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§n eine Diskussion trat daZ HauS noch nicht, die Generaldebatte, zu der die sozialdemokratische Fraktion die Genossen Ströhe! und Hirsch als Redner bestimint hat, soll am Montag üeginnen. Vorher wird die Wahl des Präsidiums erfolgen. Diese Wahl wird nicht so glatt abgehen wie in früheren Jahren, da die Sozialdcmo- krateu gegen die Wehl deö Herrn v. Kröcher Einspruch erheben werden. Es ist schtechtcrdings unmöglich, daß die Sozialdemokraten einem Mann ihre Stimme geben, der die Sozialdemokratie nur alsObjekt" und nicht aISSubje!t der Gesetzgebung" betrachtet und der in seiner Eigenschaft als Präsident des Hauses einen Redner zur Ordnung gerufen hat. weil er ein anderes Mitglied als sozialdemokratisch an- gekränkelt bezeichnete!/ Einen wie schweren Kampf unsere Fraktion im Dreikkassen- Parlament zu erwarten hat, davon gab der Schlug der Sitzung ein kleines Vorspiel. Genosse Hirsch beantragte, auf die Tages- ordnung der nächsten Sitzung den sozialdemokratischen Lutrag auf Hastcutlassung des Gciiosicn Liebknecht zu setzen. DaZ Haus bekam e3 fertig, diesen Antrag ohne Debatte abzulehnen. Nur die Sozialdemokraten, die Polen und die Freifinnigen stimmten dafür, alle anderen Parteien einschließlich dcS Zentrums sträubte» sich dagegen, daß der Antrag am Montag auf die Tagesordnung kommt! Sie beweisen damit, daß sie entschlossen sind, sich über die einfachsten Pflichten parlamentarischen Anstandes hinwegzusetzen. Wollen sie die Haft- entlassung Liebknechts verhindern, so mögen sie auch den Mut haben und ihre Gründe dafür anführen, aber im Gefühl ihrer Macht die Beratung des Antrages zu hintertreiben, das ist eine so unanständige Taktik, wie sie einzig und allem im preußischen Drciklassenparlament geübt wird I Der preiMche BeamteiMoldungs- Cntwurf. ES hat lange gedauert, bis die so oft angekündigte Be- «intenbesoldungsreform dem preußischen Landtag in Gestalt einer GesetzeZvorlage zuging. Tah die Besoidungsreform eine so unabweisliche war, ist unseren Junkern zu verdanken. Denn durch den Mundraub des ZollwucherS waren die Ein- kommensverhältnisse der unteren Beamten so absolut un- zulängliche geworden, daß unbedingt eine Erhöhung der Ge- hälter eintreten mußte. Durch die Zollwucherpolitik,>die künstliche Verteuerung aller Lebensmittel, also wiederum durch die Politik des Junkertums, ist aber gleichzeitig der Effekt der Gehaltsaufbesserung illusorisch gemacht! Die unteren Bcaniten können sich trotz der erhöhten Bezüge keines- ivegS eine bessere Lebenshaltung leisten als bisher, da die Verteuerung aller Lebensmittel im besten Falle durch die Erhöhung der Gehälter wettgemacht wirdl So lange es aber auch gedauert hat, bis die preußische Negierung sich endlich zum Vorlegen eines neuen Beamtenbesoldungsgesetzes aufgerafft hat, so u n z u l ä n g- l i ch ist trotzdem das Gesetz ausgefallen. Die Gehälter gerade der am schlcchtest gestellten Beamten werden am aller- minimalsten aufgebessert! Beispielsweise die Gehälter der jämmerlich gestellten Bahnwärter. Weichensteller usw. werden in Minimum und Maximum um ganze LVO M. erhöht. Und dabei sind es gerade diese und ähnlich bezahlte Beamten- kategorien, die bei den Aufwendungen vom Jahre 1906 und 1907 leer ausgegangen sind. Da will man ganz anders in den Geldbeutel greifen, sobald es die Gehälter der höher besoldeten Beamten betrifft! Beispielsweise sollen die Ge- hälter der Oberlehrer, Kreisschulinspektoren, Gewerbe- inspektoren, Oberförster" usw. in ihrem Höchstgehalt von 6000 M. auf 7200 M. erhöht werden! Die Zulage beträgt hier also mehr als das Gesamtgehalt der am schlechtesten ge- stellten Bcamtrnkategorien. Denn während das bayerische Beamtenbesoldungsgesetz das Mindestgehalt für alle Be- amten auf 1290 M. festgesetzt hat, tut sich die preußische Ne- gieruug schon etwas darauf zugute, daß sie das Mindest- geholt auf 1000 M. normiert hat!» Viele Zehntausende preußischer Beamten bleiben also in ihrem Gehalt selbst nach einer ganzen Reihe von Dienstjahren unter dem Anfangsgehalt für die niedrigst gestellten b a y e r i° scheu Beamten! Preußen in Deutschland voran! Besonders ins Herz geschlossen hat die Negierung außer den oberen Beamten nur einige besondere Beamtenkategorien. Und bezeichnenderweise diejenigen, die sich aus ehe- maligen Unteroffizieren und Feldwebeln, aus Militär- uuwärtcrn rekrutieren! So sollen die Gehälter der Schutz- leute, Gendarmen und Förster ganz erheblich aufgebessert Werden. Während beispielsweise die Gendarmen bisher 1200 bis 1600 M. Gehalt bezogen, sollen sie künftig 1400 bis P00 M. Gehalt erhalten. Und während die Förster noch vor zehn Jahren, wie in der Denkschrift ausdrücklich hervor- gehoben wird, nur ein Gehalt von 1100 bis 1500 M. er- hielten, soll ihr Gehalt jetzt auf 1400 bis 2400 M. erhöht werden! Es liegt offenbar Methode in dieser Taktik. Was man bei den Arbeitern stets versucht, versucht man auch der den Beamten. Man verfährt nach dem GrundsatzTeile und herrsche!" Man schafst sich einige begünstigte Beamten- kategorien, auf die man sich besonders stützt. Die Masse der unteren Beamten dagegen kann nach wie vor Hungerpfoten saugen!, Für die liebe Geistlichkeit will der preußische Staat die Kleinigkeit von 12� Millionen Mark bewilligen? Auch die Gehälter der Geistlichen sollen nicht zu knapp auf- gebessert werden. Während das Grundgehalt der evangeli- schen Geistlichen bisher 1800 bis 4800 M. betrug, soll es künftig auf 2400 bis 0099 M. erhöht werden. Das Mindest- gehalt wird also um 600, das Höchstgehalt um 1200 M. ge» steigert! Auch das Gehalt der katholischen Geistlichen. die als Zölibatäre etwas niedriger besoldet sind wie die im Durchschnitt mit kinderreichen Familien gesegneten pro- testantischen Geistlichen, soll von 1500 bis 3200 M. aus 1800 bis 4000 M. erhöht werden. Und nicht nur zur Aufbesserung der Gehälter der Nachfolger dessen, der nicht hatte, wohin er sein Haupt legte, soll der preußische Staat erhebliche Zu- schüsse leisten, sondern auch 600000 M. zur Schaffung neuer Stellen für protestantische Geistliche mid 200000 M. für Schaffung neuer katholischer Gristlichenstellen! Erheblich weniger freundlich ist das Gesicht, das die Vor- läge für die L e h r e r zeigt. Allerdings soll das Grundgehalt für die Lehrer, das bisher 1050 M. bis 2400 M. betrug, auf 1350 M. bis 3l00 M. erhöht werden. Aber dahinter steckt der Pferdefuß. Während man die skandalös niedrigen Gehälter der Landlehrer zwar erheblich aufzubessern genötigt ist, soll den g r o ß e n K o m m u n e n die Möglichkeit genommen werden,»ach ihrem Ermessen den Lehrerw an­gemessene Gehälter zu bezahlen. Denn da? Gesetz sieht vor, daß zwar die Städte je nach ihrer Größe Zulagen gewähren dürfen, aber nur bis zu dem Höchstbetrage von 3350, 3550 und 3900 M. Man will durch diese Bestimmung die Land- flucht der Lehrer verhindern, man will den Ge- ineinden das Recht nehmen, durch Zahlung höherer Gehälter die Begehrlichkeit der schlecht entlohnten preußischerr Schul- sklaven auch künftig noch zu erwecken! Bei den Geistlichen, deren höchstes Grundgehalt man auf 6000 M. festgesetzt hat, also das Doppelte der Lechrergehälter, sieht man eine derartige Höchstgrenze des Gehalts- nicht vorl Ein Geistlicher darf 10000, 15 000, 20 000 M. erchalten, aber ein Lehrer soll sich mit 3900 M. begnügen müssen 1 Diese Be- stimmungen des L-hrerbesokdungSgesetzentwurfs si»d durchaus vom Geiste des Studtschen Bremserlasjes diktiert! Die Deckung für die Beamtenbesoldungsrescwm, deren Kosten sich auf 200 Millionen Mark beziffern, sollen zum größten Teil durchSparsamkeit, das heißt durch rücksichts- lose Ansbeutung der Staatsarbeiter und der unteren Be- amten gedeckt werden! Nur 55 Millionen sollen durch neue Steuern aufgebracht werden, nämlich 22 Millionten durch Erhöhung der Einkommensteuer der Einkommen über 7000 Mark, zirka 10 Millionen durch Erhöhung der Vermögens- steuer und der Rest durch Erhöhung der Steuern au� Aktien- gesellschasten, Bergwerksgesellschaften usw. Die Progression der Einkommensteuer soll beim höchsten Einkommen von 4 auf 5 Proz. steigen, die Vermögenssteuer, die bellanntlich V2 pro Mille beträgt, soll um 25 Proz. erhöht werden, also künftig statt V- vom Tausend% vom Tausend betragen. Das sind ganz lächerliche Beträge, mit denen man die Be- sitzenden belasten will. So rücksichtslos nian im Reiche bei der indirekten Besteuerung der it i ch t- besitzenden Massen vorgeht, so ungeheuer vorsichtig ist man in Preußen bei der Erhöhuwg der direkten Steuern! Würde man den Besitzenden eine höhere Einkommens- und Vermögenssteuer auferlegen und würde man beispielsweise die 12� Millionen Mark, die für die Erhöhung der Gehälter der Geistlichen gefordert werden, zur Erhöhung der Gehälter der am schlechtesten bezahlten Beanitenschichten verwenden, so könnte die ganze Veamtenbcsoldungsreform ein anderes Gesicht er- halten. Aber dazu werden die herrschenden Klassen, dazu wird ihr Ausschuß, die Regierung, sich schwerlich bemt finden lassen! Immerhin wird die sozialdemokratische Fraktion alles versuchen, um dem Gesetz eine Form zu geben, die wenigstens den allerbescheidensten Ansprüchen in bezug aus soziale Gerechtigkeit, wie sie auch bereits der Klassen- und Junkerstaat Preußen zu üben vermöchte, entspräche! polltifcbc Ocbcvlicbt» Berlin , den 20. Oktober 1908. Die Landtagswahlen tu Hessen . Am 28. Oktober finden in Hessen die Wahlmännerwahlcn zur ztoeiten hessischen Kammer statt. Am 7. November sind die Abge- ordnetenwahlcn. Die Erneuerung der Volksvertretung ist keine voll- sttindige. Es scheiden nach Ablauf der dreijährigen Legislaturperiode immer nur die Hälfte der auf 6 Jakire gewäblten Abgeordneten aus, während die andere Hälfte im Besitz der Mandate verbleibt. Eine einheitliche Wahlbewegung wird dadurch unniöglich. Beide hessische Kammern find errichtet auf Grund der Lerfastang vom 17. Dezember 1829. Die erste Kammer besteht aus 3S wm tiberwiegenden Teile aus Privilegierten der Geburt und des Gckd- sackes zusammengesetzten Abgeordneten, die zweite Kammer aus 60 in indirekter Wahl gewäblten Vertretern des Volkes. Die Städte Mainz und Darmstadt wählen je 2. Offenbach , Friedberg , Alsseild, Worms und Bingen je einen Abgeordneten. DaS Land wäihlt 40 Abgeordnete. Urwähler find alle hessischen Staatsbürger. die entweder zur StaatSsteuer herangezogen oder kommunalsteurr- pflichtig sind. Bei der diesmaligen Wahl sind die Mandate aller Städte er- ledigt, serner finden in 7 Bezirken der Provinz Starkcnburg. in 6 von Oberhessen und in 3 von Rheinhcssen Neuwahlen statt. Im Vordergrund des Interesses steht die Reform de? Landtags- Wahlrechts. Seit sieben Jahren bereits kämpft das Land um eine Reform. Die reaktionäre erste Kammer hat aber bisher eine Modernisierung des Wahlrechts zu hintertreiben gewußt. Zentrum und Nationalliberale, welch letztere im hessischen Parlamente ungefähr die Stelle der preußischen Konservativen einnehmen. haben unter Führung der Abgeordneten v. Brentano und(Blässing allerdings in der verflossenen Session einen Kompromißantrag ein- gebracht, der um Preisgabe anderer wichtiger Volksrechte das direkte Wahlrecht bringen sollte. Um diesen Preis war aber die Wahl- reform der geschlossenen Linken zu teuer, und die Wahlrechtödebatte vom 20. Juni dieses Jahres brachte die Frage nicht zum Abschluß. Ferner soll der neue Landtag dir Ge» meindesteuerreform und die Reform des gesamten hessischen BerwaltungssystemS erledigen. Gefordert wird der W e g s a l l deö BestätigungörechtS und eine Revision des Eisenbahn- Vertrages mit Preußen. Die Sozialdemokratie legt besonders Gewicht darauf, das Bestätigungsrecht in Wegfall zu bringen, weil es zum Mittel geworden ist, Partciangehörige aus der Verwaltung fernzuhalten. Daneben fordert sie eine durchgreifende Hebung des Schulwesens und den weiteren Ausbau der sozialen Gesetzgebung. AuS der Kammer ausgeschieden sind, nach Parteien geordnet: 4 Sozialdemokraten und zwar: Ulrich- Ofsenbach-Stodt. Orb-Ofsenbach-Land, Dr. David und Adelung- Mainz , 10 Nationalliberale, 6 Bauernbündler, 3 Freisinnige,' 2 vom Zentrum und t Parteiloser. Geblieben sind: 3 Sozial- demolraten und zwar: Raab-Pfungstadt , Bcrthold-Groß-Gerau, Dr. Fulda-Jsenburg-Sprendlingcn, dann 1 Parteiloser, 5 vom Zentrum. 8 Bauernbündler und 3 Nationalliberale. Wie Figura zeigt, haben die rechtsstehenden Parteien mehr Mitglieder noch in der Kammer, während die Linke den größten Teil ihres Besitz- standeS verteidigen muß. Die Parteien sind folgendermaßen gruppiert: Nationalliberale, Bauernbimd und Zentrum bilden den blauschwarzen Block. Der Kamps gilt den Freisinnigen und Sozialdemokraten, welche formell Bündnisse zwar nirgends abgeschlossen haben, aber von Fall zu Fall zusammengehen wollen. Die Verbrüderung zwischen schwarz und blau zeigt sich besonders in den durch Sozialdemokraten vertretenen Städten Mainz und Offen- b a ch sowie Offenbach -Lond. In Mainz kandidieren Schmitt vom Zentrum und Dr. Pagenstecher von den Nationalliberalen. Eine Unterstützung des Freisinnigen Gutfleisch in Gießen machten die Nationalliberalen davon abhängig, daß die Freisinnigen für ihren Kandidaten in Mainz eintreten sollten. Daraus wurde nichts und werden nun wahrscheinlich unsere Genoffen in Gießen die selbständige Kandidatur Knimm fallen lassen und gleich für Gut» fleisch eintreten. j In Dannstadt haben die Sozialdemokraten mit dem Freisinn eine Art Rückversicherung abgeschlossen, dergestalt, daß beide Parteien eigene Listen aufftellen. In diesen Listen find von beiden Parteien hinreichend zuverlässige Wahlmänner aufgestellt, die, wenn keine der beiden Listen die Mehrheit auf sich bereinigen sollte, wenn vielmehr diese Mehxheit erst den beiden Listen zufallen sollte, dann je eine» Sozialdemokraten und einen Freisinnigen wählen. Preußische Musterbeamte. Am Dienstag begann vor der Saarbrücker Strafkammet der wiederholt von uns angekündigte Massenbestechungsprozeß gegen königlich preußische Beamte. Er beleuchtet einen Teil deö seil 30 Jahren auf den fiskalischen Betrieben herrschenden Kor- ruptionSsysiemS. 53 Angeklagte sitzen auf der Anklagebank, wie- wohl in diesem Prozeß nur erst ein kleiner Teil der in der Vor- Untersuchung zur Sprache gebrachten Mosienverfehlungen königlich preußischer Beamter zur Aburteilung gelangt. Die Bergleute wurden gezwungen, um etwas weniger ungünstige Löhne und eine etwa? bessere Behandlung zu erhalten, den Beamten Schmiergelder zu zahlen. Meist erging es ihnen hernach ebenso schlecht wie zuvor. Ob das formelle Recht erforderte, daß auch ein Teil dieser armen Grubensklavcn wegen Hingabe der von ihnen erpreßten Gelder aktive Be- stechimg angeklagt werden mußte, mag auf sich beruhen. Jeden­falls sind sie die Opfer des preußischen UnterdrückungsiyjtemS gegen Bergarbeiter. Jahrzehntelang blieben die Klagen der Bergleute auch über da? Bestechungswesen ungehört. Im Jahre 1883 trieb zum Teil die zum Himmel schreiende Beanitenkoiruptioii, gegen die die Dackichtschländer Rußland und Türkei ein Dorado sind, zu dem großen BergarbeiterauSsland. Blaue Bohnen waren die Antwort auf diese Massenbeschwerden über die Frevel im Saarbrücker Kohlenbecken. Dieamtlichen Untersuchnngen" ergaben daß die bestechlichen Beamten von keinerlei Mißständen wußten. Bergleute wurden wegen Beleidigung der Erpresser mit Gefängm-?- strafen bis zu 6 Monaten belegt, weil sie die Wahrheit gesagt unv die bestochenen Beamten als Zeugen das Gegenteil.Der Brandslister bleibt straflos, zu strafen aber ist, wer die Feuerglocke zieht." Dies schien für den Kenner der wirklichen Verhältnisse das Ergebnis der amtlichen Erhebungen und der Strafjustiz in Saarbrücken zu werden. Endlich hat sich daS Blatt gewendet. Der erste VerhandlnngStag zeigte bereits, wie furchtbar schwer die Ermittelung der Wahrheit den Behörden gemacht ist: die Selbstherrlichkeit der Beamten, die alles bestreiten, und die Furcht durch Brutalalitäten versklavter Bergleute sind ein ebenso schwere? Hindernis für die Ermittelung der Wahrheit, wie in Militärmißhandlnngsprozeffen die Allmacht der Vorgesetzten und die Furcht schuldloser Soldaten vor drakonischen Strafen, oder wie in Klipplerprozessen die Abhängigkeit und Furcht der verkuppelten Personen vor den Zuhältern und anderen Kuppleriu Der Prozeß zeigt uns ein ähnliches Verhältnis zwischen au?- gebeuteten Bergarbeitern und selbstherrlich auftretenden königlich preußischen Beamten fiskalischer Gruben, Aber Preußen schreitet in der Kultur voran l--- Die loyale Handhabung des Vereinsgesetzes! In der Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Verein? zu Hannover am Sonnabendabend erschien ein Polizeikommissar und ein Schutzmann in Uniform. Da beide weder Mitglieder waren, noch ihre Anwesenheit gesetzlich begründet war, glaubte der Vorsitzende, Genosse Dörnke, die Beamten hätten sich geirrt. Er fragte daher nach dem Grunde ihrer Anwesenheit und erhielt von dem Kommissar zur Antwort, daß sie im Austrage ihrer vorgesetzten Behörde erschienen seien, um die Versammlung zu überivachen. Der Verein sei so groß, daß eigentlich von einem Verein nicht mehr ge- sprochcn werden könne. Genoffe Dörnke erwiderte. daß er die Ueberwachung nicht dulden werde. Ehe er zur Eröffnung der Versammlung schritt, forderte er denn auch die Beamten ans, die Versammlung zu verlassen. Hierauf erklärte der Kommissar die Versammlung auf Grund deS§ Ii des Vereinsgesetzes für auf- gelöst. Die Versammlung war noch nicht eröffnet, trotzdem löste sie der Beamte auf. weil die Zulassung der Beauftragten der Polizei- behörde verweigert worden ist. Im ß 14 des VereinsgesetzeS heißt es zwar, daß die Versammlung aufgelöst werden kann.3. wenn die Zulassung der Beauftragten der Polizeibehörde 13 Abs. 1) verweigert wird" z im§ 13 Abs. 1 steht aber mit aller Deutlichkeit: Beauftragte, welche die Polizeibehörde in eine öffentliche Versamin- lung entsendet." Dabei ist Bezug genommen aus die§z 5, 6, 7, 8, 0 und 13. Doch die Polizeibehörde weiß sich zu helfen, sie erklärt einfach:«Der sozialdemokratische Verein ist kein Verein! Konsequent ist sie aber darum doch nicht, denn sie müßte dann auch die Anzeige der Versammlungen verlangen. Die tiefe Erkenntnis, daß der sozialdemokratische Verein zu Hannover kein Verein ist, ist dem Polizeipräsidenten übrigens erst aufgedämmert, seitdem' das neue Verciusgesetz besteht und seine Kollegen in Breslau und Magdeburg in gleicher Weise vor- gegangen sind. Bor dem 15. Mai hätte der Polizeipräsident eher die Welt unter- gehen lassen, als daß er zugegeben hätte, daß der sozialdemokratische Verein kein Verein sei. Im Gegenteil. Stets wurde streng darauf geachtet, daß alle Bestimmungen des preußischen VereinSgeietzeS genau innegehalten wurdet». Die Anmeldung der Mitglieder mußte prompt erfolgen und die Polizei forschte sorgfältig nach, ob die Mitglieder auch dort wohnte», wie die Anmeldung angab. Ja mehr noch I Wenn der Vorsitzende eine öffentliche Versammlung an- meldete, dann sagte die Polizei. daS sei eine Vereinsversaminlimg! I Sie verbot dann die Teilnahme von Krauen. Sie ging von der Annahme aus, eS handele sich bei der öffentlichen Versammlung um eine Vereinsversammlung, weil sie vom Vorsitzende» deS sozial- demokratischen Verein» einberufen sei. Jetzt auf einmal, ohne daß eine Veränderung im Verein ein- getreten ist. ist dieser Verein kein Verein mehr. Jetzt werden nicht mehr öfsentliweVersamni langen zu Vereins- Versammlungen, sondern umgekehrt die Vereinsver­sammlungen werden öfsentlicke Versammlungen! Solche kuriose Logik müssen sich die prcußiichr» Staatsbürger gef�Ien lasten. Allmählich wird eS wohl noch dahin kommen, daß nur die Meinung der Polizeipräsidenten als Recht gilt. Die Kolonial-Akademie. Heute mittag wurde in Anwesenheit deS Staatssekretärs des ReichSkolonialamlS und des Vizeadmirals Breusing, als Vertreter deS Staatssekretärs deS NeichSmaüileamteS. ferner deS preußischen Gesandten Grafen Goetzen, deS Bürgermeisters Oswald und anderer das Hamburgische Kolonialinstitut durch Senator Dr. von Melle eröffnet. Dernburg hielt eine Ansprache, m der er die besten Wünsche der Reicks- regierung für das Institut überbrachte, um dann dessen Aufgaben darzulegen. Er schloß:Der Erfolg einer Kolonisationsarbeit häng! nicht nur von der äußeren Macht und Stellung ab, die sie der loloui- stercnden Nation verleiht, auch nicht von dem Maße der Wohlhaben- heit und der Bereicherung, da» der einzelne in dieser Arbeit erzielt, sondern ebenso sehr, wenn nicht mehr, von dem Geiste, in den» alle an ihre großen ethischen und kulturellen Arbeiten heranlreten. Rur die Nation, die diese Fragen mit Geschick und Erfolg angreift und ihrer Lösung entgegenführen kann, wird mit Ehren vor Mit- und Nachwelt tolonisieren." Auch der Vertreter des Staatssekretärs de» ReichZmarineamt? wünschte dem Institut eine gedeihliche Entwickelung. Die Professoren Dr. Thilenius und Dr. Röthgen erläuterten die bei Aufstellung des LehrplaneS deS Instituts maßgebend ge- wescnen Grundsätze.»»-