».m 25.»w{ Ktilllgt des JoriüW Idinct MldsdIM. �«««�,22Hochverrat und ehre.Wie bekannt, fand am 10. d. M. Vor dem Ehren-Gerichtshof für Rechtsan>välte in Leipzig dieVerhandlung zweiter Instanz gegen den Genossen Liebknechtstatt, die mit Freisprechung endete. Sie war nicht öffentlich.Bisher sind daher von ihr nur wenige, durch eine Erklärungdes Reichsgerichtspräsidenten in ihrer Zuverlässigkeit bestritteneEinzelheiten bekannt geworden. Wir sind heute in der Lage,einiges Nähere aus ihr mitteilen zu können:k?ach Beendigung des Vortrages durch den Berichterstatter Reichs-gerichtsrat Bernhardt bemerkte der Borsitzende: Ich möchte mich zu-nächst daraus beschränken, eine Frage an Sie zu richten. Die Auf-gäbe des Anwalts ist, als ein Organ der Rechtspflege an der Ver-wirklichung der Rechtsordnung mitzuwirken. Wie glauben Sie mitdieser Aufgabe vereinbaren zu können, dah Sie, wie rechtskräsiigfeststeht, die gewaltsame Beseitigung dieser Rechtsordnung angestrebthaben?Liebknecht: Unsere Rechtsordnung besteht aus zahlreichen Be-siimmungen, die sich über das ganze Gebiet des öffentlichen undprivaten Lebens erstrecken. Einzelne dieser Bestimmungen, die vomStaat als besonders wichtig betrachtet werden— Bestimmungen desöffentlichen Rechts— sind als sogenannte„Verfassung" durch dieHochverratsparagrophen einem besonders intensiven Schutz unterworfen.Auch sie sind jedoch weit entfernt, das Ganze unserer Rechtsordnungzu repräsentieren, oder ihre, sei eS materielle, sei eö formelle Grundlage zu bilden. Nach dem Urteil vom 12. Oktober v. I. habe ichdie Beseitigung des stehenden Heeres durch Gewalt angestrebt. DieBeseitigung des siebenden HecreS würde die in Deutschland geltendenZivil- und StrafrechtSnormen und die sonstigen Gesetze, an derenDurchführung ein Anwalt mitzuwirken hat', durchaus unberührtlassen. Das zeigen schlagend die Länder ohne stehendes Heer, diedennoch eine„Rechtsordnung" besitzen, welche der unseren wesens-Verivandt ist. Oft genug hat die Rechtsordnung solcher Länder derdeutschen Gesetzgebung als Borbild gedient,' ich verweise auf dieSchweiz mit ihrem Strafrecht. Ich betrachte mich, gerade weil ichdie Abschaffung des stehenden Heeres anstrebe, sogar für besondersgeeignet, gewisse Teile unserer Rechtsorduung, so die sozialen Ge-setze, zu verwirklichen.Vorsitzender: Ich werde nunmehr dem Herrn Oberreichsanwaltdas Wort erteilen.Liebknecht bittet, ihm vorher noch Gelegenheit zu einigen Be-merkungen zu geben. Er führt aus: Das angefochtene Urteil gipfeltin der Annahme, mir sei bei Begehung der Tat nicht bewusttgewesen, dast n,eine HandlungSiveise gegen das Strafgesetz verstosie.Die Berufungsschrift des Herrn GeneralstaatSanwalt» sucht das be-sonders mit dem Hinweis auf meine angebliche juristische Tüchtigkeitzu widerlegen. Indessen lehrt ein Blick auf den HochverratSprozef;.dost sich die n, abgebenden I n st a n z e u bis zuinletzten Augenblick um die Art, wie der Hochverratzu konstruieren sei. keineswegs einig waren.Er(L.) habe nicht daran gedacht, mit offenen Augen in die Spießedes Strafgesetzbuchs zu rennen. Eine unbefangene Prüfung desUrteils voin 12. Oktober zeige feine glatte Unhaltbarkeit und Un-Möglichkeit in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung; es wimmelevon leicht nachweisbaren faktischen Irrtümern und lasse an Logiksehr Vieles zu wünschen übrig. Liebknecht weist das an einigenBeispielen nach. Je mehr diese Kritik zutreffe und je höher seinejuristische Intelligenz stehe, um so weniger habe er die Verurteilungwegen Hochverrats vorausahnen können. Er habe Prophet undnichr Jurist sein müssen, um das zu wissen. Er betone mit allerEnergie, daß das Urteil vom 12. Oktober ein Fehliprnch sei.Sodann wendet sich Liebknecht scharf gegen einige Personen undZeitungen, die ihm in grenzenloser Gehässigkeit vorioerfen, erwolle das Deutsche Reich wehrlos machen, er sei ein ehr-loser Verrärer unv. Das ist eine infame Insinuation.Meine Schrist spricht allenthalben nur von einer gleichmäßigen inler-nationalen Wchrlosmachung; sie will in dieser Bezrehung nichtviel anderes, als die vckamireil Abrüstungspläne, die heute ja anden offiziellsten Stellen erörtert werden. Nur erwarte ich mit derinternaiioiialen Sozialdemokratie ihre Durchführuna nicht von denRegierungen, sondern von einem Druck von unten, von einer Be-lvegung der Volkömassen aller Länder.Danach ergriff der Obcrreichsauivalt daS Wort zu seinem Plai-doycr, das in den Antrag auf Ausschließung auS dem Rechtsanwalt-stände mündete.Mit großer Wärme und in hochinteressanten juristischen undpolitischen Ausführungen trat Rechisamvalt Otto Emil Freylag dementgegen. Der Oberreichsanwalt replizierte kurz.Aus dem Schlußwort Liebknechts heben wir hervor:Die Frage lautet: Habe ich mich der Achtung unwürdig gemacht, die mein Beruf erfordert. Dia„Achtung" ist kein irgendwoin der Luft hcrumschwebendes Ding. Sie hat ihren Sitz in denkonkreten Köpfen und Herzen der konkreten Menschen. Ich bestreite, durchmeine Straffälligkeit oder durch meine Verurteilung in der Achtungirgend eines Menschen, der den Sachverhalt kennt, das geringste eingebüßt zu haben; ich behaupte, daß alle Menschen, das großePublikum, meine Kollegen und auch Sie. meine Herren, mir nachwie vor unverkürzt ihre Achttmg entgegenbringen. Wer ein anderesmeint, täuscht sich selbst, verwechselt in politischer BefangenheitFeindseligkeit und Mißachtung. Ja, ich behaupte, daß ichdurch meine Verurteilung in weilen Kreisen an Achking be-trächtlich gewonnen habe. Nicht will ich davon sprechen,daß ich im November vorigen Jahres, da ich bereits inStrafhafi saß, von neuem in Berlin zum Stadtverordnetengewählt worden bin, nicht davon, daß mir im Junidieses Jahres der 11. Berliner Landtagswahlkreis mit überwältigenderMehrheit das Mandat eines Mitgliedes des preußischen Abgeordneten-Hauses übertragen hat. AuS aller Welt sind mir begeisterte undoft rührende Sympathiekundgebungen zuteil geworden— auch ausden Kreisen der deutschen Beamte»; nickt minder von Geistlichen.die mich unter Anrufung der Bibel rechtfertigten, selbst vriesen. Zuden von meinem Herrn Verteidiger bereits erwähnten KundgebungenauS Anwaltskreisen füge ich noch die Crinneruiig an die Worte desbekannten Rechtsanwalts Bassermann, eines Mitgliedes der nattonal-liberalen Partei, der sich vorigen Herbst im Reichstag gegen denGedanken meiner Disziplinierung wandte. Meine Herren, ich erhebeden Anspruch auf schlechthin unvenninderte Achtung und kann dieBerechtigung dieses Anspruchs geradezu beweisen.Der Herr OberreichSanwalt hat ms Zentrum seines Plaidoyersdie Ansicht gestellt, daß ich als Umstürzler der Rechtsordnung keinOrgan dieser Ordnung sein könne. Er geht dabei von dem bereitswiderlegten Gedanken aus, Abschaffung des stehenden Heeres seiUmsturz unserer Rechtsordnung. DaS gibt mir Anlaß zu einigenweiteren Bemerkungen. Bei der Mehrzahl der Delikte ist der an-geslrebte oder erzielte Erfolg das kriminalpolitisch Wesentliche. Andersbeim Hochverrat. DaS hochverräterische Ziel dürfeerstrebt werden; eS ist als solches gesetzlich nichtgeschützt. Das Wesen des Hochverrats ist nicht durchdas Ziel des Hochverrats charakterisiert, sonder ir durch daszur Erreichung des Ziels angewandte Mittelder Gewalt. Auch wer da irrig meinen sollte, unsere Rechtsordnungberuhe auf der Institution des stehenden HcereS, kann mithindaraus heute kerne Konsequenzen gegen mich ziehen: ich binnicht be st rast, weil ich die Beseitigung desst ehe»den HeereS an st rede, sondern weil ich sieangeblich mit Gelvalt durchzusetzen bemüht bin.Das Ziel— die Beseitigung deö stehenden Heeres—, daS Zielgerade, deffen Erreichung einen Umsturz der bestehenden Rechts-ordnung bedeuten soll, ist niemand, auch mir nicht verwehrt. DasMittel der Gewalt aber hat an und für sich mit diesemUmsturz nichts zu schaffen— darüber herrscht kein Streit.Der Anwalt ist— nach der gellenden Meinung im Gegensatzzu dem Beamten— durch seinen Beruf p o l i t i s ch nicht ge-b u n d e n, nur aus Gründen der Moral ist feine ehrengerichtlicheAhndung zulässig— die Frage der„Achtung" liegt durchaus aufdem Gebiete moralischer Beutteilung. Büßt jeder Rechtsbrecherschon darum, weil er das Recht gebrochen hat, die für den Anwalts-beruf erforderliche Achtung ein? Die Rechtsprechung des Ehren-aerichtShofeS verneint das mit Recht. Auf allen FestungenDeutschlands sitzen Duellanten in Fülle. Sie tragen denOffizierSrcck und den Richtertalar. sie verlieren ihrenOfsiziersrock, ihren Talar keineswegs; der Richter,der in bewußter, überleglerWeisedas Gesetz verletzt hat, darf weiter über andere Gesetzesverletzer richten. Ichhabe nicht in bewußter Weise gegen das Gesetz verstoßen—selbst der Herr OberreichSanwalt unterstellt dies; und ich soll nichtAnwalt bleibe» können? Gewiß, der Hochverrat ist nach demSystem unicres Strafgesetzbuchs ein Verbrechen. Einen Verbrecher.einen Hochverräter— man pflegt dieses Wort mit drei Aus-rufungszeichen auSzusprecven und zu denken— als Kollegenzu haben, mag manchem Anwalt wohl unheimlich undwiderwärtig erscheinen. ES gilt, sich von diesen unheim-lichen Worten nicht verwirren zu lasten, und meinem Ver-brechen, dem Hochverrat, klar inS Innere seines Wesens zu schauen.kleines feiiületon.Marinekultur. Die aufdringliche, lächerlich-monumentale Art,mit der sich das größenwahnsinnige imperialistische Neudeutschlanddahcim spreizt, kann es im Auslande erst recht nicht verleugnen.Die„Heroen", die der Frieden zu traurigen Parasiten des Volks-fleißes macht, müssen sich der Kit- und Nachwcil doch irgendwieins Gedächtnis prägen. Mit aller Gewalt. Mit der Beharrlichkeitund dem Eifer von Reklamcchefs. Sie verewigen sich, sie setzen sichselber die Erinnerungstafeln, die ihnen die undankbaren Zeit-genossen vorenthalten. Sie schaffen so eine neue Art„Kultur".die lebhaft an die Tätigkeit der Fliegen und wändebekritzclndenLausbuben erinnert. Aber die Sache ist technisch auf der Höheund vor allem monumental. Was für hübsche Wirkungen sich daeinstellen, schildert ein deutscher Professor, dem der Patriotismusnoch nicht die Sinne verdorben hat, mit ästhetischer Entrüstung im„Kunstwart".Die Zeitungen meldeten in diesen Tagen, so heißt es dort,daß das Nordkap zur Reklamesäule geworden sei. Nachdem zurErinnerung an den Besuch des Kaisers der Name der Macht„Hohen-zollern" in lb Fuß hohen Lettern auf den Felsen gemalt worden,seien verschiedene Schiffahrtsgesellschaften und schließlich ein Scho-koladenfabrikant und eine Stiesellackfirma diesem Beispiele gefolgt.Ich habe auf wiederholten Reisen in Norwegen die Wahrnehmungmachen müssen, daß das kaiserliche Beispiel vor allem in derdeutschen Marine sehr rege Nacheiferung findet. Als ich vorzwei Jahren im Ruderboot den Geirangerfjord entlang fuhr, er-blickte ich an eine: Felswand mit großen schwarzen Buchstaben an-geschrieben:„S. M. Torpedoboot X". Mein Erstaunen verwandeltesich in Entrüstung, als ich bemerkte, daß es sich hier nicht um eineeinmalige Entgleisung handelte, sondern daß die Besatzungen einergrößeren Zahl von Kriegsschiffen sich bemüht hatten, durch dieNamen ihrer Schiffe den Reiz der Landschaft zu erhöhen. Glaubendie Herren, daß sie sich oder den deutschen Namen dadurch imAuslande beliebt machen? Ich denke, man kann darüber nicht imZweifel sein, wie der Norweger diese Bemalung seiner Felsen,die bis zur Ankunft der deutschen Kriegsschiffe unberührt warn,empfinden muh. Der durch solche Verstümmelung der Landschaftam nieisten Benachteiligte ist natürlich neben dem Einheimischender Tourist. Muß nicht ein jeder die Entnüchterung, die dieStimmung, in die ihn die großartige Landschaft versetzt hat, durchtriviale, marktschreierische Inschriften erleidet, auf das schmerz-lichstc empfinden? Ich hatte den unangenehmen Eindruck diesesErlebnisses beinahe vergessen, als ich vor einigen Wochen dieLofoten besuchte und dort den Digermulen bestieg. Dieser 350Meter hohe Berg, der sich unmittelbar auS dem Meers erhebt,bietet eine der großartigsten Aussichten des ganzen nördlichen Nor.wcgenS. Auf dem Berge befindet sich eine kleine, unbewirtschafteteSchutzhütte. Und was erblickt der Wanderer, der den Gipfel er.reicht? An der sauberen, rot angestrichenen äußeren Wand derHütte liest er, mit etwa 1 Zentimeter hohen Buchstaben tief in dasHolz eingeschnitten:„S. M. S. Hertha 1308" und vier Namen.Auf einer Felswand unterhalb des Gipfels fand ich beim Abstiegenoch mit wenigstens meterhohen weißen Buchstaben die Inschrift:„S. M. S. Leipzig".Kriegsschiffe kommen in alle Winkel der Welt, und eö ist Herr-lich, auszudenken, wie. in einigen Jahrzehnten die Küstenland-schaffen aussehen werden, wenn das Verfahren der deutschenMarineoffiziere allgemeinen Anklang findet.Ist es denn ein Kunsfftück, aus einem Kriegsschiff in einennorwegischen Fjord zu fahren, oder ist es eine Heldentat, auf ge-bahntem Wege den Digermulen zu besteigen? Oder welchen Sinnhat es sonst, jedem späteren Besucher entgegenzuschreien:„Ich bindagewesen!"Diese Fragen des Professors, der offenbar nicht in die„moderne Welt" paßt, werden, wie wir ihm auS eigener Erfahrungversichern können, auf eine sehr deutliche und entschiedene Art be-antwortet. Im Auslände.Was die Waldbrände iu den Bereinigten Staaten kosten. EinBeamter des Amerikanischen landwirtschaftlichen Amtes hat be-rechnet, daß die ungeheuren Waldbrände, die in letzter Zeit in denVereinigten Staaten ausgebrochen sind und auch jetzt noch wüten,täglich Verluste im Betrage von 4 Millionen Mark verursachthätten. Allein im Staate New Dork sind gegen Ende des MonatsSeptember über 20 000 Hektar den Flammen zum Opfer gefallen.Das Forstbureau in Washington hat einen Bericht veröffentlicht,in dem gesagt ist, daß die Brände wahrscheinlich hätten verhütetwerden können, wenn die Staaten eine entsprechende Menge vonLeuten zur Abpatrouillierung der Wälder und zur Unterdrückungor Brände in ihrem Entstehen bewilligt hätten und wenn Jägerund Forstleute gehörige Sorgfalt bei der Uebcttvachung beobachtethätten,Humor und Satire.Orientalische Randglossen.Nach berühmten Mustern.Mach's. wie der andere Zar geschwind',Den jetzt dein Taientrieb kopiert:Das erste, was ein Zar beginnt.Ist: daß er einen Krieg verliert.Unsere Informierten.Urplötzlich vernahm ich: Die Welt stürzt ein!Die Ueberraschung war fürchterlich.Mein Trost: Herr Marschall von VibersteinWar noch viel überraschler als ich.— Aus einem Gendarmenbericht.„Den Sack gabDelinquent zu, sein eigener zu sein, auch die Pantoffeln bestritt ernicht beide Paar zu paffen und von ihm zu sein, er bestritt aberganz entschieden, von der Sache etwas zu wlssen, ob eS seine Kindergewesen, könnte er nicht Gut sagen."Der Hochverrat, der nicht ans unehrenhaffer Gesinnung begangenist, d. h. der Hochverrat, den ich begangen haben soll, ist nicht einwahlweise mit Zuchthaus oder Festung bedrohtes Delikt, sondernausschließlich mit Festungshaft bedroht. MitFestungshaft, mit custoäia bonssta Ehrenvoller Haff); genauwie das Duell.-In der Strafart bringt das Gesetz gerade diemoralische Würdigung zum Ausdruck. Und auf die moralischeWürdigung allein kornmtS hier an.Wenn das Gesetz den Hochverrat zum Verbrechen stempM, 1»nicht aus Gründen der Moral, sondern der staallichen Notwehr, derSiaatLräion. Und wenn es für den reinen Fall des politischenHochverrats eine ehrenhafte Strafart zuließ, so folgt eS damit dermoralischen Anschauung höherer Kultur, die eS als barbarisch undniedrig verwirft, den politisch anders Denkenden. Wollenden undHandeinden nur um deswillen in seiner Ehre anzutasten.Nicht aus Gründen der Moral, die hier allein zu sprechen haben,bin ich zum Verbrecher qualifiziert.Der Hochverrat ist in der Tat ein gar eigenartiges Delikt.Bei anderen Delikten pflegt die mit Erfolg gekrönte Tat härter be-utteilr zu werden als die versuchte Tat. Anders bei dem ans Um-gestaltung der politischen Ordnung gerichteten Hochverrat. Da isterfolgreicher Hochverrat nach allgemeiner Ansicht imStaats- und Völkerrecht kein Hochverrat mehr. ErfolgreicherHochverrat ist hier eine oonttaäiotio in adjecto. Ucberschauen Sie,meine Herren, die Geschichte der Menschheit. Die Geschichte aller Staaten-gebilde ist eine ununterbrochene Kette hochverräierischer Akte. Derpolitische Fortschritt der Menschheit vollzieht sich allenthalben in derForm des Hochverrats. Der Hochverrat von gestern istdie Legitimität von heute und der Hochverrat vonheule wird die Legitimität von morgen sein. Wiralle stehen mit beiden Füßen auf den Errungenschaften des Hoch-Verrats. Auch Sie, meine Herren, sitzen auf Ihre»Plätzen kraft der Machtvollkommenheit deS Hoch-Verrats von gestern. Ohne die Hochverräter der dreißigerund vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wäre daS heutigeDeutsche Reich, von dem Sie Ihre Vollmacht herleiten, nicht vor-Händen.So erklären sich die wundersam wechselnden Schicksale der Hoch-Verräter, die mein Herr Verteidiger in so illustrativer Weise ge-schildert hat. Die Reuter, die Richard Wagner waren Hochverräter.Ich erinnere an Miquel, den hochverräterischen Organisator vonBauernrevolten und nachmaligen preußischen Minister; an Bennigsen,diesen späteren hochangesebenen Führer der nationalliberalen Partei, dersich in den(30er Jahren in dringendster Gefahr einer Verfolgung wegenHochverrats befand. Bismarck war in der Konfliktszeit Hochverrätergegen die preußische Verfassung. Und wie viele Richter sind denUrsachen des Hochverratsparagraphen zum Opfer gefallen. Mandenke jenes Breölauer Landgerichtsdirektors, der in den 70er Jahrenals Zeuge vernommen, zum Erstaunen seiner Kollegen bekundenmußte, wegen Hochverrats zun» Tode verurteilt geivesen zu sein.Ich will durch keine weiteren Erempel ermüden. Nur darummöchte ich noch bitten, daß keiner der Herren mich der Ausübungmeines Berufes für unwürdig befinden möge, ohne vorher in demvortrefflichen Buch des Rechtsanwalts Weißler über die Siechts-anwalischaft das 49. Kapitel recht genau studiert zu haben: DieZahl gerade der einst hochverräterischen Anwälte, die danach weiterZierden unseres Standes waren, ist Legion. Sie finden in diesemKapitel auch recht bemerkenswerte Winke über die moralischeWürdigung des Hochverrats, und wn die Ursachen, aus denen eineso große Zahl von Vertretern gerade dieses Berufes einst in Deutsch-land sowie heute in Rußland, und allenthalben in bewegten Zeitenauf Seiten der Revolution, des Hochverrats standen.So sehen Sie die Beurteilung des Hochverrats zeitlich bedingt,bedingt durch die im Sinne der moralischen Beurteilung zufälligenpolitischen Zustände jedes Landes.Und noch Eines: in einer halben Sttmde erreiche ich von meinerFestung Glatz die österreichische Grenze. Jenseits der schwarz-gelbcnGrenzpfähle existiert mein Verbrechen nicht, es erlischh verschwindetselbst in krimineller Beziehung. Bei Delikten, die die Ehre irgendantasten, pflegt das nicht zu sein. Innerhalb eineö gegebenenVölkerkreiseö kennt die moralische Beurteilung keine staatlichen undkeine zeitlichen Grenzen der Art, wie sie in der Beurteilung des Hoch-Verrats stattfindet. So ist eS offenbar: was den Hochverratcharakterisiert und zum Delikt, zum Verbrechen macht, liegt außer-halb der Sphäre irgend welcher Moral, liegt dnrchiveg imGebiete der Politik, das bei der ehrengerichtlichen Entscheidungüber die Berufsehre deö Anwalts prinzipiell gänzlich aus-zuscheiden hat.— Bei den Sizilianern.(„Tiefland".)(Im Parkett):„Eine merkwürdige Dramatik! Der Held des Stückes beißt ja fort-während?"—„Das ist echt sizilianisch."—„Meinen Sie?"—„Ja, ich war selber mal in Sizilien, da hat mich auch fortwährendwas gebiffcn."— Neue Flüche. Ueber allen Menschen sollst Du schweben,— mit einem geplatzten Luftballon!— Freies OpernhauS-Entreesollst Du haben— hundertmal zu Sardanapal l— Ein großes Ver-mögen sollst Du liegen haben,— beün dänischen Jnstizininister l_ 5(„Lustige Blätter".)Notizen.— Theaterchronik. Im Neuen Schauspielhaustwird Freilag lvieder eine Vorstellung zu ermäßigten Preisen»DieKinder der Exzellenz" aufgefühtt.-c» Vom„literarischen" Kinematographen. DieGesellschaft zur Verwettung schriftstellerischer Ideen für kinemato-graphische Zwecke wird in Berlin ein Theater für Szeitenaufnahntenerrichten.— Borträge. Marcell Salzer bringt an seinenI. Lustigen Abend am Sonntag im Klindworth-Scharwenka-Saal einneues Programm.— Caruso, der göttliche Mann mit dem hohen C, berühmtin allen Hemisphären der Erde(schade, daß sie imr zwei hat), istwieder in Berlin. Teuer ist er und der Kunstgenuß ist nichr dieHauptsacke. Aber man mutz doch dabei gewesen sein. Denn eS istein„gesellschaftliches Ereignis". Der Hof war da, und alles, wasin Berlin Rang und Namen hat von der Diplomatie bis zu...Paul Lindau. Und besonders die Börse und die Damen, die Toilettenauszustellen haben. DaS durch die Sizilianer iu Berlin so aktuellgewordene Italienisch herrschte auf der Bühne vor, in den Logen wurdefranzösisch und im Parkett vorwiegend deutsch gesprochen. Kurz, eswar sehr schick. Nur ein Uebclstand wurde wieder beklagt: daß dieZeitungen nicht alle illustre» Teilnehmer mit Namen anführen unddaß die Berliner Presse ihr blumiges Fcuilletondeutsch für die Lite-ratur anstatt für die viel wichtigere Würdigung des Gcsellschafts-lebens und der Toiletten verbrauche. In Italien und Frankreich istman darin bedeutend weiter: der ganze Parnaß wird bei solchenGelegenheiten geplündert und— die Gefeierten zahlen zudem bar.-»Die SonueufinsteruiS im Dezember 1908.Die knapp vor Weihnachten zu erwartende nächste vollständigeSonneiisinsterniö wird nur ans der südlichen Hemisphäre sichtbarsein. Die Aussichten, sie wisseuschaftlich nutzbar zu inachen, sind sehrgering.— Mehr denll 1000 Passagiere. Die gelvaltige Aus-dehnung, die der europäisch-mnettkauische Reiseverkehr genommen hat,wird neuerdings durch New D orker Meldungen illustriert, wonach iudiesem Jahre zum erstenmal einzelne große Passagierdampfer mehrals 1000 Kajülspasiagiere gleichzeitig m New Morl gelandet haben.(Zwischendeckspassagiere.zählen" offenbar gar nicht.)