worden ist. Der Antrag fand Lei keiner der bürgerliche» Parteien Unterstüjzung und wurde gegen unsere drei Stimmen abgelehnt. Ablehnung einer Hintertür. Zum§ 139 macht die Novelle den ganz neuen Vorschlag, dem Reichskanzler,„wenn besondere Verhältnisse es erwünscht erscheinen lassen", die Erniächtigung zu geben, für Arbeiterinnen die clfstiindige Arbeitszeit zuzulassen, allerdings mit der Einschränkung, daß die Zahl der Arbeitsstunden in der Woche 69 nicht überschreiten darf. Von uns und vom Zentrum wurde die Streichung dieses dritten Absatzes gefordert. Genosse Stadt- Hägen wies zur Begründung darauf hin, daß alle Fälle, in denen ausreichende Gründe für Neberarbeit vorlägen, schon im Gesetz berück- sichtigt seien. Die neue Bestimmung sei überaus dehnbar, und durch die Motive keineswegs begründet. Tatsächlich werde dadurch für nicht wenige Industrien durch eine Hintertür der Elfstundentag eingeführt werden. Sobald eine Industrie Ausnahmen bewilligt erhalte, würden auch die anderen sie verlangen. Für die A u f r e ch t e r h a I t u n g der Regierungsvorlage traten nur die Abgeordneten B a hn fnatl.) und Schmidt- Altenburg sfrk.) ein. Abg. Dr. Stresemann siiatl.) versuchte, für die ausbeutungswütigen Kapitalisten wenigstens ein Kompromiß herauszuschlagen, indem er die Ausdehnung der Arbeitszeit auf 29'/« Stunden bis zu 68 Stunden in der. Woche zu- lassen wollte, doch wurde sein Antrag abgelehnt und dann ein st im m ig die Streichung deS Absatzes 3 beschlossen. 8 139 Absatz 2 läßt die Bewilligung einer anderen Regelung der Arbeitszeit der Arbeiterinnen zu,„wenn die Natur des Betriebes aus Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Anlagen es erwünscht erscheinen lassen." Ein Antrag unserer Genossen auch für diesen Fall eine Mindestruhezeit von elf Stunden festzulegen, wurde abgelehnt. Hiergegen fand ein Antrag Behrens(Wirtsch. Vgg.) zu demselben Absatz An- «ahme, der vorschreibt, daß bei Gewährung solcher Ausnahmen vorher die Arbeiter gehört werden müßten. Weiter wurde von unseren Genossen zu§ 139a beantragt, die Be- stimmung zu streichen, daß die Ueberschreitung der zehnstündigen Arbeitszeit, die Aufhebung der elfstündigen Ruhezeit und die Nachtarbeit für Arbeiterinnen durch Bundesratsverordnung dann gestattet werden kann, wenn Rohstoffe dem Ver- derben ausgesetzt sind oder Arbeitserzeugnisse zu mißlingen drohen. Gcnoste Molkenbuhr wandte sich gegen die Ucbertragung so außerordentlich umfangreicher Befugnisse an den Bundesrat, für die ein Bedürfnis nicht vorliege. Die Streichung dieser Bestimmungen wurde abgelehnt, aber wenigstens nach einem Eventualantrag unserer Parteigenossen die Beschränkung der allgemeinen Mindestruhezett von elf Stunden für diesen Fall verboten. Ein wichtiger Antrag unserer Parteigenossen forderte sür Ueber- arbeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus einen Lohnaufschlag, der mindestens die Hälfte des normalen Lohnes betragen müsse. Für diesen Gesetzesvorschlag berief sich Genosse Stadthagen darauf, daß die Arbeiter schon in den meisten Betrieben die höhere Bezahlung der Ueberstunden durchgesetzt hätten. Wenn das Gesetz eine MaximalarbeitSzeit einführe, müsse es auch den berechtigten Anspruch der Arbeiter auf höhere Bezahlung der Ueberstunden im Gesetze selbst erfüllen. Mehrere ausländische Ge- setze, so eins für den Kanton Neuenburg und das Fabrikgesetz für Westaustralien , hätten ähnliche Borschriften, die Redner vorträgt. Gegen unseren Antrag wandte sich der Abg. Pauli sk.) Der Gesetzgeber habe in die LohnverhälMisse nicht hineinzureden. Auch der Zentrumsarbeiter Giesberts warnte davor. den freien Arbeitsvertrag zu durchbrechen. DaS dürfe nur die Gewerkschaft, nicht daS Gesetz tun. Davon, daß er und andere bürgerliche Redner prinzipiell die Forderung eines Lohnaufschlages für Ueberstunden billigten. werdendieArbeiternichtfatt werden. Molkenbuhr entgegnete ihm, daß alle Arbeiterschutzvortchriften die manchesterliche Freiheit deS Arbeitsvertrages einschränkten. Auch den Arbeitslohn lasse die Gewerbeordnung schon jetzt nicht ganz unberührt. So habe sie Lohnzahlungsperioden festgesetzt und bestimmt, daß der Lohn bar ausgezahlt werden müsse. Die Erhöhung des Lohnes für Ueberarbeit würde auch das Drängen der Unternehmer auf Ableistung der Ueber- stunden einschränken. Genosse S chmi d t-Berlin fügte ergänzend hinzu, daß die von uns geforderte Bestimmung gerade sür die Arbeiter im Bergbau und in den Hüttenbctrieben notwendig sei, weil hier die Arbeiter noch keine Lohnregelung im Tarifvertrag durchgesetzt hätten und daher auch noch Ueberstunden ohne Lohnaufschlag leisten müßten. Gleichwohl wenden sich die Sozialpolitiker des Zentrums, der Abgeordnete Fleischer und sogar der Arbeitersekretär B« ck e r mit aller Entschiedenheit dagegen, daß man die Arbeitgeber durch Gesetz zwinge, für Ueberarbeit mehr Lohn zu zahlen. So stimmten für unseren Antrag schließlich wieder nur unser« drei Genossen. Im 8 1ö4 sind unter Ziffer 2 einige Berufe aufgezählt, auf die die Arbeiterslbutzbestimmungen der Gewerbeordnung nicht Anwendung finden. Auf eine Anftage des Genossen Stadthagen erklärte der Regierungsvertreter, daß Arbeiter in Ladengeschäften, wenn sie dort z. B. Reparaturarbeiten anfertigen, nicht als Angestellte im Handels- geschäfte zu betrachten seien und deshalb unter die Arbeiterschlitz- bestimmungen fielen. Um nach der neuen Fassung eine den Arbeiterinnen ungünstige Auslegung zu verhindern, soll bis zur zweiten Lesung eine Fassung in Vorschlag gebracht werden, die den Schutz der Arbeiterinnen auch in den Konfektionsgeschäften sichert. Genosse Molkenbuhr begründete einen Antrag, von den befreiten Berufen die Bauten auszunehmen. Die Arbeiterinnen auf Bauten hätten doch ganz be- sonders Schutzbestimmungen nötig und es sei nicht ersichtlich, warum man sie davon ausschließen wolle. Dieser Antrag fand ein st immige Annahme. Weiter beantragte Genosse Stadthagen die Bestimmung zu streichen, daß die Arbeiterschutzbestimmungen keine Anwendung auf Schauftellungen und theatralische Vorstellungen sowie Musikaufführungen finden sollten. Die weiblichen Angestellten in diesen Unternehmungen seien genau so schutzbedürstig wie die im Gewerbe und Industrie. Der Antrag wurde gegen unser« Stimmen abgelehnt, aber aner- kannt, daß Schutzbestimmungen in anderer Weise für die Arbeiter und das sonst in diesen Betrieben angestellte Personal er- forderlich sind. Hierauf wurde die Weiterberahtng der GewerbeordnnngSnovelle auf heute vertagt._ Die Mervatlven und die CrMchafts- iteuer. , Die Wortführer der Konservativen haben mit ihrer Argu- mentation gegen die Reichscrbschaftssteuer Pech; selbst manche Politiker, die ihnen in ihrer Gesamtauffassung des heutigen politischen. Lebeits recht nahestehen, haben das verlogene Ge- schwätz von der Gefährdung deS sogen,„deutschen Familien- sinnS" durch die Ausdehnung der Nachlaßsteuer auf Kinder und Ehegatten satt und verhöhnen die mit den albernsten Rühreffekten einer faden Theaterkunst arbeitende Spekulation der konservativen Presse auf die Sentimentalität und niedrigste Profitgier der „Notleidenden" als lächerliche Mache. Nachdem schon Prof. Adolf Wagner und die„Grenzboten" die weinerlichen Trauer- stimmungsmalereien der Blätter vom Schlage der„Deutschen Tagesztg." und der„Kreuz-Ztg." verspottet haben, kommt nun auch Prof. Hans Delbrück , der Herausgeber der„Preutz. Jahrbücher", und fertigt die konservativen Schwätzereien derbe ab. Er wirft die Frage auf, warum denn nicht trotz des steigenden Wohlstandes schon früher die nötigen Ausgaben durch neue Steuern gedeckt worden seien, anstatt daß man Schulden auf Schulden gehäuft habe, und antwortet darauf: „Weil die Leute, die diesen Wohlstand erworben haben, davon an das Reich nichts abgeben wollten. So hat eS der„Vor- w ärtS" aus g e dr ü ckt, und er hat damit nichts als die reine, bittere Wahrheit gesagt. Von allen Parteten ist die schuldigste, daS muß offen ausgesprochen werden, die konservative. Zwar hat sie mehr Stenern bewilligt, als die Linke, aber immer nur solche Steuern, die wesentlich von anderen Volksschichten getragen wurden, als die, in denen sie selbst ihre Anhänger hat, und diejenige Steuer, auf die alles ankam, die von allen Unbefangenen längst gefordert wurde, die, rechtzeitig bewilligt, den ganzen Schulden- jammer verhindert, die ihrer ausgleichenden Gerechtigkeit wegen auch die sozialen Gegensätze im Reiche sehr gemildert hätte, die Reichs- erbschaftssteuer, hat die konservative Partei immer verhindert und kündigt ihr auch jetzt noch, wo die Regierung sie in der aller- mildesten Form, der bloßen Nachlaßsteuer, vorschlagt, wo wir in der äußersten Not sind und jede weitere Reform von ihr abhängt, Opposition an. Der Reichtum will dem Vaterlande nichts opfern, und mit heuchlerischen Tränen wird der deutsche Familiensinn angerufen, der durch eine Zahlung vom Erbe verletzt werde. ES sind bor allem die Agrarier, die Widerstand leisten. Dabei erwäge man, was der Staat alles für die Landwirtschaft getan hat. Unsere Industrie hat sich s« entwickelt, daß sie längst ohne Schutz- zölle auskommen könnte, allein der Landwirtschaft wegen werden sie erhalten, und das Volk in seiner Gesamtheit trägt die Last. Früher hieß eS, in England lebe man teuer und in Deutschland billig. heute ist eS infolge unserer hohen Zölle umgekehrt. Die Teuerung hat so zugenommen, daß jetzt alle Beamtengehälter wesentlich erhöht und zu diesem Zwecke die Steuern heraufgesetzt werden müssen. Alles der Landwirtschaft zuliebe. Dazu die besondere Liebes- gäbe von etwa 46 Millionen Mark jährlich, die durch die Konstruktion der Branntweinsteuer den landwirtschaftlichen Brennern zugewandt wird. Schließlich die Miquelsche Steuerreform, die die höhere Belastung vermöge der besseren Einschätzung nicht dem Staate zugute kommen ließ, sondem durch Aufhebung der Grundsteuer den Landwirten zuführte.... Wir haben die Opfer, die wir der Landwirtschaft bringen. keineswegs zu bedauern, brauchen aber auch nicht zu vergessen, daß eS doch die Landwirte sind, denen die Gesetzgebung die großen Gewinne zugeschoben hat, und haben deshalb das Recht, ihnen moralische Vorwürfe zu machen, wenn sie sich jetzt weigern, auch ihrerseits einmal dem Deutschen Reich ein Opfer zu bringen, ein Opfer, daS immer minimal bleibt im Ver- hältniS zu den ungeheuren Vorteilen, die sie genießen und die in ihrem wirtschaftlichen Wohlergehen und dem unausgesetzten Steigen der Güterpreise deutlich genug zum Vorschein kommen." Der Mampf um die voikslchuie. Die alte Verfassung Württembergs ist über die BolkSschuI« frage in die Brüche gegangen. Am 8. Juni 1994 fiel in der Kammer der Standesherren die Entscheidung über ein Vollsschulgesetzchen, daS in der Zweiten Kammer nach mühevollen Beratungen an- genommen war. Die Standesherren lehnten das Gesetz ab, obgleich es am konfessionellen Charakter der Volksschule nichts änderte, den kirchlichen Verwaltungen eher noch größere Rechte als bisher einräumte. Die Standesherren, fast sämtlich dem katho« lischen Hochadel angehörend, stießen sich aber daran, daß in seltenen Fällen, nämlich in besonders großen Schulbezirken auch ein Fach- mann sollte zum BezirkSschulinspektor ernannt werden können. Im übrigen sollte die geistliche Bezirks- und Ortsschulaufsicht be- stehen bleiben. Die Ablehnung dieses Gesetzchens schlug dem Faß den Boden auS. Der Kampf gegen die Erste Kainmer entbrannte aufs neue. Zugleich wurde eine Reform der Zweiten Kammer angestrebt. Das Ende vom Liede war, daß die„Privilegierten", die Vertreter der Kirche, der Ritterschaft, der Hochschulen die Zweite Kammer räumen mußten und eine reine Volkskammer geschaffen wurde. Die Erste Kammer wurde gleichfalls„reformiert", die Macht des katholischen Hochadels gebrochen. Der Weg für eine durchgreifende Volksschulreform war frei. Anfang Juni dieses JahreS brachte die Regierung Württembergs die neue Volksschulgesetzuovelle bei der Kammer ein. Ein ärmliches Ding l Wir haben den Entwurf seinerzeit eingehend gewürdigt. Heute sei nur daran erinnert, daß derkonfessionelle Charakter der Volksschule starr festgehalten wird. Den Gemeinden ist sogar untersagt. Simultanschulen einzurichten, wenn die große Mehrheit der Bevölkerung das verlangt. Kon» fesfionelle Lehrerbildung, konfessionelle Orts-, Bezirks- und Oberaufsicht werden gefordert. Der frühere geistliche OrtSschulaufseher wird zweiter Vorsitzender deS OrtSschuIratS. Der Religionsunterricht wird nach wie vor kirchlich überwacht. Er bleibt nach wie vor.Zentralsonne" deS Unterrichts, gemäß der alten Verordnung vom Jahre 1746: „Schul-Kinder sollen wohl bedencken, warum sie in die Schule gehen, nehmlich, daß sie darinnen frömmer und geschickter erzogen werden. Frömmer zu werden, solle ihr Haupt-Werck sein." Weder Unentgeltlichkeit deS Unterrichts noch der Lernmittel fordert der Gesetzentwurf. ES bleibt bei der siebenjährigen Schulzeit, das achte Schuljahr wird nur fakultativ zugelassen. Verbesserungen bringt der Entwurf in bezug auf die Schüler« zahl, die Lehrerbildung. Zusammensetzung des Ortsschulrats. Die Bezirksaufsicht soll 4n Zukunft durch Fachmänner erfolgen. In der Ortsschulaufsicht fällt das Technische weg. In Orten mit sieben und mehr Lehrern kann einer, der die Befähigung zur Versehung der Bezirlsschulaufsicht besitzt, mit der örtlichen Leitung beauftragt werden. Dieser Gesetzentwurf hat allgemein enttäuscht. Die große Mehr- heit der evangelischen Geistlichen Württembergs will von der geistlichen Ortsschulaufsicht nichts wissen. Von 49 Diözesanvereinen haben sich 33 gegen die geistliche Aufsicht aus- gesprochen. Der Wllrttembergische Volksschulverein hat sich in einer Eingabe an den Landtag gegen die geistliche Aufficht ausgesprochen. Sogar der katholische Lehrerverein wäre froh, wenn er die geistliche Obervormundschaft loS würde. Darob großes Hallo in der Zentrums- presse. Die tonsurierten Zeitungsschreiber donnern täglich im Stile der heiligen Inquisition gegen die räudigen Lehrerschäjleiu. Aber auch die Würdenträger der evangelischen Kirche haben ihre liebe Not mit den renitenten Amts- brüdern draußen im Land. Dem Vorstand des Pfarrer- Vereins ist eS letzter Tags geglückt, auf der Haupt- Versammlung eine Resolution im Sinne deS Regierungs- entwurfs durchzudrücken. Die Hauptversammlung findet nämlich in Stuttgart statt; sie wird vorzugsweise von den besser gestellten Geistlichen der Residenz und Umgegend besucht. Die kleinen Land- Pfarrer im Schwarzwald und am Bodensee können nur in seltencn Fällen die Hauptversammlung besuchen. Trotzdem ging die regierungsfromme Resolution nur mit Ach und Krach durch. Etliche Vorstandsmitglieder drohten mit ihrer Demission, falls die Vor- standsresolution abgelehnt werde.?!un aber melden sich die kleinen. minder gut gesinnten geistlichen Herren und reden ein gar kräftig Wörtlein mit den gottseligen Perücken der Residenz. Der Württembergische Städterag hat sich gleichfalls mit der Novelle beschäftigt und eine Petition an den Landtag gc- sandt, in der befürwortet wird, daß den Gemeindeverwaltungen etwas mehr Recht in der Leitung und Verwaltung des örtlichen Schulwesens zugestanden werde. Bei der Anstellung der Lehrer solle man ihnen mindestens ein Mitwirkungsrecht und zwar ein auL« reichendes zugestehen. Eine einheitliche paritätische Oberschulbehörde wird verlangt. Der Gesetzentwurf sieht deren zwei, eine katholische und eine evangelische vor. Weiter bittet der Städtetag, simultane Einrichtungen zuzulassen für die H i l s s- schulen für Schwachbegabte, für die gehobene Volks- schule Wittelschule), für eine Volksschule, welche im Bedarfsfälle neben den K o nfes sions s ch u l en von der Gemeinde errichtet werden kann. Bescheidener kann man nicht gut sein. Die Forderung, Simultanschulen für die gc- samte Gemeinde einrichten zu können, falls die Mehrheit der Bc- völkerung das verlangt und sich ein Bedürfnis dafür heraus- stellt, ist also von dem Württembergischen Städtetag glatt fallen ge- lassen worden. Auf dem Stuttgarter Rathaus hat man sich letzter Tage auch mit der Schulnovelle befaßt. Nach einer langen an- strengenden Sitzung beider bürgerlichen Kollegien abends in der neunten Stunde kam außerhalb der Tagesordnung noch ein Volkspartei - licher Stadtvater mit einer Petition anmarschiert, die im wesentlichen die Forderungen des StädtetagS wiederholte. Nur ein Teil der Mit- glieder der Kollegien konnte verstehen, waS der Antragsteller vortrug. Letzterer verlangte aber, alle Mitglieder, Sozialdemokraten. Konser- vative, Nationalliberale und Volksparteiler sollten sofort für seine Petition stimmen. Unsere Genossen lehnten das dankend ab. Sie verlangten erst prüfen zu können, wofür sie stimmen sollten. ES wurde schließlich eine Kommission aus Vertretern aller Par- teien eingesetzt mit dem Auftrag, eine Eingabe au den Landtag auszuarbeiten. Das ist denn auch, geschehen. Ein- fünf Druckspalten lange Petition erblickte daS Licht der Welt. Für dieses konservativ-sozialdemokratisch-volksparteilich-nationallibe- ral-umstürzlerisch-staatSerhattende Wunderwerk stimmten aber nur die Volksparteiler, die vorher die sozialdemokratischen Anwäge, zur Petition(Simultanschule für die ganze Gemeinde, konfessionslose Schule für Minderheiten, die eine solche Schule verlangen usw.) bc- kämpft hatten. Nun schilt die Volkspartei alle anderen Parteien „Reaktionäre " und„Volksverräter". Die Volksschulkommission der Zweiten Kammer ist steißig dabei, Sysiphusarbeit zu leisten. Gerade die VoliSpartci rühmte sich, sie werde die Führung im Schulkampf übernehmen. In der Kommission haben jedoch die Vertreter dieser Partei bis jetzt noch nicht einen Antrag von Prinz ipieller Bedeutung gestellt. Das überlassen die Herren seelenruhig der Sozialdemokratie. Gar uicht selten stimmen auch noch Volks- parteiler gegen die sozialdemokratischen Anträge. Zur Entschuldigung mag dienen, daß die Herren oftmals auch gegen einander stimmen. Sie wissen offenbar selbst nicht, was sie wollen. Sagt der eine„hott", schreit der andere sicher„Hühl" Auf das Schicksal der Novelle im Plenum lassen die Beratungen der Kommission nur insofern einen Schluß zu, als die Volkspartei sehr wahrscheinlich nach rechts umfallen wird. Diese Erkenntnis bricht sich in den Kreisen derer, die eine entschieden fortschrittliche Schul- reform wollen, mehr und mehr Bahn. Die Sozialdemokratie ist jetzt schon zur Sprecherin und Führerin aller wahren Volksschul- freunde auch auS bürgerlichem Lager geworden. Von der Sozial« demokratie verlangt und erhofft man in dem allgemeinen Wirrwar eine prinzipiell feste und entschieden fortschrittliche VolkSschnlpolitil Sie Wird dieses Vertrauen nicht täuschen. Die„Mi" und ihre Hintermänner. Man lernt nie aus. Die„Post" des Herrn Kronsbein glaubten wir aus jahrzehntelanger, unangenehmer Bekannt- schaft gründlich zu kenneu, ihre Unanständigkeit glaubten wir in jeder Richtung ermessen zu haben. Wir haben uns geirrt. Die Unanständigkeit dieses Organs der Scharfmacher spottet jedes Maßstabes. Die„Post" weiß auch jetzt sich selber zu übertreffen.- � Die„Post" hat bis Freitag abend keine Silbe über den wider sie geführten Prozeß berichtet! Die Leser der„Post" wissen nichts davon, baß ein Redakteur der„Post" am Donnerstag vor Gericht stand und wegen Beleidigung des sozialdemokratischen Reichstagsabgeord- neten Fischer verurteilt wurde I Für die Kennzeichnung der Unanständigkeit, die in diesem Verschweigen liegt, fehlt jeder Maßstab., Man vergegenwärtige sich: t. Die„Post" hat vom Genoffen Fischer unter Anführung von allerlei Details, die der Sache einen glaubhaften Anstrich geben sollten, behauptet, er habe Schmiergelder genommen. d. h. er habe sich aus ehrenrührige Weise einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil verschafft. 2. Der verantiv ortliche Redakteur der „Post", Herr Peterson, war am 3. Juni vor Gericht bereit, eine Erklärung abzugeben, er habe sich überzeugt, daß diese Behauptung der„Post" unwahr ist! 3. Am Donnerstag erklärten die Anwälte deS Herrn Peterson, es sei kein Zweifel, daß die Behauptung der»Post" völlig zu Unrecht erfolgt sei. 4. Das Gericht verurteilt Herrn Peterson und spricht in der Urteilsbegründung aus. daß an der Behauptung der „Post" nichts Wahres ist. 5. Zahlreiche Zeugen bekunden dasselbe. Bon all de» uuter 2—5 verzeichneten Punkten wissen die Leser der„Post"— nichts! Sie wissen nur vom Punkt 1,. wissen, daß die„Post" im vorigen Jahre dem Genossen Fischer den Bezug von Schmier- geldern in bestimmtester Form vorwarf, daß die„Post" ans seine Ankündigung, er werde sie verklagen, um die Verleumdung nachzuweisen, ohne Zögern erklärte, sie sehe der Klage m i t Zuversicht entgegen und werde den Wahrheits- d e weis führen. Weiter wissen die»Post"-Leser nichts!
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten