tränt 63 824 Köpfe. Am 1. September hat sich das Minus schon auf 78 397 erhöht. Aber nicht genug damit: der 1. September hat auch eine andere Veränderung gebracht, auf die die Ausmerlsamkeit hinzulenken ist. Die Ziffer der männlichen V e s ch ä f« tigten blieb am 1. September sogar hinter der entsprechen- den Ziffer des JahreS 1900 zurück. Es stellte sich nämlich die Beschäfligtenziffcr am 1. September für die Männlichen wie folgt: 1900 1907 1908 8 224 440 3 303 031 8 223 0S4 Diese ungünstige Verschiebung ist eingetreten, obwohl die Gesamt- zahl der Beschäfligten am 1. September hinter dem Vorjahr nur um 8b 103 zurückbleibt. Die Entlastungen der männlichen Arbeiter sind zum Teil dadurch wieder ausgeglicken worden, daß mehr weibliche Arbeitskräfte eingestellt worden sind. Freilich ganz wirkungslos ist der matte gewerbliche Beschäftigungsgrad auch am Arbeitsmarkt für Weibliche nicht vorübergegangen, aber hier fand doch immerhin noch eine bemerkenswerte Zunahme der Be- fchäftigten statt. Und namentlich hat es noch keinen einzigen Monat seit Eintritt des gewerblichen Rückganges gegeben, in dem die Zahl der weiblichen Beschäftigten hinter dem Vorjahr zurückgeblieben wäre. ES stellte sich die Ziffer der weiblichen Beschäftigten am 1. September wie folgt: 1900 1907 1908 1 282 307 1 303 001 1 407 290 Gegen 1907 ergibt sich für das laufende Jahr ein Mehr von 44 229 Köpfen. Entsprechend dieser Bewegung der Beschäftigtenziffer gestaltet sich nun auch an den Arbeitsnachweisen der An- drang von männlichen und weiblichen Arbeitsuchenden recht ver- schiede«. Im Juli 1907 war der Andrang von Männlichen um rund 9 Proz. stärker als 1900, der der Weiblichen um 12 Proz. Im August 1908 aber hatte der Andrang am Arbeitsmarkt für Männ- liche um nicht weniger als 64 Proz., der am Arbeitsmarkt für Weibliche aber nur um 22 Proz. zugenommen. AuS der Gegenüberstellung der Beschäftigtenzifier für männliche und weibliche Arbeiter ergibt sich, dast eine Folge des gewerblichen Rückgangs eine recht ansehnliche Zunahme der Frauenarbeit auf Kosten der männlichen Arbeitskräfte ist._ Wieder eine Lösung der Dienstbotenfrage! Der bestehende Mangel an Dienstboten treibt die beteiligten Kreise immer wieder zu Abhilfcverfuchen. So sind in Amerika , in England und auch bei uns in Deutschland von einzelnen Anstalten und Vereinen Einrichtungen getroffen worden, die den Herrschaften Dienstboten und zwar, was die Hauptsache dabei ist, billige und unterwürfige Dienstboten verschaffen sollen. So schlug, wie bürger- liche Blätter melden, Stadtrat und Waisenvatcr KnopS auf der Jahresversammlung der Armenverwaltung vor, Lehrvertrüge von 3 Jahren einzuführen, für Waisenmädchen, die bei guten und zu- verlässigen Familien als Dienstmädchen in die«Lehre' gebracht werden. Laut Vertrag wären die jugendlichen Mädchen verpflichtet, 3 Jahre bei der betreffenden Familie auSzuhaltcn. Sonderbar ist es, dast bei diesem Vorschlag die Lohnfrage gar nicht gestreift wird. Oder nimmt man als selbstverständlich an. dag die Mädchen 8 Jahre umsonst zu arbeiten haben? Damit wäre allerdings für gewisse.Herrschaften', die heute keine Mädchen bekommen, die Dicnstbotensrage zur Zuftieden- heit gelöst, liiid sollen die jungen Mädchen auf Gnade und Ungnade den respektive« Familien ausgeliefert sein? Sollen oie„Lehrmädchen' einfach im Dicnstbotenstand untergebracht werden, ob sie gewillt und geeignet sind oder nicht? Diese Fragen beweisen schon, dast man bei jenem Projekt über die Auffassung. Proletarier und deren Kinder seien einfach nur Objekte gesellschaftlicher Mag- nahmen, nicht hinausgekommen ist. Die Dienstboten haben allen Anlast, gegen die geplante unlautere Konkurrenz sich energisch zu wehren. Die Herrschaften, die sich bedienen lasten wollen, sollen nur anständig bezahlen und die Angestellten als Menschen behandeln I Dann werden sie genügend Arbeitskräfte bekommen. Lescabende. Zweiter Kreis. Dienstag, den 0. Oktober, 3'/z Uhr, bei WiemerS. Bülowstr. 58.— Versammlung füllt auS. Sechster KrciS. 6. Abteilung: Donnerstag, den 8. Oktober, abends 8 Vi Uhr, bei Schölzel, Boyenstraste 12. Pankow. Mittwoch. 7. Oktober, ö'/a Uhr, bei Abendroty, Mühlen - straffe 81._ Versammlungen. LoS von der Kirche. In einer zu Sonntagmittag um IL Uhr einberufenen öffent- lichen Volksversammlung sprach Genosse Adolf H o f f in a n n über das Thema;„Los von der Kirche und der nicht Kirchensteuer bezahlenden Geistlichkeit!" Der große Saal im Fccnpalast mit seinen Galerien war bis obenhin vollbesetzt. Vor EiiNritt in die Tagesordnung teilte der Vorsitzende mit. baff der verdiente Genosse Tutzauer verstorben ist. Die Ver. sammelten erhoben sich zu Ehren des Verstorbenen von ihren Plätzen. Weiter machte der Vorsitzende die Anwesenden darauf auf- merksam. daff erkannte Kriminalbeamte sich durch Bezahlung des Einlrittsgelocs Zutritt zur Versammlung verschafft hätten und daff die Anwesenden vorsichtig sein sollten, wenn sie ihre Nachbarn nicht kennten. Sodann nahm Genosse Hoffmann das Wort zu seinem Vortrag, den er mit dem Gedicht von Herwegh einleitete:;Wir baben keinen Vater.. Man könne gut religiös sein, ohne an Dogmen zu glauben und ohne der staatlich privilegierten Kirche an- zugehören. Viele frömme Ehristen sagten sich heute schon loS von der Kirche, lveil diese mit den Lehren des Nazareners nicht über- einstimme. Würde Jesus leben, so stände er gcwih nicht auf der Seite der Kirche, sondern auf feiten der Enterbten und Verstoffcnen. Seine jetzigen Stellvertreter kämpfen viel schlimmer und hart- nackiger um Erhöhung ihres Einkommens, wie die— Sozialdemokraten.(Groffe Heiterkeit.) Er kenne genug Sozialdemokraten, die glücklich wären, wenn sie nur die Hälfte des Gchaltö, das die frommen Hirten beziehen, hätten. Und doch verlangten diese jetzt noch mehr. Und er sage: mit Recht! Jeder müsse versuchen, seine wirtschaftliche Lage so gut wie möglich zu gestalten. Die Pfarrer hätten ja auch schon Berufsorganisationen und er würde sich gar nicht wundern, wenn sie eines Tages in eine Lohnbewegung ein- träten.(Stürmische Heiterkeit.) Aber sie mögen ihr Gehalt nicht auf Kosten derjenigen erhöhen, die gar nichts von ihnen wissen wollten, oder von jenen, die infolge ihrer abhängigen Lage, nicht aus der Kirche austreten können. Und gerade wir, die wir nicht an die HeilLlehre glauben, find für die Befreiung der Kirche, für die Befreiung von— Staat und Geldsack l Warum gibt denn der Staat so viel Geld für die Kirche aus? Der Etat der deutschen Bundesstaaten enthalte 100 Millionen für KirchenauSgaben und etwas über 300 Millionen für Schulen. Darin sei aber noch nicht das enthalten, was die Kommunen zuschieffen. In Sachsen , wo die Pfarrer etwas mehr freie Hand hätten, gingen sie auch in geg- nerische Versammlungen, um d:e Arbeiter von dem Wert der Kirche zu überzeugen und die Redner zu widerlegen. So sagte auch einst ein Pfarrer: Ter Staat sei verpflichtet, die Kirch- finanziell zu unterstützen, weil er früher die Kira'engüter in Beschlag gcnom- mcn habe. Er. Redner, habe dem Pfarrer gesagt, daff er sofort für die Wiederherausgabe dieser widerrechtlich genommenen Güter eintreten würde, wenn die Kirche nachweisen könne, daff sie die Güter rechtmäßig erworben hat!(Groffe Heiterkeit.) Ein fran- zösischer Geistlicher babe eS erst bor kurzer Zeit ausgesprochen, daff vier Fünftel aller Kirchciigütcr zu unrecht erworben wären und von dem letzten Fünftel könne man nicht nadtoreisen, daff es recht- mäffig erworben sei. Tie heutige Kirche sei auch nicht gcraoe wählerisch, sie erhebe Kirchensteuern nicht nur von Gläubigen, sondern auch von Ungläubigen, von Juden, Heiden und anderen. Selbst von Geldern auS Bordellen würden heute Kirchen gebaut. Die ehrlichen Gläubigen kämpften schon längst gegen dicw Zu- stände, da sie der Meinung sind, die Kirche kompromittiere sich, wenn sie ausgeholten werde. Bezeichnend sei es, daff in der Toleranz- kommission, der er, Redner, zugeteilt war, die Vertreter des Zen. trumS erklärt hätten, sie verzichteten gerne auf die staatlich: Hilfe, die„liberalen" Evangelischen dagegen, darunter Herr Schräder. protestierten gegen die Zurückziehung der Staatshilfe, denn damit „raube man der Kirche das Rückgrat". Das beweise sehr wenig Vertrauen zu Gott, der bloff zu wollen braucht, um die Kirche groff und stark zu machen. Heute dürften die Geistlichen gar nicht die Wahrheit sagen, sonst mufften sie sofort den Rock ausziehen. Nicht jeder habe den Mut, wie der frühere Pfarrer, jetzige Genosse Stern, um vor seine Vorgesetzten hinzutreten und freimütig zu bekennen: „Ich will die Gemeinde nicht belügen.' Sieben Zehntel aller Geistlichen seien so erzogen, daff sie, wenn sie den Talar auszögen, sich im bürgerlichen Leben ihren Unterhalt gar nicht erwerben könnten. Warum gebe nun der Staat so viel Geld für die Kirche auS? Weil er sonst in unserer elenden, erbärmlichen kapitalistischen Wirt» schaftswelse die Massen auf die Dauer nicht zufrieden erhalten könnte. Daß allein fei die Aufgabe der Kirche. Daher immer der Hinweis auf das Gleichnis von dem Kamel und dem Nadelöhr. Nach deren Anschauung sei jede Bestrebung um bessere Zustände Gotteslästerung. Er aber sage: Wenn Gott dem Menschen eine Vernunft gab, dann gab er sie nicht, wie einen KommerzienratS- titel, ohne innere Bedeutung.(Beifall.) Wenn es aber einen Gott gäbe, so würde er eS nicht zulassen können, daff Tausende blühender Menschen in den Krieg gehetzt werden, nimmermehr würde er den Massenmord gutheißen. Sie aber, die die Anstifter sind, verkröchen sich jedesmal hinter den Herrgott. Alles geschehe nach deren Redensarten nach GotteS unerforschlichem Ratschluff. Auch das Hochbahnunglück. Der liebe Gott hätte aber sicher nichts dagegen gehabt, wenn man das Gleisdreieck so konstruiert hätte, daff kein Zusainmenswh hätte erfolgen können: aber das hätte mehr Geld gekostet.(Stürmischer Beifall.) Ueberhaupt: könne ohne ihn nichts geschehen, so brauche man auch kein Militär, keine Polizei usw. für den Schutz der Gcldsäcke. Friedrich der Groffe hat gesagt, jeder möge nach seiner Fasson selig werden, heute heiffe cö: die Religion müsse dem Volle erhalten bleiben. Mit dem Volke sind die Armen gemeint. Die Gedankenlosigkeit der Massen stütze heute bloß noch die Kirche, würden alle, die mit den Dogmen innerlich gebrochen haben, austreten, so zeigte sich bald ein anderes Bild. Wandel könne nur geschaffen werden, wenn alle ehrlichen Christen und Juden austreten, dann verliere der Staat das Interesse an der Erhaltung der Kirche. Wer dagegen drin bleibe, dem geschehe es recht, wenn er Steuern zahlen müsse. Arbeiter besonders ris- kiertcn nichts beim Anstritt. Beamten dagegen könne man es unter den heutigen Umständen nicht empschlen, 6a sie ihre Existenz aufs Spiel setzen. Für diese sei die Kirchensteuer aber eine Un- gercchtigkeit, jene dagegen, die fromm sind, sollten sich ihren Herr- aott noch etwas kosten lassen. Der Spott der Synoden über die Austrittsbewcgung sei jetzt schon einer heillosen Angst gewichen. So ward schon gesagt, die Prediger befänden sich in einer sehr üblen Lage, weil sie selbst keine Steuer zahlten, das mache auf die kleine« Leute einen ungünstigen Eindruck. Aber die Mehrheit der Geist- lichen wolle von einer sie treffenden Kirchensteuer nichts wissen; den Aermsten der Llrmcw jedoch soll sie abgeknöpft werden. Heute werden ja die Gelder zu Gottes Ehren durch den Gerichtsvollzicbcr eingetrieben. Doch mehrten sich die Austritte in erfreulicher Weise. In einer Synode traten in einem Jahre 711 Personen auS. Häufig würden die Taufscheine von den Kirchenbehörden verweigert, gegen Recht und Gesetz, wenn sie merken, um was eS sich handelt, bis'die Frist der Anmeldung verstrichen ist. Deshalb solle sich jeder, der standesamtlich getraut ist, dort den Taufschein oder eine Abschrift gegen 60 Pf. Gebühr geben lassen. Aber auch die Ehefrau nrüsie austreten, sonst werde sie trotzalledem zur Hälfte der Steuer heran- gezogen auch wenn sie nichts verdiene. Redner bespricht noch das häusliche Leben und die Kindererzichung und schliefft mit seinen wuchtigen, temperamentvollen Ausführungen, die in den Appell ausklangcn: Wir glauben auch an eine Auferstehung, aber an eine in unseren Kindern. Wenn wir sie in unserem Sinne erziehen, wenn wir mehr wie bisher die Frauen aufklären und organisieren, wenn wir unsere Presse lesen. Bald feiern wir wieder das Fest der Liebe, aber die Welt starrt in Waffen. Einem edlen Manne wie Liebknecht will man die Ehre absprechen, weil er gegen Mili. tariSmus und Krieg kämpft. Gegen diese beiden müsse unseren Kindern der Abscheu schon mit der Muttermilch beigebracht tverden. Kein Reichsanwalt wird imstande sein, eine solche Mutter wegen Sock, verrat anzuklagen. Zur Freiheit, zur Kultur, raus aus der Kirche, frei von der Kirche und von den Pfaffen.'(Stürmischer Beifall.) Eine Diskussion folgte dem ziveistündigen Vortrag Nicht. Gerickts- Leitung. El» blutiger Zusammenstoß zwischen einem Förster und Wilderern lag einer Anklage zugrunde, mit der sich gestern das Schwurgericht des Landgerichts III zu beschäftigen hatte. Unter der Anklage dcS versuchten Totschlags, der Vedrobung und des gewerbsmäßigeil WildcrnS stand der Straffcnbahnschaffncr August Rückcrt, während sich der Büchsenmacher August Kloth wegen Bedrohung und Wil - derns zu verantworten batte. Die Angeklagten wurden durch die Rechtsanwälte Dr. Echwindt und Dr. Bartels verteidigt. In dem Vorverfahren hatten sich Zweifel an der ZurechnungSfähigkcit des Angeklagten Kloth herausgestellt. Auf Anordnung des Gerichts toar K. zur Beobachtung seines Geisteszustandes in die Kgl. Charite untergebracht worden. Da zu der gestrigen Verhandlung der Professor Dr. Eciffer, der den Angeklagten untersucht hatte, nicht erschienen war, muffte die Verhandlung gegen ihn abgetrennt werden. Es wurde deshalb gegen Rückert allein verhandelt, der im Gegensatz zu Kloth völlig unbestraft ist, während dieser viermal wegen Körperverletzung und auch schon wegen Jagdvergehens vorbestraft ist. Mitte vorigen Jahres lernten sich die beiden Angeklag- tcn auf einem Schießstand in Schönholz kennen. Rückcrt. der mit besonderem Eifer dem Schießsport huldigte, brachte einige Tage später ein Gewehr, welches repariert werden sollte, zu Kloth. Bei diesem Anlaß verabredeten sie. in der Forst zwischen Sadowa und KarlZborst zu wildern. Kloth stellte zwei zusammenlegbare Wil - dererbüchsen her, die bequem unter den Uoberzieher geknöpft werden konnten. In der Folgezeit erlegten die Angeklagten wiederholt Rehe und Fasanen. TaS Wildprct verbrauchten sie teils in ihrer Häuslichkeit, teils wurde es an Wildhändler verkauft. Diese Wild- dieberei wurde hauptsächlich auf dem Jagdterrain des Ritterguts- besitzerS von TreSkow verübt. Der bei dem Jagdpächter angestellte Privatförster Otto Kölln fand wiederholt in der Forst die Reste eines aufgebrochenen Rehes. Sehr häufig wurden auch von Be- wohnern der dortigen Gegend des Nachts und am frühen Morgen Schüsse gehört. Es wurde deshalb eine besondere Wilddiebs- Patrouille gebildet, die jedoch die Wilderer nie zu Gesicht bekam. Als es dem Förster Köhn endlich am 24. November v. I. gelang, die beiden Wilderer zu stellen, kam es zu einem blutige» Rencontre. Am Nachmittage dcS 24. November, als es schon zu dunkeln an- fing, befand sich der Förster in der Näbe des sog. MiltelbruchZ. Plötzlich bemerkte er an dem BicSdorfer Grenzgraben zwei Männer, die sich bemühten, sich hinter einem Weidengcbnsch zu ver- stecken. Der Forstbcamte schöpfte sofort Verdacht und ging mit schußbereiter Flinte auf die beiden Männer zu. Als diese ihn an- kommen sahen, ergriffen sie die Flucht nach entgegengesetzten Rich, tungen. Den, Kloth gelang es, im Gebölz zu verschwinden. Köhn nahm nunmehr die Verfolgung des Rückcrt auf, den er auch bis auf eine Entfernung von etwa zebn Schritten erreichte. Als R. sah, daff eine weitere Flucht aussichtslos war. lief er in einen Graben, so daff er für einige Sekunden für den Forster unsichtbar wurde. In diesem Augenblick krachte ein Schuß, Rückcrt hatte in wilder Hast seine Flinte an die Wange gerissen und auf den Förster geschossen. Nur durch den Umstand, daff Köhn gerade an diesem Tage eine dicke Jagdumsfe trug, die sich später wie mit Schrot- lörnern gespickt zeigte, drangen dem Förster nur einige Schrotkörner in den Unterleib. Außerdem hatte er schmerzhafte Verletzungen an der Hand erlitten. Köhn war durch den Schuß zu Boden geschleu- dert worden, er sprang jedoch schnell wieder auf und'gab nun eben- falls einen Schutz ab, der den N. in die Lunge traf. In diesem Augenblick tauchte auch Kloth wieder auf. Als dieser ebenfalls sein Gewehr anlegte, gab der Förster nochmals Feuer, ohne jedoch den zweiten Wilddieb zu tresfcn. Die Verletzungen des Rückcrt stellten sich als ziemlich schwere heraus. Er sowohl wie der Förster wurden nach dem Augujta-tzospital geschafft. Vor Gericht war der Angeklagte des Jagdvergehens geständig, er bestritt jedoch mit aller Energie, absichtlich auf den Förster gc- schössen zu haben. Nach seiner Darstellung habe sich sein Gewehr durch einen ungeschickten Handgriff von selbsr entladen. Nach mehrstündiger Beweisaufnahme bejahten die Geschworenen die Schuldfrage nach Jagkwcrsgehen und qualifiziertem Widerstand gegen einen Forstbcamte» im Sinne der§Z 117 und 118 St.-G.-B. Der Staatsanwalt beantragte 3 Jahre 1 Monat Zuchthaus» der Gerichtshof erkannte auf 1 Jahr 7 Monate Zuchthaus unter An- rechnung von 4 Monaten Untersuchungshaft. Für Dienstboten gut genug. Vor dem Landgericht München I hatte sich am Freitag die Gastwirtsehefrau Maria Röder, eine Köchin und ein Herdmädchen wegen eines fortgesetzten Vergehens gegen das Nahrungsmittclgesetz zu verantworten. Die Verhandlung zeigte, mit welcher Frivolität die angeklagte Gastwirtin aus purer Profitgier mit der Gesundheit der Dienst- boten und der bei ihr verkehrenden Gäste monatelang ungestraft freveln konnte. Von Anfang Mai bis Ende Oktober 1907 mufften die beiden Mitangeklagten Mädchen die von den Gästen übrig gelassenen Fleischbrocken sammeln und bei Zubereitung von Speisen wieder verwenden. Sehr häufig in der Woche wurden von stinkigen Fleischbrocken so- genannte Fleischpflanzeln(Fleischkuchen) fabriziert, und wenn diese dann an einem Tage nicht verkauft werden konnten, den Dienstboten vorgesetzt oder noch mehrere Tage aufbewahrt und dann wieder aufgewärmt. Stockwürste und Lunge, die schon in Zersetzung übergegangen waren, wurden den Dienst. boten vorgesetzt. In einem Falle wurden in den Speisen Russen und Schwaben, in einem anderen Falle ein 5 Zenti- meter langes Frauenhaar gefunden. Braten, Schweins- rippel, Kartosfelgemüse, die schon mit Schimmel überzogen waren, wurden wieder verwendet. DaZ angeklagte Herdmädchen, da? alltäglich mit der Zubereitung der Frühstücks-(Wasser-) Suppe ftir das Personal betraut war, hatte hierzu zusammengeschüttete Suppen r e st e. stinkiges Fett, ja, wie die Anklage behauptet, ein- mal Spülwasser verwendet. Das Personal hatte in der Portierloge eigens eine Kiste aufgestellt, in die sie die schlechten Speisen warfen. Zahlreiche Dienstboten sowie Gäste muhten sich häufig erbrechen oder erkrankten an Fleischvergiftung. Von den Angestellten des Restaurants bekamen nur der Schänk- kellner und die Büffettdame bessere Kost— die Frau Wirtin hatte jedenfalls alle Veranlassung, die beiden bei gutem Humor zu halten. Das Gericht erkannte für die beiden angeklagten Dienst- boten auf F r e i s p r e ch u n g. für die Wirtin hielt eS eine Gefängnisstrafe von-- einer Woche ihrem Verschulden für «angemessen". Wirklich eine sehr milde Strafet Vennilebtes. Die Cholera. In den letzten 24 Stunden, bis gestem mittag, wurden 130 neue Erkrankungen und 02 Todesfälle an Cholera verzeichnet. Die Zabl der Kranken beträgt 1739.— Nach einer Statistik kamen von» 26. September bis zum 1. Oktober im ganzen russischen Reich 8261 Choleraerkrankungen und 16 71 durch Cholera verursachte Todesfälle vor. In der Lorwoche waren 4922 Erkrankungen und 2231 Todesfälle zu verzeichnen. Seit Ausbruch der Epidemie sind 8947 Todesfälle bei 19012 Erkrankungen fest- gestellt worden.— Die Gouvernements Esthland und Witebsk und Stadt Warschau sind für cholerabedroht erklärt worden.— Ein deutscher Kaufmann, der aus Ruffland zurückkehrte, ist in einem Lemberger Hotel unter choleraverdächtigen Erscheinungen g e« st o r b e n._ Ein Revolverheld. Gestern nacht gegen 1Ui Uhr kam es infolge einer Rempelei in der Hohenstraffe in Meferitz zu Tätlichkeiten zwischen jungen Leuten, in deren Verlauf dcrBautechntkerDau einen Fleischer- gesellen e r s ch o ff und einen Arbeiter durch einen Schuß in den Unterarm verletzte. Der Täter wurde verhaftet. AuS Sernot gerettet. Die Rettungsstation P r e r o w der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger telegraphiert : Am 6. Oktober wurden von einem beim Leuchtturm Darsserort gestrandeten schwedischen See- schuner Kapitän Jansso» und fünf Personen durch das Rettungsboot der Station Prerow und den Raketenapparat der Station Darsserort gerettet. Der Liebe Ende. Auf dem Obersee bei Berchtesgaden erschoß gestern Leutnant Wilhelm R u n k e seine Geliebte Marie Sch wertner und warf sie i n d e n S e e. Hierauf erschoß er sich selb st und stürzte gleichfalls in den See. Beide stammen aus Wie n. Eisenbahnunglück. Ein Personenzug der Arad-Csanader Eisenbahn fuhr bei PccSka infolge falscher Weichenstellung in einen Rangierzug hinein. Sämt- liche Waggons wurden zertrümmert. Der Zugführer und zwei Reisende wurden g e t ü t e t und fünfzehn Personen v e r- letzt._ Slmtttcher Marktbericht der städlilchen Markthallen-DtrekNon über den Groffbandel in den Zentrat-Martldalle». Marktlage: F I e I> ch: Zuiuhr fiark, tLeschäft rege, Preise unverändert. Wild : Zusuhr ge- nÜaelld, in Fasanen über Bedarf,(Leschäsi flau, Preise nachgebend. 0 e» s l ü g e l: Zusuhr genügend, GcschSjt schleppend, Presse besser. Fische: Zufuhr genügend, Geschäft fchr schleppend. Preise wenig verändert. Bulter und Käf«: Geschäft ziemtich lebhaft, Preise für Bullcr an« ziehend. G e rnü se. Obst und Südfrüchte: Zufuhr meist über Bedarf, Geschäft ruhig, Presse gedrückt. tAktterungSüberfich« vom S. Oktober 1908, morgens 6 Ith».
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