Nr. 247. 25. Jahrgang. 3.§nl>P des Jmärlö" Stiliiift PcksblÄ PiftMd), 21. Moder 1908. Partei- Hngelegcnbciten. 2. Wahlkreis. Sonntag, den 25. Olt ober, nachmittags 5 Uhr. bei Rabe, Ficktestr. 29: Gemütliches Beisammensein und Tanz. Um 6 Uhr: Vortrag der Genossin Wurm über„Die Entstehung der Arbeiter- Hasse''. Eintritt frei. Tanz 20 Psg. Dienstag, den 27. Ol- tober, abends SVa Uhr, bei Z ü h l k e, Dennewitzstr. 13: Oesfentlich- politische Versammlung. Vortrag des Reichstags- zbgeordnelen Richard Fischer über:„DieSteuervor- lagen der Regierung und die politische Lage". Ein Konzert veranstalten am Sonntag, den 25. Oktober, in den Pharussälen, Müllerstr. 142. die Genossen der 9. und HO. Abteilung des 6. Wahlkreises. Das Komitee hat sich bemüht, den Genossen für den ge- ringen Preis von 59 Pf. einen wirtlich genutzreichen Abend zu ver- schaffen durch Gewimumg von guten Kräften. Das Konzert beginnt abends 6 Uhr._ Nowawes . Heute abend 8'/z Uhr findet im Lokale des Herrn Schmidt, Wilhelmstratze 41/43, eine autzerordemliche Veriamm- lung des Wnhlvereins mit folgender Tagesoidnung stau: Diskussion über den Nürnberger Parteitag; Abrechnung vom dritten Quartal; VerichiedencS. Gäste haben Zutritl, auch werden neue Mitglieder aufgenommen. Zoffen. Am Donnerstag, den 22. Oktober, abends Punkt 8 Uhr, findet im P. Äurznerschen Lokale unsere ordentliche Wahlvereins- Versammlung statt. Tagesordnung: Bericht vom Parteilag, Becichlerstaller: Genosse G r o g e r; Bericht vom dritten Quartal; Wahl eines Bibliothekars; Verschiedenes. Lerlmer JVacbrichtciis Prinzefsinneueinzug. Man hat geivohntermatzen gesperrt für Arensch und Pferd und Spatz den Opern- und den Zeughansplatz und noch ein Dutzend Straßen. Die Menschen fluchen scheußlich: Entiveder Umiveg stundenlang, entweder warten eng und bang— wer irgend kann, bleibt häuslich. Auch darf man nicht vergessen: Verschivunden ist der Pferdemist, weshalb der Spatz in Traner ist..! ihm fehlt sein bestes Fressen. Ein einz'ger Umstand freilich. er mildert all' dieses Weh': esperrt ward auch die Sieg'sallee, as macht den Rest verzeihlich. Und dieserhalb beton' ich: Ihr Fürsten , kommt, zieht bei unS ein, hinaus, hinein, tagaus, tagein— die Sperre wird dann chronisch. Ein schnelles Ende hätte die Schädigung des Volksgeschmacks durch jene Puppen aus dem Wachs- figurenkabinette. DaS EinküchenhauS. Draußen am Lietzensee, in der Kuno-Fischerstraße, in dem neu entstandenen Charlottenburger Prachtviertel, erhebt sich ein stolzer Bau, der in seinem Innern die Revolution des Haushaltes birgt. Von außen sieht man dem Gebäude nichts Merkwürdiges an, nichts verrät seinen originellen Charakter. Aber innen weist es eine Neuerung auf, die der älteren Hausfrauen- generation Entsetzen einflößen, der jüngeren aber frohe un- geahnte Perspektiven eröffnen wird. Ein großstädtisches, komfortabel eingerichtetes Mietshaus mit einer Zentralküche. Wirklich, nur eine Küche für alle Bewohner. Losgelöst auf immerdar, werden in diesem Heim die Hausfrauen fein von den„heißen" Leiden des Kochtopfs, nimmermehr wird angebrannter Milchreis ein Sakridonner- Wetter des gestrengen Hausherrn auslösen, kein schwarz„an- gehauchter" Braten die> heitere Mittagsstimmung stören. Fortan braucht sich die Frau nicht mehr das arme Hirnchen zu zermartern mit der schicksalsschweren Frage:„Wenn ich bloß wüßte, was ich morgen kochen soll?" Ach nein! Aus ein Zeichen wird der Aufzug„Herz, was begehrst dul" herauf- bringen und die Hausfrau braucht bloß die dustenden Speisen in Empfang zu nehmen, um sie aus den Tisch zu stellen. Das alte Märchen vom„Tischlein deck dich!" hat seine Poesie eingebüßt, es ist zur Wirklichkeit geworden. Man geht ans Telephon und wünscht sich dies und jenes, was die Küche bietet und bald ist es auch zur Stelle. Das neue Einküchenhaus hat alle Annehmlichkeiten auf- zuweisen, die man heute in den neueren, luxuriösen Wohn- Häusern zu finden gewohnt ist. Gas und Elektrizität, Warm- Wasserversorgung. Bad, Zentralheizung, selbsttätige Fahr- stuhle, Vakuumreinigung, selbst Dunkelkammer usw. fehlen nicht. Ein kleiner Kochraum bietet Gelegenheit, außer der Zeit Milch für Kinder oder dergleichen anzubereiten. Der Preis für volle Tagespension ist aus 2.50 M. oder 75 M. Monat festgesetzt. Soll für Kinder von 2 bis 12 Jahren serviert werden, so kommen halbe Preise in Be- tracht. Ein genereller Zwang, sämtliche Mahlzeiten im Hause einzunehmen, besteht nicht, jedoch setzt die Verwaltung voraus, daß jeder Bewohner die Hausküche nach Möglichkeit in Anspruch nimmt, da ja sonst die ganze Einrichtung ihren Zweck verlieren würde. Von morgens 7—10 Uhr wird Kaffee, Tee, Kakao oder Milch, je nach Belieben mit Gebäck und Butter vorgesetzt. Das zweite Frühstück kann ebenfalls jeder nach Wunsch bestellen, eine Frühstückskarte wird in jeder Wohnung ausgelegt. Die Mittagsmahlzeit wird zwischen 1 und �>4 Uhr serviert und besteht in drei bis vier Gängen. Zur Abendmahlzeit stehen bis 10 Uhr kalte und warme Speisen zur Verfügung. Bei besonderen Familienfestlichkeiten übernimmt die Zentralküche ebenfalls die Bewirtung. Sämtliche häusliche Arbeiten in den Wohnungen besorgt die Wirtschaftsverwaltung, auch steht Personal für die Be- aufsichtigung der Kinder zur Verfügung. j Dieses System wird zweifellos in Zukunft sich Bahn 1 brechen. Darauf läßt schon die Tatsache schließen, daß die Wohnungen schon im voraus vermietet waren und zurzeit schon zwei neue Einküchenhäuser im Entstehen begriffen sind. Für die unteren Volksschichten, wo die Mehrzahl der Frauen zwischen Berufstätigkeit und häuslicher Arbeit zer- mürbt wird, und wo dieses System segensreich wirken könnte, wird das Einküchenhaus noch für lange Zeit ein Zukunfts- träum bleiben._. Gänseblümchen . Das bescheidene Gänseblümchen, das im ersten Frühjahre als eines der ersten die grasigen Plätze und Wegränder mit weißen Tupfen sprenkelte, ist im Herbste auch eines der letzten, das uns verläßt. Ununterbrochen bis jetzt kommt Blüte auf Blüte auf kurzen Stielen aus den niedrigen Blattrosetten, und noch immer zeigt die Fleißige keine Ermüdung. Sonst gegen buntere und anspruchsvollere Blumen vernachlässigt, erscheint sie dem Wanderer jetzt näherer Betrachtung wert. An Bescheiden- heit wetteifert das Gänseblümchen mit dem Veilchen, und doch gehört es, als eine kleine Schwester der stattlichen Sonnenblume, mit dieser zu den am höchsten organisierten Gewächsen. Was wie eine einzelne Blüte erscheint, ist in Wirklichkeit eine Menge eng zusammengepreßter gelber Blütchen . die zusammen die sogenannte Scheibe bilden, während am Rande eine Reihe ebenso kleiner Blütchen lange weiße Strahlen entwickeln; diese Randblüten umgeben strahlenartig die Scheibe und er- wecken den Eindruck einer einzigen Blume, wo doch ein ganzes Blütenkörbchen voll davon vorliegt. Einigkeit macht stark: Was die winzigen Blütchen zerstreut nicht ausrichten könnten. nämlich anziehend aus blunnMbesuchende Insekten zu wirken, das erreicht mit Leichtigkeit die Körbchenblute. Sie zeigt uns eine der sinnreichsten Einrichtungen in der Natur, wie Einfach- heit mit Komplizierlhest zu vereinigen ist. Die Kunst der Gärtner hat es verstanden. Gänseblümchen zu züchten, bei denen auch die Scheibenblütchen in Strahlenblüten umgewandelt. Solche gefüllten Blüten sind als Tausendschönchen in allen Gärten bekannt. Die auf ein einfaches Schema zirrückgeführte Kom- pliziertheit der Körbchenblüte, wie das Gänseblümchen sie zeigt, läßt sich auch an ihren Blättern erkennen. Dicht ge- drängt bilden sie eine Rosette, die dem Boden aufliegt, um so einen höheren Stengel zu sparen. Damst die Blätter aber bei ihrer Gedrängtheit sich nicht gegenseitig das Licht fortnehmen, sind sie am Grunde schmal, um sich nach vorn hin allmählich zungenförmig zu verbreiten. Dadurch wird erreicht. daß die einzelnen Blätter sich gegenseitig so wenig wie möglich decken und die vorderen breiteren Flächen dem belebenden Lichte ausgesetzt bleiben. Es muß wohl an der sinnreichen Einfachheit seines BaueS liegen, wenn das Gänseblümchen zu jenen Pflanzen gehört, die als sogenannte Kosmopoliten nahezu in der ganzen Welt vorkommen. Ueber- all ist es zu finden, überall ist es zu Haus. Der warme Herbst hat auch manche längst verblühte Pflanze zu neuem Leben angefacht. Wir finden blühende Erdbeeren und Blaubeeren und andere Kräuter, die es ver- stöhlen mit einer zweiten Blütezeit versuchen. Aber schon setzen rauhere Lüfte ihrem Beginnen ein Ziel. DaS Kaufmaunsgericht zu Berlin hat im Geschäftsjahr 1007(vom 1. April 1907 bis zum 31. März 1908) eine bedeutende Vermehrung der Klagen gehabt. Dem Jahresbericht, den der Magistrat jetzt veröffentlicht hat, entnehmen wir, daß die Zahl der Klagen um 9 Proz. höher als im vorhergehenden Jahre war. Diesmal gingen 4898 Klagen ein(im Vorjahr 4494); nach Aussonderung derjenigen, die noch vor Abhaltung eines ersten Termins erledigt wurden, verbleiben für die Rechtsprechung 4479 Klagen(im Vorjahr 4319). Hiervon wurden erledigt: 1874 durch Vergleich, 57 durch Verzicht. 1192 durch Klaaezurück- nähme oder Ruhenlassen. 82 durch Abgabe an andere Gerichte. 34 durch Anerkennungsurteil, 453 durch Versäumnisurteil. 022 durch kontradiktorisches Urteil(nämlich 341 mit Beweisaufnahme, 273 ohne Beweisaufnahme, 8 nach Eidesleistung durch eine der Parteien); die übrigen 435 Klagen waren bis zum Schluß des Geschäftsjahres noch nicht erledigt worden. Im ganzen wurden 4314 Klagen erledigt, darunter 1547, die durch die Kammern abgemacht wurden. Die Kläger waren (wenn alle 4898 eingegangenen Klagen berücksichtigt werden) Prinzipale in nur 250 Klagen, Handlungsgehilfen in 4048 Klagen, unter diesen waren>403 Klagen von weiblichen Personen, 48 von Lehrlingen. Zum kontradiktorischen Urteil gelangten von den 250 Prinzipalsklagen 38 und von den 4648 Gehilfenklagen 584, und es gewann dann der Kläger mit seinem ganzen Anspruch oder doch mit dem wesentlichsten Teil in 12 von diefen 38 Prinzipalsklagen und in 289 von diesen 584 Ge- Hilfenklagen. Die Höhe des Objektes war(bei über- Haupt 4898 Klagen): bis 20 M. bei 320 Klagen, über 20 M. bis 50 M. bei 084 Klagen, über 50 M. bis 100 M. bei 1033 Klagen, über 100 M. bis 200 M. bei 1187 Klagen, über 200 M. bis MO M. bei 593 Klagen, über 300 M. bei 899 Klagen, nicht angegeben bei 182 Klagen. Der Streit- gegenständ war: 1309 mal Zahlung rückständigen Gehalts. 2703 mal Gehalts- oder Entschädigungsan- spräche wegen Entlassung vor der vertragsmäßigen Zeit und ohne Kündigung, 240 mal Ausstellung eines Abgangszeugnisses, 1 mal Anrechnung der von den An- gestellten zu leistenden Krankenversichernngsbeiträge, 13 mal Auflösung des Lehrverhältniffes, 34 mal Fortsetzung des Lehr- Verhältnisses, 42 mal Konventionalstrafen, 175 mal Schaden- ersatz, 31 mal Herausgabe von Papieren usw., 13 mal Fort- setzung bezw. Lösung des Dienstvertrages, 146 mal Rück- zahlung von Kautionen, 14 mal Feststellung von Ansprüchen. 13 mal Erteilung von Bnchauszügen. 1 mal Zahlung von Alimenten, 1 mal Nichtigkeit einer ergangenen Ent- scheidung, 68 nml Rückzahlung von Spesenvorschüssen. 6 mal Zahlung von Kostgeld, 23 mal Zahlung von Lehrgeld. Klagen wegen Ansprüche aus Verletzung von Kon- kurrenzklauscln kamen nicht mehr vor. während im Vorjahre noch 21 solche Klagen gezählt worden waren. Die Er- ledigungsfrist wird in dem Bericht angegeben für 872 durch kontradiktorisches Urteil beendete Prozesse(622 aus dem Berichtsjahr, dazu 250 noch ans dem Vorjahre verbliebene). Erledigt wurden vor Ablauf der ersten Woche nur 27. in 1—2 Wochen 63, in 2 Wochen bis 1 Monat 117. in 1— 3 Monaten 442, in mehr als 3 Monaten 223. Eine noch schnellere Erledigung ist sehr zu. wünschen, doch ist hier immerhin ein Fortschritt gegenüber dem Vorjahre eingetreten, wo keine einzige der durch kontradiktatorisches Urteil beendeten Klagen vor Ablauf der ersten Woche und nur 5 Klagen in 1 bis 2 Wochen erledigt werden konnten. Die Parkdcputation beschäftigte sich gestern mit den Plänen dcS Schillerparkes. Von einer Seile wurde beantragt, trotzdem der Vc- bauungöplan wegen Einspruch Reinickendorfs noch nichl feststeht, so- fort mit den Erdarbeiten zu beginnen, selbst auf die Gefahr hin, daß die städtischen Behörden das Vorgehen der Deputanon nicht gutheißen. Von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, daß die Deputation die Verantwortung wohl übernehmen kann, schon des- wegen, um für die Parkarbeiler Arbeitsgelegenheit zu schassen. Dem wurde allseitig zugestimmt, und bei dieier Gelegenheit von maßgebender Seite die Erklärung abgegeben, daß kein Parkarbeiter entlassen werden soll. In der weiteren Beratung kam eS zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern der Jury und dem Gartenbaudireklor über die preisgekrönten Pläne. Nach langer Diskuision wurde beschloffen, den mit dem ersten Preise gekrönten Plan von Friedrich Bauer- Magdeburg zur Ausführung zu bringen und letzterem auch die Leitung zu übertragen. Zur Frage der Umgestaltung deS Spittel- marltes wurde besaitossen, den Platz zu belassen, wie derselbe ist, schon um dem großen Verkehr keine Hiiidermffe zu bereiten, jedoch sobald als möglich auf dem Platze eine Bedürsnisanstall zu errichten. AuSkunfts- und Fürsorgestellen für Alkoholkranke. Drei ver- schiedene AuSkunfts- und Fürsorgestellen für Alkoholkranke haben am 1. Oktober in Groß-Berlin ihre Tätigkeit begonnen. Sic be- zwecken, der Ausbreitung des Alkoholismus vorzubeugen und ent- gegenzuarbeiten. Es wird dort jedermann unentgeltlich Auskunft über die Alkoholfrage erteilt. Alkoholkranke erhalten freie ärztliche Untersuchung geboten. Ucberhaupt wird allen Rat und Beistand gewährt, die schon die Folgen des Alkoholmißbrauchs an sich oder ihren Angehörigen wahrgenommen haben. Die drei AuskunftS- und Fürsorgestellen befinden sich in der Charit«-, Linkstraße 11 und Gormannstraße 13. Leiter sind Dr. med. Kopfs, Direktor der Heil- stätte„Walofrieden", Dr. med. Bratz, Oberarzt der städtischen An- statt für Epileptische„Wuhlgarten", Dr. med. Falkenberg, Oberarzt der städtischen Irrenanstalt„Herzberge". Eine ärztliche Bchand- lung findet in den AuSkunfts- und Fürsorgestellen nicht statt, Kranke, die sich in ärztlicher Behandlung befinden, haben einen Ueberweisungsschein ihres Arztes an die Fürsorgestelle mitzu- bringen. Derartige Auskunsts- und Fürsorgestellen haben sich an zahlreichen Orten Deutschlands als ein wirksames Mittel gegen den Alkoholismus erwiesen. Die Organe der Armenverwaltungen überweisen Alkoholkranke oder deren Angehörige an diese Stellen. „Tonncnleichen". Unter dieser menschenfreundlichen Spitzmarke schreiben verschiedene reaktionäre Berliner Blätter folgendes: „Einem eigenartigen Gebrauche ist man in Arbeitergegenden Berlins auf die Spur gekommen. Getviffe Erscheinungen bei Be- erdigungs-Nachfeiern hatten Anlaß zu Nachforschungen gegeben. Dabei stellte es sich heraus, daß manche Arbeiter von chrem Tode auch schon genaue Bestimmungen über den Leichenschmaus für ihre WerkstattkoUegen usw. treffen. Sogar eine bestimmte Menge Bier wird dabei vermacht, die das Trauergcfolge bei der Rückkehr vom Kirchhofe vertilgen darf— und je nach diesen Mengen hat der Volksmund für die verstorbenen freigebigen Kollegen die schönen Ausdrücke„Halbtonnenleichen" oder„Tonnenleichen" geprägt." Es gehört die ganze Frivolität der arbeiterfeindlichen P reffe dazu, mit solcher Gemeinheit die Deklassierten noch im Tode zu be- schmutzen. Wohl ist es allgemein bekannt, daß kleine und große notleidende Agrarierfärnilicn bei Todesfällen einen oft tagelang andauernden Leichenschmaus veranstalten. Der Volksmund kennt hierfür einen Ausdruck, den wir aus Pietät vor jedem Toten hier bester verschweigen. Aber wenn in Arbeiterkreisen wirklich das vorgekommen sein sollte, was sich mit den obigen Ausführungen einigermaßen deckt, so können das doch immer nur vereinzelte Aus- nahmefällc gewesen sein, die wir trotz unserer Ansicht vom„Leben nach dem Tode" durchaus nicht schön finden. Wenn das Leichen- gcfolge bei Arbeiterbegräbniffen. das heißt die leidtragende Kol- lcgenschaft, hinterher gemeinsam ein Bierlokal aufsucht, so ist da- gegen absolut nichts einzuwenden. Das ist in bürgerlichen Kreisen auch gang und gA>e, während die„schwere Sitzung" in der noch höherstehenden Gesellschaft nach Todesfällen sich gewöhnlich auf die mit Spannung erwartete Testamentseröffnung und auf das sich anschließende Sektbegietzen bezieht. Der moderne Arbeiter hat nickst soviel übrig, daß er seinen Arbeitskollegen eine bestimmte Menge Bier„vermachen" kann. Wenn wirklich ein Arbeiter über einige Mittel verfügt hat. so gehen sie bei der dem Tode meist vorangehenden Krankheit drauf. Sehr häufig versagen sogar unsere vielgerühmten Wohlsahrtseinrichtungen, und es ist noch nicht soviel da, um den Verstorbenen anständig unter die Erde zu bringen. Für solche Be- erdigungen hat der Volksmund ein Wort geprägt, das die herzlosen Besitzenden sich hinter die Ohren schreiben sollten— daS häßliche Wort„A r m e n l e i ch e n". Frost. Bei einer Temperatur von 2 Grad unter Null trat vom Montag zum Dienstag ein empfindlicher Nachtfrost ein. nachdem schon ni der Nacht vom Sonnlag zum Montag die Temperatur auf—9,5 Grad zurückgegangen war. Gestern morgen zeigte sich überall ziemlich starke Eisbildung. Alle Wasserpsützen waren mit einer leichten Eisschicht überzogen, und in Berlin hatten sich auf den Slraßendämmen, wo in der Nacht Waschungen stattgefunden, Eiskrusten gebildet. Die Gärtner, welche aus ein so zeitiges Einsetzeit von Nachtfrösten nicht gerechnet hatten, haben vielfach erhebliche Verluste erlitten, weil zahlreiche frostempfindliche Pflanzen, die noch nicht geschützt waren, eingegangen sind. Auch in den städtischen An- lagen hat die Kälte manchen Schaden verursacht. Allerdings ist er hier weniger groß, weil der größere Teil des pflanzlichen Sommer- schmuckes bereits in den letzten Tagen nach den Treibhäusern ge- bracht worden ist. Selbstmord eines Unterarztes. In der vergangenen Nacht ist der Unterarzt Erich Kußmann von der Kaiscr-Wilhelm-Akademie, der in der Hannoverschenstraße 13 wohnte, wegen einer kriegsgerichi- lichen Bestrafung in den Tod gegangen. Vor acht Tagen hatte er sich vor dem Kriegsgericht der Kgl. Kmnmandantur wegen Körper- Verletzung zu verantworten und wurde zu einer Geldstrafe von hundert Mark verurteilt. K. nahm sich die Bestrai ung derart zu Herzen, daß er sich mit Morphium vergiftete. Er ivurde in das Garnison lazarett in der Scharnhorststratze eingeliefert, wo er bald daraus starb. August Scherls praktischer Wegweiser zum— Reichwerdcu. Vor einiger Zeit ist nach dem hausbackenen Muster der Familien- blätter der im Scherlschen Univcrsalverlage wöchentlich einmal er- scheinende„Praktische Wegweiser" gegründet worden. Dem Ein- geweihten ist es längst bekannt, daß gerade derartige Hausfrauen» Zeitungen vielfach in sogenannter„Mache" arbeiten. Beispiels- weise verzapfen sie meist einen sehr umfangreichen redaktionellen Briefkasten, von dem so ziemlich die eine Hälfte bestellte Arbeit und die andere glatt aus den Fingern gesogen ist. Ter große deutsche Zeitungsmonopolmann aus der Berliner Zimmerstraße wollte natürlich auch auf diesem Gebiete seinen Konkurrenten mindestens um eine Nasenlänge voraus fein. Was er und seine Hintermänner hier ausgeheckt haben, geht denn aber doch beinahe über die Hutschnur. Jede Nummer des„Wegweiser" enthält auf der ersten Seite einen auffallend umränderten sogenannten„be- sonderen Rat" aus dem Publikum von etwa 15 Druckzeilen Um- fang. Es soll eine praktische Nutzanwendung fürs Leben fein mit
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