(Zuruf bti ben Sozialdemokraten: Sollte!) Vor drei Jahrenlvurde dem Volk« eine ncnc Steuerlast von einer Viertelmilliardeaufgebürdet. Vor fünf Jahren ebenfalls, und jetzt will man wiedereine solche Last ihm zumuten. Das mug dem Fah geradezu denBoden ausschlagen. Solche Steuervorlagen in so kurzen Zwischen-räumen zu machen, dazu gehörtein trauriger Mut,Den besitzenden Klassen die Lasten aufzuerlegen, dazuWürde weniger Mut gehören. Denn die Regierung könnte sich dannauf die Sympathie des Volkes stützen gegenüber der geringen Zahlder Besitzenden, welche die eigenen Taschen zuhalten und die Lastenden Volksmassen aufbürden wollen. Wenn Sie der Regierung jetztdie halbe Milliarde neuer Sieuern bewilligen, so wird unsereFinanzmisere doch nicht beseitigt. Das werden Sie schon nacheinem Jahre bei dem neuen Etat sehen. Dos; eine neue Militärvorlage kommt, steht heute schon fest, wenn Sie es auch ableugne».(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Tie Zickzackpolitik unsererauswärtigen Politik, unsere reaktionäre innere Politik, unsereMilitärwirtschaft sind die Ursachen unsevcr Mifjwirtschafi.lbesserung kann nur geschaffen werden, wenn man sagt:«Niedermit diesem System!"(Lebhaftes Bravo! be» den Sozial-demokraten.)Abg. Fürst Hahfeldt(Rpt.): Der Herr Vorredner hat sich überdie Angelegenheiten verbreitet, die der Gegenstand der Debattender vorigen Woche waren. Ich will ihm auf das Gebiet nichtfolgen, da es stillschweigende Verabredung unter den Parteienwar, auf diesen Gegenstand bei der Steuerdebattc nicht zurück-zukommen.(Sehr richtig! rechts.) Wir können es nur begrüßen,daß der neue Reichsschatzsckretär gleich ganze Arbeit"machenwill und nicht einzeln« Steuern, wie die Banderolensteuer, vorwegeingebracht hat. deren Ablehnung alsdann ein ungünstiges Prä-judiz für das Zustandekommen der Reichsfinanzreforui gewesenwäre. Wir werden prüfen, ob wirklich 500 Millionen nötig sind.sowie: ob die neuen Steuern nicht einen kostspieligen Beamten-apparat erfordern, der einen großen Teil der Neueinnahmen wiederverschlingt.Der Reichskanzler, der gewiß mit Neid AsquithS Redeüber Englands günstige Finanzlage gelesen hat(Heiterkeit),hat mit Recht hervorgehoben. daß mit der unge-sunden, unsere nationale Existenz gefährdenden Schuldenwirt-schaft gebrochen werden mutz. Daß der Finanznot ein Endegemacht werden muß. darüber sind alle Parteien, auch die Sozial-demokratie. einig; aber über die Mittel gehen die Ansichtenauseinander. Durch direkte Steuern kann ma» eine Riesensumme,wie die geforderten SM Millionen, nicht aufbringen. Die alkoho-tischen Getränke und der Tabak müssen die Grundlage der Finanz-resorm bilden.(Sehr richtig! rechts.) Ich habe das auch in derWahlbewegung meinen Breslauer Wählern offen gesagt, und siehaben mich doch gewählt. Mit Offenheit kommt man am weitesten.(Sehr richtig!)Nun zu einzelnen Steuervorschlägen. Ich will mich kurz fassenund Sie nicht solange aufhalten wie— andere.(Große Heiterkeit.)Mit dem Branntweinmonopol hat die Schweiz günstige,Rußland abschreckende Erfahrungen(das Volt wird dort geradezuverpestet) gemacht. Wenn statt deS Monopols eine andere, da»Brcnnereigcwerbe schonendere Form der Branniwcinbesteucrungsich finden lassen sollte, so würden meine Freund« einer solchenden Vorzug geben.— Der Tabak ist kein unentbehrlichcö Genuß-mittel. Er verträgt eine höhere Besteuerung. Ein Tabaksmonopolscheitert an der durch dasselbe notwendig werdenden Milliarden-entschädignng, die Banderolcnsteuer aber dürste zu tragen sein;eventuell sind wir bereit, der Entschädigungsfrage näher zu treten.— Die LiMtsteucr scheint uns annehmbar, zumal doch auch dasPetroleum versteuert ist. Was die Äraftsteucr betrifft, so sehenwir nicht ein, warum einseitig die elektrische und nicht vielmehrjede Kraftübertragung besteuert werden soll.(Ohol links.) Füreine Jnseratenstruer waren meine politischen Freunde stets zuhaben.Der Staatssekretär schlägt nun auch direkte Steuern vor. TerWohlstand ist in Deutschland geringer und schlechter fundiertals in England und grantreich. Wir dürfen nicht die Henneschlachten, die die goldenen Eier legt. Der Besitz ist bereits starkbesteuert. Trotzdem sind wir bereit, in eine Mrhroesteuerung desBesitzes zu willigen.— Gegen die Erbschaftssteuer haben sich sehreinflußreiche Stimmen erhoben.(Lachen links.) Eine Reichs-einkommen- und ReickiZvermögenssteucr sind auS verschiedenenGründen abzulehnen. Gegen die Erbschaftssteuer wendet sich da»Volksempfinden(Sehr richtig! rechts), es ist aber zuzugeben, daßdie meisten Großstaatcn sie besitzen.(Sehr richtig! lints.) Sietrifft freilich den Grundbesitz härter als das mobile Kapital.(Sehrrichtig! rechts.) Nun schlägt allerdings die Vorlage Erleichte-rungen für den Grundbesitz vor.(Sehr wahr! l,nks.)Man könnte darin noch weiter gehen und auch Bibliotheken, Kunst-sammlungen usw. von der Nachlahsteuer ausnehmen. Trotzdembleibt die Rachlaßsteuer fixt meine politischen Freunde unannehm-bar(lebhaftes Hort! Hort? links); wir sind aber bereit, dafürirgendeine andere Form der Besteuerung des Besitzes zu bewilligen.Einer Wrhrsteuer stehen wir sympathisch gegenüber, wir verwerfenaber ihre Vcrquickung mit der Nachloßsteuer.Zu den neuen Einnahmen muß Sparsamkeit treten.Namentlich müssen sich auch die einzelnen Abgeordneten Müßigungauferlegen und nicht immer nur Ausgaben verlangen.An Heer und Marine kann und darf nicht gespart werden!(Zustimmung rechts.) Das neue Programm des Flottenvereinskommt freilich zur unrechten Stunde.(Hört! hört!) DieSozialpolitik muß fortgesetzt werden; Über das Tempo freilich läsitsich streitriu(So! sol bei den Sogialdemokraten.) An Dienst-Wohnungen usw. kam, gespart werden; sie werden vielfach zuluxuriös eingerichtet.— Wenn wir die bOO Millionen bewilligen,siiiv wir bis an die äußerste Grenze der sinanziellen Leistungskraftgegangen.— Wir hoffen, daß die versprochene Abschaffung derFahrkartcnsteuer, die Ermäßigung des OrtsportoS und die Ver-V lligung des Zucker« sich durchführen lassen werden. Die Vorlageist entscheidend für die Gruppierung der Parteien, für ihre Stel-lung gegenüber der Regierung und für die Stellung Deutschlandsim Rate der Völker. Je größer die Mehrheit ist. mit der sie an-.genommen werden wird, um so größer wird der Eindruck imAuslande sein. Ich hoffe, daß sich alle bürgerlichen ißarteien zusammenfinden und einigen werden.(Lebhafter Beifall rechts.)Abg. Raab(Wirt. Per.): Wir freuen uns, daß man unsreinen Wein«ingeschenkt und die Größe des Defizits nicht ver-schleicrt hat. Die Ereignisse, die uns in der vorigen Woche be-schäftigt haben, waren eine schlechte Einleitung der Reichsfinanz.rcsorm. Ader gerade die Blöße, die sich Deutschland in andererBeziehung gegeben hat. muh ein Ansporn sein, wenigstens dieFinanzen in Ordnung zu bringen.— Redner schlägt eineReichsbodenrentenzuwachösteuer vor, freut sich über die versprocheneAufhebung der gahrkartensteuer und die versprochene Verbilligungdes OrtsportoS und behauptet, daß es eigentlich dieselben Leuteseien, die von den direkten wie von indirekten Steuern getroffenivrrden.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Einige der neuenSteuervorschlägc sind geradezu mittelstandsseindlich.Der Redner weichet sich gegen die Tabaksteuervorlage, gegendie Bier- und Weinsteuer. Die Wehrsteuer begrüßen memeFreunde, haben aber schwere Bedenken gegen die Nachlaßsteuer.mit der sie verbunden ist. Sollte die Nachlaßsteuer fallen, so er-warten wir, daß die Regierung doch an der Wehrsteuer, festhält.Die ElektrizitätS- und GaSftcuer lehnen wir ab. sie würde in derHauptsache eine Gewerbesteuer bedeuten. Statt der Anzeigensteuersollte man lieber eine Anzeigen umsatz steuer einfuhren. Zufordern ist vor allem eine Vermehrung der Reichsbetriebe; einReichskalimonopol würde man in weiten Kreisen geradezu alsrettende Tat ansehen; daS Versicherungswesen, die Reichsbantwüßten verstaatlicht werden, das würde dem Reiche zahlreiche Millionen bringen. Ebenso wäre eS mit einem Petroleummonopol. Weiter könnten sämtliche Stempel auf das Reichübernommen werden.— Ter Reichskanzler hat gestern einer Ehr.schränkung de? Luxus' das Wort gesprochen» aber eine Luxussteuerenthält das vorgelegte Gteucrbukctt nicht. Ich gebe zu. daß allediese Steuerborschläge einer sorgfältigen Durcharbeitung bedürfen;auch die Regierung möge sie ernstlich prüfen. Ich will damitschließen.(Allseitiges Bravol) Ja. alles nimmt ein Ende.(GroßeHeiterkeit.) Ich will schließen, aber betonen will ich doch, daßauch wir das Elend unserer Finanzlage anerkennen; ihre Be-scitigung ist eine Lebensfrage für unser Volk. Die Mittel hierfürzu schaffen, ist eine nationale Aufgabe.(Bravol bei der Wirt-schaftlichcn Vereinigung.)Darauf vertagt das HauZ die Wciterbcratung auf Sonn-abend ll Uhr.Schluß Uhr._«apitalimiche verbrechen.Lebendig eingemauert!ES klingt wie ein Roman. Aber es soll grausige Wahr-heit sein, daß auf der Radbodgrube gerade wie in Courriereslebendige Menschen eingemauert worden sind! II Um Kohlenzu retten, war man zu eilfertig mit der Vermauerung undUnterwassersetzung der Schächte. Genosse Leinert teiltegestern im Abgeordnetenhause niit, dem Bergarbeiterverbandsei die Nachricht zugegangen, daß sich zwei Knappen von derRadbodgrube selbst gerettet haben. Uns wird darüber nochdas Nähere mitgeteilt: Ein Lampcnmcistcr erzählte eincniVertrauensmann der Arbeiter: am Unglückstage haben sichzwei Leute, Inhaber der Markennummcrn 563 und 598, durchAufstieg in einem Aufbruch von der II. zur I. Sohle gerettet.Stimmt das, muß es die Verwaltung wissen, und dannwird es schier unbegreiflich, wie man die Rettungsarbeiteneinstellen konnte.Daß nicht alles in Ordnung war, geht auch schon ausden diversen falschen Meldungen hervor. Die„Fftankf. Ztg."berichtete, der Bergmann Gard habe die Aussage, die er demBerichterstatter machte, vor dem Staatsanwalt nicht aufrecht-erhalten. Von anderer Seite wurde sogar behauptet, Gardhabe sich durch Flucht der Verantwortung entziehen wollen.Uns schreibt man über die Angelegenheit:Wir— der Schreiber und ein Vertrauensmann vom Berg.arbeiterverband— standen am 17. November, morgens 1l Uhr,auf dem Zechcnplatz und lasen folgenden Anschlag:„Im„Berliner Lokal-Anzcigcr" steht, das; ein BergmannKarl Meier einem Berichterstatter u. a. erzählt haben soll, erhabe im Revier deS Steigers Earrier gearbeitet. Dort sei amMontag und Dienstag voriger Woche, also während zweiSchichten, kein Tropfen Wasser im Revier gewesen. Dorthabe der Kohlenstaub zuweilen fußhoch gelegen. Es fehle anrichtigen Wetterkontrolleurcn. Die Wcttcrstrecken seien stellen--weise schlecht und so klein gewesen, daß man nur auf demBauche kriechend durchgekommen wäre. Der Sprecher habe inder Mitte von ctiva 100 Mann gestanden, die die Worte de»Sprechers bestätigt hätten. Wir setzen eine Belohnung von 100Mark für denjenigen aus. der uns den Sprecher derart nam-baft machen kann, daß eine gerichtliche Vernehmung desManmeL möglich ist.Bcrgiverksgesellschaft„Trier". Janßen."Da trat ein Mann zu uns heran, las das auch und sagte:„Was wollt« denn die Leute. daS ist dochwahr, das stimmt doch ganz genau!"ES war der Bergmann Gard.— Er ging sofort zumBureau, um sich vernehmen zu lassen. Am nächsten Tagebegaben wir uns zu ihm und er erklärte uns:„Ich habe dem Staatsanwalt dieselben Tat-fachen mitgeteilt als dem Zeitungsberichterstatter,tä ist ja die Wahrheit!"Jedenfalls wäre eS interessant, zu erfahren, von welcherSeite die unwahren, augenscheinlich auf Stimmungsmacheberechneten Mitteilungen lanziert werden.9••Mehr Bcrgarbeiterschutz!Durch das furchtbare Unglück aus der Radbodgrube istdie Forderung der Bergknappen nach Einführung der Ar-beiterkontrollcure wieder in den Vordergrund der öffentlichenDiskussion gestellt. Wieder steht man vor der Frage: wirddie Regierung sich abermals dem ablehnenden Willen derGrubenkönige beugen?Im Jahre 1898, nach dem Unglück auf der Karolinen-grnbe bei Bochum, schien die Forderung der Bergarbeiter aufEinsetzung von Kontrolleuren aus dem Arbeiterstande ihrerErfüllung entgegenzugehen. Es wurde eine Studien-kommission ausgesandt, die Ermittelungen anstellen sollteüber die Erfahrungen, die in England. Frankreich. Belgienund Nordamerika mit den Arbeiterkomrolleuren gemachtworden sind.Trotz der günstigen Erfahrungen der Studienkommissionwurde aber die Einsetzung von Arbeiterkontrolleuren zurück-gestellt, weil die Grubenherren sehr energisch gegen solchenVorschlag opponierten. Statt der Arbeiterkontrolleure wurdennur sogenannte„Einfahrer" ernannt, Unterbeamte mit ganzgeringen Rechten, die sich schon deshalb keitze Autoritätschaffen konnten, weil sie von den Grubenherren und ihrenBeamten allgemein„Grubengendarmen" genannt wurden.Immer wieder wurde der Ruf auf Einführung einesReichsberggesetzes erhoben, auch schon deshalb, weil aus derUneinheitlichfett der Berggesetze noch andere Schädigungenhervorgehen. Nachdem der Reichstag bei Beratung desBürgerlichen Gesetzbuches in einer Resolution den Wunschausgesprochen hatte, daß das Bergrecht einer einheitlichenRegelung tinkerzogcn werde, nahm er iin Januar 1969—nur gegen die beiden konservativen Fraktionen— abermalseinen Antrag an, der den Reichskanzler aufforderte, den Eni-wurs eines Reichsberggesetzes vorzulegen. Fünf Jahre später,im Jahre 1995, während des letzten großen Ausstandes imRuhrrevier, forderte die sozialdemokratische Partei eineNovelle zur Gewerbeordnung, in der die hauptsächlichstenWünsche der Bergarbeiter erfüllt werden sollten, und im Maidesselben Jahres brachten Sozialdemokraten und Zentrumsogar je einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf ein. In 8 ldes sozialdemokratischen Gesetzentwurfes war gefordert, daßauf das Verhältnis zwischen BergwerkSbcsitzer und Berg-arbeiter lediglich rcichSgesetzliche Vorschriften Anwendungfinden. Es ist bekannt, daß auch nach dem Streik im Ruhr-revier im Jahre 1995 eine reichsgesetzliche Regelung durch diebürgerlichen Parteien, eiitschliesililst Zentrum, verhindertworden ist. Durch ein preußisches Landesgesetz wurdeneinige Umänderungen durchgesetzt, die aber von den Berg-arbeitern als durchaus unzulänglich angesehen werden. Nachdem jetzigen fürchterlichen Unglück wird die Bewegung derBergarbeiter auf Einführung eines besseren Schutzes uno anseine Vereinheitlichung deS Bergrechtes kaum mehr zurück-zudrängen sein.Geschäftigkeit der Polizei.Der Schreck über das Unglück hat den staatsrctterischen Eiferder Polizei nicht eingeschläfert. Auch ein Trost in der trüben ZettlAm Tage nach dem Begräbnis erschienen auf dem Friedhof zweiGendarmen und eigneten sich von dem Massengrab, zwecks staats-rctterifcher Verwendung, mehrere-rote und weiße Schleifen an;die roten wohl wegen der gefährlichen Farbe, die weißen, weil sieInschriften trugen, von denen man sicher den Ausbruch einer Revo-lution befürchtete. 350 Knappen sind tot aber der Staat ist gc-reitet.• �•Kohlen und Menschen!Die Katastrophe auf der Zeche Radbod hat wieder einmal eingrelles Schlaglicht auf oaS Produktionssystem getvorsen, worunterdie Arbeiterklasse leidet. Für die herrschende und besitzende Klasseist sie ein unglücklicher Zufall, den sie bedauert, der aber nach einpaar Wochen wieder bergessen ist. Tie Arbeiter� wissen, daß solcheKalastrophcn Folgen des Kapitalismus sind.Tie Wirklichkeit des kapitalistischen Systems ist, daß Menschennichts gegen tote Dinge gelten. Am klarsten stellte sich das in dergroßen Eile heraus, womit die Rettungsversuche der Menscheneingestellt und mit der Rettung der Kohlen angesaitgen wurde.So hat man eS auch in CourriereS gemacht. Da hieß eS auch:Die Arbeiter sind unrettbar verloren, sie sind alle schon tot. DieSchächte wurden vermauert, um die Kohlen zu retten! Und nach-her stellte sich heraus, daß noch Arbeiter lebend in der Grube warenund sich, wie durch ein Wunder, zu retten wußten.In einem Gemeinwesen, wo das Glück der Menschen höchstesZiel wäre, würde bei einem solchen Unglück nur daran gedachtwerden, die Arbeiter zu retten, und man würde sich um etwasmehr Kohlen, die verbrennen, nicht kümmern. Aber in einer Gc-sellschaft, wo Privateigentum herrscht und Profit als höchstes Zielgilt, kann dieser Maßstab unmöglich gelten.Kohlen verbrennen lassen? Kohlen haben Wert, sind Geld;Menschen nicht! Kohlen, die verbrennen, sind verloren; für Mcn-schen, die verbrennen, kann man umsonst neue bekommen. Siebieten sich in dieser Krisenzeit massenweise an, flehen sogar darum,eingestellt zu werden. Ja. wenn noch die Sklaverei bestände, dannwäre es anders; dann würden die Arbeiter für den Kapitalistenein Kapital,«ine Geldsumme bedeuten und dann würde für ihrLeben und Sicherheit besser gesorgt werden. Aber leider, müßteman fast sagen, sind die Arbeiter kein« Sklaven mehr; sie kostendem Kapitalisten nichts und werden danach behandelt.In dieser Zeit, wo sogar zahlreiche Schichten deS Bürgertum»sich über die BerglverkSgefellschaft entrüsten, die auS Profitsuchtdie notwendigsten Schutzmaßnahmen vernachlässigte, müssen wirmit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß der heutigen Gesell-schaftSordnung. und damit jedem, der sie aufrechtzuhaltcn hilft,die Schuld trifft. Mit dieser„Ordnung" ist die Profitsucht, derTrieb nach immer mehr Geld, untrcnrbar verbunden. Der Kapi-talist nimmt keine Arbeiter in seinen Dienst, um sie zu versorgen,sondern um sie auszubeuten. Arbeiter sind für ihn nicht Menschen,wie er selbst, sondern Instrumente zur Mchrwerterzeugung. Dasist die Wahrheit des Kapitalismus; und all« Entrüstung in derbürgerlichen Presse über denjenigen Unternehmer, bei dem dieseWahrheit zu einer solchen erschütternden Darstellung gelan»,.. wiejetzt auf Radbod, ist nur eine billige Methode, die Aufmerksamkeitvon den wahren Schuldigen abzulenken.Aber der Staat, der angeblich für da» Leben aller seiner An-gehörigen eintritt, dessen Aufgabe eS nach der Darstellung seinerVerteidiger ist, die Scftvachen zu schützen, was wird er tun? Wirder der Direktion der Zeche einen Prozeß wegen fahrlässiger Tötungmachen? Wird er auS dieser Katastrophe die Lehre ziehen, daß erweiterhin besser für die Bergarbeiter zu sorgen hat? Auch hiergilt eS. sich nicht phantastische und trügerisch- Hoffnungen zumachen, sondern die Wirklichkeit klar zu erkennen. Der Staat istder Staat der Ausbeuter; der Profit des Kapitalisten ist ihmhöchste sittliche Norm; er betrachtet das heutige AusbcutungSver-hältnis als natürliche und göttliche Weltordnung, die er mit allenMitteln aufrecht erhält. Leicht wäre cS einer Regierung, die eSwirklich will, solche SicherheitSmaßnahnien zu treffen, daß Kata-strophen wie jetzt auf Radbod unmöglich werden! Solangeaber chie erste Forderung der Arbeiter, daß von ihnen selbst ge-toählte, mit Machtvollkommenheit ausgestattete Grubcnkontrollcurefür die Sicherheit sorgen, von der Regierung und den bürgerlichenParteien abgelehnt wird, sind alle deren Beteuerungen Phrasen,ist ihr angeblicher Bergarbeiterschutz Farce.?tur ein Ziel kennt die herrschende Klasse, deren Ausschußdie Regierung bildet: ungestört möglichst viel Millionen Profit auSden Arbeitern pressen. Nur eine Sorg« kennt sie: daß die Ar-beiter die Wahrheit dieser göttlichen Ordnung durchschauen undsich dagegen auflehnen könnten. Deshalb sucht sie durch Kund-gedungen des Bedauerns und des Beileids ihre wirkliche Rolle ver-gessen zu machen.Von der unmittelbar schuldigen Bergwerkögesellschaft hat keiner«ine Haltung des Bedauerns erwartet; das wäre allgemein alseine freche Heuchelei empfunden worden. Ihre Haltung zeugt nurvon Aerger, Aerger über den materiellen Schaden, der einen Strichdurch ihre Spekulationen macht; Aerger über die moralische Bloß-stcllung als Sündenbock für das ganze System. Wenn der Gruben-brand erloschen ist und die öffentliche Erregung sich gelegt hat,werden die Direktoren und Aktionäre wieder Arm in Arm mitihren Kollegen etnherziehen, als geehrte Mitglieder der besitzendenKlasse. Sie sind ja nicht schlimmer als die anderen, sie haben bloßPech gehabt.Mag die Bourgeoisie diese Katastrophe möglichst bald der Ver-gessenbeit überliefern wollen, die Arbeiter werden die richtig« Lehre«ms ihr ziehen. Sie können sich nicht mit Empörung über dieschuldigen Unternehmer begnügen. Sie müssen einsehen� daßsolche Fälle nicht aufhören werden, solange der Kapitalismusherrscht und die kapitalistisch« Klasse über die Regierung gebietet,und daß sie nur mit diesem System selbst beseitigt werden können.Sie werden daher mit größerer Energie den Kampf gegen denKapitalismus und für den Sozialismus führen. Wenn die Riesen.katastrophe dahin wirkt, die Arbeiter zum schärferen, energischerenKlassenkampf aufzurütteln, werden ihre Opfer nicht bloß Opfer deSKapitalismus, sondern zugleich Märtyrer für den Sozialismus,für cii« bessere Gesellschaftsordnung sein, in der im Gegensatz zuheute Menschen mehr gelten werden als Kohlen.Soziales.Vertretung vor dem KaufmannSgerlcht.DaS Gesetz über die Kanfmannsgerichte bestimmt in gleicherWeise wie das Gewerbegerichtsgesetz, daß solche Personen als Ver-trcter einer Partei nicht zuzulassen sind, die daS Vertreten vor Ge-richt geschäftSmästig betreiben. TaS Berliner KaufmannSgerichthat bisher in den weitaus meisten Fällen in der unentgeltlich über-nommeuen Vertretung seitens der Verbands funktionäre keine Gc-schäftsmätzigkeit erblickt. Magistratcrat v. Schulz, der verdienstvolleVorsitzende de» Berliner KaufinannägerichiS, wies sogar mit RechtHandlungsgehilfen auf ihre Verbände hin, die ihnen int Falleder Behinderuitg Vertretung stellen werden. Dennoch hat die4. Kammer unter dem Vorsitz des Assessors Döpene in einem jetztentschiedenen Falle die Ablehnungsmöglichkeit von Vertretern»ocherweitert. Es handelt sich um den Fall deS Bezirksleiters vomDeutschnationalcn LandlunaSaebilienverband Wicie- der«n am