Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt.Nr. 58.Donnerstag, den 9. März 1893.10. Jahrg.Varlninenksbovichko.Deutscher Reichstag.61. Sitzung vom S. MSrz 1883, 1 Uhr.Caprivi._ Am Bundesrathslische: Graf von Caprivi. vonBött icher, von Maltzahn, Holl mann.Tie Berathung deZ M arine-Etats wird beim Extra-Ordinarium forlgesetzt. Die Budgetkommission hat im ganzendie geforderten ersten Raten für V neue Kriegsschiffe gestrichenund zwar für das Panzerschiff„Ersatz Preußen" 200 000 Mark,Panzerfahrzeug W i 000 000 M., Panzerfahrzeug X 500000 M..Kreuzerkorvelte K 2 Millionen, Kreuzer„Ersatz Möwe" 750 000Mark, Aviso„Ersatz Falke" 1200 000 M.; in Konsequenz sindauch die Forderungen für artilleristische und Torpedoarmirunggestrichen. Die Kosten für„Ersatz Preußen' sind im ganzen auf12 580 000 M. im Etat bemessen. Ein Antrag der deulschkonser-vativen Abgg. Hahn und Genossen will die Forderung für„Ersatz Preußen" unverkürzt bewilligen. Die übrigen Forde-rauigen deS ordentlichen Etats im Extraordinarium des Marine-Etats hat die Konimission nicht beanstandet.Die Verhandlungen waren ohne jedes weitere Interesse.Reichskanzler Caprivi griff ebenfalls in die Debatte einund lauteten dessen Ausführungen wie folgt: Ich binlein Marine-Enthusiast, aber ich verkenne nicht, welche hohen Auf-gaben in einem Kriege unsere Marine zu erfüllen habe» wird.Ein Lclsiff kann sich nur offensiv schlage», eine Flotte wohl stra-tegisch defensiv. Wenn wir in dem Ersatz für Schiffe, derenHinfälligkeit vorherzusehen ist, zu sparsam werden, wird es mirzweifelhaft, ob die Marine der Aufgabe die Küste zu schützen,gewachsen sein wird. Run will man die Küste vom Lande ausscbützen; es giebt aber auch Lagen, wo der Feind nicht landet.Wir können unsere Küste gewiß zu Lande schützen, aber das ist•nicht alles, was man im gewöhnlichen Leben unter Schutz derKüste versteht. Man versteht darunter auch den Schutz derHandelsstädte und ihres Handels. Dazu muß man die Blokadedes Feindes abhalten können. Der Reichstag hat jetzt wiedereinen Antrag vorgelegt erhalten, der den völkerrechtlichenSchutz des Eigenthums zur See anstrebt. Ich stehe diesemAntrage noch heute wie früher gegenüber, ich glaube nicht.daß er ausführbar ist, aber in seiner Richtung gelegen ist dasBestreben, die Küste von feindlichen Biokaden frei zu halten.Dazu müssen wir sie aber schützen können durch Panzer, welchedie feindliche, i Geschwader im Schach halten können. Untereinigermaßen normalen Verhältnissen werden wir ja im Kriegenicht absolut auf den Import freniden Getreides angewiesen sei»,wir können Kartoffeln essen statt zu brennen und statt RübenGetreide bauen. Aber wir haben kein Recht mit uns günstigenUmständen zu rechnen. Können wir Landungen des Feindesnicht verhindern, dann wären unsere Aecker für die Feinde bestellt.Unsere Häfen müssen wir entiveder ganz oder theilweise blockade-frei halten, nicht blos um den Import von Getreide sondern auchden der anderen Maaren zu ermöglichen. Wir würden eine MengeDinge schwer entbehren, an deren Genuß ivir uns gewöhnt haben.Um während des Krieges das Landheer leistungsfähig zu erhalten,müffen wir die Fernhaltung der Blockade erstreben, und dazukönnen wir die Panzer, Kreuzer und Torpedoboote nicht ent-behren.RamenS der Geschäftsordnungs-Kommission erstattet alsdannAbg. Horwitz Bericht über das Schreiben des Reichskanzlers,wonach die Ausführung des Reichstagebeschlnsses bezüglich derEinstellung des Strafverfahrens gegen de» Abg. von Münchdadurch hinfällig wird, daß es sich nicht mehr um ein Straf-verfahren, sondern uni ein bereits rechtskräftig gewordenes Urtheilhandelt. Die Kommission beantragt den Reichstagsbeschluß vom0. Februar durch diese Mittheilung des Reichskanzlers für erledigtzu erachten.(Während der Redner spricht, wird ihm von demin der Näh« des Referenlenlisches stehenden Staatssekretär vonBötticher ein Glas Wasser eingeschenkt und dargereicht. DerBorgang erregt die Heiterkeit des Hauses.)Abg. Stadthag'en(Soz.): Ich bitte Sie, nicht zurückzu-schrecken vor Dem, was stets die Praxis des Hauses gewesen ist.Von keinem einzigen theoretischen Juristen ist die 1874 seitensder Abgg. Windthorst und Lasker vertretene Ansicht als hinfälligbezeichnet morden, und wir dürfen die Privilegien des Reichs-tages nicht preisgeben. Die Frage ist nie anders beantwortetivorden, als daß eine Verhaftung eines Abgeordneten nach den,Wortlaut des Art. 31 der Verfassung nicht stattfinden darf. Ichhalte es für unbegreiflich, wie man zur entgegengesetzte» Auf-fassung kommen kann. In dem Fall Majunke hat allerdings dienationalliberale Partei den Art. 31 anders intcrpretirt, wie dieAbgg. Windthorst und Lasker; aber die Reichstagsmedrheit be-schloß damals, daß Majunke zu Unrecht verhaftet sei. DerPolizeipräsident hatte die Verhaftung abgelehnt, weil sie gegendie Versassung verstoße, das Stadlgericht ebenso. Das Kammer-gericht hatte die Verhaftung angeordnet, weil sie nicht gegen dieVerfassung verstoße. Bestimmend für die Mehrzahl der Kom-Mission war die Meinung, daß Majunke sich an das Obertribunal wenden könne und daß man dessen Entscheidungnicht vorgreifen solle. Aus diesem Grunde kam dieKommission ohne Antrag heraus und die Sache gelangtenicht zum prinzipiellen Austrag. Seit 1874 ist nun keinJall vorgekommen, wo ein rechtskräftig Verurtheilter zwecks Abbüßung der Strafvollstreckung während der Session gegenseinen Willen verhastet wurde. Die Frage der Entlassung einesbereits Jnhaftirlen ist hiermit nicht zu verwechseln. Im erstenAbsatz des Art. 31 ist von Verhaftung ganz allgemein die Rede.im drillen Absatz wird ausdrücklich von Untersuchungs- undZivilhast gesprochen. Das beweist gerade, daß jede Verhaftungohne Ausnahme an die Genehmigung des Reichstags gebundenist. Wenn Sie mit der bisherigen Praxis nicht brechen wollen,dann können Sie dem Kommissionsantrag nicht zustimmen. Derwürttembergische Justizminister hat gar nicht das Recht, in dieBefugnisse des Richters einzugreifen. Ein Rücktritt von dereinmal gefaßten Entschließung würde dem Reichstage nicht zumAnsehen gereichen.Abg. Ackermann(kons.) weist die Interpretation desArt. 31, wie sie bezüglich des Sinnes des Wortes„Verhaftung»der Vorredner gegeben, als unzutreffend zurück. Der Antrag desAbg. Singer habe ausdrücklich auf Einstellung eines Strafver-fahrens gelautet, während es sich um eine rechtskräftig gewordeneVerurtheilung handle.Nach kurzer Replik deS Abg. Stadthagen und Duplick desAbg. Ackermaun bemerktAbg. Bebel: 1874 war der Reichstag mit�wenigen Aus-nahmen der Meinung, daß auch der Antritt der Strafhast unterdie Bestimmung des Artikels 31 der Verfassung fällt. Es istnicht denkbar, daß sich der Reichstag mit einem geringeren Rechtbegnügen soll, als die Vertretungen aller anderen Verfassungs-staatc». Der Artikel 31 der Reichsveriassung ist allerdings indieser Beziehung etwas unklar. Die sächsische Verfassung sprichtes in weit klarerer Weise aus, daß über ein Mitglied der sächsischenSländekammer ohne Zustimmung derselben keine Haft verhängtwerden kann. Ich bin auch heute noch der Meinung,daß der Reichstag sich dasselbe Privilegium hat vor-behalten wollen. Im Falle North lag die Sache anders, weilein gemeines Verbrechen vorlag. Aber in allen anderen Fällenkönnen wir unser Privilegium nicht aufgeben. Daß der Artikel 31der Verfassung nicht so ausgelegt werden kann, daß ein Mitglieddes Reichstages aus der Strafhast entlassen werden muß, dar-über hat der Reichstag sich klar entschieden. 1373 beantragteAbg. Schraps, daß ich während der Dauer der Session aus derFestungshaft entlassen werden sollte. Der Reichstag lehnte esaber mit großer Majorität ab. Das württembergische Gerichtwollte die Strafhait des Abg. v. Münch aussetzen, so-bald er einen dahin gehenden Beschluß des Reichstagsbeibringe. Aehnlich haben die sächsischen Gerichte erkannt undgehandelt, als Liebknecht und ich am 6. März 1872 vom Schwur-gericht zu Leipzig wegen Vorbereitung des Hochverraths zu zweiIahren Festung verurtheilt waren. Ich war Mitglied desReichstags, Liebknecht nicht. Nach Verwerfung der Revisiondurch das Oberlandesgericht wurde Liebknecht aufgefordert. An-fang Juni die Haft anzutreten, ich ivurde erst nach Ablauf derSession dazu aufgefordert. Wenn die Gerichte in Deutschlandeine gleiche Auffassung hierüber gehabt haben, besteht für denReichstag erst recht die allergrößte Ursache, sich sein Privilegiumnicht nehmen zu lassen. Ist der Art. 31 unklar, so muß durchInterpretation Klarheit geschaffen werden.Würtiembergischer Gesandter v. Moser: Die württem-bergische Regierung vertritt mit allen verbündeten Regierungenden Standpunkt, daß Artikel 31 der Verfassung Absatz 1 sich aufdie Strafvollstreckung nicht bezieht, sie hat dem Amtsgericht inStuttgart wegen der Irrigkeit der von ihm vertretenen Ansicht dasNöthige zu erkennen gegeben, ivei» das Gericht ausdrücklich dieBeibringung eines Reichstags-Beschlusses auf grund des Absatz 3von dem Herrn Frhrn. v. Münch verlangt hat.Der Antrag der Geschästsordnungs-Kommission wird daraufgegen die Stimmen der Sozialdemokraten sowie einiger Mit-glieder des Zentrums und der freisinnigen Partei a n g e-» o m m e n.Die beim Reichstage nachgesuchte Ermächtigung zur straf-rechtlichen Verfolgung des Abg. Metzger(Hamburg) wegenBeleidigung des Senats und der Bürgerschaft der Stadt Ham-bürg wird entsprecheild dem Antrage der Geschäftsordnungs-Kommission nicht ertheilt.Tarauf wird die E t a t s b e r a t h u n g fortgesetzt und derEtat des Rechnungshofes, des allgemeinen Pensionsfonds unddes Reichs-Jnvalidenfonds bewilligt. Ucder die Petition be-treffend die Gewährung einer Ehrenzulage an die Inhaber desEisernen Kreuzes von 1870/71 wird zur Tagesordnung über-geganzen.Schluß Sh't Uhr. Nächste Sitzung Donner st ag 1 Uhr.(Militär-Etat.)Protestversammlungen gegen die Militärvorlage sindweiter abgehalten worden in Waren(Ref. M e i e r- Lübeck).Bon der Agitation. Parteigenossen aus S t o l b e r g(Rheinland) vertheilten am Sonntag in den OrtschaftenScherpefell, Hastenrath, Volkenrath, Bohl, Bergrath und Esch-weiter sozialdemokratische Flugblätter, Zeitungen und Broschüren,die von der ländlichen Bevölkerung mit um so größerem Dankeangenommen wurden, als am Morgen desselben Tages von denSchwärzen das Flugblatt verbreitet worden war, worin dasZukunftsstaats-Geschwätz Bachem's abgedruckt ist.Die Parteigenossen in Baden-Baden vertheilten dortwie in der Umgegend die Rede Bebel's über den„Zukunftsstaat",sowie Exemplare des„Vorwärts" und des Offenburger„Volks-freunds"' und machten dabei die erfreuliche Erfahrung, daß inder Stimmung der Landbevölkerung eine Wendung zu unserenGunsten eingetreten ist.Auch die Würzburger Genosse», die 4000 Exemplarevon Bebel's Rede im Landkreise verbreiteten, fanden, wie die„llnteriränkische Volkslribüne" berichtet, bei den Bauern überallsehr gute, stellenweise sogar herzliche Aufnahme.Ebenso guten Erfolg hatten die Genossen aus Delmen-h o r st und Ganderkesen bei ihrer letzten Agitationstour aufdem Lande.Die schwäbische Sozialdemokratie hat den Wahlfeldzug im17. württembergischen Reichstags-Wahlkreise(Ravensburg-Tettnang) unter sehr guten Aussichten begonnnen. Die inScheer, Hobentengen und Mengen am Sonnabend und Sonn-tag abgehaltenen Versammlungen, in welchen unser KandidatTauscher sprach, waren trotz der Hetzereien der Pfaffen-blättcr ausgezeichnet besucht, und überall zeigte es sich, daß diearbeitende ländliche Bevölkerung mit dem, was die Sozialdemo-kratie will, im wesentlichen übereinstimmt. Besonders interessantverlies die Versammlung in Hohentcngen. Dort hatte sich dieBevölkerung von 14 Gemeinden zum Gottesdienste eingefunden,und als dieser beendet war, zogen die katholischen Wähler vordas Gasthaus zur Traube, wo sie auf dem freien Platze Aus-Ncllung nahmen, da der Saal, wohin die Genossen die Versamm-lung einberufen hatten, die Menge nicht fassen konnte. GenosseTauscher mußte von einem Fenster des ersten Stockes aus zuden Versammelten sprechen. Sein �ständiger Vortrag wurdemit Beifall aufgenommen und nachher im öffentlichen Wirths-lokale lebhaft diskutirt. Eine ganze Reihe Wähler stelltenFragen, der Referent gab über alle zufriedenstellende Auskunstund befand sich am Schlüsse der Diskussion in völliger Ueber-einstimmung mit den Wählern.— Durch diese Versammlungenist. wie die„Schwöb. Tagwacht" bemerkt, auch viel zur Zer-streuung der Jrrthümer beigetragen worden, die über die Sozial-demokratie im Schwange� sind. �Um der fortgesettte» öoralabtreiberei ein Ende zumachen, beabsichtigen die Parteigenossen in Burg die Beschaffungeines eigenen Vcrsammlungshauses. Sie haben zu diesem Zweckeinen Verein gegründet, der das hierzu nöthige Geld an-sammeln soll.# �AuS Lüdenscheid wird der„Rheinisch-Westfäl. Arb.-Ztg."geschrieben: Infolge des Betragens des Herrn Lenzmann in derletzten Volksversammlung wird mancher sich die Frage vorgelegthaben: Wie ist es möglich, daß ein Mann wie Lenzmann, derlange Zeit hindurch gewissermaßen in dem Ruf eines Volksmannes stand, der Arbeiterschaft so entgegen tritt, wie letzthin?Die Frage ist leicht beantwortet. Bis zum Jahre 1884 und nochdarüber hinaus war hier von einer seloständigen sozialistischenBewegung keine Rede. Das radikale Bürgerthum konnte zu derZeit'sich»och als Vertreter der Interessen der Arbeiter aufspielen, obne befürchten zu müssen, daß sein demagogischesTreiben ausgedeckt würde. Der damals noch einigermaßen an-ständige Verdienst der Arbeiter kam den fortschrittlichen Dema-zogen sehr zu statten. Herr Lenzmann, der enragirte Vertreterjener Leute, brauchte' sich nur in einer Versaminlungsehen zu lassen, und das Bürgerthum sowie die Arbeiterschaftbrachte ihm während eines Abends wiederholt stürmische Hochsdar. Diese Ovationen machten Herrn Lenzmann übermuthig.Denn nur so konnte er es wagen, den Nationalliberglen zudrohen, ihnen die„Rothen" auf den Pelz zu schicken, wenn sienicht nach seiner Pfeife tanzten. Die„Rothen" sind jetzt dal!Nicht infolge der Drohung, nein, trotz des Herrn Lenzmann.Sein Wunsch ist es nie gewesen, daß die Sozialdemokratie hierauskommen möchte, denn wir halten ihn für viel zu klug, altfdaß er es nicht erkennen würde, welche Gefahr die„Rothen" fürihn sein würden. Herr Lenzmann, der sich wahrscheinlich bis vi)tkurze», noch sagte:' erst komme Ich, dann wieder Ich und dannnochmals Ich und dann die andern, konnte niemanden über sichdulden, nicht einmal neben sich. Er hielt sich für unerreicht» jr,für unwiderstehlich. Von dieser seiner vermeintlichen tz jh-haben ihn jäh hinabgestürzt die„Rothen". Und daS ist bitter!Daher der letzte krampfhafte Versuch, durch unparlamentarischesBenehmen Rache an den„Rothen" zu nehmen. Wirsind nicht schadenfroh: können es uns wohl so ungefähr vor-stellen, wie es Herrn Lenzmann zu Muthe ist. Früher in jederVersammlung mit donnernden Hochs empfangen, jetzt kau vi nochbeachtet. Ein solches Schicksal passtrt nur Egoisten, nicht s'euten,welche selbstlos bis zum letzten Athemzuge dem armen Äo lke einebessere Zukunft erkämpfen helfen. Für die„Freisinnig« z" oderwie sie sich sonst nennen mögen, ist hier kein Boden meh'/. DieArbeiterschaft und auch die einsichtigeren Leute aus anderenGesellschaftskreisen lassen sich von einfältigen Reden scher den„Zukunftsstaat" nicht mehr dupiren. Die Gefahr wäre vielleichtvorhanden, wenn die Sozialdemokratie nicht immer mch immerwieder sagte: Leute denkt über Eure Klassenlage nach. Und dieshat gewirkt! Die Leute denken selbständig. Kommt nun so ei»Mann, der dem Volk die„Herrlichkeiten" der Gegeizwart ein-pauken möchte, dann geht das Volk nach Hause und. sagt sich:„Sprecht nur ihr Herren! wir wissen es, unter welchem Druck,in welchem Elend das Volk schmachtet, die einzPe, wahre undehrliche Helferin ist und �bleibt die Sozialdemokratie."Todtenliste der Partei. Gestorben in Frankfurt a. O.der Schuhmacher Emanuel Pilz; in Seifhennersdorfder Genosse Reinhold Kühne l.Polizeiliches, Gerichtliches re.— Der sächsische Landtags-Abgeordnete und StadtverordneteHeinrich Stolle verbüßt gegenwärtig im Meeraner Amts-gerichtsgefängniß die dreiwöchige Strafe, die er si�ch dadurch zu-zog, daß er einen Eisenbahn- Bediensteten au. der Arretureines armen Knaben hinderte, der am Bahnhofe Kohlen auf-gelesen hatte.— Der wegen Beleidigung einer Bergwerk-s-Verwaltung zu1 Jahr Gefängniß verurtheilte Genosse G l a d e w i tz inZwickau hat wegen der von ihm beantragten Wieder-aufnähme des Verfahrens einen einmonatlichen Strafaufschub be-willigt erhalten.ITolmles.Wegen hrS Verbotes der Aufführung der„Weber"hatte der Dichter, Gerhardt Haupmann, bei dem BezirksausschußKlage erhoben. Dieselbe kam gestern(Dienstag) zur Berhand-lung. Den Kläger vertrat Rechtsanwalt Dr. Grelling, der be-tonte, daß„Die Weber" keineswegs den seqialistischen Zukunsts-staat verherrlichen, sondern das Elend der gegenwärtigen Zu-stände dieser bedauernswerthen Menschen beleuchten sollen. DerPolizeipräsident hatte dagegen in seiner Kl.agebeantwortung aus-geführt, daß die öffentliche Aufführung des Stückes in Berlin undzu einer Zeit, in der die sozial-revolutionäre Bewegung noch instetem Wachsen begriffen sei, mit dem Interesse der Aufrecht-erhaltung der öffentlichen Ordnung nicht vereinbar sei._ Nacheiner Berathung von fünfzehn Minuten verkündete der Präsidentdas Urtheil: Die Klage ist zurückgewiesen, demKläger sind die Kosten aufzuerlegen. Die Gründe der Zurück-Weisung wurden nicht publizirt. Es wird Berufung an diehöhere Instanz seitens des Klägers eingelegt werden.Daß eine durchaus nicht tendenziöse, poetisch meisterhafteDarstellung verboten wird, weil die Wahrheit und Wahrhaftig-keit der Staatsordnung gefährlich fein könnte, beweist, auf wieschivachen Füßen diese steht und wie sehr sie des inneren Haltsentbehrt.„Die Weber" sind übrigens im Druck erschienen undzwar in doppelter Ausgabe, einer im vollständig schlesischenDialekt, die wir denen empfehlen, die desselben mächtig sind, undin einer anderen Ausgabe, in welcher ein Ausgleich zwischen demDialekt und der hochdeutschen Sprache unternommen wird.Der Verstorbeue Geh. Kommerzienrath v. Bleichröberwar im Jahre 1391/92 von der der Behörde aus ein Einkommenvon 3 Millionen abgeschätzt. Nach der Selbsteinschätzung für1392/93 erhöhte sich dieses Einkommen aus 7»/» Millionen. Erhatte sich, wie die meisten Finanz- und Agrar-Fürsten die behörd-liche Unterschätzung sehr gern gefallen lassen.Gegen eine ganze Anzahl sogenannter„Jncasso-Ge-schäfte" finden zur Zeit strafrechtliche Ermittelungen statt. Eswaltet der Verdacht ob, als ob diejenigen, welche nur mit„Abonnementskunden" arbeiten, zum Theil auf den Bauernfangeingerichtet sind. Das Abonnement kostet gewöhnlich 40 M.,welches sich nach den vom Kunden unterschriebenen Geschäfts-bedingungen stillschweigend aus ein Jahr verlängert, wenn esnicht rechtzeitig aufgekündigt wird. Die Kunden, welche de»Inkassogeschäften ihre faulen Forderungen zur Realistrung ein-senden, bezahlen gewöhnlich die ersten 40 M. sehr gerne, hörendann aber von dem Schicksale ihrer Forderungen nicht mehrviel. Vielfach beschränken sich die Schritte, welche dasInkassogeschäft zu gunsten ihrer Kunden unternimmt, aufeine einfache resultatlose Anfrage bei der Polizei nachdem Verbleiben der betreffenden Schuldner, oder auf eineAnfrage bei Privatpersonen. Die Forderungen werden danachgewöhnlich als„uneinziehbar" aä acta genommen. Die Kundentragen geduldig das erhebende Bewußtsein mit sich herum, ein-mal gehörig„hineingefallen" zu sein; dasselbe Schicksal blühtihnen aber gewöhnlich gleich zum zweiten Male, denn sie ver-geffen natürlich, ihr Abonnement aufzukündigen und das Inkasso-geschäst macht gegen sie einen Anspruch auf abermals 40 M.gellend. Soweit diese Fälle Anlaß zu einem Zivilstreit geben,fällt derselbe in der Regel zu Gunsten des Inkassogeschäfts aus,da dasselbe unschwer den Beweis erbringen kann, daß es irgendeinen Schritt zum Zwecke der Eintreibung der Forderungen ge-than. Nach den Ermittelungen des Kriminalkommissarius Listauf diesem Gebiete ist anzunehmen, daß diese ursprünglich voneinem Wiener hier eingeführte Geschästspraxis, ivelche bald vieleNachahmer gefunden hat, eine ganz lukrative ist. Ob sich mitHilfe des Betrugsparagraphen gegen dieselben wird ankämpfenlassen, wird die Zukunft lehren.Die Angelegenheit des Stationsvorsteher» Sachtlervom Bahnhof Groß-Lichterfelde, der am 4. d. M. wegen Unter-schlagung amtlich anvertrauter Gelder verhaftet wurde, wird nocheinen zweiten Beamten ins Verderben ziehen. Nachdem der ältesteStations-Assistent das Verschwinden des Vorstehers bei der Eisen-