne Rücksicht auf die internationalen Verträge, auf die Interessen der Gesamt- heit, auf das europäische Friedensbedürfnis, besonder? aber nicht auf Kosten einer ruhigen Entwickeiung in der Türkei verfolgt. Für die jungtürkische Sache kann es verhängnisvoll werden, daß bald nach der Proklamierung eine? neuen, freiheitlichen Staats. tvejenS das ottomanische Reich eine Antastung seiner HoheitS- rechte hinnehmen soll, die man in Sofia früher nicht gewagt hat. Bulgarien geniert sich nicht; eS pocht auf die Vorteile des Beatus possidens, auf die Schwierigkeiten und Gefahren, die für den jungen ottomanischcn Nationalstaat gerade in seiner Werdezett mit einem Appell an die Waffen verbunden sein könnten. Aber der Rechtsbruch ist nicht entschuldigt, weil ihm kein« gewaltsame Ahndung auf dem Fuße folgt. Er würde übrigen» noch eigen. artiger erscheinen, wenn die Frage, ob der Herrscher Bul - gariens für die Rückgängigmachung der Beschlagnahme sein Fürstenwort gegeben hat, mit j a beantwortet werden müßte." Auf demselben Standpunkt wie Deutschland stehen Eng- !and und Frankreich . Nur Rußland , für daS der Umschwung in der Türkei die Zerreißung des Testaments Peters des Großen bedeutet, scheint, nach den Stimmen seiner Presse zu urteilen, das gewalttätige Vorgehen Bulgariens verteidigen zu wollen. WaS aber Oesterreich-Ungarn anlangt, so wird es nachgerade allerhöchste Zeit, daß es seine zwei» deutige Haltung aufgibt. Es mag nur eine un- verzeihliche Torheit gewesen sein, daß der Fürst von Bulgarien gerade in den letzten Tayen vom Kaiser Franz Josef in Bu- oapest empfangen und m»t Lobsprüchen überhäuft worden ist. Aber geradezu ein Verbrechen wäre eS, wenn Oesterreich das bulgarische Vorgehen dazu benutzen wollte, um nun seinerseits der Türke» eine ähnliche Demütigung zuzufügen. Immer häufiger kommen in den letzten Tagen die Nach- richten, daß gerade in dem jetzigen Moment die A n n e x i o n Bosnien« und der Herzogewina vollzogen werden söll. Die Türkei hat mit anerkennenswerter Geschick- lichkeit vermieden, auswärtige Komplikationen herbei- zuführen. ES wäre böswilligster Mutwillen, wenn Oesterreich durch die Aufrollung der Annexionsfraae, hie in Wirklichkeit nur eine bloße Formalität ist. der freiheit- lichen Entwickelung der Türkei Schwierigkeiten schaffen wollte. ES wäre eine Politik, die Oesterreichs Stellung im Orient nur verschlechtern und seinen alten Ruf als Vormacht der Reaktion nur erneuern würde. Es scheint aber, daß Herr von Aehrcnthal, der österreichische Minister des Auswärtigen, dessen unüberlegtes Draufgängertum ihn nachgerade zu einer Gefahr macht, da? böse deutsche Beispiel einer lächerlichen Prestigepolitik nachahmen will. Um so erfreulicher ist es, daß die österreichische Sozialdemokratie mit aller Luergle der unfähig lärmenden Politik dieses Mannes ent- gegenkritk. Und wir können der«Wiener ArEeiierzeikung" nur völlig beistimmen, wenn sie schreibt:„Für das staatsrechtliche Verhältnis Bosniens gilt es, an dem Ruhenden nicht zu rühren; wer von diesem Grundsatz abweicht, begeht ein Verbrechen an dem Wohle, an dem gesicher. ten Frieden des Reiches.- politische deberNcbt. Berlin , den 3. Oktober 1903. LandtagSwahl in Anhalt . Dessau , 3. Oktober. (Privattelegramm.) Die heute vollzogenen Wahlmännerwahlen zum Landtag sind für die sozial- demokratische Partei günstig ausgefallen. Drei Mandate, nämlich das für Bernburg -SanderSleben , Güsten und Nienburg , find uns sicher. Fast in allen Kreisen ist unsere Stimmenzahl beträchtlich gestiegen. Der Blockfreifinn gewinnt und verliert ein Mandat. Kolossal schneidig! Auf dem zurzeit in Stettin tagenden Pommerschen Provinzial- Lehrertag war am ersten BerhandlungStage die Regierung nicht vertreten. Sie hatte aus die Einladung des Vorstandes geantwortet, fie sei zu sehr mit Arbeit überhäuft, um einen Vertreter stellen zu kennen. Pastor Müller- Stettin rügte diese Zurückhaltung, indem er unter dem Beifall der Versammlung meinte, offenbar scheue die Regierung«ine öffentliche Aussprache mit den Lehrern. Darauf erschien am zweiten Tage pünktlich ein Repräsentant der Regierung, der Herr Oberregierungsrat von Falckenthal, um folgende wohl vorbereitete schneidige Erklärung vom Stapel zu lasse«: „Meine Herren l Nach den gestrigen Zeitungsberichten hat in dieser Versammlung Herr Pastor Müller gestern daS Wort gesagt: „Ich bedauere, daß die Herren von der Regierung nicht hier find. sie hoben wohl Angst". Mit Herrn Pastor Müller wird sich die königliche Regierung wegen dieser schweren öffentlichen Beleidigung an anderer Stelle auseinandersetzen. Hier interessiert die weitere Zeitungsnotiz, die von der Versamm- lung„stürmischen, langanhaltenden Beifall" notiert. Meine Herren I Daß Sie sich dadurch an einer schweren Jnvekttve, einer schweren Herabsetzung Ihrer vorgesetzten B e h ö, r d e beteiligt haben, erwähne ich nur beiläufig, denn ich glaube derfRespekt vor der vorgesetzten Behörde ist wohl nicht mehr ganz modern. Ich möchte aber meinen, daß die Tatsache. daß Sie sich durch Ihren Beifall an einer Herabsetzung und Verleumdung beteiligt haben, jedem einzelnen von Ihnen bei näherer Betrachtung nicht zulässig erscheinen wird. Ich konstatier«, daß wir vor Ihnen keine Angst haben, daß aber wohl die gestrige Verhandlung geeignet ist, die warmen Gefühle, die wir für Sie hegen, zu beeinträchtigen. Wir sind daher nicht mehr inder Lage, an Ihren weiteren Ber- Handlungen teilzunehmen." Also sprach er und kehrte an die Stätte seines aufopferungs- vollen Wirkens zurück. ES ist doch etwaS Erhabenes um die Schneidigkeit der preußischen Bureaukratie. An Verstand, Wiffen und Können mag die Bureaukratie anderer Länder ja vielleicht die preußische übertreffen; ab« so schneidige Beamte befitzt kein Land dep Welt.-_ ReichstagS-Ersatzwahl in Memel -H eydekrng. Bci der gestrigen ReichStagSerfatzwahl für Königsberg 1 Memel-Heydekrug) wurden, wie wir bereits gestern unter„Letzte Nachrichten" kurz melden konnten, insgesamt 14 S05 gültige Stimmen abgegeben. ES erhielten Geh. RegierungSrat a. D. Schwabach (natlib.) 9727, Buttkereit(k.) 2904 und Hofer(Sozialdemokrat) 1852 Stimmen. Zersplittert waren 22 Stimmen. Schwabach ist somit gewählt. Die Wahlbeteiligung war diesmal eine sehr geringe. Nur 63 Proz. der Wähler haben gestimmt, im vorigen Jahr bei der Hauptwahl dagegen 84 Proz. ES erhielten damals im ersten Wahl- gange der sozialdemokratische Kandidat, der Genosse Braun, 3342 Stimmen, Schwabach (natlib.) 4941, Krause(k.) 0668 und Gaigalat (Litauer) 4221 Stimmen. Bei der engeren Wahl fielen auf Schwabach 11 493, auf Krause 6431 Stimmen. Die belehrten Landräte. wir haben berichtet, daß die Landräte des Wahlkreises Prenzlau - Angermünde , in welchem demnächst eine Nachwahl stattzufinden hat, sich geweigert haben, die dort beschäftigten Saisonarbeiter in die Wählerliste aufzunehmen. Der sozialdemokratische Kandidat de« Kreise», Genosse Otto Wels , hat sich darauf beim RegierungS- Präsidenten in Potsdam beschwert und daraufhin folgende Antwort erhalten: „Di» Herren Landräte der Kreise Angermünde und Prmzkau 's habe ich am 14. d. M. benachrichtigt, daß nach dn Praxi» der Wahlprüfungskommission und des Plenums de» Reichstage« die ständig oder für längere unbestimmte Zeit außerhalb ihre« Wohnorte» beschäftigten Arbeiter, insbesondere auch die so- genannten Saisonarbeit«, am Orte ihrer regelmäßigen auswärttgen Beschäftigung in der Regel als wahlberechtigt anzusehen seien. ES seien daher solche Personen nur dann in die Wahlerliste nicht aufzunehmen, wenn feststeht, daß sie den Schwer» punkt ihrer Existenz nicht vom Wohnort an den Beschäftigungsort verlegt haben. Im übrigen muß es jedem einzelnen selbst überlassen bleiben, Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste selbst zu erheben. Bon Amtswegen können die ausgelegten Listen nicht mehr ge- ändert werden. In Vertretung (unleserliche Unterschrift). Di« W2hl«Iisten find mittlerweil« abgeschlossen. Eine Aen- derung der Wählerlisten ist nach Angabe deS RegierungSpräfidenten nicht mehr möglich, so daß in der Tat die Saisonarbeiter ihr Wahl« recht verlieren dürften� Selbstverständlich wird durch diese Bor« lommnisse«in Wahlprotest außerordenttich gestützt. Der sächsische Wahlkreis- Schacher. In d« FreitagSsitzung der WahlrechtSdeputatton der Zweiten sächsischen Kammer teilte der Vorsitzende mit, daß die Bestrebungen, zu einem Einvernehmen zu gelangen, zwischen den Fraktionen fortgesetzt, aber noch nicht zum Abschluß gebracht worden seien. NamenS ver Nationallideralen gab sodann Abgeordneter Dr. Vogel die Erklärung ab. nach der Ueber» zeugung seiner Parteifreunde seien in dem von Geheimrat Heink vorgelegten Entwurf einer WahlkreiSeiniteilung die in dem Kompromißantrag niedergelegten Gesichtspunkt«, ins- besondere die Forderung, die WahlkreiSeinteilung möglichst gleich zu gestalten, nicht ausreichend berücksichtigt. Der Schacher geht also weiter. Regierungsversprcchungen. Auf Anregung der sozialdemokratischen Landtagsfraktion hatte während der letzten Kammertagung die badische Regierung ver- sprachen, bei den Eisenbahnbauten arbeitslos gewordene ein- heimische Bauarbeiter«inzustellen, um, soweit möglich, den Druck der Krise auf die Arbetterschaft zu mildern. Tatsächlich hat auch der Finanzminister einen Erlaß in diesem Sinne an die Bau. bekriebsleitungen gerichtek. Wie aber kürzlich ber Gauleiter beS Maurerverbandes. Genosse Philipp-Karlsruhe, im dortigen Partei- organ mitteilte, war es dem Verband bisher unmöglich, auch nur einen der vielen arbeitslosen verheirateten Kollegen bei den Staatsbauten unterzubringen. Gerade in Karlsruhe mußten sie zusehen, wie auf dortigen Bahnbauten fremde Arbeiter ihnen vor- gezogen wurden. In heftigen Worten erhob die Gauleitung schwere Anklage gegen diese Unzuverlässigkeit eines RegierungSver- sprechen?. Das hat die Arbeiter der badischen Eisenbahnbetrieb». Werkstätten zu einem Protest gegen die badische Regierung veranlaßt. Eine Vertretcrkonferenz der im süddeutschen Eisen- bahnerverband organisierten Eisenbahner faßte folgende Reso- lution: „Die zu einer Sitzung zusammengetretenen Arbeiteraus- schüsse der Haupt-, Betriebs- und Telephonwerkstätte sowie die Gauleitung und die Ortsverwaltungen I und II des Verbandes süddeutscher Eisenbahner sprechen die Erwartung aus, daß Großh. Gencraldirektion dem einmütigen Verlangen des badischen Landtages nachkommt und die Verbesserungen und Re- formen, die der Landtag angedeutet hat, alsbald durch- führt. Um jedes Mißverständnis auszuschließen und um der Arbeiterschaft der badischen Staatseisenbahnen Gelegenheit zu geben, ihre Forderungen und Wünsche bei der maßgebenden Behörde direkt vorzutragen, wünschen wir, daß in aller Bälde von feiten der Generaldircktion eine Plenarsitzung samt- lichcr Arbeitervertreter der Werkstätten und deS Betriebsdienstes einberufen wird und daß in dieser Sitzung die Sekretäre der beiden Arbeiterverbände Sitz und Stimme erhalten." Zur Unterstützung dieses Protestes sollen mehrere Versamm- lungen in Baden stattfinden._ Ein Gewaltakt der preußischen Justiz. Am Donnerstag morgen wurden auf Anordnung des Unter- suchungsrichters beim Landgericht l, Herrn Sprockhofs, von Beamten der politischen Polizei in den Redaktions- und Verlags- räumen des anarchisiischen Wochenblattes„Revolutionär", Born- holmer Straße 9, sowie in den Räumen der Druckerei desselben und in den Wohnungen zahlreicher Anarchisten Haussuchungen vor- genommen. Die Haussuchungen sollten den Zweck haben, in der Strafsache gegen den Schuhmacher Clement, Krausenstr. 61, der sich mit Herstellung von Sprengstoffen beschäftigt haben soll, Matc- rial zutage fördern, daS über den Aufenthalt des in dieser Sache gleichfalls angeschuldigten, angeblich flüchtigen Arbeiters Adolf Zumpe Aufschluß gibt. Bei dieser Gelegenheit wurden in den RedaktionS- und Ver- lagSräumen sämtliche Geschäftsbücher, Postabschnitte, Korrespou- denzen und alle vorhandenen Manuskripte beschlagnahmt. Der Geschäftsbetrieb des Verlages ist dadurch völlig unmöglich gemächt und mußte bereits eine Nummer der Wochenschrist aus- fallen. Wie uns die Redaktion de»„Revolutionär" versichert, würde schon eine oberstächliche Durchsicht genügt haben, um zu er- kennen, daß die beschlagnahmten Sachen absolut in keiner Bc- ziehung zu der Affäre Clement stehen. Trotzdem blieb der Protest und d« Antrag bei der Polizei wie beim Untersuchungsrichter aus Herausgabe der beschlagnahmten Sachen bisher ohne Erfolg. Jetzt hat sich der Verlag des„Revolutionär" beschwerdeführend an den Präsidenten deS Landgerichts I gewandt. Eine staatsgefährliche Schrift« Die Staatsanwaltschaft konfiszierte am Freitag mittag in der Buchhandlung der„Volksstimme" in Frankfurt a. M. 60 Exemplare der bürgerlichen Revolutionsgeschichte von 1848, die im Verlag der Wiener Parteibuchhandlung jetzt in Liefnungen herausgegeben wird. Auf dem Zollamt schon wurde dem Boten der Buchhandlung erklärt,„m a n" glaub« nicht, daß die Bücher ausgehändigt werden könnten, erst als der Bote nach stundenlangem Warten„ungemütlich" wurde, gab man die Bücher frei und ließ den Boten gehen; kaum war er aber in dem Lokal der Buchhandlung angelangt, da erschien die heilige Hermandad, V Mann hoch, in der Buchhandlung und verlangte die Herausgabe der Schrift. Genosse Thieme sagte dem Kommissär, daß die B a ch s ch e Geschichte der Wiener Revolution doch in jeder Bibliothek zu haben sei, und daß es doch höchst komisch fei, ein so bekanntes Buch zu konfiszieren— es half nicht». Und als sich Genosse Tbieme mit aller Entschiedenheit weigerte, die Hefte herauszugeben, da ertönt« plötzlich daS Kommando zum„Vor- gehen"; wie die Eichkätzchen klettert«» die Polizisten auf alle Schränke, alle Kisten und Kasten wurden umgedreht und— der preußische Staat war gerettet. Was die Staatsanwaltschaft mit der Konfiskation bezweckt, ist UNS unklar. Der Kommissar ließ aber durchblicken, daß ein in der ersten Nummer deS Bachschen Buches abgedrucktes antimilitaristtscheS Flugblatt es der hohen Staatsanwaltschaft angetan habe. Das Flugblatt klingt aus in dem Verlangen nach einem konstitutionellen Kaiser. Ob selbst dieses Verlangen schon geeignet ist, den preußischen Staat aus dem Gleise zu bringen? Ein Soldatenschinder schlimmster Sorte stand in der Person de» Unteroffizier« Radermacher vom Tele- graphenbataillon Nr. 8 vor dem OberkriegSgrricht in Koblenz . Die Verhandlung brachte ein ganze? System qualvoller Leiden zu- tage, die der„Stellvertreter GotteS" zur Peinigung der ihm unterstellten Leute erdachte. Die Anklage umfaßt nur die Zeit von Oktober 1907 bis Januar 1908. Die Anzahl der Mißha»� lungsfälle konnte nicht mehr festgestellt werden. Such diesmal wäre dem Menschenschinder noch nichts geschehen, wenn nicht ein Pionier infolge Hysterie, die«r sich durch die fortgesetzten Miß- Handlungen zugezogen hatte. auS dem Dienst hätte entlassen werden müssen. Die Krankheit war so schlimm, daß die Reichspost, bei der der Soldat früher angestell: war, ihn nicht wieder einstellte. Obwohl der Soldat damals bei den Quälereien des Unteroffiziers ohnmächtig zusammen- brach, hatte er eine Meldung nicht erstattet. Vor Gericht er- klärte er, er würde«S dann noch schlechter gehabt haben. DaS„System" des Radermacher deckt sich im allgemeinen mit den Teufeleien, wie sie in den SoldatenmißhandlungSprozesscn immer wieder bekannt werden: weil«in Mann beim Erscheinen de» Herrn Vorgesetzten nach dessen Meinung nicht schnell genug aufstand, muß die ganze Korporalschaft zw.eiyundertmal auf dem Schemel niedcrsktzcn und wieder aufspringen. Wer „schlecht« Griffe" machte, muhte sich an den überheizten Ofen stellen, wobei ihm noch eine Mütze über die Ohren gezogen wurde, damit er noch mehr schwitze. Zum Essen erhielten die Leute keine Zeit, während Herr Radermachcr dabei sah und speiste. Wie die Affen mußten die Soldaten aus den Möbeln herumklettern und wir die Hunde unter die Betten kriechen. Sie mußten unter dem Balkenwerk des Speichers so schnell herlaufen, vaß sie sich die Köpfe blutig stießen. Nach dieser Abhetzuna mußten sie im kalten Wetter, nur mit dem Drillichanzug bekleidet, im Hofe Schuhzeug reinigen. In der nämlichen Bekleidung muhten sie sich auf die spitzen Steine des Kasernenhofes legen, wobei sie der Peiniger mit dem Seitengewehr auf die vor Kälte steifen Finger schlug, daß die Knochen schmerzten. Sie muhten hundertmal„Äugen rechts— Augen link»!" üben, so daß sie Schmerzen im Kopf und Genick hatten und sich w in- delig wurden, und was all die Niederträchtigkeiten der Bestie im Unteroffiziersrock mehr sind. Das Kriegsgericht hatte auf drei Monate Gefänani»«rkamtt und von der Degradation abgesehen. Der Gerichtsherr legte Berufung wegen der niedrigen Strafe ein. Er beantragte sechs Monate uns Degradation. Da» Ober- kriegSgcricht verwarf die Berufung des Gerichtsherrn mit der
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