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Hofen schon bitten, in meine Worte keinen Zweifel zu setzen.(Bravo I bei den Sozialdemokraten,) Abg. Borgmaun: Der Form nach existieren die Schulpatrone nicht mehr, in Wahrheit aber sind sie doch vorhanden und wirken in derselben Weise wie vorher.(Lachen rechts. Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) ES folgt die erste Beratung des Pfarrerbesolduiig-Zgesches. Abg. Wink/cr(I.) stimmt der Vorlage zu. Einzelne Wünsche könnten in der Kommission zur Sprache gebracht werden. Abg. Dr. Porsch(Z.): Unsere Geistlichen sind nicht Diener des Staates, sondern Diener der Äirche. Durch die Säkularisation sind jedoch der Kirche die Mittel genommen worden, in ausreichender Weise für die Geistlichen zu sorgen. Es besieht daher zum mindesten ein moralischer Anspruch der Kirche an den Staat, sie bei der Er- füllung ihrer Aufgaben gegenüber den Geistlichen zu unterstützen. Mit dem vorliegender, Entwurf können wir im allgemeinen einver- standen sein, wenn es auch nicht zu einer Gleichstellung der evange­lischen und katholischen Geistlichen gekommen ist. Entschieden müssen wir dagegen die Bestiinmungen ablehnen, wonach die Geistlichen in den Ostmarken widerrufliche Zulagen bekommen sollen.(Bravo  ! im Zentrum.) Hierauf werden die weiteren Verhandlungen auf Freitag Ist Uhr vertagt.(Außerdem: Steuergesetze und Mantelgesetz.) Schluß: ä'/« Uhr.  _ Sie Reform der flrbeiterverfithenins. Am 27. Okt ober 1903 fand in dem großen Saale der ständigen Ausstellung für Arbeiterwohlfahrt in Charlottenburg   unter dem Borsitz des StaatsministerS v. Bethmann-Hollweg   und im Beisein einer sehr großen Zahl Regierungsvertreter eine Konferenz zur Beratung über die Reform der Unfall» und Invalidenversicherung statt. AlS Vertreter der beteiligten Reichs- und Bundesregierungen waren anwesend r Vom Reichsamt des Innern; der UnterstaatL- sekretär Mermuth  , Ministerialdirektor Caspar, sowie die Geheimen OberrrgürungSräte Dr. Wuermling, Spielhagen. Dr. B e ck m a n n,.Ja u st. Dr. Laß. Dr. Paehler und Bei- geordneter Dr. W i r d s e l d; das Reichsmarineamt   war durch zwei, das Reichspostamt durch einen Vertreter zur Stelle. Das ReichSversichenmgsamt hatte seinen Präsidenten Dr. Kauf- mann und die Geheirnräte und Senatsvorsitzenden Besserer. WrtowSki, Stolzmann. Hanow u. a. entsendet. Au» dem preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe war unter anderen der durch seine reaktionären Borschläge zur Abänderung und Ver- schärfung des KrankenversicherungsgesctzcS bekannte Gcheimrat Dr. Hoff manu erschienen. Bon den beteiligten Landesve rsichernngSanstolten, den gewerb- lichen und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, den AuS- fühnlngSbehörden, den LandcSverföcherungSämtern und den Betriebs- und OrlSlrankenlassen waren rund 70 Personen zu verzeichnen, darunter auch als Arbeitervertreter die Parteigenossen Fräßdorf, Gutheit, Müller, SimanowSki, Stügelmaier. Welker, Dobler, Wendler. In seiner einleitenden Ansprache hob v. Bethmann-Hollweg  hervor, daß die Erfahrung bei der Durchführung der bisherigen Arbeiterversicherungsgesetzgebung die Notwendigkeit einer etwas ein- gehenderen Reform ergeben hat. Der organische Zusammenhang der Arbeiterverstcherung sei nicht mehr übersichtlich genug. Auch die Arbeiter, für welche doch die Versichcrnng geschaffen sei. haben wiederholt hierüber Klage geführt. ES müßte daher ein engerer. einheitlicher, organischer Zusammenhang und Unterbau für die Arbeiterverfichernng geschaffen werden. ES lagen den Versammelten eine Reihe Leitsätze vor, auS welchen folgende Hauptfragen hervorgehoben werden mögen: ») Wie ist der gemeinsam« örtliche Unterbau(das»ver» stcherungsamt") zu gestalten? d) Welche Aufgaben sind dem»VerficherungSamte* zuzu- weisen? c) Wie ist die mittlere Instanz(das«Oberversicherungsamt') zu gestalten? d) Empfiehlt eS sich, dem Ober-VersicherungSamt einen Teil derjenigen Verwaltungsentscheidungen zu übertragen, für die gegen­wärtig daS ReichSverficherungSamt zuständig ist? e) Wie kann bei rechtlich erzwingbaren Ansprüche» der Ver- sicherten unter Wahrung deS Rechtes des BersicherungöträgerS, zu solchen Ansprüchen an sei» Vermögen zunächst selbständig Stellung zu nehmen, dem Akte der Rentenfestsetzung mehr als bisher der Eharalker einer wirklichen ersten Instanz gegeben werden? lj Wie ist der Jnstanzenzug für das Rentenfestsetzungsverfahren zu gestalten? Die letzte Frage ist für die Arbeiter eine der wichtigsten. Seit länger als 15 Jahren fordert die Arbeiterklasse, und dieses wurde auch auf dieser Konferenz ganz besonders betont, daß sie bei den Rentenfe st setz un gen un dRenten entzieh» n gen mit- wirke. Aber die Berufsgenossenschaften bezeichnen diese Forde- rung der Arbeiter als eine Anmaßung und eine Ungerechtigkeit und behaupten, dadurch werde ihnen ihre Selbstverwaltung genommen. Diese Frage nah«, die meiste Zeit des TageS in Anspruch. Die berühmte» Scharfmacher zogen gegen die Forderung der ver- sicherten Arbeiter mit Vehemenz zu Felde. Ten Reigen eröffnete hierbei der auf diesem Gebiete rühmlich bekannte Banrat F e l i s ch. der da behauptete, daß ein neuer Unter- bau für die Berufsgenossenschaften nicht nötig sei. Wenn sich dieses vielleicht für die Kranken-, Invaliden- und der zu- künftigen Witwen- und Waisenversicherung als notwendig erweise, so habe er nichts dagegen einzuwenden, wenn dort ein einheitlicher organischer Zusammenhang hergestellt werde. Bei den Berufs- genoffenschaften erübrige eS sich aber durchaus. ES würden durch die organische Vereinheitlichung der Arbeiterversicherung auch größere Kosten entstehen. Die Berufsgenossenschasten dürften aber nicht noch mehr belastet werden. Es müßten dann die Arbeiter die Mehrkosten tragen, welche hierzu auch in der Lage sind, da nach einer von seiner Berufsgenossenschaft aufgenommenen Statistik ein sehr großer Teil der Versicherten bedeutend höher im Einkommen st ehe n als die Arbeitgeberl Dann ritt der Sozialisteiilöter. Rittergutsbesitzer Freiherr  v. T h ü n g e n, eins schneidige Attacke gegen die Regierung und die Sozialdemokratie. Er malte das rote Gespenst an die Wand. Die Regierung sei zu ängstlich vor der Sozialdemolratie und gebe der- selben viel zu viel nach, sie trage sehr viel dazu bei, daß die Sozialdemokratie immer mehr ans Ruder komme. Er stehe auf dem Standpunkt von Fetisch und ist der Anficht, daß, wenn die Arbeiter , nitraten wollen, sie auch mittaten müssen. Der Regierung rufe er aber zu, man soll die Henne nicht schlachten, die die goldenen Eier legt. In gleichen, Sinne sprechen noch als Vertreter von Berufs- genoffenschaften u. a. die Herren Wenzel für die Chemische, Vopelius von der Glas-, Krabler von der Knappschasts« Berufsgenossenschaft. Die Forderungen der Versicherte» wurden von den oben ge- nannten Arbeitervertretern eingehend begründet und verteidigt. SS wurde dargelegt, daß im dringenden Interesse der Ver- sicherten lieg,: eine Vereinheitlichung und Verschmel- z u n g der gesamten A r b e i t e r v e r s i ch e r u n g. dieAnSd ehnung der Versicherung auf das gesamte Handwerk, die Erhöhung der VersicherungSgrenze, die Einsetzung von Kom­missionen zur Festsetzung der Renten, soloie e i n h e i t- liche U eberwach ungS- und Rechtsprechungsorgane mit dem ReichsversichcrungSamt als RekurSinftanz an der Spitze, unter gleichmäßiger Besetzung und Mitwirkung der Arbeitgeber und der Versicherten. Aber nicht nur die Vertreter der Berufsgenossenschafte», sondern auch einige Vorsitzende von Landesversicherungsanstalten wollten von einer derartigen Vereinheitlichung und Reform der Arbeiterversiche- rung nichts wissen. Man darf sagen, daß jeder dieser Herren, die daS Wort ergriffen, die Reform der Arbcilcrversicherung in einem anderen Sinne wünschte. Der Minister von Bethmann-Holllveg wies nun darauf hin, daß. falls ein einheitlicher Unterbau in Form von Ver- sicherungSämtern geschaffen werde, diese über den Bezirk einer unteren Verwaltungsbehörde hinaus sich auf größere wirtschaftliche Gebiete erstrecken müßten. Die VerufSgenoffenschaften und Landes- verficherungSanstalten sollten hierdurch aber nicht degradiert werden. Die Rentenfestsetzung soll von Arbeitgebern und Versicherten der Berufsgenossenschasten und Landesversicherungsanstaltcn gemeinsam unter Vorsitz eines Unparteiischen stattfinden. DaS würde von sehr hohem politischen Wert sein. Wenn etwas einheitlich Gutes geschaffen werden soll, dürften die einzelnen Parteien auch nicht davor zurück- schreckens von ihrer bisherigen umfangreichen Tätigkeit etwas ab- zulassen. Seitens der Scharfmacher wurde eine Verschlechterung der Recht- sprechnng nach dltem Rezept angeregt. Es solle das Reichs- versicherungöamt'nur für höhere Renren Rekursinstanz ser.i. In dcn Fällen, in denen eS sich um Renten bis zu 20 Proz. handelt, solle daS Oberversicherungsamt endgülrig emscheiden. Auch brauchte daS Reichsversicherungsamt nicht mehr in der Besetzung von sieben, sondern von nur fünf Personen entscheiden. Ferner sollte im Gesetz vorgesehen werden, daß beim Prozeß um die Rente die vertierende Partei die Kosten deS Verfahrens zu tragen habe u. a. m. Die Debatte über diesen Verschlechterungsvorschlag zog sich bis abends 7 Uhr hin. Die Scharfmacher der BerufSgenoffenschaften beharrten starrköpfig aus ihrem bisherigen verbissenen Herrenstand- punlt. "« Die Arveiterbertreter, welche an dieser Beratung teilgenommen haben, haben sie sehr enttäuscht und unbefriedigt verlassen. Ihnen ist von neuem die Ueberzeugung aufgedrängt, daß auf gütlichem Wege vom Unternehmertum nichts zu erreichen ist. ES bleibt abzuwarten, welche Art Gesetzesvorlage die Regierung bringen wird. Wird sie sich geduldig den Wünschen deS Unter- nehmertumS beugen oder eine Vorlage ausarbeiten die endlich den vollberechtigten, durchaus ausführbaren Wünschen der Arbeiter entgegenkommt? Die Arbeiterklasse hat alle Ursache, jetzt mehr als je gegen die Regierung der Unternehmerklaffe auf der Hut zu sein._ ürbeiterlmienichlit? in der Gewerbeordnungsnovelle. Die ReichStagSkommission zur Beratung der Gewerbeordmmgs- Novelle setzte gestern ihre Beratungen über das Verbot der Mitgabe vonArbeit nachHause für die Arbeite- rinnen fort. Abg. Hitze(Z.) schlug zur Regelung dieser Frage einen neuen§ 137a vor, der prinzipiell die Mitgab« von Arbeit für unzulässig erklärt, sie aber in dem Umfange zuläßt, in welchem Durchschnittsarbeiter die Arbeit voraussichtlich in dem Betriebe während des ResteS der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit her- stellen würden(vorausgesetzt also, daß sie in der Fabrik nicht die volle gesetzlich zulässige Arbeitszeit verbraucht haben). Zur Durch- führung der Bestimmungen soll die Polizeibehörde auf Antrag deS GewerbeaufsichtSbeamten Verfügungen für die einzelnen Be- triebe treffen können. Für die Zuwiderhandlung gegen die zu- gelassenen Ausnahmefälle soll eine Strafe überhaupt nicht er- folgen. Genosse Stadthagen   erklärte diesen Antrag Hitze für gänzlich ungenügend. Unser Antrag:Als Arbeitszeit gilt auch die Zeit, die zur Herstellung solcher gewerb- lichen Arbeit erforderlich ist, welche von dek» Arbeitern außerhalb der Betriebsstätten für den Arbeitgeber zu verrichten ist', ergebe klar und deutlich den Zweck, der verfolgt werden solle. Die Befugnis, die der Antrag Hitze der Polizei übertragen wolle, werde diese schon deshalb nicht ausfüllen lönnen, weil sie gar nicht die erforder- lichen Kenntnisse besitze. Höchstens die Gewerbeinspektion könne diese Aufgaben übernehmen. Ein weiterer Fehler de? Antrages Hitze sei, daß die Polizei in den einzelnen Bezirken einen ganz verschieden weit- gehenden Gebrauch von ihren Befugnissen machen könne; es sei daher eine große Ungleichheit in der Durchführung der Vestimmnng voraus- zusehen. Nur damit keine Lücke entstehe, würden unsere Genoffen dem Antrage Hitze eventuell zustimmen, falls der weitergehende sozialdemokratische keine Zustimmung finde. Den gleichen Stand- Punkt vertrat Genosse Moltenbuhr, der eingehend nachwies, wie wenig die Polizei schon jetzt von den Befugnissen Gebrauch macht, die ihr die Gewerbeordnung zum Zloeck deS Llrbeiter- schutzeS gegeben hat. Abg. Tr im dorn(Z.) verteidigte den Zentrumsantrag: Der Gesetzgeber müsse auch Vorsorge dafür treffen, die Uebertretung der Bestiininungen über die Arbeits- zeit der Arbeiterinnen und Jugendlichen zu verhindern. Deshalb müsse der Möglichleit vorgebeugt werden, übermäßig viel Arbeit nach Hause mitzugeben. So weit aber die gesetzliche Arbeitszeit noch nicht erschöpft sei, könne die häusliche Arbeit auch nicht ver- boten werden. Abg. Schmidt« Altenburg  (k.) griff den schon wiederholt angeregten Gedanken wieder auf, nicht die tägliche Arbeitszeit, sondern die zulässige wöchentliche Arbeitszeit der Berechnung zu Grunde zu legen. Ein Antrag M a n z (frs. Vp.) will die Mitnahme von Arbeit nach Hause bei regelmäßiger BeschäftigungSdaner in der Fabrik verbieten. Bei gekürzter Arbeitszeit in der Fabrik könne so viel Arbeit nach Hause mitgegeben werden, als in der regelmäßigen Arbeitszeit in der Fabrik hätte erledigt werden lönnen. Gegenüber den Nationalliberalen, die allerhand Bedenken gegen das Ver« bot der Mitgabe von Arbeit nach Hause äußerten, berief sich Ab- geordneter Hitze(Z.) sehr energisch auf die früheren Anträge deS Abgeordneten Heyl zu Herrnsheim, der stets nachdrücklich die For- derung vertreten habe, daß die Mitgabe von Arbeit nach Hause für Fabrikarbeiterinnen verboten werden müsse. Vor der A b st i ni- m u n g wurden an dem Antrag Hitze verschiedene Aenderungen vor- genommen und dann der Antrag in seinen wesentlich st en Abschnitten einstimmig in folgender Fassung an« genommen: «Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern darf für die Tage. an welchen sie in dem Betriebe die gesetzlich zulässige Arbeitszeit hindurch beschäftigt waren, Arbeit zur Verrichtung außerhalb deS Betriebes vom Arbeitgeber überhaupt nicht übertragen oder für Rechnung Dritter überlvieseu werden. Für die Tage, an welchen die Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in dem Betriebe kürzere Zeit beschäftigt waren, ist diese Ilebertragnng oder llebcrweisung annähernd nur in dem Umfange zulässig, in welchem DurchschnittSarbeiter ihrer Art die Arbeit voraussichtlich in dem Betriebe während des Restes der gesetz- lich zulässigen Arbeitszeit würden herstellen können, für Sonn- und Festtage aber überhaupt nicht. Bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen deZ Ab- satze-Z 2 kann die zuständige Polizeibehörde auf Antrag oder nach Anhörung des zuständigen Gewerbeaussichtsbeamten im Wege der Verfügung für einzelne Betriebe die Ueberlragung oder lieber- Weisung solcher Arbeit entsprechend den Bestimmungen des Ab- satzes 2 beschränken oder von besonderen Bedingungen abhängig machen. Vor Erlaß der Verfügung ist den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitern Gelegenheit zu geben, sich gutachtlich zu äußern. Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht dem Gewerbe- Unternehmer binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde �u. Gegen die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde ist binnen vier Wochen die Beschwerde an die Zentralbehörde zulässig. Diese entscheidet endgültig.' Es folgte dann die Beratung deS Z 138a. der die AuS« nähme»von de»Bestimmungen über die Arbeits- zeit der Arbeiterinnen für den Fall der Arbeitsüberhäufung regelt. Dazu beantragten unsere Genoffen, die sechzig Tage, an denen nach der Regierungsvorlage eine Ueberschreitung der Arbeits  - zeit zulässig ist, auf dreißig, eventuell auf vierzig Tage zu beschränken. Der Schluß der Arbeitszeit soll nach Anträgen unserer Genoffen spätestens um 3, eventuell um 9 Uhr erfolgen, während die Regierungsvorlage die bisherige Bestimmung, daß die Arbeitszeit bis zehn Uhr ausgedehnt werden kann, unberührt läßt. Ferner be- antragten unsere Genossen, daß an den AuSnahmetagen höchstens e l f Stunden gearbeitet werden darf und die Ruhezeit von elf Stunden eingehalten werden muß. Die Vorlage läßt hier eine Ueberschreitung der Arbeitszeit bis zu 12 Stunden zu und be- schränkt die Ruhezeit auf zehn Stunden. Sodann soll die Befugnis der unteren Verwaltungsbehörde für Arbeiterinnen, die kein Hauswesen zu besorgen haben, die Beschäftigung an den Tagen vor den Sonn- und Festtagen bis 8l/S Uhr abends zu gestatten, aufgehoben werden. In der Begründung dieser Anträge wies Gcnoffe Stadthagen   darauf hin, daß die Behörden in der Ge- Währung von Ausnahmen viel zu freigebig seien. Die vielen Aus- nahmen führten dazu, den Zehnstundentag für die Arbeiterinnen überhaupt provisorisch zu machen. Wenn statt bisher 40 Ausnahme- tage jetzt 60 AuSnahmetage zugelaffen würden, so bedeutet das eine erhebliche Verschlechterung, wenngleich die Befugnis der höheren Verwaltungsbehörden fortfällt, über 40 Tage hinaus zu gehen, die GewerbeiuspektionSberichte ergeben, daß die UeberarbeitS- zeit in dem Maße nicht erforderlich ist. Ein Regierung S- Vertreter bekämpfte unsere Anträge und berief sich für den RegierungSvorschlag auf ein angebliches Bedürfnis der Industrie. Für daS Zentrum suchte der Abgeordnete Erzberg er wieder. unsere Anträge wenigstens abzuschwächen. Er schlug als Schluß der AuSnahmearbeitSzeit S Uhr und mindestens elfftündige Ruhezeit für die AuSnahmetage vor. 40 Ausnahmetage im Jahre genügten, die Erhöhung der Zahl auf 60 sei unnötig. Auch derfreisinnige' Manz glaubte, mit 40 Taden auskommen zu können. Hingegen hielt er eine Ausdehnung der Arbeitszeit bis zu 10 Uhr für notwendig, weil einige Gewerbe sie gebrauchten. Am arbeiterfeindlichsten benahmen sich IviestetSdieNationalliberalen. Ihr Vertreter, Abg. Bahn. forderte mit Rückficht auf die Textilindustrie 60 Tage. ES sei für die Industrie ein Kreuz geworden, immer so unter Polizeiaufsicht zu stehen. Nicht die Genehmigung der Ueberstunden solle nachgesucht werden müssen, sondern eS solle gestattet sein, die Arbeitszeit frei zu überschreiten, nach dem Bedürfnis jedes einzelnen Unternehmers. und nur nachher.der Behörde Anzeige zu machen. Genoffe Stadthagen   erwiderte dem Regierungsvertreter, daß schon 1891 die Regierung nur an vierzig Tagen im Jahre Ueberarbeit gestatten wollte. Um so merlwürdiger sei jetzt ihre Verteidigung weitergehender Ausnahmebestimmungen. Nur auf ausdrücklichen Wunsch der Industrie wurde damals der höheren Verwaltungsbehörde die Befugnis erteilt, über 40 Stunden hinaus Ueberarbeit zu gestatten. Inzwischen habe sich aber die Industrie an die gesetzliche Arbeitszeit so gewöhnt, daß die Aus- nahmetage wohl eingeschränkt werden könnten. Auch die australische Gesetzgebung lasse nur 30 AuSnahmetage zu und sei damit gut auS- gekommen. In der 2 b st i m m u n g wurde zunächst der Antrag«in- st i m m i g angenommen, daß an den AuSnahmetagen die Arbeitszeit spätestens um 9 Uhr abends beendet sein mutz. Die zulässige Dauer der Arbeitszeit an dcn AuSnahmetagen wurde jedoch auf 12 Stunden verlängert, die Mindestruhezeit soll nach wie vor 11 Stunden dauern. Die Zahl der Tageim Jahre, an denen von der unteren Verwaltungsbehörde Ausnahmen gestattet werden dürfen, wurde nach dem Eventualanträge unserer Genoffen nnt 13 gegen 3 Stimmen auf 40 T a g e festgesetzt. Annahme fand auch ein weiterer Antrag unserer Partei, für den Fall, daß am Sonnabend Ueberarbeit gestattet sei, Sonntagsarbeit nicht zuzulassen. Alle übrigen Anträge waren dadurch erledigt, Die Beratung der Novelle wird heute fortgesetzt. Klus der parte!» Die Budgetbewilligmig und unser Programm. DerVorwärts" vom 29. Oktober berichtet über eine Ver- sammlung im 2. Wahllreis, in der über unser Programm diskutiert wurde. ES heißt da: «Genoffe Rapp warf die Frage auf, wieso die Frage der Budgetbewilligung eine grundsätzliche Frage deö Programms sei. In dcn Erläuterungen Schoen lank-KautSky zur Forderung «Jährliche Steuerbewilligung"(zweiter Programmteil I) sei aus- drücklich gesagt, daß einer volkstümlichen Regierung Zug um Zug die Mittel zu bewilligen seien. Das stehe mit der Resolution des Parteitages in Widerspruch.   In der Diskussion wurde von mehreren Genossen darauf Bezug genommen. Genoffe Werner verwies darauf, daß ein sozialdemokralischer Grundsatz durchaus nicht wörtlich im Programm stehen brauche. Die grundsätzliche Ablehnung des Budgets entspreche unserer grundsätzlichen Stellung gegenüber kapitalistischen Regierungen.' Weder in unserem Programm noch in dessen Erläuterungen durch Schoenlank steht ein Wort, das mit der Resolution deö Nürn  - berger Parteitags unvereinbar wäre. Schoenlank sagt in unserer gemeinsamen Broschüre überGrundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie', Seite 37: «Zum Regieren so gut wie zum Kriegführen gehört Geld. Geld und nochmals Geld. Wie es regiert sein will, darüber ver- füge das Volt: aber seine VerfügiMgsfreiheit ist ihn, geraubt, öffnet eS anderen ohne Konirolle seine Taschen. Den Daumen auf den Beutel, daS ist die Losung. Prüfung jeder Forderung, Uebernahme der Lasten nur auf ein Steuerjahr. keine neuen Steuern ohne dringenden Bedarf, Sleuerbewillignng und gute, d. h. volkstümliche Regierung Zug um Zug. Die jährliche Steuerbewilligung ist ein wirtschaftliches Machtmittel. das unangreifbar ist und unfehlbar wirkt, wenn hinter ihm das arbeitende Volk steht, zielbewußt und auf die Antastifiig seines Rechtstiteis als Trumpf setzend die schlagfertige Abwehr." Hier wird deutlich gesagt, einmal, daß die Budgetbewilli- gungkeineleere Formalität ist, sondern ein. Macht- mittel", dann, daß das Budget nicht bloß nach seinen Einzel« Positionen zu beurteilen ist, ohne Hinblick aus die Regierung, sondern