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Gort den Städten und Landgemeinden von 2000 bis 25 000 Ein­wohnern gewähren schon jetzt 206 Orte ihren Lehrern ein höheres Einkommen, als ihnen der Regierungsentwurf erlauben würde. Der vorgesehene Normalsatz von 6150 M. Jahresgchalt wird in diesen Gemeinden um 50 bis zu 600 M. überschriiten. Außerdem gewähren noch 12 Orte dieser Gruppe das Endgel�alt von 3150 M. Für Gemeinden mit 25 000 bis 50 000 Einwohnern ist ein Höchsteinkommen von 3350 M. zulässig. Dieses in der Vorlage vor- gesehene Höchsteinkommen wird schon jetzt in 6 Orten um 50 bis 300 M. überschritten; in der nächsten Gruppe bis 100 000 Ein- wohner zahlt nur eine Gemeinde 150 M. über den künftig zu- lässigen Satz von 3550 M. In den Großstädten mit über 100 000 Einwohnern soll der Höchstgehalt 3000 M. betragen. Bisher wurde dieser Satz zwar noch nirgends überschritten, aber natürlich ist durch die Gesetzesbestimmung auch hier die natürliche Entwicklung unterbunden. Nach der GcsetzeSvorlage müßten also in einer großen Zahl von Gemeinden anstatt einer Erhöhung eine Herabsetzung des Gehaltes eintreten, während alle anderen Beamten in Rücksicht auf die Teuerung Zulagen erhalten. Nach der Vorlage soll freilich den jetzigen Inhabern das Gehalt nicht gekürzt werden; doch ist ihnen auch die Hoffnung auf jede Besserung genommen und die vor- gesehenen'Maximalsätze bleiben weit hinter den Wünschen der Lehrer zurück. Nach einer Aufstellung in jener Kritik bleiben bei der bevorstehenden Lehrergehaltsregulierung zirka 0350 Lehrer ohne Gehaltsaufbesserung, und es müßte bei 5150 Lehrstellen für alle Dienstjahre, bei 3000 Lehrern für einen Teil der Dienstjahre eine Herabsetzung des Gehaltes stattfinden. In den Mittelgemcinden (25 000 bis 100 000 Einwohner) beträgt die Zahl der geschädigten Lehrer 300. Das ist preußische Lehrcrfreundlichkeit! Herrn Theodor Barths Parteibrille. Herr Dr. Theodor Barth hält zurzeit auf Einladung des dänischen BlatteSPolitiken" in Kopenhagen   Vorträge über Das Verhältnis des Freisinns zur Sozialdemokratie", die insofern recht interessant sind, als darin der Begründer der neuen demokra» kratischen Partei offener als in seinen Berliner Reden ausspricht, wie er das Verhältnis seiner Partei zur Sozialdemokratie auffaßt und wie er sich die nächsten Etappen der politischen Parteientwicke- lung in Deutschland   vorstellt. Nach dem Bericht desBerk. Tage- blatt" sagte zum Beispiel in dem ersten seiner Vorträge Herr Barth, daß die deutsche   Sozialdemokratie aus dem Lager der Denker hervorgegangen sei; Karl Marx   und feine Genossen hätten den Untergang des Kapitalismus wie eineGötterdämmerung  " bereits vom 19. Jahrhundert erhofft. Bebel sei der Feind desBürger- tums" gewesen, und Liebknecht habe noch im Jahre 1869 ge- schrieben, daß die Sozialdemokratie mit der bestehenden Gesellschafts- ordnung nicht das geringste zu schaffen haben dürfe. Diese ganze Politik der Katastrophe" sei den Konservativen gerade recht gewesen; denn diese hätten denbürgerlichen Parteien" die Sozialdemokratie wie ein Schreckgespenst vorführen können. Die orthodoxen Sozialdemokraten Deutschlands   seien aber in ihrem eigenen Lager gerade stockkonservativ. Den wahren Fortschritt innerhalb der Sozialdemokratie repräsentieren dieRevisionisten  ", welche die bestehende Gesellschaft zu reformieren wünsche n. DieKatastrophenpolitiker" benutzten, so führte Herr Dr. Barth weiter auL, die Tribünen des Parlaments als ein In- strument für ihre negative Lehre. Schon im Jahre 1834 hätten sich aber im Seniorenkouvent Sozialdemokraten befunden jetzt leisteten viele preußische Sozialdemokraten eine nützliche kommunale Arbeit als Stadlverordnete, und sie würden gewiß gern Bürgermeister und Stadträte sein, wenn sie der Kaiser bestätigen wollte. DieRevisionisten  " hätten sich allmählich eine große Macht errungen. Das letzte Beispiel habe der Nürnberger Kongreß gebracht wo sich die Ncvifiomsten geweigert hätten, den weitgehenden Resolutionen der Partei nachzu- kommen.... Herr Dr. Barth schloß seine Ausführungen mit einem Hinweis darauf, daß der Liberalismus in seinem Kampf, dem persönlichen Recht der Arbeiter zum Siege zu verhelfen, mit denrevisionistischen Sozialdemo- kraten" eigentlich solidarisch sei. wenn auch ein Zu- sammenarbeiten im eigentlichen Sinne noch nicht zustande ge- kommen sei. Auf eine Kritik dieser Ausführungen können wir verzichten, denn es handelt sich hier nicht darum, wie die Verhältnisse tatsächlich sind. sondern wie Herr Barth sie durch seine Parteibrille sieht. Hypothekarisch eingetragener Terrorisnros. Der kapitalistische Terrorismus vermag sich demNechtS"staat nicht nur auf dem Wege desfreien Vertrages" anzupassen, er kann auch-- ins Grundbuch eingetragen werden.... Wir lassen folgende beiden Dokumente juristisckler Hochkultur reden: Ich. Endesunterzeichneter. Gastwirt Ferdinand Fehlau in Wallenien, verpflichte mich hiermit zugunsten der Gewerk- schaft.Humboldt". Braunkohlengrube und Brikettfabrik in Wallensen  , zu folgendem: 1. Für den Fall, daß ich auf Fürsprache der Fabrik von der zuständigen Behörde die Genehmigung zum Vau eine« neuen Saales und die Konzession zum Betriebe der Schank» Wirtschaft in diesem neuen Saale aus meinem unter Nr. 32 in Wallensen   belegenen Wesen erhalte, gehe ich hiermit für mich und meinen Rechtsnachfolger die Verpflichtung ein, meine jetzigen und künftigen WirtichastSräume zu sozialdemokratischen Zwecken oder zu Zwecken der freien Gewerk- jchaften in keinem Falle herzugeben. Für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung erkläre ich mich bereit, eine Konventionalstrafe im Betrage von 1500 M.. wörtlich Eintausendfiinfbundert Mark, der GewerkschaftHumboldt", Braunkohlengrube und Brikettfabrik, Wallensen, oder ihrer RechlS- Nachfolgerin im Besitze des FabrikgrnndstückS zu zahlen. 4. Die GewerlschaftHumboldt", Braunkohlengrube und Brikettsabrik, Wallensen, erklärt sich bereit, meine Gesuche um Bäu eines SaaleS und Verleihung der Genehmigung zur Schankwirt- schaft in demselben, welche dem königl. Landratsamt Hameln   ein- gereicht sind oder werde», tatkräftig zu unterstützen, sobald vor- liegender Vertrag rechtskräftig geworden ist. 7. Ich, der Miiunterzeichnete, Direktor Karl Töpfer zu Wallensen  , akzeptiere obige Erklärung namens der Gewerkschaft Humboldt", Braunkohlengrube und Brikettsabrik, Wallensen. Wallensen, den 24. Januar 1003. gez.: Kar! Töpfer. F. Feh lau. Auffällig ist an diesem sogenannten Vertrag, daß der saal- abtreibende Terrorismus der Humboldtgrube sich als Schwur- genossen den L a n d r a t engagieren kann. Welches Recht hat Herr Karl Töpfer der beamtenbeleidigcnden Unterstellung, daß der Landrat durch die Fabrik sich bestimmen lasse und das terroristische Scharfmachen gegen das gesetzliche Bersamnilungsrecht der Arbeiter gutheiße? Wenn Herr Karl Töpfer dem Wirt gerade für den Fall. daß er seinen Saal soziali st en rein hält, quasi d i e Gunst des Landrats verspricht, so ist die Frage gerecht- fertigt, ob dem Landrat die tiefe Einschätzung seiner P sticht bekannt gewesen ist. Fast noch origineller ist der folgende gerichtliche Ga» rantie schein jür den TerroriSmuS der Saal, ab treib ung, der alsdingliche Dienstbarkeit" ins Grundbuch eingetragen werden konnte: Geschehen Königl. Amtsgericht Hauenstein  , 20. März 1003, Gegenwärtig: Amtsgerichts rat Kollenrodt. ES erschien der frühere Kürschner, jetzige Gastwirt F e h l a u in Wallensen  , dem Richter von Person hekaunt, und erklärte: Ich bestelle zugunsten der Firma Braunkohlengrube und Brikett- fabrikHumboldt" folgende Dienstbarkeit an meiner im Grund- buche von Wallensen, Bd. Hl. Bl. 87, eingetragenen Kätncrstelle, HauS Nr. 22: Die auf diesem Grundstück befindlichen Räumlichkeiten dürfen im Falle eineS Gast- oder SchankwirtschaftsbctriebeS auf dem- selben nicht zu sozialdemokratischen oder Zwecken der sog.(!) freien Gewerkschaften hergegeben werden. Ich b e w i l l i g e und beantrage die Eintragung dieser Dien st barkeit im vorbezcichneten Grund- buche. Den Wert der Dienstbarkeit gebe ich auf 500 M. an. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben. gez.: F. Fehlau. Beglaubigt: gez.: Kollenrodt." UuS ist dieDienstbarkeit' eineS königl. preußischen Amtsgerichts unter dem Saalboykott bedeutend mehr wert als 500 M. Die gerichtliche Eintragung des kapitalistischen   TerroriSmuS inS Grund- buch ist sogar unbezahlbar. Die Kapitalisten zetern über wüsten TerroriSmuS und halten sich selbst für straffrei, ja können eine Hypothek aus ihren TerroriSmuS nehmen. Dafür verlangen sie für angeblichen TerroriSmuS der Arbeiter hohe Strafen! Der eingetragene TerroriSmuSvertrag ist weil gegen die guten Sitten in gröblichster Weise verstoßend nichtig. DaS beeinträchtigt aber die Schönheit des kapitalistischen   hypothekarisch eingetragenen Kapi- taliSmnZ nicht._ Wahlrecht nnd Arm enuuterstützuug. Der Gesetzenttvurf über Einwirkung von Armenunterstützung auf öffentliche Recht: ist vom Bundesrat in folgender Fassung an- genommen worden: Soweit in Reichsgesctzen der Verlust öffentlicher Rechte von dem Bezüge einer Armenunterstützung abhängig gemacht wird. sind als Armenunterstützung nicht anzusehen: 1. Krankenunterstützung, 2. die einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte AnstaltSpflege, 3. Unterstützungen zum Zweck der Erziehung oder der Aus- bildung für seinen Beruf, 4. sonstige Unterstützungen, wenn sie nur in der Form ver- einzeltcr Leistungen zur Hebung einer augenblicklichen Notlage gewährt sind, 5. Unterstützungen, bis Zurückgezahlt worden sind." Neueö Einkommensteuergesetz für Koburg  . Die koburgische Regierung hat �dem Speziallandtag ein neues Steuergesetz vorgelegt, welchos im wesentlichen einem im Jahre 1001 gescheiterten Entwürfe entspricht. Danach soll die jetzt bestehende Zweiteilung in Klassen- und Einkommen- steuer aufgehoben und dafür eine progressive Besteuerung mit Deklarationszwang eingeführt tverden. Nach dem bisherigen Gesetz begann die Einkommensteuer bei einem Einkommen von 2400 M.. der Steuersatz betrug jährlich 3 Proz. Nach dem Entwurf soll an die Stelle des Einheitssatzes ein progressiv steigender Steuer- satz treten. Der Satz von 3 Proz. wird dabei erst bei einem Ein- kommen von 3000 M. erreicht und erhöht sich bis zu einem Ein- kommen von mehr als 12000 M. Von da ab tritt eine gleichmäßige Besteuerung von nicht ganz 4 Proz. ein. JahreZeinloinincn unter 300 M. bleiben steuerfrei._ Die Entschädigung für die abgehackte Haud. In der FreilagSniimmcr berichteten wir unter obigem Titel über die Klage des BierfüllcrS Franz Melvald gegen die Stadt Breslau   und die ihm von der 5. Breslauer Zivilkammer zner- kannten Entschädigungen. Danach sollte Biewald vom April 1011 ab vierteljährlich 157,25 Mark Entschädigung erhalten. Diese Summe ist nicht richtig. Die vierteljährliche Entschädigung beträgt 187,25 Marl.  _ Die Balkankrise. Eine Meuterei in Konstantinopel  . Konstantinopel  , 31. Oktober. Auf den Befehl, daß fünf Bataillone der hiesigen ersten und zweiten Division, welche die Nildizbesatzung bildete, nach Dschcddah abgesandt werden, hat gestern abend eine Kompagnie g e- meutert. Die Soldaten verließen bewaffnet die Kaserne Taschkischla in Pera und nahmen in der Nähe der Kaserne Aufstellung. Sie erklärten, daß sie nach Hause wollten oder nur, wenn die ganze zweite Division nach dem Hedschas   ver- legt würde, mitgingen. Um der Meuterer Herr zu werden, erhielt das von Saloniki eingetroffene Schützen- b a t a i I l o n, das in derselben Kaserne untergebracht ist, heute früh den Auftrag, mit Musik, angeblich zum Exerzieren, auszurücken, in Wirklichkeit aber die Kompagnie zu um- zingeln. Während der Umzingelung begann die meu- terndeKompagnie zu schießen. Das Schützen- bataillon erwiderte das Feuer. Es wurden ungefähr 10(X> Schüsse gewechselt. Es blieben 9Tote und "Verwundete auf dem Platze. Nach Umzingelung hat sich die K o m p a g n i e ergebe n. Sie wurde entwaffnet und interniert. Sensationelle Darstellungen des Vorfalles und die Angaben über große Verluste sind unbegründet. Die den Jungtürkcn treuen Regimenter haben somit die Truppen des Sultans leicht überwunden. Von jetzt ab steht der Sultan   unter der militärischen Bewachung der Jung- türken. Damit ist auch die Aussicht auf das Gelingen reak- tionärer Putschversuche sehr gering geworden. Ein Wahlkompromiß. Konstantinopel  , 3(1. Oktober. Zwischen den Jung- türken, den G r i e ch e n und den Armenier n ist eine V e r st ä n d i g u n g über die bicsigen Parlameilts- wählen zustandcgekommen. Es sollen vier Moham- mcdaner, drei Grieck)en, zwei Armenier und ein Israelit ge- wählt werden. Ein Protest. Sofia  , 39. Oktober. In der heutigen Nachmittagssitzung der S o b r a n j e verlas der Führerder 23 Deputierte st a r k e n Agrargruppe einen P r o t e st gegen die Pro- klamierung ohneBefragungderSobranjeals eine Berfas sungsverletzung, für die die Minister verant- wortlich seien. Der Redner kündigte zugleich eine Ob- struktion der Agrargruppe an. Scheitern der Verhandlungen mit Oesterreich? London  , 31. Oktober. DieTimes" meldet auS Kon- stantinopel: Die Tatsache, daß die jüngsten öster­reichische n Vorschläge bezüglich der Anbahnung direkter Unterhandlungen zwischen Oesterreich   und der Türkei  als unmöglich erkannt worden sind, hat die Pforte veranlaßt, ihre ganze Anfmerksamkeit augenblicklich auf eine Verständigung zwischen der Türkei   und Bulgarien  zu richten. Itatten. DaS AnSwanderungSproblem. Rom  , 24. Oktober.  (Elg. Ber.) Dieser Tage hat in Rom   der erste italienische Kolonial« k o n g r e ß getagt, der sich mit der Frage der Auswanderung beschäftigt hat. Obwohl die Behandlung keineswegs der Bedeutung des Themas entsprechen konnte, weil ans dem Kongreß die Vertretung der hauptsächlichen Interessenten, der Arbeiter, fehlte, ist doch der auf dem Kongreß gegebene Situationsbericht lehrreich, ebenso wie die Taffache bemerkenswert ist. daß sich sowohl die vlegiernugs- Vertreter und die Vertreter des klerikalen Lluswandererschutz- iiistitutS B o n o m e l l i gegen jede Form von Arbeitsvermittelimg aussprachen, die italienische Arbeiter zu anderen als den ortsüblichen Preisen anzustellen sucht. Bekanntlich hat sich bisher das Institut Bonomclli besonders der Streikbrechereinfuhr gewidmet. Mau scheint also neuerdiligS in dieser edlen Beschäftigung ein Haar gefunden zu haben. In dem dem Kongreß vorgelegten Referat de? Genosien Cabrini finden wir einen Ueberblick über die italienische Aus- wanderungSbewegung in den letzten 30 Jahren. Für das Jahr 1876 sind 108 771 Auswanderer verzeichnet, von denen aber weniger als 20000 sich in überseeische Länder wendeten. Die Zahl steigt dann langsam unter Schwankungen und zwar in der Weise, daß die überseeische Auswanderung immermehr das lieber- gewicht gewinnt. Im Jahre 1886, bei einer GcsamtauSwanderuug von 167 000 halten sich beide AuSwanderungsformen das Gleichgewicht. Zehn Jahre später, bei einer GesamtanSwanderung von über 300 000 Personen, wendete sich der bei weitem größere Teil, 104 000 Personen, in überseeische Länder. Im Jahre 1001 wird zum ersieumal die halbe Million überstiegen und 670 000 AuS- Wanderer gehen über daS Meer. DaS Jahr 1906 bezeichnet dann den Höhepunkt: 737 000 Auswanderer, von denen 511000 in tranS  - atlantische Gegenden. Dann macht sich der Rückschlag der nord- amerikanischen Krise geltend, die transatlantische Auswanderung geht um fast 100 000 zurück, während die europäische   Auswanderung mit 288 000 ihren Höhepunkt erreicht. Beide Auswanderungen sind ihrem demographischen Charakter nach ganz verschieden. Die Auswanderung nach Europa   ist Saisonauswanderung, rekrutiert sich fast ausschließlich aus Nord- und Mittelitalicn und besteht vorwiegend aus E r d- a r b e i t e r n und Bauarbeitern der verschiedenen Kategorien. Seit einigen Jahren gibt es auch eine Saisonauswanderung nach Nordamerika  . Es handelt sich hier um Landarbeiter, die für die Erntearbeiten nach Amerika   gehen und für den italienischei. Sommer und die Ernte in» Vaterland zurückkehren. Die transozeanische Auswanderung hat dagegen allen Charakter der permanenten Auswanderung. Die Emigranten siedeln sich mit ihren Familien im fremden Lande an, freilich fast stets mit der Absicht, dereinst mit einem kleinen Kapital in da» Vaterland zurückzukehren. Aber tatsächlich sind z. B. in den letzten fünf Jahren nur 42 Prozent der Ausgewanderten zurückgekehrt. Diese üluSwandcrung rekrutiert sich vorwiegend aus S ü d i t a l i e n und besteht zum großen Teil auS unqualifizierten Ar­beitern, zumeist Landleuten. Sie ist viel größeren Schwankungen unterworfen als die Saisonauswanderung. Der größte Teil der SaisonauLwanderer 88 000 wendete sich im Jahre 1907 nach der S ch w e i z, 75 000 nach Deutsch- l a n d, 63 000 nach Frankreich  , 32 000 nach Oesterreich- Ungarn. 4000 nach England. Der Kongreß nahm Resolutionen an, die eine ergiebige Unter» stützung der Institute, di? die Auswanderer im A> lande schützen, bessere italienische Schulen usw. forderten- Die R Gerung wurde weiter aufgefordert, durch internationale Verträge«inen besseren Schutz der italienischen Emigranten und ihrer Rechte ans die Arbeiter- schutzgesetze des EinwandererlandeS ohne die heutigen bureaukrätischLp Verklausulierungen zu erwirken. Kulttancl. Zur Eröffnung der Dumasessio». Petersburg, 28./15. Oktober.  (Eig. Ber.) Heute beginnt die zweite Session der dritten Reichsduma. Die allgemeine Situation, bei der die Duma ihre Tätigkeit erneuert, kann mit wenigen Worten charakterisiert werden: unaufhaltsames Wachstum der politischen Reaktion. Versammlungen selbst unschuldigster Art, Verbände zu wirtschaftlichen und Poli- tischen Zwecken werden in griimnigstcr Weise verfolgt; die fort- schrittliche Presse wird unter dem doppelten Druck der administra- tivcn und gerichtlichen Strafen erstickt; Massenarreste, Verban- nungen inganz entlegene" undnicht gar zu entlegene" Ort- schaftrn nehmen kein Ende; HinrichtungenPolitischer  " sind nach wie vor eine alltägliche Erscheinung. Dabei werden Stadt und Land von einer chronisch gewordenen ökonomischen Krise verwüstet, die im Verein mit Cholera und Mißernten die Volksnot bis zur äußersten Grenze des Erträglichen gesteigert hat. Die soziale und politische Lage hat sich mithin in den letzten Monaten in keiner Weise gebessert. Auch die Stellung des Ministeriums Stolhpin der Volks- Vertretung gegenüber ist nach wie bor   eine feindselige und heraus- fordernde. Im Laufe der Dumaferien hat es seine Mißachtung der Duma in einer ganzen Reihe von Handlungen manifestiert. Als Beleg: werden einige Beispiele genügen: Die Politik des Kultusministers Schwarz ist von der Duma alstaktlos" verurteilt loorden; das bekümmert aber Herrn Schwarz so wenig, daß er nun erst recht über die russische Schule herfällt und durch seine neuesten Zirkulare Lehrende und Lernende terrorisiert. DenWünschcp" der Duma zufolge hätten einige Ausgaben im Budget geschmälert und der 0. Artikel des Budgetreglements abgeändert werden sollen, dessen Weiterbestehen das Budgetrccht der Volksvertretung fast gänzlich annullierte: dieserWunsch" ist aber, wie aus der Etais- vorläge für da» Jahr 1009 ersichtlich, vom Ministerium ganz ab- sonderlich gedeutet worden: es hat nämlich ganz im Gegenteil die Ausgaben für kulturelle Zwecke geschmälert, die für Arme: und Flotte aber vergrößert. Während der ersten Session schloß die Re- gierung eine von der Duma nicht sanktionierte neue Anleihe ab, indem sie alte Staatsscheine durch neue ersetzte, was dann auch von den Dumarednern alswidergesetzlicher Akt" vermerkt wurde; die Rc- gieruug legt aber so wenig Gewicht auf derartig: Meiuungs- äußcrungcn der Volksvertretung, daß sie jetzt, wenige Tage vor dem Wiederbeginn der Tnmasitzungen, den Mut fand, eine neue, ganz analogeKreditoperation" im Betrage von 25 Millionen Rubeln zu unternehmen. Und schließlich hat die Regierung in völliger Mißachtung des gesetzgeberischen Dumabcschlusses den Bau von vier Panzerschiffen ersten Ranges, die den Grundstein zu einer neuen Flotte legen sollen, in Angriff genommen. Daskonstitu- tionelle" Ministerium Stolypin   will eben der Volksvertretung, als einerQuantitö negligeable", in keiner Weise Rechnung tragen und wird gewiß auch ferner die Duma als gesetzgeberische Jnstitu- tion ganz ignorieren. Diese Annahme findet ihre Bestätigung unter anderem auch darin, daß für die zweite Session der Duma von der Regierung kein einziger großer Gcsetzentivuof vorgelegt worden ist. Wie in der vorigen Session, will sie die Arbeit der