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Nr. 269. 25. Jahrgang.

Reichstag .

1. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sontag, 15. November 1908.

162. Sigung, Sonnabend, den 14. November, 11 Uhr vormittags.

Am Bundesratstisch b. Bethmann- Hollweg . Die Besprechung der Interpellationen über die Maßnahmen gegen die Folgen der wirtschaftlichen Krisis wird fortgesetzt.

Abg. Dr. Boehme( Wirtsch. Vg.): Der Vorschlag eines Not­ctats ist uns durchaus sympathisch. Herr Gothein hat unsere Wirtschaftspolitik für die Krise verantwortlich gemacht. Dem­gegenüber stelle ich fest, daß in England die Arbeitslosigkeit viel größer ist als bei uns. Auch in den anderen europäischen Frei­handelsländern, wie z. B. den Niederlanden , ist die Arbeits­losigkeit sehr groß. Mit aller Entschiedenheit verlangen wir, daß die privaten Arbeitsnachweise beseitigt, daß die Arbeitsvermittlung verstaatlicht wird; die private Arbeitsvermittlung hat sich als unfähig erwiesen, den notwendigen Ausgleich zwischen Orten mit Arbeitermangel und solchen mit ueberangebot von Arbeitskräften herbeizuführen. Ganz ungefund ist es weiter, daß Gruben­verwaltungen, in deren Gebiet Arbeitslosigkeit herrscht, in Gebieten mit Arbeitermangel, namentlich landwirtschaftlichen Gebieten, nach neuen Arbeitskräften suchen. An der ungefunden Landflucht hat aber auch die verhebende Agitation der Sozialdemokratie unter den Landarbeitern schuld; damit trägt sie bei zu der Arbeitslosigkeit in den großen Städten. Mit aller Entschiedenheit muß auch vor gegangen werden gegen das Vordringen des Ausländertums in den Industriebezirken. Für geboten halten auch wir regelmäßig wiederholte Arbeitslosenzählungen. Ferner halten wir die Ver­staatlichung des Kohlenbergbaus für notwendig. Abg. Brejsti( Pole): Die Erklärung des Herrn Staats­sekretärs, eine Reichsarbeitslosenversicherung könne nicht von heute auf morgen herbeigeführt werden, hat uns um so mehr verwundert, als die Regierung so leicht bei der Hand ist, von heute auf morgen Ausnahmegesebe zu machen.( Sehr gut! b. d. Polen .) Die weitere Erklärung, an eine solche Versicherung durch das Reich sei überhaupt nicht zu denken, war sehr unvorsichtig in dem Moment, wo dem Prinzen Eitel Friedrich von den Arbeitern in Hamm ein Empfang bereitet ist wie noch nie einem Prinzen. Und die Arbeiter haben ganz recht mit ihrer Empörung, denn schon vor 10 bis 14 Tagen sind auf der Zeche kleine Explosionen vorgekommen!

Die Bergbehörde hätte die Pflicht gehabt, die Reviere zu sperren, wo die Explosionen vorkamen. Statt bessen hat man nur das Feuer gelöscht.

Erstaunt war ich auch über die Erklärung des Staatssekretärs, daß es an Forstarbeitern fehlt. Diesem Mangel wäre bald ab­geholfen, wenn die Forstverwaltung einigermaßen anständige Löhne zahlen und die Koalitions- und politische Freiheit der Ar­beiter nicht einschränken würde.( Sehr wahr! b. d. Soz.) Viele Arbeiter, die nur durch trügerische Versprechungen von Agenten nach dem Westen gelodt sind, würden übrigens gern nach dem Often zurückkehren, wenn sie nur das nötige Reisegeld hätten. Wir legen das Hauptgewicht auf die Arbeitslosenversicherung, die notwendiger ist als die Invalidenversicherung. Ein alter invalider. Arbeiter wird von seinen Angehörigen unterhalten, aber ein Vater von vielen unmündigen Kindern, der in den besten Jahren seine Arbeit verliert, gerät in die größte Not.( Bravo ! b. d. Polen .) Abg. Severing( Soz.):

Der Herr Staatssekretär knüpfte gestern an sein Bedauern über die Katastrophe in Hamm die Mitteilung, daß die Ursachen der Katastrophe noch nicht festgestellt seien. Diese Mitteilung steht in wohltuendem Gegensatz zu einer Aeußerung des Handelsministers Delbrück , die er gestern nach dem Bericht des Berl. Tagebl." in einer Konferenz in Hamm gemacht haben soll. Danach betonte er, er habe den festen Eindruck gewonnen, daß keinerlei Verstöße der Zechenverwaltung und der Betriebsleitung gegen die berg­polizeilichen Vorschriften zu konstatieren seien!( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten. Zuruf: Wie gewöhnlich!) Die Ar­beiter stehen im Gegensaß dazu allgemein unter dem Eindruck, daß die Verantwortung für die Katastrophe allein die Verwaltung

Kleines feuilleton.

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trifft. Herr Wiedeberg bestätigt mir das eben; er war gestern|( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Lerufung auf die dort, hat sich unerkannt unter die Arbeiter gemischt und überall Ausfuhrziffern hat Herr Gothein schon zurückgewiesen. Mit ihnen diese Ansicht gehört.( Hört! hört! b. d. Soz.) Der Herr Handels- läßt sich der Grad der Arbeitslosigkeit nicht erfassen, weil z. B. minister fann bei seiner Behauptung nur annehmen, daß entweder das Baugewerbe an der Ausfuhr nicht beteiligt ist. Weiter fehlen höhere Gewalt vorliegt oder daß den umgekommenen Arbeitern die Angaben über die Lagerbestände. Auch die Angaben des Reichs­und Unterbeamten eine Schuld beizumessen sei. Sollte diese Auf- arbeitsblatts" geben kein erschöpfendes Bild über die Arbeitslosig­fassung bei dem Herrn Minister vorliegen, so erhebe ich im Namen feit. Die Gewerkschaften, welche an das Reichsamt des Innern der deutschen Bergarbeiter und der deutschen Arbeiterschaft ent- berichtet haben, umfassen leider nur eine geringe Zahl der Berufs­schiedensten Protest gegen diese Beschimpfung.( Lebhafte Zu- angehörigen, auch haben die Krankenkassen und Arbeitsnachweise stimmung bei den Sozialdemokraten.) Wie die Arbeiterbevölkerung nur in beschränktem Umfange berichtet. Ebensowenig läßt sich aus im Hammer Bezirk über die Sache denkt, beweisen die Zeitungs - dem Verkauf der Invalidenmarken etwas folgern, da die Arbeiter, nachrichten über den Empfang des Prinzen Eitel- Friedrich. Die welche zwei oder drei Tage in der Woche aussehen, doch Marken Arbeiter fordern in einer Deputation an ihn ein fleben. Der sicherste Gradmesser über den Umfang der Arbeitss. losigkeit ist die Einschränkung der Produktion,

Reichsberggesetz und Anstellung von Arbeiter: fontrolleuren,

da sie überzeugt sind, daß die Erfüllung dieser Wünsche solche Katastrophen vermindern würde.( Sehr richtig! bei den Sozial demokraten und im Zentrum.) Es ist übrigens für die Haltung der Reichs- und Staatsbehörden den Arbeitern gegenüber sehr be­zeichnend, daß zu der erwähnten Konferenz kein einziger Arbeiter hinzugezogen ist.( Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemo­

fraten.)

will ich mich auf eine Zukunftsstaatsdebatte nicht einlassen. Uns Wenn ich nun furz auf die gestrige Debatte zurüdfomme, so könnte es nur erwünscht sein, wenn die Herren es einmal auf das Experiment ankommen ließen, uns die Produktion regeln zu lassen. Aber sie tun ja alles andere: sozialdemokratischen Stadträten wird die Bestätigung versagt, man läßt Sozialdemokraten nicht in die Schuldeputation, furz, wenn Sozialdemokraten positive, Arbeiten berrichten wollen, so schlägt man ihnen die Tür vor der Nase zu. ( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) In Australien ist ja nun das neue Ministerium aus Sozialisten zusammengesezt. Ich die wir hier zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorschlagen, durch bin überzeugt, daß dies Ministerium sehr viel von den Vorschlägen, führen wird. Wir wollen durchaus keine deutsche sozialistische Robinsonade, sondern wir wollen die Welt für den sozialistischen Gedanken erobern. Im übrigen bin ich überzeugt, daß, wenn wir in Deutschland die Macht hätten, wie jest in Australien , der Spruch:" Deutschland in der Welt voran!" weit mehr zutreffen

würde.

Herr Carstens behauptete gestern, es feien ihm Fälle bekannt geworden, daß Arbeiter deswegen einen Verdienst von über 33 M. nicht angeben, weil sie den überschüssigen Teil sonst an die sozial­demokratische Streitfaffe" abgeben müßten. Die Sache verhält sich wahrscheinlich so: Es gibt unter den Arbeitern solche, die die Früh stüde, Mittags- und Vesperpausen nicht berücksichtigen, sondern darauf losschuften und unter Zuhilfenahme dieser Zeit dann höhere Verdienste erzielen als ihre Kollegen, die sich an eine für ihren Störper erträglichere Arbeitsweise gewöhnt haben. Um solche Ueber­griffe zu verhüten, haben vielleicht die Porzellanarbeiter die Be ftimmung getroffen, daß der eine bestimmte Höhe überschreitende Verdienst an die Verbandskaffe abzuführen ist. Jedenfalls ist ein solches Verhalten arbeiterfreundlicher als das Verhalten der Ar­beitgeber, die einfach diktieren, daß, wenn der Verdienst der Ar­beiter eine bestimmte Höhe überschreitet, 2ohnreduzierun­gen oder Akkord abzüge eintreten.( Schr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Die Antwort des Herrn Staatssekretärs hat uns nicht be­friedigt. Wenn es der Regierung mit der Beschäftigung inländischer Arbeiter zuzeiten der Arbeitslosigkeit ernst wäre, so hätte sie in die Bestimmungen über das Verdingungswesen, die dem Reichstag in den letten Tagen zugegangen sind, die Bestimmung aufnehmen müssen, daß bei Arbeitermangel zunächst einheimische Ar­beiter beschäftigt werden. Dabei möchte ich eine feststellen: Wir verlangen durchaus nicht, daß in der Zeit der Arbeitslosigkeit die ausländischen Arbeiter als lästige Ausländer ausgewiesen werden. Uns würde die ganze Frage überhaupt nicht interessieren, wenn die ausländischen Arbeiter in der Bezahlung und Behandlung den einheimischen gleichgestellt würden.( Sehr wahr! bei den Sozial­demokraten.)

Der Arbeitermangel in der Land- und Forstwirtschaft erklärt sich, wie bereits betont, aus den niedrigen Löhnen. In den fiska­lischen Gruben in Oberschlesien und in der Laurahütte wurden 1903 Löhne von 819 M. und 1905 von 887 M. gezahlt, im Westen dagegen betrug die Lohnhöhe 1903: 1327 M. und 1905: 1413 m. zahlen müssen, nur bei der Sozialdemokratie ein Echo finden. Was aber die Worte nicht tun, das machen auch dem Blindesten die aus­nehmend geschickt gewählten photographischen Aufnahmen. Da sieht man, was für das Proletariat und seine Kinder gut genug ist und das Gegenstüd fehlt auch nicht. Diese wahrhaft populäre und anschauliche Art der Agitation und Aufklärung sollte auch bei uns eingeführt werden.

Die Textilindustrie hat, wie gestern schon Molkenbuhr anführte, die aber auch nur für einzelne Industrien statistisch festgestellt ist. cine Produktionseinschränkung von 14 Proz. erfahren. Der Rüd­gang in der Roheisenproduktion beträgt mehr als 10 Proz. Ende September 1907 waren auf deutschen Werften Schiffe mit 232 000 Tonnen im Bau, Ende September 1908 160 000 Tonnen; Arbeiter­entlassungen auf den Werften sind die Folge davon. Auch die Kohlenproduktion ist von der Krise getroffen, Feierschichten werden in großer Menge gemacht, vielfach werden auch Leute entlassen. Krise nicht ein so starker Rückgang der Löhne zu beobachten, wie Herr Pieper meinte gestern, erfreulicherweise sei bei der jeßigen bei der Krise der Jahre 1901/1902. Sein Fraktionskollege Schiffer hätte ihm Aufklärung über den Rückgang der Löhne in der Textil industrie geben können. Nach einer Erhebung des Metallarbeiter verbandes wurden in 6 Lohnperioden das ist 12 Arbeitswochen im 1. Quartal d. J. den einzelnen Kategorien bezahlt: Schleifern 327 M., Schlossern 336 M., und denselben Kategorien im 3. Quar tal: den Schleifern 253, den Schlossern 226 M. Ebenso ist es bei ganz ungeheuer; ich behaupte, sie ist sogar noch größer allen anderen Gruppen. Die Schädigung der Arbeiter ist also als in der Krise der Jahre 1901/02.

wärtige Krise sei nicht so stark, weil seit 1902 die Löhne eine Herr Stresemann meinte, die Schädigung durch die gegen Steigerung erfahren haben, und er hat sich dafür auf den Sozial­demokraten Calwer berufen. Es gibt aber überhaupt keinen Sozialdemokraten, welcher lengnet, daß die Löhne seit 1900 ge= stiegen sind. Die Gewerkschaften sind stolz darauf, daß sie eine solche Steigerung erreicht haben. Feststellen müssen wir aber, daß die Lohnerhöhungen seit 1900 nicht Schritt gehalten haben mit den Preiserhöhungen durch die Lebensmittelteuerung. Freilich hält nan uns oft entgegen, das sei eine beweislose Behauptung. Sch kann Ihnen aber heute einen amtlichen Beweis dafür anführen: Der Direktor des Statistischen Amtes in Straßburg , Dr. Eich mann, hat die Lohnsteigerungen

für 6944 Arbeiter mitgeteilt. Sie betrugen in den verschiedenen Industrien 11,7 bis 16,7 Prozent, in der Landwirtschaft 8,5 Proz. Industrien 11,7 bis 16,7 Prozent, in der Landwirtschaft 8,5 Proz. Gleichzeitig hat er die Preissteigerung der Lebensmittel untersucht. Sie betrug im Jahre 1907 gegenüber dem Jahre 1899 bei Ochsenfleisch 11,7 Prozent, bei Subfleisch 11,1 Prozent, bei Hammelfleisch 15,9 Prozent, bei Kartoffeln 21,2 Prozent, bet Schwarzbrot 15,4 Prozent. Diese Zahlen beziehen sich aber nur auf die Fleischwaren bester Qualität. Bei den geringeren Qualitäten, die vornehmlich von den Arbeitern konsumiert wer­den, ist die Steigerung noch viel größer! Dort ist sie bei Ochsen fleisch 26,5, bei Subfleisch 21,8, bei Hammelfleisch 20,8 Prozent und ganz ebenso verhält es sich mit allen anderen Lebensmitteln. Diefe Ziffern reden eine deutliche Sprache, fie zeigen, daß die Arbeiter bei der Arise 1901/02 sich noch besser gestanden als bei der heutigen.

Den Gewerkschaften fann es zur besonderen Genugtuung ge reichen, daß gestern von allen Rednern ihre hohe Bedeutung namentlich in den Zeiten der Arbeitslosigkeit anerkannt ist. Selbst der Redner der Konservativen hat gestern nicht, wie es sonst von jener Seite geschieht und wie es namentlich Herr v. Dirksen tut, auf die Gewerkschaften als Heber gescholten. Um ihre hohe sozialpolitische Bedeutung zu illustrieren, will ich nur eine Ziffer mitteilen, die zugleich zeigt, welchen großen Umfang die Arbeits­losigkeit angenommen hat: Der Deutsche Metallarbeiterverband denen sich etwas vom Stimmungswandel dieser Zeiten markiert, hätte heute auch der behäbig Loyalste wohl erwartet. Aber die Herren Verfasser waren, nach dem Stück zu urteilen, nicht Bürger dieser Welt. Er haben über allen Wechsel wandelt ihr Geist noch immer in den idyllisch rosigen Gefilden von Mofers jüngstem Leutnant". Wein fie nichts zugelernt, so haben sie doch umsomehr vergessen: die Laune und Geschicklichkeit des Ahnen, die seiner Flachheit mildernde Man Umstände verschaffte. die natürlich in merkte der dürftigen Erfindung, der glücklichen Verlobung der reizenden einer ebenso reizenden jungen Dame ungen Hoheit mit gipfelt, in jedem Zuge die Verlegenheit und das Gequälte an. Von der Beobachtung und temperamentvoll" tede gronie Hoffnungen Herrn v. Schlicht ist man an solche Arbeit schon gewöhnt. Es wäre schade, wenn Turszinski, dessen Groteske Gelbstern" durch Schärfe hervorrief, gleichfalls an diefer Art Gewerbe Gefallen finden sollte. Gespielt wurde flott. Das Publifum schien sich merkwürdigerweise Gespielt wurde flott. Das Publifum schien sich merkwürdigerweise 34 amüsieren.

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Notizen.

dt.

Neue Agitationsmethoden. John C. Chase schildert in den " Dokumenten des Fortschritts" eine von unseren amerika nischen Genossen in dem letzten Wahlfeldzuge zum ersten Male angewendete Agitationsmethode: Jm Mittelpunkt der sozialistischen Bon der amerikanischen Presse. Die Gründe, die die amerikanische Agitation stand eine echt amerikanische Idee, nämlich die Ein­leitung eines Ertrazuges, in dem die Führer der Partei den gan- Breffe veranlassen, skrupellos die tollsten Erfindungen in die Welt zu zen Kontinent durchquerten und dem der Volksmund bald den Bei- feßen und ihren Lesern die wunderbarsten Märchen aufzutischen, ent­namen der rote Zug" gab. Dieser Ertrazug, der von der Partei springen hauptsächlich der Notwendigkeit, unter allen Umständen und stand aus einem Gepädwagen, in dem sich Millionen von Agita- dem Felde zu schlagen. Die Entwickelung der amerikanischen Bresse für den Betrag von 120 000 M. gemietet und betrieben ward, be- mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln die Konkurrenz aus tionsbroschüren befanden, einem Personenwagen und einem in diesen letzten Jahren war geradezu schwindelerregend. Bis vor Schlafwagen mit Speiseraum, alles mit Bildern und Fahnen bunt furzem foliest man in einem an den Corriere d'Italia" ge geschmückt. An den Seiten der Wagen waren große Banner an- richteten Brief aus Amerika - hielt den Reford" der periodischen Presse gebracht mit der Bezeichnung: Extrazug der sozialistischen Wahl- Deutschland mit etwa 6000 Blättern, von denen 800 täglich er­kampagne". In dem Zuge nahmen außer dem Präsidentschafts- ichienen. Jetzt ist Deutschland aber von den Vereinigten Staaten fandidaten, Eugen V. Debs, eine Reihe von anderen sozialistischen weit überflügelt worden, denn die Union zählt nicht weniger als Rednern Blaz, die abwechselnd beim Anhalten des Zuges auf den 2000 Tageszeitungen. Und diese Zeitungen haben ungeheuere Aus­Neue Dramen. Gustav Wied , der lachende Spotts einzelnen Stationen an das Publikum Ansprachen richteten, außer- gaben. Man hat berechnet, daß im amerikanischen Journalismus bogel , hat wieder ein neues Stüd: Thummellumsen auf der dem eine Musikkapelle, die vor- und nachher ihre Weisen spielte. nicht weniger als 800 Millionen Mark angelegt find, und daß er Dresdener Hofbühne aufführen lassen. Aber der Erfolg. den Die Fahrt ging zunächst von Chicago nach Westen bis zur Küste jährlich für Beiträge und Gehälter 200 Millionen Mark ausgibt. 2 × 2-5 erzielte, blieb diesmal vollkommen aus. Die Kleinstadt­des Pazifischen Ozeans, dann nordwärts bis zu den Wäldern der Die großen amerikanischen Zeitungen befizen als Redaktionsgebäude fomödie, die er aus seinem Buche Die leibhafte Bosheit" destillierte, tanadischen Gebirge und zurück durch die blühenden Getreideland- wahre Paläste, die 15-20 Stockwerke hoch sind, Legionen von ist fadenscheinig und wiglos und erhebt sich nicht allzuhoch über die schaften des Nordwestens nach Chicago , eine Distanz von 16 000 Sorrespondenten in allen Weltteilen, ein Heer von Angestellten, Spießbürgerei, die er verspotten will. Kilometer, hierauf oftwärts bis zum Atlantischen Ozean und von Redakteuren, von Sehern und Druckern, von Zeitungsverteilern, Amundsens wissenschaftliche Polarpläne. zurück, etwa 8000 Kilometer. An allen Stationen versammelten Rotationsmaschinen, von denen manche eine balbe Million Der Norweger Amundsen, der an der belgischen Südpolaregpedition sich enorme Menschenmassen. Jeden Tag hielt der Zug etwa zehn- tosten und in der Stunde 300 000 Eremplare liefern können, und an der ersten und zweiten Gjöa- Expedition teilnahm und der mal und beschloß die Tagesfahrt in einer größeren Stadt, wo eine eigene Papiermühlen, Sonderzüge für die Versendung der Morgen- rechte Mann für die wissenschaftliche Ausnutzung einer Nordpolar­Versammlung in einem großen Gaale gehalten ward. In der und der Abendausgaben, eigene Telephon- und Telegrabenlinien usw. expedition ist, sprach in der Geographischen Gesellschaft zu Chriftiania Stadt Omaha war die Versammlung von 6000, in Cansas City Eine so gewaltige journalistische Macht kann natürlich nur durch über feine neuen Pläne. Er will mit" Fram", dem alten Schiffe von 10 000, in San Diego bon 15 000 Personen besucht und ähnlich außergewöhnliche Mittel aufrecht erhalten werden, und eines dieser Nanfens, 1910 über San Francisco nach dem nördlichsten in den anderen Städten des Westens. Ungefähr 1000 Städte und außergewöhnlichen Hülfsmittel ist die ganz außergewöhnliche ameri- Punkte Amerikas ( der Barowschen Landzunge) vorstoßen und dann Ansiedlungen wurden auf dieser Reise berührt, und die Hoffnungen fanische Reklame, für welche jährlich und zwar in der Presse mit etwa 10 Seeleuten möglichst weit ins Treibeis vordringen. der Partei auf starke Vermehrung ihrer Stimmenzahl beruhen vor allein!-mehr als 2500 Mill. Mark ausgegeben werden. Eine ganze Sobald das Schiff feſtliegt, will Amundsen feine wissenschaftlichen allem auf diesem neu gearteten Agitationsmittel. Seite eines großen Blattes kann für eine einzige Nummer Beobachtungen und Feststellungen am Gismeere beginnen, er hofft Unsere österreichischen Genossen haben diesen Herbst in 15 000 bis 20 000 Mart foften. Eine Seifenfirma zahlt jähr über die Strömungen, die Temperaturverhältnisse, den Salzgehalt dem Landtagswahlkampfe übrigens gleichfalls eine neue Agita- lich an eine bekannte Frauenzeitung für bloße Reflame des Meeres, seinen Untergrund und besonders auch über das Nord­nonsmethode erprobt, die vielleicht nicht minder eindringlich und 200 000 Mark! Die Reflame und die Annoncen allein machen es licht neues Material beschaffen zu können. Die Reise, die also wirksam ist als die amerikanische Art. Im Wiener Landtagswahl- aber auch nicht: die Blätter brauchen außerdem noch Tausende und wesentlich wissenschaftlich- ozeanographische Zwecke verfolgt, ist auf bezirk Meidling wurde jedem Wähler eine sehr geschmackvoll aus- Millionen von Lesern, wem sie ihre Unkosten decken wollen. Um sieben Jahre berechnet. gestattete Broschüre ins Haus gebracht, in der unser Landtags- diefe Lesermassen heranzuziehen und festzuhalten, wendet man die fandidat May Winter in Wort und Bild höchst anschaulich und in seltsamsten Mittel an. Was Wunder also, wenn man den Neigungen, die Augen springend den Einwohnern seines Wahlbezirks nahe- den Leidenschaften, den mehr oder minder vulgären Instinkten durch bringt, wie ihre Interessen die der Arbeiter und der kleinen die Verbreitung der sensationellsten, der abenteuerlichsten, der un­Leute von den herrschenden Christlichsozialen schmählich ver- glaublichsten Geschichten gerecht zu werden sucht. absäumt werden. Genosse Winter hat als frischer Schilderer und Theater. scharfer Beobachter österreichischer Arbeiterschichten sich bekannt gemacht. Kein Wunder, daß er auch diesmal den rechten Ton zu treffen weiß. Er plaudert mit seinen Lesern und bietet ihnen Stizzen aus ihrem eigenen Dasein usw. Er weiß nur zu gut, to sie der Schuh drückt, und ehe sich die Hausfrau versieht, hat sie selber das Wort. Und da stellt es sich dann bald heraus, daß die Klagen der Schichten, die immer in jedem Sinne die Beche

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Ein Museum für Polarforschung soll am 15. Januar 1909 in Brüssel eröffnet werden.

193 Kilometer in der Stunde. Aus New York wird berichtet: Die Pennsylvania - Eisenbahn steht im Begriffe, ihren Be trieb auf der 193 Kilometer langen Strecke von New York nach Philadelphia elektrisch zu gestalten und mit dieser Umwandlung soll eine außerordentliche Verkürzung der Fahrzeit Hand in Hand gehen. Friedrich Wilhelmstädtisches Schauspielhaus: Hundert gewaltige elektrische Lokomotiven und Maschinenanlagen von Seine Hoheit", Lustspiel von v. Schlicht und Walter 250 000 Pferdefräften find bereits in Auftrag gegeben, und um den Turszinski. Der Titel ließ an den berühmten Serenissimus fünftigen rasenden Geschwindigkeiten widerstehen zu können, werden helden des Simplicissimus" denken, an jene äßenden Satiren, die Schienen und Oberbau erneuert und verstärkt. Die ganze Strede der Erinnerung jetzt wieder einmal ganz besonders aktuell erscheinen. von 193 Kilometer soll dann in nur einer Stunde zurückgelegt Ein paar spize Stacheln wenigstens, irgend welche Anspielungen, in werden. I

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