freisinnige Mehrheit wird sich glücklich schätzen, 20 000 M. wiedereinmal zum Fenster hinauszuwerfen. Wenn es sich um einigePfennige Lohnerhöhung für städtische Arbeiter handelt, sind dieseHerren nicht so bewilligungscifrig.Eine Petition der Zivilmusiker lag der letzten Sitzung desPetinonsausschusseS vor. In der Petition wird ein Verbot desgewerblichen Musizierens durch Magistratsbeamte verlangt unterdem Hinweis darauf, daß die Zivilmusiker einen schweren Kampfums Brot zu führen haben und die Konkurrenz durch aus städtischenMitteln erhaltenen Beamten als ungerecht empfinden. In derSitzung wurde dargelegt, daß die Wünsche der Zivilmusiker durch-aus beachtenswert seien, allein ein generelles Verbot könne nichterfolgen. Es handelte sich nur um etwa 30 Magistratsbcamte,denen die Genehmigung zur Nebenbeschäftigung nur von Fall zuFall erteilt werde unter Berücksichtigung der persönlichen Verhält-nisse der Nachsuchenden; im übrigen seien diese Leute auch an ge-wisse Sätze gebunden. Magistrat und Stadtverordnete haben sichmit der gleichen Materie schon sehr oft beschäftigt, zuletzt erst imJahre 1905 und Uebergang zur Tagesordnung beschlossen. Dieletzte Petition hatte das gleiche Schicksal.Diejenigen Gewerbetreibenden, welche in Berlin eine gewerblicheNiederlassung besitzen und im Jahre 1909 persönlich oder durch inihren Diensten stehende Reisende für die Zwecke ihres Gewerbe-betriebeS Waren auflaufen oder Bestellungen auf Waren suchenwollen, werden in ihrem eigenen Interesse aufgefordert, die hierzugemäst§§ 44, 44a der Reichsgcwerbeordnung erforderlichen Legiti-mationskarten für das Jahr 1909 baldigst zu beanlragen, und zwarauSschlicszlich bei dem Polizeirevier, in dessen Bezirk ihre gewerblicheNiederlassung liegt. Andernfalls würde bei der grasten Anzahl dereingehenden Anträge die rechtzeitige Ausstellung der Karten nichtgesichert sein. Der Polizeipräsident macht noch besonders darausaufmerksam, daß die für die Anträge zu benutzenden Formulare,welche die zur Information der Gewerbetreibenden erforderlichenBemerkungen enthalten, von den Gewerbetreibenden selbst zu be-schaffen find; fie können vom Formularverlag von Karl Kühnu. Söhne, Berlin 0.. Breitest!. 26, bezogen werden.Die Zahl der Berliner Pfandleihen hat in den letzten Jahrenrelativ erheblich abgenommen. Ziffernmäßig ist sie etwas ge-stiegen, aber nicht entfernt im entsprechenden Verhältnis zu derkolossal und schnell gestiegenen Bevölkerungsziffer. Es wäre na-türlich völlig verkehrt, daraus einen Rückgang des Großstadtelendsfolgern zu wollen. Die Ursache dieser wirtschaftlichen Erscheinungist vielmehr hauptsächlich darin zu sehen, daß die polizeiliche Kon-trolle der Pfandleihgeschäfte während der letzten Jahrzehntewesentlich verschärft worden ist. ES können nicht mehr so leicht wiefrüher gewisse Nebengcschäftchen betrieben werden, die unter Um-ständen recht einträglich sind. Infolgedessen haben nicht wenigezweifelhafte Elemente unter den Pfandleihern sich einen anderenWirkungskreis gesucht. Ferner kommt in Betracht, daß die In-anspruchnahme der königlichen Pfandleihämter mit ihren milderenBestimmungen über Einlösung und Verfall von Pfändern erheblichzugenommen hat. Endlich ist es bezeichnend, daß neuerdings eineganze Anzahl Pfandleihen, wie die amtlichen Bekanntmachungenausweisen, in Konkurs geraten sind. So etwas war noch vor20 Jahren bei einer Berliner Pfandleihe, die als sicherer Weg zumReichtum angesehen wurde, undenkbar.Fehlende Ballon?.Bon den an der Gordon-Vennen-Wettfahrt beteiligten Ballonsfehlen jetzt noch.BuSIey' und.Helvetia', und ebenso weiß mannichts über den verbleib der am Montag zur Dauerfahrt ge«starteten Ballons«Hergesell� und.Plauen*. Der Rekord bei einerDauerfahrt beträgt bisher 62'/, Stunden; zum mindesten müßtenalso die am Sonntag gestarteten Ballons längst zur Erde zurück-gekehrt sein.Der spanisch« Ballon.Castilla' fWeitfahrt). Führer HerrMontojo, Begleiter Herr Robero h Jlbarreta. ist sechs Meilen nörd-lich von Helgoland untergegangen. Die Insassen find von demBlankeneser Fischerboot 8. B. 87 gerettet worden, das mit den Ge-retteten nach Hamburg segelte.Nach einem Telegramm deS Führers deS spanischen Ballons.Castilla* aus Kuxhaven irrte er mit seinem Begleiter seit demgestrigen Morgen aus dem Meere umher, bi» sie im Laufe deSgestrigen TageS von dem Fischerboot.Maria* 3. B.87 aufgenommenwurden. Beide sind unverletzt.Bezüglich der noch vermißten Ballons wird vermutet, daß die«selben in der Nordsee niedergegangen sein könnten. DaSStationSkommando in Wilhelmshaven gibt bekannt, daß dasSuchen nach den Ballons mit 14 großen Torpedobooten fortgesetztwird._Der Sommer-Wetterdienst konnte, nach einem Aufsätze des.Postarchivs", auch in diesem Jahre nur auf fünf Monate— Maibis September— ausgedehnt werden, obgleich die Verlängerungdesselben für einen großen Teil der Bevölkerung, z. B. den Wein»bautreibendcn, von großer Bedeutung ist. Ausnahmsweise sind dieWettertelcgramme mit Rücksicht auf da? Gordon-Bennet»W e t t f l i e g e n bis zum 12. d. M., und zwar täglich mehrmals,in der Ballonhalle des„Berliner Vereins für Luftschiffahrt* inSchmargendorf zum Aushange gelangt. Im Winter findet eineallgemeine Verbreitung und ein öffentlicher Anschlag dieserTelegramme nicht statt. Die Wetterdienststellen für die demWetterdienst in Norddcutschland angegliederten Gebietsteilearbeiten indes auch im Winter und so können die Wcttervor-aussagen in derselben Weise wie im Sommer weiterbezogenwerden, trotzdem der Wetterdienst einen erheblichen Kostenaufwandverursacht. Die Vorhersagen werden, um einen Maßstab für ihreTreffsicherheit zu gewinnen, einer regelmäßigen PrüfungdurchVertrauensmänner unterzogen; diese„Prognosen-k r i t i k e r" rekrutieren sich aus den Reihen der Inhaber örtlicherBeobachtungsstellen, der praktischen Landwirte usw. Sie erhaltendie tclcgraphischcn Wettervorhersagen unentgeltlich, soweit derDicnstbctricb dies gestattet. Im abgelaufenen Jahre schwankte dieZahl der Treffer zwischen 64 und 86 Pro z. Es istdabei zu berücksichtigen, daß die Meteorologie eine verhältnismäßignoch zunge Wissenschaft ist und daß daher manche Wetter-crscheinungcn in ihren letzten Ursachen und Wirkungen noch nichterforscht sind. Obgleich also die ausgegebenen Vorhersagen vielfachnicht eingetroffen sind, wird doch erfreulicherweise der großeNutzen des öffentlichen Wetterdienstes, namentlichfür die Landwirtschaft, fast allgemein anerkannt. In der Luft-schifferwoche bildeten die Wcttertelegramme eine wertvolleErgänzung der eigenen Beobachtungen und Messungen.Der Kaiser als Erfinder. Im.Berliner Tageblatt* lesen wir:Der Kaiser hat, wie eine Korrespondenz mitzuteilen weiß, jüngsteine technische Erfindung gemacht, die eine Neuerung aufdem Gebiet der Bremsvorrichtungen darstellt. Er hat sich schonfrüher mit Oicsem Kapitel der Vcrkehrstechnik sehr lebhaft beschäftigt.Durch das Hochbahnunglück, über da? sich der Kaiser ausführlichBericht erstatten ließ, wurde sein Interesse für diese Frage neuer-dingS wach gerufen. Es handelt sich um eine Achsenbremse.die den größtmöglichen Schutz gegen ein Versagen bilden soll, unddie sich vorzüglich zur Anwendung bei Automobilen eignen soll.Eine Patentanmeldung ist bisher noch nicht erfolgt. Der Kaiserwird seine technischen Studien im Laboratorium deS GeheimratsProfessor Slaby auch in diesem Jahre fortsetzen.Daß der Kaiser sich auch auf dem technischen Gebiete erfinderischbetätigt, war bisher noch nicht bekannt.Ein ordensgeschmückter Ritter. Bürgermeister Dr. Reicks hatvom König von Schweden das Ritterkreuz des Wasa-OrdcnS amgrünen Bande verliehen erhalten.Für welche Verdienste mag Herr Dr. Neicke diesen Piepmatzbekommen haben?',Die leidige Unsitte der Fugend, hinter betrunkenen oder geisteS-schwachen Personen herzulaufen und diese zu hänseln und zunecken, hat in einem Falle, der sich am Dienstag in der Naunhn-straße ereignete, zu bösen Folgen geführt. Ein Mann, derbetrunken durch die Straße torkelte, wurde von einer großenSchar Kinder verfolgt, die allerlei Allotria mit ihm trieben, unteranderem ihm auch die Beinkleider zerrissen. In der Wut ergriffder Betrunkene einen Jungen und schüttelte ihn derb. Ein Kohlen-Händler mischte sich ein und schleuderte den Mann auf den Bodeu,daß er eine klaffende Kopfwunde davontrug und mehrere Leute ihnnach der Unfallwache führten. Es hätte nicht viel gefehlt, so wäreder Kohlenhändler von der empörten Menge gelyncht worden.Eltern und Lehrer können der Jugend nicht genug einschärfen, daßes eines anständigen, gesitteten Kindes unwürdig ist, erwachsenePersonen, ganz gleich, in welchem Zustande sie sich befinden, zuhänseln._Grober Unfug.DaS.Deutsche Blatt", oder wie eS noch heißt die.BerlinerAllgemeine Zeitung", fährt fort, in seiner Propaganda recht frag-würdige Mittel anzuwenden. Zunächst wird dem Publikum dieZeitung eine Zeitlang probeweise zugestellt, und dann erhaltendie von dem Blatt„beglückten" Personen folgende Karte:Sehr geehrter Herr!Hierdurch gestatten wir uns, darauf aufmerksam zu machen.daß nunmehr die probeweise Zusendung der„Berliner All-gemeinen Zeitung"(„Das Deutsche Blatt) beendet wird. Wirgeben uns der Hoffnung hin, daß die Prüfung während dieserkostenlosen Probezustellung günstig ausgefallen ist und wir Sienunmehr zu den ständigen Abonnenten der„Berliner AllgemeinenZeitung"(„Das Deutsche Blatt") zählen dürfen, in welcher An-nähme die Uebermitteiung vorläufig auch weiter erfolgen wird.Hochachtungsvoll»Berliner Allgemeine Zeitung"(„DaS Deutsche Blatt').Wir haben schon vor längerer Zeit dieses geschäftliche GebarendeS Verlages gebührend gekennzeichnet. Wir haben dargelegt, daßes eine Dreistigkeit ohne gleichen ist, anzunehmen, daß der be-treffende Gratisleser ohne weiteres Abonnent werden will, undin diesem Sinne das Blatt weiter zuzustellen. Das ficht aber denVerlag nicht weiter an. Dreist und gottesfürchtig behält er seine„Grundsätze" bei. Wir bemerken, daß in einer Nichtbeantwortungder Karte keine Zustimmung zu dem aufgedrängten Abonnementhcrauszudestillieren ist. Niemand hat eine Verpflichtung,»dieHokfnung" des Verlages auf Abonnement durch besondere Aeuße-rung noch extra zuschanden zu machen.Ein Wasserrohrbruch hat gestern früh an der Ecke der Acker- undBernauer Straße eine große Ueberschwemmung herbeigeführt. GegenVzO Uhr brach unter einem explosionsartigen Knall das Asphalt-Pflaster an dem Kreuzdamm auseinander und eine gewaltige Wasser-faule schoß aus der Bruchstelle hervor und ergoß die Fluten durchdie Bernauer- und Ackerstraße. Durch telephonische Verständigungder städtischen Wasserwerke war eS ermöglicht, die Bruchstelle sofortzu sperren, ehe durch daS ausströmende Wasser weiterer Schaden an-gerichtet wurde.In« Wasser gegangen. Im Wasser haben fünf Selbstmörder,deren Leichen gestern gelandet wurden, den Tod gesucht. ImSchiffahrtskanal in der Nähe des Weichselplotzes erttank ein un-bekannter Mann, der sich vor den Lugen zahlreicher Passanten insWasser stürzte.— Am Gartenufer wurde der Leichnam eines etwa60 Jahre alten Lebensmüden aus dem Kanal gezogen. Der un-bekannte Tote wurde dem Schauhause überwiesen.— In der Ober«spree bei Treptow hat ein zirka 40 Jahre alter Mann den Tod ge-sucht. Seine Leiche wurde gestern durch Spaziergänger entdeckt undans Land geschafft. Es handelt fich um einen Mann von kräftigerGestalt mit blondem Haar und Schnurrbart.— Aus dem Müggelseewurden die Leichen zweier Selbstmörder gelandet. Auch in diesenbeiden Fällen fehlt über die Personalien der Toten jeder Anhalt.Bei einer der Leichen fand man eine goldene llhr, Wettsachen undeine höhere Geldsumme vor.(EiseubahnerloS. Dem 86 jähttgen Rangierer Wilhelm HerkeauS Friedrichsfelde, Luisenstt. 16. wurden gestern früh auf demRangterbahnhof Lichtenberg-FriedrichSfelde beim Rangieren beideBeine abgefahren. Der Verunglückte wurde nach dem Krankenhausein Rummelsburg gebracht. Sein Zustand ist hoffnungslos.Mit Bettelbriefen für die Arbeiterkolonlen läßt Pastor Dodel-schwingh Berlin überschwemmen. Neben den Kolonien Hoffnungstal,Lobetal und Gnadental soll noch Neu-Gnadental erstehen. In denmassenhaft in die Wohnungen getragenen Bettelschreiben wird umGaben für Neu-Gnadental gebeten. Pastor Bodelschwingh hat dieErlaubnis, in Berlin Hauskollekten für diesen Zweck vorzunehmen.Der Herr Pastor sollte sich doch an die Kreise wenden, die nichtgenug in Frömmigkeit machen können, und von ihnen die Mittelfür sein«„Hilfsaktionen* und„Gründungen* heischen. Halten dieseLeute etwa zu sehr die Taschen zu. daß die gesamte Bevölkerungbelästigt werden muß?? Bibliothek und Lesehalle der Korporation der Kaufmannschaftsind nach Beendigung der baulichen Veränderungen von Donnerstag,den 16. Oktober ab wieder von morgens 9 bis abends 10 Uhr un-unterbrochen. Sonntags vormittags von 10 bis 1 Uhr geöffnet.Fcuerwehrbericht. Gestern abend wurde der 16. Zug nachder Fennsttatze 21 alarmiert, wo in der Maschinenfabrtk derGebrüder Arndt Feuer ausgekommen war. Bei Ankunft der Feuer,wehr brannten dort Regale, Tische, Vorräte von Papierhülsen, Sack.leinewand und anderes in großer Ausdehnung, so daß die Feuer«wehr mit mehreren Schlauchleitungen kräftig Wasser geben mußte,um eine weitere Ausdehnung zu verhüten. Gleichzeitig erfolgteein Alarm nach der Soldiner Straße auf dem Gesundbrunnen.Grober Unfug war die Veranlassung. Der Täter ist entkommen.Etwas später brannto in der Landwehrstr. 34/36 Pech und anderes.Durch Kurzschluß geriet in der Flensburger Straße 1 die Isolationeiner elektrischen Leitung in Brand. Der 8. Zug hatte in derLiegnitzer Straße 10 zu tun, wo Körbe mit Inhalt brannten.Außerdem liefen noch Feuermeldungen auS der Turmstr. 27 undanderen Stellen ein.Vorort- JVadmcfotcihNixdorf«Ueber die Arbeitslosenzählungdes Rixdorfer Magistrats, von der wir gestern kurz berichteten, seinoch etwas nachgetragen. Wie schon oft, so tritt auch bei dieserFrage die verwaltungstechnische Zerrissenheit Groß-BerlinS aufs unangenehmste hervor. Der ArbeitSmarkt kann einfach nicht mehr vonden verschiedenen Kommunen Groß-Berlins gettennt beurteilt werden,weshalb eine Statistik über die Arbeitslosigkeit nur dannWert haben kann, wenn sie sich über Berlin unddie Vororte erstreckt. Diese Tatsache sollte nun eigentlich dieverschiedenen Magistrate veranlassen, gemeinsam und einheitlich inder ArbeitSlosenzählung vorzugehen. DaS ist leider nicht der Fall,sondern jede Gemeinde faßt die Sache nach eigener, meist von Sach«lennwis ungetrübter, aber mit desto größerer Bcguemlichkeit aus-gestatteter Methode an. Einen ganz besonderen Wurf dannhat der Magisttat in Rixdorf getan. Zunächst ist eS verwunderlich, wie souverän sich der Magistrat über dieMithilfe der Stadtverordnetenversammlung sowohl als auchinteressietter Faktoren der Bürgerschaft hinwegsetzt. Mit Windeseilestürzt man darüber her und will bereits am 16. Oktober die Zählungvornehmen. An sich ist ja nun gegen Beschleunigung solcher Dingegewiß nichts einzuwenden; nur darf es nicht auf Kosten der Qualitätgeschehen, was hier der Fall ist. Schon die eigentümliche Bekannt-gäbe: ganze zwei Tage vorher erhält die Bürgerschaft durcheine gewöhnliche unscheinbare»Bckanntinackumg* im»RixdorferTageblatt' Kunde von einer so wichtigen Zählung. Es ist außerallem Zweifel, daß ein sehr großer Teil der Arbeitslosen infolgedeS Ortes der Bekanntmachung und durch deren Art in Un-kenntnis bleiben wird. Weshalb die Zählung so überstürzt vierWochen vor der in Berlin(am 17. November) geplanten stattfindensoll, ist nicht erkenntlich. DaS schönste ober sind die in Aussicht ge-nominellen Zähler. Der Rixdorfer Magisttat hat keine geeigneterenLeute dazu finden können als die Herren Hausbesitzer. Inwelchen Händen da die ArbeitSlosenzählung liegt und mit welchem Eiferan dieselbe herangegangen wird, kann man ermessen an der Halbingder HauSbcsitzerverlreter in der Stadtverordnetenversammlung beiBeratung von Arbciterftagen. Auch die Verbandstage der Haus«agrarier, welche mit Regelmäßigkeit das Rückständigste in sozialenDingen bringen, eröffnen einen Ausblick auf die Tätigkeit dieserZähler. Wenn dann denselben nicht etwa zur Pflicht gemacht, ihrganzes HauS ohne weiteres mit den Zählformularen zu belegen,sondern nur vom Magistrat gebeten wird,»die Formulare für dieArbeitSlosenzählung in denjenigen Haushaltungen zu verteilen,wo Arbeitslose vorhanden sind*, so kann ohne Ueber«treibung gesagt werden, daß diese ganze Statistik lückeu-hast und daher wertlos sein wird. Ganz abgesehen vondem bei gewissen bürgerlichen Elementen vorhandenen Bemühen,das Vorhandensein größerer Arbeitslosigkeit stets abzuleugnen, wirdin vielen Fällen eine Familie deshalb kein Zählformular erhalten,weil der Hauseigentümer in Unkenntnis über vorhandene Arbeits-losigkeit in derselben war. Die in der Bekanntmachung enthalteneAufforderung, in diesem Falle vom Rathaus Zählformulare zuholen, füllt die Lücke nicht aus, ist aber ein Beweis dafür, wiewenig der Magistrat selbst von der Gründlichkeit seiner Methodehält. Die Formulare selbst find ebenfalls sehr mangelhast.Nicht eine Zeile über den Wert und Zweck der Zählung; kein Hin-weis aus die Pflicht der Ausfüllimg des Fragebogens; kein Kennzeichen darauf, von welcher berufenen Behörde die Statistik ausgeht.So„einfach* und so leicht macht man sich in Rixdorf die Sachezurccht und opettett dann in der Oeffentlichkeit mit solcherartzustande gekommenem Material, das auch nicht die Spur von Zu-verlässigkeit und Vollständigkeit in Anspruch nehmen kann.Wilmersdorf.Entlassung von Gcmeindcarbeitcrn. Berechtigtes Aufsehen erregteS unter der Arbeiterschaft von Wilmersdorf, daß bei der letztenLohnzahlung zehn Sttaßenarbeiter unerwartet ihre Entlassung er-hielten. Unerwartet kam diese Maßregel, weil durch sie keineswegsnur die im Dienst jüngsten, sondern zum guten Teil auch ältereArbeiter betroffen wurden, die bereits zwei bis drei Jahre bei derGemeinde in Dienst standen. Diese Leute waren entweder eben ineine höhere Lohnstufe aufgerückt oder standen kurz vor einer Lohn-erhöhung; motiviert wurde die Entlastung tn der Oeffentlichkettdamit, daß im Etat keine Mittel mehr für eine Beschäftigung vonArbeitern in dem bisherigen Umfange vorhanden wären. Trifft dieseBegründung wirklich zu, damr läge darin ein charakteristisches Merkmal für die Stellung, die man einer sozialistenfteien Kommunal«vettretung gegenüber einnehmen zu können glaubt. Ein Ott wieWilmersdorf, der sich von Jahr zu Jahr mtt fast amerikanischerSchnelligkeit vergrößett, sollte eine ständige Vermehrung seinerArbeitskräfte inS Auge, fassen und nicht auö Gründen, die geradezukrähwinkelhaft anmuten, kurz vor Beginn des Winters Arbeiter aufdie Straße setzen. Vielleicht aber trägt dieser Vorfall endlich zurAufklärung der städtischen Arbeiter m Wilmersdorf bei. Visherhielten sie es in ihrer großen Mehrzahl nicht für not«wendig. fich dem Gemeindearbeiterverbande anzuschließen,der mit Energie die Interessen seiner Mitglieder wahr»nimmt und ihnen im Falle der Entlassung Arbeitslosenunter«stützung zahlt. Auch hatten die Wilmersdorfer Gemeinde«arbeiter bis dahin nicht den Mut, bei den Gemeindewahlen sozial-demokratisch zu stimmen; ja zum Teil trugen sie durch ihr Stimmen«gewicht sogar zur Wahl reaktionärer Stadtverordneter bei. Und das,obwohl ihnen sehr wohl bekannt ist, daß es seinerzeit die sozial«demokratischen Gemeindeverordneten waren, die sich mit besonderemNachdruck ihrer Interessen annahmen. ES bleibt abzuwarten, ob derhier mitgeteilte Vorfall dazu beittägt, daß auch unter den WilmerS»dorfer Gemeindearbeitern endlich die Erkenntnis einkehtt, die unterihren Kameraden in Berlin und den meisten Vororten fich schonlängst Bahn gebrochm hat.Lankwitz.Amtliche Berichterstattung.In unserer gestrigen Nummer brachten wir die Mitteilung, daßdie Klage unserer im März zur Gemeindeverttetung gewähltenGenossen T h e u r i g und R a d i ck e vom Kreisausschuß zurück«gewiesen worden ist. Diese Notiz entspricht nicht den Tatsachen.vielmehr ist der Klage der beiden Genossen stattgegebenworden und der Kreisausschuß hat die Wahlen für gültigerklärt. Wir hatten die in unserer gestrigen Notiz mitgeteiltenTatsachen dem Bericht deS amtlichen»Kreisblattes fürTeltow-BeeSkow* entnommen. Der Bericht spricht ausdrücklich davon, daß die Klage der beiden Genossen gegen die Gemeinde«vettretung kostenpflichtig abgewiesen worden ist.Trotzdem wir die LandratSpresse nicht gerade hoch einschätzen,glaubten wir bisher ober doch, daß wenigstens die amtlichenVerhandlungen korrekt wiedergegeben werden. An dem vorliegendenFall ersehen wir, daß wir die LandratSpresse immer noch überschätzthatten.—_Ja der letzten Gcmeindcvcrttcterfitzung wurde zur Kenntnis ge»geben, daß die Zinsen der Staubenrauch-Stiftung in Höhe von31 000 M. zur Gewährung von Stipendien für die Ausbildung vonSöhnen und Töchtern hiesiger Einwohner sowie zur Ausbildungtalentiettcr Mitbürger benutzt werden sollen. Für den Bau desRealgymnasiums, welcker mit 600 000 M. veranschlagt war, wurdenMchrforderungen in Höhe von 66 000 M. glatt bewilligt. Die leiseKritik der außerordentlichen Ueberschreitnng, die ein Gemeinde»Vertreter vorbrachte, erregte schon bei den Gemeindemachthabcrn all«gemeines Mißfallen. Vielleicht wird man noch etwas mehr der»wundert sein, wenn unsere bisher ausgesperrten Gemeindevertreterin Zukunft an den Sitzungen teilnehmen. Der Vorsteher gab nochbekannt, daß seitens des Kreisausschusses der Klage der GenossenT heurig und Radicke stattgegeben worden ist. In einer nicht-öffentlichen Sitzung wurden dann noch mehrere Punkte der Tages«ordnung erledigt.Lichtenberg.Die zurzeit herrschende Krise und die damit verbundene großeArbeitslosigkeit gab unseren Parteigenössischen Stadtverordneten inder letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung Veranlassung,den Btagistrat durch eine Interpellation zu befragen, ob und welcheVorsorge zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheitgetroffen sei resp. was nach der Richtung geschehen soll, und zwara) wie und in welchem Umfange Arbeitsgelegenheit geschaffenwerden soll, b) ob bereits der Magistrat der Frage der kommunalenArbeitslosenversicherung nähergetreten ist.Der erste Bürgermeister erklärte sich zur Beantwortung derFragen bereit. Stadtv. Brühl(Soz.) begründet die Anfragean der Hand eines reichhaltigen Materials in eingehender Weiseund verweist auf die beschämende Tatsache, daß die Gemeinde nochArbeiter beschäftigt, die 365 Schichten im Jahre arbeitenmüssen. Während die städtischen Arbeiter noch einen 12stündigenArbeitstag haben, glaubt es die Leitung der städtischen Werke ver-antworten zu können, in den letzten Wochen zirka 80 Arbeiter, die