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Ji.262. ffijirttswj. s �ellltp Reichstag« 1öS. Sitzung. Freitag, den 6. November. nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstische: Dr. Niebcrding, Deseler. Der Präsident teilt mit. daß der Abg. D. Stöcker(Wirt. Per.) sein Mandat niedergelegt hat. Ein schleuniger Antrag B r e j s t i(Pole) wegen Einstellung eines gegen den Abg. Dr. v. Chlapowo-Ehlapowsli(Pole) schwebenden Strasversahrens wird angenommen. Hierauf wird die erste Beratung der Novelle zum Gerichts» verfasjungsgrsetz, zur Zivilprozesiotduung, dem Gerichtslostengesetz und der Grbülirenordnung für Rechtsanwälte fortgesetzt. Abg. Dr. Giese(k.): In absehbarer Zeit ist eine Einigung über eine umfassende Reform unseres Prozetzverfahrcns wohl nicht zu erreichen; die Mehrzahl meiner Freunde ist daher bereit, das setzt Erreichbare, die Reform des Amtsgerichtsverfahrens zu nehmen. Diese Reform kann vielleicht der Ausgangspunkt einer späteren umfassenderen Reform werden. Abg. Dr. Spahn(auf der Tribüne kaum verständlich): Die vorgeschlagene Reform will durch eine Vereinfachung des Ver- fahrens das Streben nach Soirdergerichten bekämpfen. Wirksamer wäre hierfür eine zeitige Vermehrung der Richter gewesen, wodurch diese in die Lage gekommen wären, schneller Recht ZU sprechen. Ucber die Streitigkeiten bei den Geschäften des täglichen Lebens sollen die Amtsgerichte entscheiden, das war der maßgebende Ge- sichtspunkt für die Festsetzung der Zusländigkeitsgrenze der Amts» gerichte; wenn diese Grenze jetzt erhöht werden soll, so entspricht das nur der Entwickelung unseres wirtschaftlichen Lebens.(Bravo  ! im Zentrum.) Abg. Ablaß(frs. Vp.): Die öffentliche Kritik ist für den vor- liegenden Entwurf teilweise eine vernichtende gewesen. Nicht billigen können wir es, wenn ein wesentlicher Teil der Novelle sich auf die angeblichen Erfahrungen mit den Sondergcrichten gründet. Es wird ein viel längerer Zeitraum abzuwarten sein, damit man beurteilen kann, ob die Vor- oder N a 6) t e t l e bei diesen Gerichten überwiegen. Tie Kaufmannsgerichtc z. B. werden von den Arbeitnehmern ins Ungemessene gelobt, während die Arbeitgeber behaupten, daß seit ihrem Be- stehen jeder, auch der frivol st e Prozeß erhoben 10 erde, in der Erwartung, wer viel fordere. erhalte mindestens etwas, uiitRücksicht darauf. daß bei den Kaufmannsgerichten jeder ziveite Prozeß mit einem Vergleich endet. Hier ist aber das eingetreten, was bei einem ordentlichen Gericht niemals der Fall sein darf, daß man das Versahren unter dem Sondergesichtspunlt einer bestimmten Klasse betrachtet. Wir hatten den Entwurf in allen wefentlichen Punkten für anfechtbar. Sehr bedauerlich ist, daß die Regierung sowenig Wert auf die Stellungnahme des Anwaltstages gelegt hat, den sie nicht einnial beschickt hat, während zu den Tagungen der Landwirtschaft der Reichskanzler in eigener Person erscheint und bei den Tagungen der Äausleute der Handelsminister. In der Frage, ob die Zuständigkeit der Amtsgerichte zu erhöhen ist, sind meine Freunde verschiedener Ansicht; ein Teil, zu denen auch ich gehöre, will an der bisherigen Höhe von Ml) M. festhalten. Weient- lich für diese Stellungnahme ist der Umstand, daß das Verfahren vor einem Kollegialgerickt stets den vor dem Einzelgericht vorzuziehen ist. Ein Düsseldorfer   Amtsrichter hak letzthin ent- schieden, daß die für ein H e i n e° D e n k ma l gesammelten Gelder als zu emem uumoralrschcnZweck gesammelt zu be- i rächten seien.(HörtI hörtl) Etwas Derartiges halte ich bei einem Kollegialgericht für unmöglich. Man sagt, daß die Novelle überhaupt nicht im Reichsjustizamt entstanden ift, sondern im preußischen Justizministerium, und der Umstand, daß gestern und beute der preußische Justizminister anwesend ist, scheint für die Richtigkeit dieser Auffassung zu sprechen� Wenn aber der preußische Justizminister wünscht, daß noch irgendetwas von der ganzen Reform gerettet werde, so möge er dafür sorgen, daß von Grund aus' ausgerottet werde der Krebsschaden d e S preußischen SilfsrichtertumS. lSehr richtig! bei den Freisinnigen.) Mit der Ueberwcisung der Vorlage an eine Kom- Mission von 21 Mitgliedern find meine Freunde einverstanden. Preußischer Justizminister Bcscler: Alle Redner sind darin einig gewesen, daß das heutige Zivilprozehverfahren ver- kleines feuilleton. Herbst im Grunewald  . Vom Bahnhof Grunetvald aus, den wir in der Fahrtrichtung nach rechts Verlasien, zeigen gegen- über dem Hauptausgang Wegtaseln nach Pichelsberge und Pichels- wetber. Bald im bohen Walde, bald an eingegatterteu Schonungen  vorbei führt der Weg durch den Wald, der keine Blüte mehr bietet. Dann geht es m welligem Gelände auf und ab durch Buchten, die verdorrtes Farrnkvaut braun verkleidet. Ter Zipfel eines Mpores streckt sich vom Gebiete des Teufelsees hierher. An ihm entlang geht es weiter. Das Moor ist stunmi und tot. Der Hauch des Eises hat seinen Grund erfaßt. Wie es im Frühjahr nur spät crtoacht, so geht es früh wieder zur Ruhe. Wir erreichen, indem wir unS an den Wegweiser nach Pichclswerdcr halten, den Teufels- groben, der uns zur Havel   führt. Bald sieht zwischen den Bäumen eine Lichtung hervor: aogeholzte Waldhänae üver einem großen Wasserbecken. Hier ist der Sand herausgeschafft worden, den der Damm der Döberitzer Heerstraße vcvschlungen hat, und über die Tiefe hat sich ein Wasserspiegel gebreitet, ein See, in seiner Kahl- heit den alten Grunewaldseen höchst unähnlich. Ader einen Vorzug besitzt er doch. Scharen von weißen Möven bevölkern ihn. Teils sitzen sie ruhig am llfer, teils auf dem Wasser, um beim Nahen des Wanderers in großen Flügen ohne besondere Haft den Platz zu wechseln und dabei wie die Tauben gemeinsam einzuschwenken. Wir kommen auf die Grunewaldchaussee und sehen rechts den Damm der Heerstraße das schöne Havelvild unangenehm zerreißen. Die Sechserbrücke führt uns auf den PichelSwerder, Ivo ein Rund- gang am Ufer daS Landschaftsbild am besten erschließt. Wieder auf der Chaussee angelangt, wenden wir uns südlich nach Schildhorn, um von hier nach dem Bahnhof zurückzukehren, falls wir nicht vor- ziehen, noch weiter, bis Schlachtensee oder Wannsee  , zu wandern. Krähen, die sich zänkisch aus den Wipfeln unterhalten. Eich- Hörnchen, die eisfertig Vorräte sammeln. Kohlmeisen, die un- ermüdlich durch die Äefte huschen und manche Spechtart, deren Gehaben uns vertraut ist, werden uns ab und zu auffallen und der Beobachtung Stoff bieten. Bisweilen wird auch ein Trupp zier- licher Spechtmeisen sichtbar, ein auf dem Rücken hübsch blaugrau gefärbtes Vögclchen, das gewandt wie eine Maus iopfüber-kopf- unter an den Kiefern auf und ab läuft und die Rinde nach aller- Hand kleinem Getier absucht, das sich in den Ritzen verbirgt. Ab und zu bleibt das Tierchen stehen, um nach Spechrart auf die Rinde einzuhauen, daß die Späbne fliegen. Während die Spechte dabei mit Hals und Schnabel tätig sind, während sie sich auf den Schwanz stützen, bildet bei der Spechtmeise der ganze Leib den Hammer, der durch Vor- und Rückschnellen den spitzen Schnabel in die Rinde treibt. Das Tierchen l)ätte sonst nicht die nötige Kraft, und es dringt auch nur in die Rinde) nicht ins Holz, wie feine größeren Verwandten. Und so gibt es um diese Jahreszeit noch manches Tierlein im Grunewaldc» das den aufmerksamen Beobachter lang- zu fesseln vermag. Mufit. _ Exklusive nicht nur den Eintrittspreisen nach: so rufen unsere kilsisicn Konzerte ngch Ergänzungen. DaS Blüthncrsaal- des Jmülü" besserungsbedürftig ist. Eine allgemeinere Neuregelung des Zivil- Prozesses haben wir nicht vorschlagen können, weil die Ansichten über einige wichtige Probleme noch nicht geklärt sind, über den Wert des mündlichen Verfahrens, über die Stellung der Anwalt- schaft und über die Notwendigkeit der Wiedereinführung der Evcntualmaxime.(Fristfestsctzung für neue Beweisanträge.) Es wird noch lange dauern, ehe darüber die nötige Klärung geschaffen sein wird. Was die Vorlage anlangt, so sind wir bereit, alle Erwägungen der Vorredner in der Kommission eingehend zu prüfen. Für die Erhöhung der Kompetenz der Amtsgerichte spricht unsere Rechtsentwickelung, die den Ein.zelrichter mehr in den Vordergrund treten läßt. In der Forderung der möglichsten Beschränkung des HilfsrichtertumS sind wohl alle Parteien einig; am besten wird dies durch die Annahme des Gesetz- entwurfes erreicht, durch welche ja die etatsmäßigen Richterstcllcn erheblich vermehrt werden. Die Befürchtung, daß die Anwaltschaft durch das Gesetz Sdhaden erleidet, ist übertrieben. Es handelt sich nur um die Anwälte bei den Landgerichten, von denen aber ein Teil zu den Amtsgerichten übergehen kann, wo eine vermehrte Veschäfiigung eintreten wird. Nehmen Sie den Entwurf an, der etwas Nützliches und Gutes schafft. Abg. Dr. Frank- Mannheim(Soz.): Mit einer KommissionLberatung sind auch meine Freunde ein- verstanden, doch widerstehe ich nur schwer der Versuchung, Ihnen vorzuschlagen, die Novelle an die Kommission zur B e- ratüng der Reichsfinanzresorm zu verweisen. Denn die Vorlage ist so ganz vom Geiste der Fiskalität durchweht, es sollen in die Kassen der Einzelstaaten recht viele und hohe Gerichtsgebühren fließen, und ferner soll recht viel Geld gespart werden durch Vermeidung neuer Richterstellen. Die Motive drücken das so aus: Die Justiz- pflege soll verbilligt werden. Außerdem sagen sie, die Justiz soll schnell und billig arbeiten. Dieses Ideal würden auch meine Freunde gern annehmen; aber das Versahren vor den Land- und Oberlandesgerichten ist davon ebensoweit entfernt wie der Amts- gerichtsprozeß. Deshalb wundern wir uns, daß nur dieser re- formiert werden soll. DaS Volk wird es nicht verstehen, daß es in der ersten Jnstang. vor den Amtsgerichten, schnell und billig Recht finden soll, in der zweiten Instanz teuer und langsam. Der Vorlvurf der Halbheit gegen den Ent» wurf ist daher durchaus begründet. Als ein Notgesetz zur Ein- richtung besonderer Gerichtshöfe für die Jugend verlangt wurde, verwies der Staatssekretär auf den großen Tag der allgemeinen Strafprozeßreform; damals sagte er, man solle nicht aus dem großen Gebäude einen einzelnen Stein herausgreifen. Heute aber will man aus dem großen Gebiete der Zivilprozeßreform einen kleinen Teil herausnehmen, angeblich, um wirtschaftliche Jnter- essen zu fördern. Auf den Nachweis hierfür habe ich vergeblich gewartet. Wirtschaftliche Erwägungen mögen bei der Abfassung des Entwurfes mitgesprochen baden; doch handelt cL sich nicht um eine Förderung der wirtschaftlichen Interessen des rechtsuchenden Publikums, sondern um die des Fiskus.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Man will uns den Bissen schmackhaft machen durch die Versicherung, daß das Verfahren vor den Amts- g c r i ch t e n dem vor den Gewerbe- und Kaufmanns- gerichten angenähert werden soll. DaS mag für einzelne prozeßtechnische Dinge zutreffen, aber die Hauptsache fehlt, das, was den sondergcrichten das Vertrauen des Volkes bringt, nämlich die Tatsache, daß die Mehrheit der Richter aus der Wahl der Masse hervorgehe«.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die sogenannte Verbilligung des amtsgerichtlichen Verfahrens besteht darin, daß man für die auf Antrag der Parteien auszufertigenden Abschriften usw. statt 10 Pf. 2b Pf. pro Seite berechnen wird, was eine Mehrausgabe von etwa 3 Millionen für das rechtsuchende Publikum gleichkommt(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten), und ferner darin, daß künftig nach dem vierten Termin Strasgcbühren angesetzt iverden müssen, was eine Mehrbelastung von einer Million pro Jahr ausmacht. Diese Pille sucht man zu verzuckern durch Erweiterung der Kompetenz der Amtsgerichte, die zur Folge haben toird, daß künftig für mehr als die Hälfte der bisher landgerichtlichen Prozesse kein Anwaltszwang bestehen wird. Wir sind immer für die Beseitigung des Anwalts- gwangeS eingetreten. Wir ljalten es seit dem Bestehen der all- gemeinen Schulpflicht nicht mehr für berechtigt, jeden Bürger zu zwingen, auch die einfachsten Sachen durch einen Anwalt führen Orchester versucht nun außer seinen Sonntagskonzerten noch eigensPopuläre Sh m Phon i eko n z e r t e". Donnerstag fand das erste statt; das Datum des zweiten ist noch unbestimmt. Im einzige» Vertrauen auf eigene Leistungen und auf die Nach- frage des Publikums wagt es ein schwieriges Unternehmen, ohne Stütze durch eine großinoustrielle Basis, durch tlangvolle Namen und dergleichen. Nun istö an uns, ihm entgegenzukommen. Die Wahl der Stücke des ersten und vermutlich auch der nächsten Konzerte geht darauf aus, künstlerisch Wertvolles zu bringen, das zugleich leicht zu fassen ist und dabei das Publikum vom Zugänglichsten allmählich zu Schwierigerem weiterzuführen. Unsere alten Bedenken gegen die landläufige Einrichtung volks- tümlicher Konzerte mögen mal beiseite bleiben. Statt dessen glauben wir, Bericht und Kritik und Verständigung am chesteu durch folgendes vermitteln zu können. Voraussichtlich werden auch die nächsten Konzerte sowohl Aelteres (Klassisches") wie auch Neueres(Jungdeutsches" undModernes") vorführen. Hie Schuberts Rosamundenouverture und Beethoven  » 2. Symphonie(nächstens die 3., die sogenannte heroische); hie zwei Kleinigkeiten aus Norwegen   und Finnland   sowie Liszts shm- phonische DichtungMazeppa  ". Das war nämlich das Eröffnungs- Programm. Nun unterscheidet auch- ein Unerfahrener leicht: dort gebundenere Formen,metrische" Geschlossenheit,architektonischer" Aufbau- alles wie letzte Reste von Tanz und Marsch; hier freiere Formen und besonders ein Hinübersluten über die Akzente des Taktes, über die Tanz- und Marschreste. W i e wünschen wir nun die älteren Kompositionen gespielt: mit Betonung der Ab- hängigkeit von den metrischen Elementen oder mit deren Ueber- Windung? Der neue Dirigent dieser und anderer Konzerte deö Blüthner- saalcs, Ferdinand Neisser, hält seine Sache so, daß er den Freunden der älteren Weise am ehesten gefällt; und zufrieden würde mit ihm wohl auch z. B. Schubert sein.> DaS Scherzo der 2. Beethovenschen Symphonie von neulich und das der 3. von nächstens können lvir uns� sogar kaum anders depken. Aber wollen wir die übrigen Sätze' öbenso tanzartig hören? Hier schließt unsere Weisung und will der eigenen Geschmacks- bildung des Hörers nicht vorgreifen, will nur noch beiden Teilen sagen:Gut Glück für alles Weiterei"-> tz. Humor und Satire. Boshaft. Ein junger praktischer Arzt ohne Praxis ver- läßt seine Wohnung aus kurze Zeit und schreibt auf die Tafel seines Wartezimmers:Ich komme in fünfzehn Minuten wieder zurück." Als er heimkommt, steht darunter:Warum?" Verkehrte Wirkung. Bicrdimpßl:Zuerst bringt mir der Mensch a' alkoholfreies Bier, jetzt a' nikotmfrcie Zigarr' da soll ma' nacha nct gifti' wcr'n!" Verplappert. Versicherungsagent:... Die Hagelversicherung ist ebenso sa wichtig wie die Feuerversicherungl" Bauer:Dös is net wahr! B renn astann's leicht amal aber hageln kam: ma'ö net lass'nk"(»Flieg. Bl."); Zonnabend. 7. November 1908. zn lassen. Aber die Abschaffung des Anwaltzwanges bringt für dis Arbeiter auch gewisse Nachteile mit sich. Es wirb dadurch bei Pro- zessen über 300 M. der Anspruch des Arbeiters, dem da» Armen- recht bewilligt wird, auf Stellung eine» Anwalts durch das Gericht beseitigt. Nun sind aber gerade die Lohnarbeiter selten in der Lage, falls mehr als ein Termin notwendig ist, die Termine selbst wahrzunehmen. Daher ist es dringend notwendig, daß die von den Arbeitern selbstgeschaffene Vertretung, die Arbeitersekretäre» gesetzlich anerkannt werden.(Sehr richtig! bei den Sozialoemo- kraten.) Diese Vertreter können heute unmöglich mit der not- wendigen Entschiedenheit gegen den Richter vorgehen, wenn sie riskieren müssen, daß sie n a ch W i l l k ü r wie Schuljungen weggejagt werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.); Mit einer mäßigen Erhöhung des Streitwertes bei den Amts- gerichten sind wir einverstanden. Die Notwendigkeit aber, in so weitgehendem Maße Prozesse von Landgerichten nach dem Amts- gericht hinüberzüschieben, ist bisher nicht bewiesen worden. Der Herr Staatssekretär hat die rhetorische Frage an uns gerichtet, ob sich etwa die Amtsgerichte nicht bewährt hätten! Mit solchen all- gemcineid Lobsprüchen ist heute nicht viel anzufangen. Da» war in den ersten beioen Jahrzehnten des neuen deutschen Reiche? üblich, daß man sagte: den deutschen Landrichter, den deutschen Leutnant, den deutschen Geheimrat macht utis niemand nach. Heute trifft das nicht mehr zu, heute gibt es ganz andere Dinge, die und niemand mehr nachmacht.(Große Heiterkeit und Sehr gut! links.) Ich will den Fragen des Herrn Staats- sekretärS ein paar ganz nüchterne Fragen entgegenstellen. Ist es nicht wahr, daß ein großer Teil der deutschen Amisgerichte durch Assessoren und durch Hilfsrichter verwaltet wird, die alle Tage wcckseln und die mit dem Dezirk, in dem fte amtieren, vielfach keine Fühlung haben? Und wird nicht durch die Verweisung so vieler Prozesse an das Amtsgericht die Rechtseinheil ganz erheblich ge- fährdet? Diese schweren Nachteile liegen offen zutage, die Vor- teile sind da» Geheimnis der Negierung. Der eigeniliche Grund der Reform kann also nur sein: Man will Geld sparen. Und wenn der preußische Herr Justizminister auch noch so feierlich erklärt, daß sein Getvissen in dem Punkte gut sei, wir haben in den letzten Wochen erfahren,'daß manchmal Dinge geschehen, bei bestem Gewissen, ohne daß die Leute die wichtigsten Dokumente gelesen haben.(Heiterkeit und Sehr gut k links.) Amtsrichter sind eben billiger als Landgcrichtsräte und Oberlandgerichtsräte, vor allem, wenn man eine große Zahl von Stellen mit Assessoren und Hilfsrichtern besetzt. Man sucht nun die Verbilligung dadurch jju beweisen, daß die Nnwaltsgebühren wegfallen oder sich ermaßigen würden. Die Herabsetzung der Scdreibegebühren der Anwälte wird aber die Entlassung oder noch schlechtere Entlohnung der Anwalts- gehilfen, oer sogenannten Proletarier der Schreibstube, zur Folge haben. Das muß besonders jetzt in der Zeit der Krise unter allen Umständen vermieden werden. Wir sind bereit, in der Kom- Mission mitzuarbeiten, vorläufig bringt die Vorlage aber nur eins Verteuerung und Verschlechterung der deutschen Rechtspflege. (Bravo t bei den Sozialdemokraten.) Abg. Barenhorst(Rp.) begrüßt im allgemeinen die Vorlage. Gerade wer die Beseitigung des tzilfsrichtertums wünscht, sollte sich für die Vorschläge der Vorlage erklären. Die Erhöhung der Zustandigkeitssumme und die Vereinfachung des amiLgerichllichen Verfahrens sind die beiden Hauptvorzüge des Entwurfes.(Lei- fall recht».) Abg. Grüfe-Weimar(Wirtsch. Vgg.) begrüßt ebenfalls die Vorlage. Der Juristentag hat sich allerdings dagegen ausgesprochen, aber dort war mehr Gelehrsamkeit als praktische Erfahrung ver- treten, und außerdem wog das rechtsanwaltliche Element vor. Wann wird das heiße Sehnen der Gerichtsschreiber erfüllt werden, daß sie endlich statt des herabwürdigenden Schreibertitels den wohlver- dienten NamenSekretäre" erhalten?(Beifall bei der Wirtschaft- lichen Vereinigung.) Abg. Werner(Ant.): Im Volk ist man von der Dringlichkeit dieser Reform überzeugt, die Erhöhung der Zuständigkeit der Amis- gerichte, die sie bringt, ist gerade für den Mittelstand von außer- ordentlichem Vorteil.(Bravo  ! bei den Antisemiten.) Abg. Dr. Thaler(Z.): Ein Teil meiner Freunde steht der Vor- läge prinzipiell ablehnend gegenüber; denn die in Aussicht ge- nommcne Reform sollte sich uichr auf die Zivilprozeßordnung allein beschränken und namentlich nicht bloß auf daS amtsgericht­liche Verfahren Dagegen sind wir bereit, jedes Opfer zu bringen Notizen. Rudolf Wilke  . einer der besten deutschen   Kari- katuristen, ist am Mittwoch in Braunschweig   gestorben. Schon durch seine ersten Veröffentlichungen in derJugend" erzwang' er allgemeine Beachtung, die ihm später, alsSimplirissimus". Zeichner, in immer höherem Maße zuteil wurde. Als Spötter kam er nur gelegentlich; die humoristische Auffassung de» Menschenlebens und der Geschehnisse des Tages' lagen ihm mehr. Am bekanntesten geworden sind seineKinder der Straße". In seinen� Schwarz-Weiß-Zeichnungen lag ein malerischer, fast farbiger Reiz. Mit wenigen, ionturiercnden Linien erzielte er hohe Effekte, zumal er stets daS Charakteristische des Vorganges oder der Figuren traf, die sein Stift auf daö Papier warf. Wille ift nur Jahre alt geworden. Eine Ausstellung fürTrachtenpuppen und plastische Karikature n" ist im H o h e n z o l l e r n« Kunstgewerbehaus eröffnet worden. Einjiddisches Theater" besitzt, gleich London   und New Dork, neuerdings auch Paris  . Hier in der Rue Si. Denis versammeln sich zu jeder Vorstellung in dichten Scharen die rumänischen, polnischen, galizischen und rujsischen Juden, die in Paris   leben oder auf der Durchreise längere Zeit sich aufhalten. Es sind dieselben Stücke, wie die in den New Dorker und Londoner  jiddischen Theatern bekannten, die in Paris   aufgeführt werden, teil» rein jiddische Stücke, teils Uebersetzungen von Meisterwerken in die jiddische Sprach:. So wirdKönig Lear" gegeben, bisweilen auch Werke, die ihre Motive der Bibel entlehn«,, wieDie Harfen Davids". Bisweilen kommt auch die Gegenwart gu Worte; so wurde vor kurzem ein modernes Stück gegebm, in dem Dreysuv als Held auftrat und allerlei bekannte Persönlichkeiten aus oen Tagen de» Prozesses, wie Picquart und andere, auftauchten. Di- Theaterzettel sind hebräisch gedruckt, in den Pausen wandeln ge- schäftsuchende Hausierer durch die Zuschauerreihen, aber während der Vorstellungen haften alle Blicke an der Bühne und man fühlt, daß dieses Publikum mit starker Leidenschaftlichkeit die Geschehnisse des Stückes miterlebt und verarbeitet. Alkohol und Auge. Jedem Augen- und Nerven- arzt, der viele Alloholiker zu behandeln hat, sind Schädigungen der Augen durch den Alkohol bekannt. So berichtet neuerdings Dr. Schenk. Arzt an den Heil- und Pflegeanstalten für Alkobolkranic in Lintorf, daß ihm Alkoholiker öfters Klagen über Sebstörungen äußerten. Auch die Farbenempfinduiig ist manchmal herabgei'etzt, so daß die davon Befallenen alle Gegenstände in'grünlichem Farbenton sehen. Bei völliger Enthaltsamieit bessert sich oft daS Augenlicht, so daß für Augengläser schwächere Nummern gebraucht werden können. Diese Veränderungen hängen mit dem über- mäßigen Alklcholgcnuß Zusammen, sie müssen al» Lähmungen auf- gesaßt werden und sie schwinden wieder nach Ausschaltung des lähmenden GifteS. Im Uimschen Hospital für Augenkrantc in London   fand man chronische Bindehautk�tarrhe, NachiAindheh. Schwächst-btigkeit und Lähmungen der Augenmuskeln als Folge des übermäßigen Alkoholgenusses. Alle diese KrankHeiten sin! heikbar. wenn man die Kranken ztim Verzicht ans den Atkodch bringen kann»-.