nach dem Gesetz dorn 19. Februar nur eine Mitglieder-sitzung und nach§ 6 Abs. 2 könnten wir zu solchen zusammen-kommen und über unsere Angelegenheiten sprechen, wie lvirwollten. Anschließend teilte ich auch polnisch die Tagesordnungmit. Sogleich erhebt sich der Beamte und löst die Versamm-lung im Namen des Gesetzes auf. Die Anwesenden verließenu Ruhe, wenn auch entrüstet, den Saal."So der Bericht des Dziennik Berlinski.Als der Blockfreisinn die Schande seiner Zustimmung zumSprachenparagraphen des VcreinLgesetzes zu bemänteln suchte.verwies er auf die Milderung, daß die Polen in den Vereins-versamnilungen ruhig polnisch sprechen könnten. Schon damals hatder„Vorwärts" ihn mit der Nase daraufgestoßen, daß die famose, inder Begründung der Vereinsgesetzgesetzvorlage abgedruckte Reichs-gerichtsentscheidung über das Wesen' der Vereinsversamnilungvon der Polizei benutzt werden würde, um nach Bedarf jedeVersa nlmlung eines politischen oder ge-werkschaftlichen Vereins für eine öffent»lichc zu erklären! Das hat den Freisinn natürlich nichtgehindert, dem Sprachenparagraphen zuzusrimnien, zumal jader Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg in den Verhandlungenbestritt, daß derartiges geplant sei. Was seine Versprechungenwert sind, das zeigt sich jetzt. Nunmehr erklärt die Polizeiunzweifelhafte Vereinsversammlungen für öffentliche Ver-sammlungen und benutzt das, um den Polen den Gebrauchihrer Muttersprache selbst in ihren Vereinen zu verbieten.Dabei geniert sie, wie der vorliegende Fall zeigt, auch nicht imgeringsten der Umstand, daß der Staatssekretär deS Innernim Reichstag verheißen hatte, der Sprachenparagraph solleaus die Gewerkschaftsbewegung nicht angewendet werden!Was gehen die Polizei Miuisterversprechungen an!Wird der Blockfreisinn wenigstens im Reichstage und imLandtage gegen diese„Erfüllung" der feierlichen Regierungs-versprechen protestieren oder geniert es ihn nicht, daß die ihmgegebenen Versprechungen gebrochen werden? Die pomadigeHaltung der freisinnigen Fraktionspresse zu diesen und ähnlichenFällen läßt es stark vermuten!Leipzig, 23. Oktober. Auf Grund erhobener Beschwerdehob das Ministerium des Innern das Verbot des Vor-träges, den Professor F o r e l über Nassenentartung undRassenhebung halten wollte, auf. Der Vortrag wird binnenkurzem stattfinden._Die ßalkanlirife.Die direkten Verhandlungen der Türkei mitOesterreich und Bulgarien, an die man � so viele optimistischeErwartungen geknüpft hat, sind gescheitert. AuSKonstantinopel meldet das österreichische offiziöseDepeschenbureau:Die Blätter melden, die Pforte habe eine direkte Der-ständigung mit Oesterreich- Ungarn und Bul-garten abgelehnt und.bestehe nun aufderKon-ferenz.In bulgarischen Kreisen wird erklärt, daß die Mission derbulgarischen Delegierten keime offizielle gewesen sei. Siehätten keine Vorschläge machen können und deshalb seien auchkeine Verhandlungen begonnen worden. Die Mission habenur den Zweck der Orientierung über die Dispositionen derPforte gehabt. Dieser Zweck sei erfüllt und die Delegierten würdenschon heute abreisen.Es ist noch nicht sicher zu erkennen, welche Gründe zumAbbruch der Verhandlungen geführt haben. Ein Telegrammaus Konstantinopel führt die Äendung auf daS Eingreifendes englischen Botschafters zurück, der erklärt hätte.daß eine Konferenz unbedingt notwendig und nur ihre Be-schlüffe für die Lösung der Orientbahnfragen maßgebend seien.Bestätigt sich diese Nachricht, dann hätte die englischeDiplomatie, um Herrn Jswolski, der so geschäftig die Ein-berufung der Konferenz betreibt, eine diplomatische Nieder-läge zu ersparen, dem Frieden keinen guten Dien stcriviesen. Denn das Scheitern der Verhandlungen macht die Lagenur verworrener und läßt neue Verwickelungen beftirchten.So tritt jetzt der Konfercnzplan wieder inden Vordergrund. Ueber den Standpunkt der Türkeimelden türkische Blätter, daß die Türkei sich mit derKonferenz zwar einverstanden erklärt habe, aber ver-lange, daß die Großmächte sich vorher über alle Streitpunkteuntereinander einigen, so daß die Konferenz nur die Resultateformell zu bestätigen hätte. Zugleich fordert die Türkei, daßalle Kompensationsforderungen Serbiens und Montenegrosausscheiden, und ihr Garantien gegen feindliche Angriffe undSicherungen für ihren mazedonischen Besitzstand gegebenwerden.Es kommt jetzt in der Tat viel darauf an. daß die Groß-mächte sich rasch über das Programm einigen.Denn schnelle Erledigung muß den Jungtürken erwünschtsein, da die Fortdauer der Unsicherheit die reaktionären Um-triebe begünstigt. So spärlich auch die Nachrichten darübersind, so läßt doch die bereits gemeldete Verlegung einesBataillons aus Saloniki nach Konstantinopel schließen, daßdie Jungtürken vor ihren Gegnern auf der Hut sein müssen.Die Fragen der Konferenz sind auch in einem BerlinerTelegramm der„Köln. Ztg." behandelt, das die Auffassungdes Auswärtigen Amtes wiedergibt, allerdings noch nichtdas Scheitern der Verhandlungen kennt. In diesem Telegrammheißt es:„In Berlin möchte man glauben, daß die Fragestellung:Konferenz oder unmittelbare Verhandlungen, überhaupt nichtrichtig ist und dem praktischen Bedürfnis nicht entspricht.Mckt darauf kommt eS an, ob eine Konferenz stattfindet oder obzwischen der Türkei und den anderen Staaten direkt verhandelttoird, sondern darauf, daß man aus den orientalischenWirren halbwegs befriedigt herauskommtugd den Ausbruch eines Brandes verhütet. der nur zuleicht weitergreifen kann. Um dieses Ziel zu'erreichen,müßte jedes Mittel recht sein, und es liegt Grund zu der An-nähme vor, daß diese Auffassung auch von der deutschenRegierung geteilt wird, die keineswegs, wie eömehrfach behauptet wird, k o n f e r e n z f e i n d l i ch ist, vielmehrfür jeden praktischen Weg, der schnell und praktisch zum Zieleführt, zu haben sein wird. Bei der Frage, ob Konferenz odernicht, kommt aber die T ü r k e i in erster Linie in Frage. Dadiese nach der bulgarischen Unabhängigkeitserklärung und nach derAngliederung Bosniens und der Herzegowina zwar den Zusainmen-tritt einer Konferenz beantragt bat, aber nachher in unmittelbareVerhandlungen mit Oesterreich-Ungam und Bulgarien eingetretenist, geivinnt eS den Anschein, als ob ihre erste Ansicht einegewisse A e n d e r u n g erfahren habe. ivaS bei den schlechtenErfahrungen, die die Türkei bisher auf Konferenzen gemacht hat,nicht unverständlich sein würde. Ebenso, wie sie das Recht halte,ehre Konferenz zu beantragen, muß fie auch, wie man hier meint,das Recht haben, direkt zu verhandeln, wenn sieglaubt, auf diesem Wege besser zu fahren. DaS Telegramm ver-weist sodann aus die gestrigen Erklärungen Sir Edward Gr« YSim Unterhause, wonach die englische Regierung vertraut, daßder Tütkei Entschädigungen gesichert werden, und daß dieBilligung der Türkei die notwendige Voraussetzungfür die Annahme eines jeden Kgnferenzprogramms sei, und be-merkt dazu, man kann mit diesen Ausführungen des englischenMinisters durchaus einverstanden sein; es ist dann abernur eine logische Schlußfolgerung, daß man bei solchen Ueber-eugungen die Türkei auch nicht in ihrer diplomatischen Bewegungs-reiheit beschränken sollte.5Zun hat aber das Scheitern der direkten Verhandlungenkeine andere Lösung mehr gelassen als die Konferenz, und diedeutsche Diplomatie wird nur dafür sorgen können, daß dieseKonferenz der Türkei keine neuen Opfer auferlegt.politische CJcberlicbt.Berlin, den 23. Oktober 1903.Staatsanwälte, organisiert Euch!Wir gaben gestern die Zuschrift eines Richters an die„Voss. Ztg." wieder, die flammende Empörung darüberatmete, daß die Richter und Staatsanwälte sich mit der ihnenerst kürzlich zuteil gewordenen Erhöhung ihres Maximalgehalts von 6600 auf 7200 M. bescheiden sollten. Heutekönnen wir den Empörungsschrei eines Staatsanwaltsin den„Verl. Neuest. Nachr." wiedergeben. Auch dieser Herr,als Leser des ScharfmacherorganS ein wütender Gegner der„begehrlichen" Sozialdemokratie, ist außer sich darüber, daßdie Staatsanwälte sich künftighin mit einem Gehalt von3000—7200 M. begnügen sollen. Darin, daß mehr als80000 preußische Beamte mik einem Anfangsgehalt vonweniger als 1200 M. abgespeist werden sollen, findet eroffenbar nichts Empörendes!Der Herr Staatsanwalt schreibt dem Scharfmacherorgan:„Ein Gefühl grenzenloser Erbitterung stiegin mir hoch. Ja, sind denn Richter und Staatsanwälte keineBeamten? Man kündigte doch eine Erhöhung der Beamtengehälteran und erwähnte nichts davon, daß fie ausgenommen werdensollten! Leiden sie denn nicht ebenso unter der allgemeinenTeuerung der Lebensbedürfnisse wie die anderen?Wollen und müssen sie ihre Kinder nicht ebenso ernähren und er-ziehen wie andere, und ist eS nicht ebenso ihre Pflicht, diesen dieMöglichkeit zu geben, einmal dem Stande anzugehören, dem derVater angehört?— Erörterungen darüber anzustellen, daß dasvon dem jetzt gezahlten Gehalt nicht möglich ist, hieße Eulennach Athen tragen. Davon kann man als ledigerMann oder vielleicht auch mit Familie in ganz kleinenStädten mit denkbar»infachen Verhältnissen, aber auch dannnur unter größter Einschränkung leben, anderwärts nicht. DieFolge einer Nichterhöhung der Gehälter der Richter und Staats-anivälte wird also die sein, daß dieser Stand nur Ledigen oderBegüterten zugänglich sein wird."Daß Hunderttausende von preußischen Be-amten, von den unzähligen Millionen von Protetarierngar nicht zu reden, mit Einkommen von KkO— 1500M. lebenmüssen, samt Familien leben müssen, finden unsere Richterund Staatsanivälte offenbar in der Ordnung, sonst könnten sieja nicht amtlich und privatim die Sache der herrschendenKlassen vertreten! Aber sie, i H r„ S t a n d". wollen mit3000— 7200 M., also durchschnittlich 5000 M. Gehalt„höchstensals lediger Mann unter größter Einschränkung"leben können!. Deshalb erläßt, der Staatsanwalt deZ weiland KruppschenSchleifsteins folgenden Kampfruf:.»Jetzt gilt es, zu zeigen, daß fie sich nicht weiter wiegeduldige S ch a f e scheren lassen wollen. Schließt Euch zu-sammen. Ihr Richter und Staatsanwälte! Gründet Vereine.aber nicht, um gelehrte Fragen zu erörtern, sondern um EureS t a n d es int er e s sen zu wahren, um zu beraten, wie eSmöglich ist, der Regierung das abzuringen, was Ihr fürEure Frauen und Kinder braucht, was Ihr haben müßt. Vonselbst tut sie nichts für Euch, zeigt, daß Ihr auch fordernkönnt. Nicht ein Gnadengeschenk ist eS. was Ihr verlangt, sondernEuer gutes Recht, das Euch werden muß.Darnm auf zum Kampf!"Das sind dieselben Leute, die arme Hungerleider, diesich aus Not am Eigentum ihres Nächsten vergreifen,„vonRechts wegen" ohne alle sentimentale Anwandlungen ins Ge-fängnis schicken; dieselben Leute, die Arbeiter, die zur Unter-streichung ihrer Lohnforderungen dem Unternehmertum mitdem Streik drohen, wegen Erpressung verdonnern!—Lehrer und Geistliche.Nach dem neuen Lehrerbesoldungsgesetz soll das Grund-gehalt für Lehrer auf 1350 M. erhöht werden. Das wärewenigstens ein anerkeunenswerter Versuch zu einer an-ständigeren Besoldung der Lehrer, wenn nicht gleichzeitig derVorbehalt gemacht wäre, daß ein Voltsschullehrer diesGrundgehalt frühestens im 25. Jahre beziehen kann!Weiter soll nach dem neuen Gesctzentivurf den Lehrern eineAlterSzuiage von 200 M. pro Jahr gesichert werden. Danachwürde also ein Lehrer, wenn er mit 21 Jahren sein Amtantritt, nach 14 jähriger Dienstzeit 2356 M. Gehalt erhalten.Dagegen sollen die protestantischen Geistlichen mit einemGrnnvgehalt von 2400 M- angestellt werden und bereits nachsechsjähriger Dienstzeit 1200 M. Zulage, dann also bereits3606 M. Gebalt erhalten 1Dafür ist ja auch die Tätigkeit der Herren Geistlicheneine Viel wichtigere! Als Schuliuspektorcu haben siedafür zu sorgen, daß ja nicht allzuviel vernünftiges, positivesWissen in die Köpfe der Jugend der»ichtlmsstzenden Klassehineingebracht wird!_Statt Kölker Zorn v. Bulach.Der Staatssekretär für Elsaß-Lothringen. MaltbiaS V. Köller,hat nunmehr den wiederholt angekündigten Abschied genommenund seinem UnterstaatSselretär Zorn v. Bulach seine Stelleüberlassen.Köller war der Typus des unverfrorenen, gelegentlich burschikossich gebenden Junkers. Im Jahre 1894, nach Caprivis Sturz, wurdeKöller, gemeinsam mit Hohenlohe, als M l u i st e r des Innernnach Berlin berufen. Dort warf er sich sofort zum Hauplverfechtcrder Umsturzvorlage auf. die Ende 1894 eingebracht wurde.aber bereits int Fiühjähr 1895 unier Hohngelächtcr preisgegebenwerden mußte. Köller überlebte diese Katastrophe nicht und gingals Oberpräsident nach Schleswig-Holstein, wo erdie abgeschmackte Dänenpolitit bis l901 vertrat. Von der„Nord-mar!" siedelte er wiederum als Staatssekretär nach Elsaß-Lothringen über, wo er sich bereit» von l38v--1904 als Unter-ftaatssekretär einen schlimmen Ruf erworben hatte.WeS Geistes Kind sein Mitarbeiter und Nachfolger Zornvon Bulach, im Reichstage seinerzeit freikonservatives Frnktions-Mitglied, sein wird, darüber scheint sich die reaküonärc Presse einst-weilen noch einigen Zweifeln hinzugeben. Das Oertcl-Organ lobtseine Verdienste um das Agrarienum, behält sich aber ein ab-schließendes Urteil für später vor. Die„Rh.-Westf. Ztg." bemerkt,daß der Vater deS neuen Staatssekretärs KammerherrNapoleons III. war und er selbst einer der Notabeln. diefrüher die reichsländische Regierung scharf bekämpften; jedoch hältsie eS für keineSlvegS unmöglich, daß er„nach Renegatenweise" NUN-mehr die entgegengesetzte Politik vertreten werde.—Lassalle im Urteile der Ultramontanen.In Prüm in der Eise! hielt auf Veranlassung der dortige-nGesellschaft zur Veranstaltung von populär-wisiem'chafllichen Vor-trägen der Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Windthorst«bunde Dr. Scharm itzel einen Vortrag über FerdinandLassalle, den Begründer der deutschen Sozialdemokratie. Wiedie„Trierische Landeszeit ung" berichtet, bekundete di:zahlreiche Zuhörerschaft das lebhafteste Interesse an dem Vortrage.der zunächst einen Umriß vom Leben LassalleS gab. dann sich mitseinen wissenschasilichen und politischen Leistungen und schließlich mitseiner Bedeutung für die deutsche Arbeiterbewegimg beschäftigte. DerRedner faßte dann sein Urteil über die Persönlichkeit des großeilArbeiterführers wie folgt zusammen:„Eine Stürmer- und D rä n g ern a t u r, ein Re-volutionär vom Scheitel bis znr Sohle, ein leidenschaftlicherunausgeglichener Charakter war Lassalle von gigantischem Stolze,ost kleinlicher Eitelkeit, von maßlosem Ehrgeiz und rücksichtsloicrHerrschsucht. Leider läßt sich von ihm nicht sagen, daß er die Sache� des vierten Standes lediglich aus idealen Motiven aufgegriffenund vertreten hat; die unbezwingliche Sehnsucht, einepolitische Rolle zu spielen, war nach dem Urteil vonZeitgenossen, die ihm nahestanden, eine der stärksten Bc-lveggninde für diese Tätigkeit. Ist somit das Gesamturteil überseinen Charakter kein günstiges, so steht man doch mit Bewundennigvor der Natur dieses eigenartigen Mannes: vor seinen glän-zenden Anlagen, seiner tiefen umfassendenIntelligenz, seiner einzigartigen Beredsamkeit,seiner gewaltigen Tatkraft und Energie(dank derener sich ganz erstaunliches Wissen angeeignet Harle) und seinemunermüdlichen Agitationseifer. Und in unserer Zeilmit ihrem nivellierendc» Mittelmäßigkeitscharakter verweilt mandoch gerne eine Stunde bei der Betrachtung einer P e r s ö n-lichkeit wie Ferdinand Lassall e."Dieses verhältnismäßig günstige Urteil über den großen sozia-listischen Führer steht in ultramontanen Kreisen nicht vereinzelt da.ES ist bekannt, daß Bischof Ketteler von großer Achtung vorLasialle erstillt war und daß er sich nicht scheute, sich die gesamtenArgumente Lassalles gegen das liberale System ebenio zu eigen znmachen, wie seine grundlegenden Anschauungen über die Aenderimgder kapitalistischen Ordnung. Der Mainzer Bischof trug auch keinBedenken, sich brieflich— allerdings anonym— an Lassalle znwenden mit der Bitte um Rat wegen der Errichtung von Arbeiter-produktivassoziationell.Die„H i st o r i s ch- p o l i t i s ch e n Blätter", das wissen-schaftliche Organ des deutschen Klerikalismus. brachten in densechziger Jahren Lassalle nicht minder ausrichtig« Anerkennung entgegen. Wo von ihm die Rede ist, wird er nickt anders als der„geniale Denker" genannt. In einer Artikelreihe«US demJahre 1806(Band 56 und 57) heißt es u. a.:„Fassen wir nun das Ganze zusammen, so ist nicht zu leugnen,daß. wie auch der Herr Bischof von Mainz erklärt, der WegLassalles die unmittelbarste und handgreif'-lichste Lösung des großen Problem«(Umwandlungder Gesellschaft vermittelst der Arbeiterproduktivassoziationen>bieten würde."Und Hitze sagt in seiner Schrift über die soziale Frage(1877):„In seiner Kritik unserer jetzigen gesellschaftlichen Zuständeliegt die starke Seite des SozialiSuius und hier müssen wir seine(theoretischen) Verdienste um die Lösung der sozialen Fragedankbar anerkennen. Die Werke von Lassalle und Marxfind in dieser Beziehung epochemachende Leistungen."Vor der Größe unserer Führer beugt sich selbst die ultramontancGegnerschaft.—_Ihr laßt den Armen schnldig werden!Das Schwurgericht in Frankfurt a. M. verurteilte denEiscnbahubeamten Richard Bender, der im Zeitraum von ca. füiisJahren 4900 Ml. unterschlagen haben soll, zu sieben MonatenGefängnis. Bender war seit 11 Jahren rm Tieuste und hat sichimmer„gut geführt", wie seine Borgesetzten.angaben. Er waraber mir als Hilfsbeamter angestellt und bezog jahrelangTagegelder von— sage und schreibe— 1,60 Ak. pro Tag.Erst im Vorjahre wurde er. nach zehnjähriger Dienst-zeit, als Hilsöschalterkassierer angestellt mit dem„riesigen" Ge-halt von 1500 M. p r o I a h r. Dabei gingen ihm an derSchalterkasse des Güterbahnhofes jede Woche Tansende von Markdurch die Finger, daheim aber mußte seine Frau mit seinen fünfKinder« schweren Hunger leiden. Nicht alle Unterschlagungen,deren man ihn bezichtigte, konnten bewiesen werden; einige warenaber doch unleugbar vörgekommen. DaS Schwurgericht mußte fein„Schuldig" sprechen, auf daß die Moral des Klassenstaates keinLoch bekomme. Wer aber der wahrhaft Schuldige ist—die Geschworenen selbst sahen eS ein, sie veranstalleten sofort fürdie hungernde Familie eine Sammlung, die 16ö M. ergab.Zeitgemäft.Der skandalöse Vorfall, daß ein Soldat wegen Gehorsam?-Verweigerung vom Milngrgericht bestraft wurde. weil er sich ge-weigert, beim Stalldienst den Pserdedünger mit den Händen ans-zuheben, hat jetzt folgenden zeitgemäßen Korpsbefehl gezeitigt. DerBefehl des krnmiandiereiiden Generals des 16. Armeekorps, v, Pritt-witz und Gaffron, lautet:„Ich verbiete hiermit, daß die Mannschaften, einem an manchenStellen noch geübten alten, aber schlechten Brauch entsprechend,angehalten werden, beim Stalldienst den Pserdedünger mit denHänden statt mit den dazu bestimmten Geräten zu bearbeiten."Wird man nun in den anderen Armeekorps einen gleichen Befehlerlassen? Ob die Soldatemnißhandluiigcn dadurch weniger werden,ist zweifelhaft, bis jetzt haben alle derartigen Bestimmungen nichwgenützt und sie werden so lange nichts nützen, so lange die Rechteder Soldaten nicht erweitert werden und ihnen da? Recht der Not-wehr nicht zuerkannt wird.—_Wie das Zentrum für die Llufkläruug seiner Wählersorgt.„Es ist ost und mit Recht beklagt worden, daß die Mitgliedader Trierischen Zentrumspartei gewohnheitsmäßig nureinige Wochen vor Wahlen zu Versammlungeneingeladen werden, daß man aber in den �ivischenzciten voneinem politischen Leben in Trier nichts merke."—So beginnt eine Noriz in der.Trierischen Landes-zeitung". worin dann weiter mitgeteilt wird, daß jetzt in Trierein ZeuirnmZvcrein gegründet worden sei, der der politischenTeilnahmslosigkeit steuern werde dadurch, daß für dieMitglieder mehrmals im Jahre Versamnilungen veraustaltet würden,worin politische und kommunale Fragen besprochen. daS Interessefür die Tagesereignisse geweckt und die Verbindung zwischen Wühlernund Geipäulten lebhaft erhalten werden soll.Trier gehört zu den bombensicheren Wahlkreisen deS Zentrums,dessen Herrschaft sich von hier über die Mosel und die Eifel erstreckt.Im Wahlkreise Trier wählten von 22 000 Wählern rund 1900tjultramontan. WaS hat das Trierer Zentrum in den 38 Jahrenseines Bestehens zur Aufklärung seiner Wähler getan? Die obigeNoiiz des ultramontanen Blattes sagt eS: Nichts! Von einempolitischen Leben in Trier ist nach dem GestäudniS des genannter.ZentrumöblaiteS nichts zu merken, nur wenige Wochen vor derWahl regt sich's dort, dann ist'S für fünf Jahre wieder ruhig. Sosorgt das Zentrum für die politische Schulung seiner Wähler, woeS nichts von der Sozialdenivkratie zu fürchte» hat.—Grosi er Sieg des Fürsten von Asenburg.In Nr. 236 deS„Vorwärts"(vom 8. Oktober dieses Jahre-)berichteten wir unter der Neberschrift:„AuS einer kleinen Residenz"über den kuriosen Kampf deS Fürsten von Dsenvurg-WächterSbach