2. Beilage zum„Voruiiirts" Berliner Volksblatt. Nr. 35. Sonntag, den 5. Marz 1893. 19. Jahrg. ©e*iifcfer3etfun<|; Die Eislebener Affäre vor Gericht. Wir setzen den gestern abgebrochenen Bericht über den 'oierten Berhandlungstag fort und beginnen mit Plaidoyer des Ersten Staatsanwalts G o e tz e: Er will sich zunächst auf den Standpunkt des Vertheidigers der angeklagten Sozialdemokraten stellen und muß in dieser Stellung an- nehmen, daß den Sozialdemokraten besonders viel daran ge- legen ist, die Sache vor das Schwurgericht zu bringen, wie seiner Ansicht nach außer den Anträgen Heine's die Depesche im„Vorwärts" beweise, welche jene Anträge mittbeilt. Angenommen nun, die Strafkammer würde sich für unzuständig erklären, dann fielen auch die drei Schüsse, die der Angeklagte Franke auf Menschen abgegeben, ganz anders ins Gewicht. Es würde dann ferner zu untersuchen sein, ob nicht die Der- samnilung der Sozialdemokraten als eine Zusammenrottung zu betrachten sei. Es müßten dann auch ferner alle Fälle aus- geschieden und besonders beurtheilt werden, die sich als Einzel- Handlungen charakterisiren. Er will nunmehr diesen Standpunkt verlassen und den seinen hervorkehren, und da behauptet � er zu- nächst mit erhobener Stimme, daß es den Sozialdemokraten, trotz der angestrengtesten Bemühungen, nicht gelungen ist, auch nur ein Atom von einem Beweise für die konsequent festgehaltene Behauptung zu erbringen, daß die Beamten der Gewerkschaft die geistigen Urheber jener Vorgänge vom 31. Mai sind.„Was ist nachgewiesen," fährt er fort,„nichts." Einer hat den andern bestellt, mit nach der Versammlung zu gehen, aber nur privatim. Ferner soll die Frau eines An- geklagten gesagt haben, wenn etwas passirt, würde sie versorgt werden. Nun steht aber fest, daß alle Wittwen von der Gewerk- schaft ausreichend versorgt werden. Ferner fei behauptet, die Bergleute hätten Freibier bekommen, womit ihnen die Köpfe er- hrtzt werden sollten, und eine Schicht sollten sie angeschrieben er- halten. Nichts von alledem konnte festgestellt werden, trotzdem sich die Sozialdemokraten die größte Mühe gegeben, das festzuüellen, ja einer von ihrer Partei sich sogar in der Maske eines Wohlthäters in die Familien der Bergleute eingeschlichen habe. So entstehen dann Gerüchte, die in die Welt hinausgeschleudert werden. Von Köhler erscheine allerdings festgestellt, daß er zu dem Zeugen Riedel gesagt, er solle nur hingehen u. f. w. Das sei einfach eine Unvorsichtigkeit von ihm, die im Drange seiner Thätigkeit begangen, die aber gar nichts für eine vorherige Verabredung einer Zusammenrottung in der Absicht mit Gewalt Personen und Sachen zu schädigen beweise, so lange nicht weitere Thatsachen erwiesen werden. Es muß das Zustreben zu einem gemeinschaftlich ge- wollten Ziele festgestellt werden, anders kann von einer Zu- sammenrottung nicht die Rede sein. Wenn z. B. ein in großem Ansehen stehender sozialdemokratischer Führer an Eisleben vorbei- fährt und die MasssN, die davon Kunde erhalten, strömen auf dem Bahnhof zusammen, so ist das auch keine Zusammenrottung, selbst wenn sie sich in ihren Lokalen zusammenfinden nach dem Bahnhos marschiren. Eine sei auch selbst in dem Falle wenn wirklich die reichstreuen Vereine derselben einen Beschluß gesaßt hätten, zu- die sozialdemokratische Volksversammlung besuchen zu Wie kamen denn die Sozialdemokraten überhaupt dazu, und in Trupps Zusammenrottung nicht vorhanden. resp. die Vorstände sammen wollen. die zirka 18(XK) Bergleute aus der Umgegend von der Volks Versammlung auszuschließen? Das sei doch die reine Ironie aus den Begriff„Volksversammlung". Was Hai nun wohl die Berg- leute veranlaßt, die Versaniinlung zu besuche» V Wie ihm festgestellt erscheine, die reine Neugierde. Seit Jahren haben die Sozialdemokraten gegen die Gewerkschaft und die Verwaltung auf- gereift und gehetzt, und da ist es erklärlich, wenn die Bergleute neugierig waren, zu erfahren, was die Sozialdemokraten denn nun eigentlich wollen. Was es für die ganze Grafschaft Maus- selb aus sich hat, fortwährend die Bergleute aufzuhetzen, ist nicht nöthig, an dieser Stelle besonders hervorzuheben. Darin kann also eine strafbare Absicht, ein gewolltes Zusammenwirken zur Ausübung von Gewaltthätigkeiten nicht erblickt werden. Die Bergleute haben sich in durchaus friedlicher Absicht hin- begeben, wofür die Versammlung vom 3. Mai einen sprechenden Beweis lieferte, woselbst alles friedlich verlaufen. Franke erklärt diese Thatsache damit, daß er erklärt, er habe an dem Tage alles vernneden, was die Bergleute irgendwie reizen konnte, woraus ersichtlich, daß die Bergleute friedlich gesonnen waren. Als ihnen dann am 31. Mai der Eintritt nicht gewährt wurde, haben sie sich ruhig beschieden und sich darauf verlassen, wenn die Polizei käme, würden sie schon herein kommen. Da fiel, wie für unwiderleglich festgestellt erachtet werden muß, aus dem Saale der erste Schlag auf die Berg - leiste, das erste Seidel flog aus dem Saale heraus, und Liebau erhielt den ersten Stich. Nun haben sich die Bergleute gewehrt, und es sind dann weitere Seidel, Stuhlbeine und ein Biersaß aus dem Saale geflogen gekommen, alles Beweise dafür, daß die Sozialdemokraten die Angreiser, die Bergleute die Angegriffene» waren. Da kann von einer Absicht, sich zusammenzurotten und mit Gewalt gegen Personen und Sachen vorzugehen, nicht die Rede sein. Nun hat der Zeuge Huber bekundet, daß er gesehen, wie Knüppel zum Empfange der Bergleute bereit gestellt sind, daß ihm ein Sozialdemokrat gesagt: laßt sie nur kommen, wir werden sie schon empiangen, daß Franke gesagt:„Tod oder Sieg, ich habe einen Revolver", Bischof:„wir haben die Bergleute ordentlich ver- hauen" jc., das klingt wie Triumphgeschrei. Daß Franke sich so fürsorglich mit dem Revolver bewaffnete, lasse darauf schließen, daß die Sozialdemokraten beabsichtigten, die Bergleute zu überfallen, daß die Erklärung, Bergleute wären ausgeschlossen, nur eine Falle war, um die Berg- leute in den Saal zu locken, und sie dort zu mißhandeln! Bon dem Augenblick an, wo die Bergleute dann in den Saal gelassen worden sind, kann nun überall nicht mehr von einer Zusammenrottung die Rede sein, sondern die ganzen Vorgänge daselbst stelle» sich unbedingt als eine Reihe von Einzelhandlungen dar. Die Bergleute sind dann ruhig in den Saal gegangen und haben sich„bescheiden" an den Wänden entlang gezogen. Ruhig haben sich einige dann Bier bestellt, gemüthlich an die Tische gesetzt und die daraus liegenden.Volksboten" gelesen, ein Beweis dafür, daß sie neugierig waren zu erfahren, was die Sozialdemokraten denn nun eigentlich wollten. Daraus erklärt sich auch, daß sie gefragt:„geth's denn noch nicht los?" und„wo ist denn der Vergolder?" Dann erst ist es zu wörtlichen und später zu thätlichen Reibereien gekommen. Bezüglich des An- geklagten Franke steht fest, daß ihn niemand thätlich angegriffen, als er die Schüsse abgab. Daß derselbe mit Stöcken ze. bedroht worden sei, erscheine ihm nach keiner Richtung hin erwiesen. Uebrigens hätte er doch zweifellos auch von den Schüssen retiriren können, wie er es nachdem gethan. Genug es war sür ihn keinerlei Gefahr vorhanden, er war nicht in der Lage, schießen zu müssen. Daß er in Furcht oder Aufregung von der Waffe Gebrauch gemacht, sei nicht annehmbar, denn sein ganzes Verhalten während der viertägigen Verhandlung lasse auf kühle Ruhe und Besonnenheit schließen. Auf die dieser Auffassung entgegen st ehenden Aussagen der Sozialdemokraten könne er kein Gewicht legen, da es für ihn feststehe, daß es für sie, wenn es sich darum handle, einen Genossen der drohenden Strafe zu entziehen, eine Heiligkeit d es Eid es nicht gäbe. Was nun die Vorfälle, die sich später auf der Straße abgespielt, anbetrifft, so könne auch hier von einer Zusammenrottung nicht die Rede sein. Nachdem die Schüsse gejallen und„drei Bergleute zur Strecke gebracht", kam das Blut der jungen Bergleute in Wallung. sie mußten annehmen, ihre Kameraden seien in eine Falle gelockt, um gehauen zu werden, und nun begann die Schlägerei draußen, um die Kameraden zu rächen Aber eine bestimmte Absicht,«ine Zusammenrottung zu einem gemeinsam gewollten Zweck war es nicht. Auch das hat nichts damit zu thun, daß zwei oder mehrere gemeinschaftlich Personen geschlagen haben. Zu den Einzelheiten übergehend, hält es der Staatsanwalt für nöthig, zu versichern, daß er für das Prinzip eintrete„Gleiches Recht für Alle", sowie auch die Politik aus dem Gerichtssaale fern zu halten. Aber das mit einerThatver folgte Streben sei bei ihrer Beurtheilung in Betracht zu ziehen, und darum komme es auf die politische Gesinnung der Thäter an. Wo, wie hier, die Ziele so weit auseinandergehen. komme für die Bergleute als Entschuldigung in Betracht, daß ihre bewährten Beamten seit Jahren von den Sozialdemokraten herunter- gesetzt, sie durch jahrelange Hetzereien gegen die Betriebsleiter, welche es sich st eis zur Auf gäbe gemacht, für das Wohl d er B ergarb eiter zu sorgen, bis aufs Blut erbittert worden sind, und es sei nur zu erklärlich, wenn sie in ihren Handlungen weiter gegangen sind, sodaß es Blut gekostet hat. Andererseits seien auch die Motive nicht aus der Acht zulassen, Leute, die seit Jahren gegen Thron und Altar auf- gehetzt worden sind, wenn sie mit den Hetzern zusammen st oßen, sprühen Funken. Auf der einen Seite Leute, welche den Staat und die Gesellschaft retten, auf der anderen solche, die alles umstürzen und verderben wollen. Zu den Strafanträgen übergehend, beantragt er gegen Franke aus grund des K 223a des Str.-G.-B. 2 Jahr« Ge- fängniß, Konfiskation des Revolvers und sofortige Ver- hastung, gegen Wolf, der seiner Meinung nach die Schlägerei begonnen, 6 Monate, gegen R i t l e r, von dem ihm fesigestellt erscheint, daß er sich des Widerstandes schuldig gemacht, 4 Wochen, gegen Krüger, der überführt erscheine, einen Berg- mann mit einem Stuhlbein geschlagen zu haben, 6 Wochen, gegen Liebau und Wunderlich wegen Körperverletzung in je einem Falle je 1 Monat Gefängniß und Berücksichtigung der fünswöchentlichen Untersuchungshalt, gegen G l a tz nur wegen Körperverletzung, nicht aber wegen Sachbeschädigung 2 Monate, gegen Breithaupt, welcher die„geheiligten sozial« demokratischen Embleme" vernichtet hat, was der Wirth Kallmcycr sür so„wichtig gehalten", deshalb Straf- antrag zu stellen, 4 Wochen, gegen N e u p e r t ebenfalls wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung S Wochen. gegen Z i ch und Günther wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung je 14 Tage, gegen D ö t t m e y e r wegen zweier Fälle der gefährlichen und gemeinschaftlichen Körperverletzung 3 Ma nate. gegen Köhler 4 Monate und gegen F r i e ß wegen ge sährlicher und gemeinschaftlicher Körperverletzung 6 Wochen Ge fängniß, dagegen Einstellung des Verfahrens gegen Beinroth, da Strasantrag gegen denselben nicht gestellt ist. und Freisprechung des Angeklagte» Ho ff mann, gegen den ein Beweis nicht erbracht ist. Rechtsanwalt H e i n e, der darauf zu seinem Plaidoyer das Wort erhält, weist zunächst daraus hin. daß er in doppelter Elgen- schaff, nämlich als Nebenkläger und als Vertheidiger hier stehe, und betont dann, daß er, entsprechend der bei Beginn dieser Ver- Handlungen geäußerten Bitte des Präsidenten, dre Politik nicht hereinziehen zu wollen, Rechnung tragen werde. Sich dann über die Qualität der Zeugen verbreitend, führte er eine Reihe von Aussagen vor, welche ein negatwes Resultat ergeben, nämlich solche, welche nichts oder immer nur das ge- 'ehen haben wollen, was auf gegnerischer Seite geschehen ist. Allen derartige» Aussagen ist nur ein geringes Gewicht beizulegen. Wenn nun aber der Staats« niv alt behauptet, daß den Sozialdemokraten in Wort und Schrift der Meineid empfohlen werde, wo es gelte, einen Genossen zu entlasten, so ist das eine durch nichts zu beweisende Be� hauptung. Die angeblichen Aeußerungen, aus die der Staats' anwalt sich beruft, hat er dem Gericht nicht vorgelegt. Wenn ich die Anführung überhaupt für zu berücksichtigen hielte, so würde ich von dem Herrn Staatsanwalt den Beweis verlangen und wollte sehen, ob er meinem Gegenbeweise standhalte» könnte. Betreffs der Aussagen der als Zeugen vernoinmenen Bergleute müsse er die Richter fragen, ob sie den Eindruck empfangen hätten, daß dieselben die Wahrheit gesagt? Er nicht. Noch viel weniger sei das bei den angeklagten Bergleuten, die wiederholt vällig einwandsfreien Zeugen dreist ins Gesicht geleugnet, und dieselben somit in den Verdacht des Meineides zu bringen gesucht haben. Es sei ja nicht zu verlangen, und er persönlich ver- lange dies am allerwenigsten, daß sich die Angeklagten selbst belasten, aber gegenüber den Thatsachen könne man doch nicht jedes Wort der Bergleute ohne weiteres als wahr hinnehmen. Zum Beispiel wollen 10 Zeugen keinen Gummischlauch in den Händen einiger Angeklagten gesehen haben, wohingegen eine ganze Reihe unparmischer Zeugen das Gegenlheil bekunden. Die An- sscht des Staatsanwalts. daß die Sozialdemokraten die Schlägerei begannen, erscheine ihm merkwürdig, ebenso wie auch, daß jene Versammlung nur eine Falle gebildet haben solle, in welche die Bergleute gelockt wurden, um verhauen zu werden und merkwürdig erschein- ihm auch die Motivirung dieser Mei- nung unter Berufung auf die vorgeblichen Wahrnehmungen des Zeugen Huber. der ja wiederholt versichert hat. er sei„gänzlich unparteiisch". Danach haben also die Sozialdemokraten die Knüppel und die Rone zurechtgestellt, um die Bergleute zu ver- hauen. Da sei denn aber doch merkwürdig, daß sie diese Waffen nicht hereinnahmen, zumal sie wußten, daß die Bergleute kommen, sondern daß sie dieselben den Bergleuten überlassen, welche denn auch in der uner- hörtesten Weise davon Gebrauch gemacht haben, denn es ist ja unzweifelhaft festgestellt, daß einer der Angeklagten mit einem Birken- resp. Maienknüppel geschlagen hat. Nicht anders verhält sich's mit dem Gutachten des Sachverständigen Huber de- treffs des Thürfensters, von welchem er erst behauprele, es könne nur infolge eines von innen geführten Schlages herunter gefallen 'ein. Nachdem er dann, in die Enge getrieben, zugegeben, es önne durch jeden Schlag ob von innen oder von außen herunter- allen, behauptet er gleich darauf mit großer Emphase, es könne nur durch einen Schlag von innen heruntergefallen sein. Wenn der Staatsanwalt meint, daß die Bergleute in friedlicher Absicht gekommen und keine Handgreiflichkeiten geplant, so stehen dieser Auffassung die Aussagen von IS bis IS Zeugen, zum Theil völlig einwaudssrei, gegenüber. Die Gerüchte, daß ein Hand- streich von den Bergleuten geplant sei, schwirrten in der Luft, die Kinder und Frauen haben sich's auf der Straße erzahlt, und aus nichts entstehen solche Gerüchte doch nicht. Bedauer« lich nur, daß sich heute so viele Bergleute ihrer damals gethanen Aeußerungen so ganz und gar nicht mehr erinnern können, wie z. B. der Zeuge Heerde u. a. Nach dieser Richtung genüge übrigens auch völlig die Aussage des Zeugen Riedel, dem Köhler am Abend vorher die Mittheilung von der bestehen- den Absicht der Bergleute gemacht. Der Staatsanwalt betrachtet dies als eine Renommage von Köhler; nun, daß es auf eine Störung der Versammlung abgesehen war, wird aber dadurch bewiesen. Und dann die Reden im Wachsmuth'schen Lokale, welche verschiedene Zeugen, so der Geschäftsmann Otto und der Bergmann Männicke aus Aschersleben , welch letzterer zum Unglück der Bergleute seine Bergmannsmutze aus- hatte und so für einen der ihrigen gehalten worden ist, gehört und hier wiedergegeben haben. Ferner ist mehrfach bekundet, daß sie allerlei Waffen, Knüttel, Gummischläuche w. bei sich ge- habt. Das thut man nicht, wenn man friedliche Absichten hat. Dann das Hinmarschiren in geschlossenen Trupps, worüber Zeuge Große sagt, er sei„für seine Person alleine hingegangen. Die Verabredung erscheine ihm, auch wenn man dann noch hinzu rechne, daß sich der Zeuge Schunke geäußert:„so was beschließt man nicht in einem Ver- ein", und daß ein Steiger seine Kameraden als„Privatmann' aufgefordert, zur Evidenz erwiesen. Der Staatsanwalt habe feierlich erklärt, daß nichts erwiesen sei, was einen Schatten aus die Gewerkschaft werfe. Er als Vertheidiger müsse ebenso er- klären, daß jeder der befragten Bergleute beschworen habe, nichts von der Gewerkschaft erhalten zu haben und nicht von ihr angestiftet worden zu sein. Das Gerücht aber habe bestanden und sei vor fast 2 Jahren schon im„Volksboten" verbreitet worden, ohne daß die Gewerkschaft gegen dies Blatt vor- gegangen sei. Bergmeister Schräder hat bekundet, daß er „keine Kenntniß" von den Vorgängen gehabt, daß er„nicht glaubt", daß den Bergleuten irgend welche Vortheile versprochen worden seien, da dies den„Traditionen der Gewerkjchast zuwider" sein würde. Klarer wäre Alles gewesen, wenn der Herr Zeuge ge- naue Kenntniß gehabt und direkt vor aller Welt jeden derartigen Verdacht durch ein bestimmtes Zeugniß beseitigt hätte. Wie kommt es denn, daß Breilhaupt den Wirth Kallmeyer durch die Worte:„Wenn Sie sich zu uns gehalten hätten, wäre das nicht pafsirt", einzuschüchtern suchte? In eigenthümlichem Lichte erscheint der Vorfall zwischen dem Bergmeister Schräder und Schmüljun, welch letzterer zur Rede gestellt wird, weil er sich mißliebig über das Thun und Treiben Lrebau's ge- äußert haben soll, und charakteristisch ist, daß Liebau und Wunder- lich auch noch die Dreistigkeit hatten, sich über den berechtigten Tadel des Schmüljun bei dein Bergmeister zu beschweren und daß sie bei dem auch Unterstützung fanden, sodaß Sch. noch einen Tadel wegkriegte. Daß der Handstreich vorbereitet und auch die Polizei Kenntniß davon hatte, geht aus der Aussage des Polizei- sekretärs Müller hervor, der sich ja freilich der Worte gegenüber dem Wunderlich:„Gehen Sie nur hin, mit den lO Pfennig Entree das werden wir schon verhindern", angeblich nicht mehr erinnern kann. An all de» Greuelszenen, die damals vorgekoinmeu, trifft ein gut Theil Schuld diesem Polizeisekretür mit, ja die Auskunft dürfte die Hauptschuld tragen, womit nicht gesagt sein soll, daß diese groben Ausschreitungen beabsichtigt gewesen, oder auch nur annähernd geahnt worden sind. Alles in Allem erscheint der Tbatbestand der Zusammenrottung erwiesen. Nun zu den Szenen an der Thür. Wenn der Staatsanwalt behauptet, der erste Schlag ist von den Sozialdemokralen gefallen, so ist das zu bestreiten. Es sind mehrere Zeugen, die das Gegentheil bekunden, und An- geklagter Wolf behauptet in glaubwürdiger Weise, der erste Schlag ist auf ihn gerichtet gewesen und er hat den Stock fest- gehalten und ihn dem Gegner entrissen, und als dann Zeuge Topf einen Schlag ins Gesicht bekommen, hat er mit dem erbeuteten Stock sich seiner Haut gewehrt. Da sind dann Schläge von hüben und drüben gefallen. Nun aber das Bierfaß; wo ist das hergekommen? Zeuge Kallmeyer und feine Kellner bekunden auf da- Bestimmteste: die leeren Bier- fässer wurden stets in den Hof gebracht; im Saal ist kein leeres Faß gewesen, also muß es erst von außen nach innen geworfen worden fein. Wie der Staatsanwalt dazu kommt, den dann erfolgten Eintritt in der Weise zu schildern, wie er es ge- than, ist mir nicht klar. Jawohl, die Bergleute sind bescheiden eingetreten und haben sich so gemüthlich neben die dort sitzenden Gäste gesetzt, daß dieselben mit sammt den Tischen zu Boden gestürzt sind. Sie habe» sich bescheiden an den Wänden entlang gezogen, uin die kleine Schaar Sozialdemokraten zu um- zingeln und ganz in der Gewalt zu haben, und dann diese„Neugierde", den„Vergolder" zu sehen und zu hören i Ferner oie Lethargie einiger Bergleute, z. B. des Zeugen Steiger Schiering, der während des ganzen Tumultes so in die Lektüre des„Volksboten" vertieft gewesen sein will, daß er nichts gehört und gesehen. Das ist mehr wie eigenthümlich. Freilich, als Landsriedensbruch lassen sich die Vorgänge im Saal nicht bezeichnen, auch nicht als qualifizirter Hausfriedensbruch, denn ie sind freiwillig hereingelassen worden. Zu den einzelnen An- geklagten übergehend, müsse er für Wolf Freisprechung bean- trage», indem festgestellt erscheine, daß derselbe nicht den ersten Schlag geführt und nachher sich nur seiner Haut gewahrt habe. Desgleichen Ritter. Derselbe habe sich kemes Widerstandes schuldig gemacht, indem Köhler sich nicht in der rechtmäßigen Ausübung seines Berufes befand, er hatte kein Recht, den Ritter aus der Küche zu weisen resp. zu werfen, wohingegen dem R. ein durch sein Dienstverbältniß begründetes Recht, in der Küche zu weilen, zur Seite steht. Köhler hat sich eines Mißbrauchs seiner Amtsgewalt in diesem wie in weiteren Fällen schuldig gemacht. Ferner hat dem R. auch, selbst wenn der Widerstand angenommen werden sollte, was aber undenkbar, das Bewußtsein des Widerstandes gefehlt, da er in Angst und Schrecken gehandelt. n Desgleichen beantragt der Vertheidiger die Freisprechung Krügers, dem eine strafbare Handlung nicht nachgewiesen, bezw. dort, wo eine solche behauptet werde, kein Strafantrag vorliege. Auch den Angeklagten Franke bitte er freizusprechen, da derselbe unbedingt in der Nothwehr begriffen war, denn es ist festgestellt, daß er in drohender Weise umringt, 'ein Genosse Krüger schon zu Boden geschlagen war und er mit geschwungenen Knütteln und so weiter bedroht wurde. Der Staatsanwalt sagt, er konnte vor dem Schießen entfliehen. Doch wir haben gehört, daß er das nicht konnte, jeder Ausweg war ihm versperrt, und erst»ach Abgabe der Schüsse lichtete sich die umgebende Menge, so daß er den Weg durch die Buffetklappe frei bekam. Der Staatsanwalt habe ferner einem Bergmann zugestimmt, der als Zeuge erklärte, Franke sei nicht in Roth gewesen, denn wenn er das gewesen wäre, so wäre er gar nicht bis zum Schießen gelangt. Also sei man nach dieser Ansicht erst dann in Nothwehr, wenn es zu spät ei, sich zu wehren? Wenn das der Fall wäre, so wäre der ganze Nothwebrparagraph überflüssig. Aus diesen Gründen bitte er um Freisprechung Franke's. Was nun die senieren Vorgänge draußen anbetreffe, so über»