herunterfallen ließ, nachdem Herr v. Schwerin-Löwig ihn daraufaufmerksam gemacht hatte, dag daZ nicht opportun sei. sLachcn beiden Nakl.) Er hat eS sa selbst im Anfang seiner Rede gesagt. Diesogenannten„ernsten Worte" des Grafen Schwerin sind für mick ein be-sonderer Anlaß, nun gerade diesen Zusammenhang ausdrücklich znbetonen. Aber nicht allein diese Worte, sondern auch andereEreignisse, die in den letzten Tagen zu unserer Kenntnis gekommensind, einmal die offiziöse Mitteilung der„Kölnischen Ztg.", daß dieverbündeten Regierungen sich ungefähr auf denselben Standpunktstellen würden wie Graf Schwerin, dann auch Vorgänge in der aus-wältigen Politik— ich erinnere an daö Auftreten'des Lord Robertsim englischen Oberhause, das in Zusammenhang mit dieser Borlagenicht nur gebracht werden kann, sonder» muß.Solangedaö heutige System de-Z persönlichen Regiment?,daS uiisere Jinanzmiscre verschuldet hat sLachen rechts), bestehenbleibt, ist eine Steuererhöhung in irgend einer Form für die Bolls-Vertretung völlig indiskutabel, weil'wir mit absoluter Sicherheitvoraussehen kömwn, daß alleö. wag wir hier beschließen, nutzlos ist.Als vor wenigen Tagen mein Freund Geyer Ihnen sagte, daß wirja, wenn so erhebliche Geldmittel bewilligt werden, in ganzkurzer Zeit schon eine neue MilitSrvorlage haben würden, bestritten da» gerade die Herren von der Rechten mit auf-fallender Geschäftigkeit. Würden Sie das heute auch noch be-streiten? Glauben Sie nicht, daß die eben erwähnten VorgängeAnlaß geben werden, eine neue Verstärkung unserer Rüstungen zuWasser und zu Laude herbeizuführen? In dein Augenblick, wo dieverbündeten Regierungen mit der höchsten Steuarforderung. diejemals einem Parlament etneS modernen Staates vorgelegt loordenist, vor uns treten, genügt es für uns nicht allein zu rechnen, daheißt es vor allem einmal erst:abrechnen!jSehe wahrl bei den Sozialdemokraten) Der Reichskanzlerglaubte freilich. eS genüge zur Begründung der Forderungeiner halben Milliarde neuer Steuern, wenn er auf diegespannte internationale Lage hinweise. Das kann uns nochnicht genügen, wir müssen auf die Ursachen dieser Spannungzurückgehen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Daun findenwir. daß die jetzige finanzielle Lage mit unserer unheilvollen aus-wärtigcn und inneren Politik unter dem jetzigen Regime zusammen-hängt. Ein berühmter französischer Politiker hat einmal gesagt:„Gebt mir gute Finanzen, ich werde Euch eine gute Politik macheu."Niemals hat ein Staatsmann bessere Finanzen beim Beginn seinerAmtstätigkeit vorgefunden als Fürst Büloiv.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten.)„Wir schwimmen im Golde!" hieß esdamals. Aber Fürst Büloiv begann sein Amr damit, daß erAbbitte leisten mußte für einen verfassungswidrigen Akt feinesVorgängers, an dem er selbst hervorragend beteiligt gewesen war.DaS ist der Anfang unserer Finai�kalamilät. Seit jenem China-seldznge ist die Reihe der Fehlschlüge miserer auswärtigen Politikniemals abgerissen, und auf jeden Fchlschlag war die Antwort: NeueSckifsc, neue Rüstungen, neue Ausgaben, neuer Glanz und neuer Prunkund neue Lasten für da? Volk! jSehr richtig! b. d. Soz.) Jede Be-tvilligung neiicr Mittel würde geradezu eine Billigung dieser Politik be-deuten. Die beständigen Eingriffe des— sagen wir einmal-— sehrbeweglichen Faktors der auswärtigen Politik �Heiterkeit.) in dieäntzercu Angelegenheiten unseres Reiches und fremder Völker zwangendie fremden Völker tatsächlich zu einer Selbstverslcherung gegen uns.Wir waren— und ich spreche da ivohl nicht allein für meineFraktion— subjektiv felsciisest davon überzeugt, daß das Besteheneiner.deutschen Gefahrk" zu bestreiten sei. weil wir gewißwußten, daß die große Masse unseres Volkes auch nicht das inindestekriegerische Gelüsie hegte. Aber zu unserem Entsetzen mußtenwir ja sehen, daß diese deutsche Gefahr, die wir ableugnen konnten,in der Tat bestanden hat und daß mit Fug und Recht andereMächte auf sie hinwiesen und sich dagegen rüsteten. Denn da derReichskanzler als der verantwortliche Träger der deutschen Reichs«Politik in den ganzen Jahrendie erstaunlichen Handlungen des Monarchenohne Widerspruch geschehen ließ, obwohl er sie kannte...(Glockedes Präsidenten.)Vizepräsident Dr. Paasch«: Dies« Fragen sind vor wenigenLagen hier außerordentlich ausführlich erörtert worden und gehörenauch nicht zur Fmanzpolitik. lWiderspruch bei den Sozialdemokraten.)Ich bitte Sie daher, sie möglichst kurz zu behandeln und nur imZusammenhang mit der Ftnanzreform.Mg. Südckum(fortfahrend)! Meine kurzen Ausführungendienen dem Nachweis, daß dieser Zusammenhang vorhandenist, ich kann sie übrigens auch erheblich abkürzen. Obschon also derReichskanzler über alle diese Vorgänge unterrichtet war. sagte undtat er niemals etwas dagegen. DaS hat die auswärtigen Regierungen veranlaßt, sich zusammenzuschließen und ihre Rüstungenzu stärken, ES hieße an der Emwickelung der Menschheit und derMenschlichkeit verzweifeln, wenn wir diesen Zustand so weiter gehenlassen würden, wenn wir. wie unter einem blinden Fatum, diesesinnlose SinstungSwirtschaft weiter treiben und hier mcht auf dieUrsachen zurückgehen sollten. ES ist in den englischenDebatten hervorgetreten. daß der einmütigen Friedens-erllärung des deülschen Reichstages bei der letzten Gelegenheitdie Engländer von ihrem Standpunkt aus die Bemerkung entgegen-setzen mußten: Ja. was nützt uns das alles? Derdeutsche Reichstag ist friedlich gesinnt, die offizielle deutsche Re-gierung vielleicht auch noch, und doch sind wir nicht vor Ueber«raschungen sicher. Darum sage ich, der einzige Weg. zu einer Ver-Minderung der Rüstungen zu kommen, zugleich der einzige Weg.um Ordnung und Stetigkeit in unser Finanzwesen zu bringen,� 16 Schaffung konstitutioneller Garantien l(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) So ist dieReform unserer Finanzen mit einer Reform der Versasiung auf da«innigste verbunden. In der Borlage der verbündeten Regierungenfindet sich ja auch staatsrechtlich eine Verfassungsänderung, natürlichnicht unter Berufung auf bestimmte Artikel der Berfastung. aberwer das Budgctrecht des Reichstages so außerordentlich beschneidenwill wie diese Vorlage, der ändert die Verfassung(Zustimmung bei den Sozialdemokraten), und wenn die eine Seite dastun will, brauchen wir aus der anderen Seite uns auch keine»Zwang aufzuerlegen, sondern können tun, was das ganze Volkgeradezu von uns verlangt.(Lebhaftes Sehr richtig I bei denSozialdemokraten,) Unser Volk würde nicht verstehen, wenn daSParlament diese erst- Gelegenheit, Nachdruck hinter seine Forde-rangen nach konsntutionellen Garantien zu legen, ungenutztvorübergehen lassen würde. Die Annahme der RegiernngS-vorläge in der vorliegenden Form würde eine vollständigeKräfuverschiebuug nach sich ziehen und den Reichstag zueinen Diskntierklub herabzudrücken.(Sehr richtig! bei den Sozial«demokraten) Natürlich haben die verbündeten Regierungen allenAnlaß, so zu tun, als ob diese Vorlage nur finanztechnische undkeine allgemeine politische Bedeutung habe. Indessen stehen diedrei Herren, welche die Vorlage hier vertreten haben, � ausfallend isoliert da. Wo sind denn die Minister der Einzel-staaren?(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die älterenMitglieder deS Hauses werden sich erinnern. daß einsolcher Zustand wie bei der Vertretung dieser Borlage noch vorwenigen Jahren ganz undenkbar gewesen wäre. Bei Vorlagen vonviel geringerer Bedeutung gaben die Vertreter der Einzelstaaten Aus-lunft über die Stellung ihrer Regierungen. Schon bei der Debatteüber das Kaiserinterview hätte ich die Minister der Einzelstaatengern hier gesehen(Sehr richtig! bei den Sozialdemolrmen), daßsie aber auch jetzt fehlen, läßt auf Absicht schließen!sie. die gewohnt sind, unter dem Feuer eines konstitutionellenSystems zu stehen, wissen sehr gut, ivie sie unter dem gegenwärtigenSystem gestöhnt haben. Die Zeit des Stöhnens ist aber vorbei,wir rufen ihnen zu, ob sie gewillt sind, die Verantwortung für diebisherigen Zustände und die sich ergebenden finanziellen Konse-quenzen zu tragen.(Sehr richtig! be, den Sozialdemokraten.)Eine Annahme der Vorlage in ihrer jetzigen Form würde, da?sagte ich schon, einfach einer Abdankung des Reichstages gleichkommen. Dieser Beschränkung des Bewilligungsrechts würden andereBeschränkungen folgen, Abgeordnet« aber, die dem zustimmen,würden nach einer ungeschriebenen Bestimmung unserer Verfaisungausgeschaltet werden, das heißt: sie könnten sich pensionierenlassen.(Große Heiterkeit.) Ich verstehe vollkommen, wenn die Ver-treter der Regierung den allgemein-politischen Charakter dieser Vor-läge zu verschieben' suchen und eS so darstellen, als ob eS sich bloßum eine finanziechiiische Vorlage handelt. Dann muß aber hiereine rationelle Arbeitsteilung eintreten, und was die Regierungnicht tut. müssen wir um so deutlicher tun.(Sehr richtig! beiden Sozialdemokraten.)Wenn wir nun auch sagen: erst konstitutionelle Garantien, dannSteurrvorlagcn, so wollen' wir uns deswegen doch nicht der Kritikder einzelnen Vorlagen entziehen. Da muß ich mich nun in derSchätzung des Bedarfs Herrn Spahn und Herrn Payer anschließen.Die Schätzung von bOO Millionen ist eine ungeheure Uebectreibung.Der Schatzsekrelär weiß ebenso gut wie jeder im Hause, daß auchbei dem bestehenden System ohne weiteres 1(X> Millionen Mark beimHeerwesen gespart werden könne», ohne daß die Schiagfertigkeitvon Heer und Marine beeinträchtigt würde. Dieselbe Uebertreibnngfinden wir bei der Darstellung der Leistungsfähigkeit. DieTatsache des aufstrebenden Wirtschaftslebens wird von niemand ge-leugnet. Ich könnte, um ein GladstonescheS Wort zu gebrauchen.von einer berauschenden Steigerung des Reichtumsreden. Die Frage ist nur. ob sie gleichmäßig verteilt und auch beiden Minderbemittelten zu finden ist.(Sehr wahr! b. d. Sozialdemokr.)Der Herr Reichskanzler konstatiert sie aus der Zunahme des Sekt-konsumS!(Heiterkeit,) Der Reichsschatzsekretär rn seiner Denkschriftgar aus dem Zunehmen im Konsum von Apfelsinen l I(GroßeHeiterkeit,) Unser preußischer Finanzminister: aus den Leistungender Arbeiter für Gewerkschaft und Partei. Daraus will er die Be-rechiignng dieser neuen indirekten Steuern von sechs Mark pro Kopfableiten. Da sie heute schon 22 bis 24 Mark pro Kopf aus-machen, so beträgt daS für eine Familie bereiiS über 100 Mark!Die neue Steigerung würde bei einer fünfköpfigen Familie80 Mark hinzufügen, das heißt also eine Steigerimg von2S Prozent, und dazu kommen noch die direkten Steuern....Freilich sagt man, auch die Arbeitslöhne seien gestiegen. Der Finanz-minister Rheinbaben z. B, behauptet, der Arbeitslohn sei in der Zeltvon 1593 bis 1903 durchschnittltch von 651 auf 894 Di,, also um37 Proz. gestiegen. ES kommt aber nicht auf die relative, sondernauf die absolute Steigerung an. Eine Lohnsteigerung von 2 auf3 M. ist auch eine solche von 50 Proz., und niemand wird be-haupten, daß der Arbeiter, der sie bekommen hat, kein Hungerleiderist,(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten,) Bei einer fünf-kvpfigen Familie bedeutet der Lohn von 897 M. noch nicht!80 M. auf den Kopf. Glauben Sie, daß davon heutenoch jemand leben kann? Und dabei haben die meisten Arbeiternoch viel weniger? denn es ist ja bloß daZ Durchschnitts-Einkommen. Der Minister v. Rheinbaben berief sich auch aufmeinen Freund Calw er. der ebenfalls die Steianng der Arbeits-löhne festgestellt habe. Daß sie stattgesunden hat, bestreitet niemand,aber Calwer hat immer und immer wiederholt, daß er diese Zu-sammenstcllung gemacht hat, um die Energie der Kämpfer zustählen, die sich nicht fatalistisch in ihre Lage finden, sondern daran?den Mut zum lveiteren Kampf schöpfen sollen. Niemand weiß besserals er, daß diese relative Besserung der Lage der Arbeiter in Deutsch-land nur durch die aewertschaftliche Organisation geschaffen ist.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Der Minister meinte, eine Arbeiterschaft, welche soviel für dieGewerkschaften leiste, könne leicht auch die 0 M. indirekte Steuerausbringen. Sie, meine Herren(nach rechts) spendeten ihm Beifall,während ich hoffte, Sie hätten bei solcher BeweiSfLhrunä vor Verlegenheit mit roten Köpfen dagesessen.(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten. Sachen rechts.) Der Minister vergaß, daßdie indirekten Steuern nicht bloß von dem Familienvater aufgebrachtwerden müssen, sondern von allen Mitgliedern de? Hauses, währenddie Beiträge für die Gewerkschaften und die Partei von dem Familien«vater allein bezahlt werden. Es ist also von vornherein schonunzulässig— um keinen anderen Ausdruck zu gebrauchen und umdie subjektive EhrliÄkeit des Ministers nicht anzuzweifeln(Sehr gut Ibei den Sozialdemokraten)—. diese Beiträge mit den indirektenSteuern in Verbindung zu bringen. Mindestens hätte der Ministerdoch die Steuerleistung der Familie damit vergleichen müssen.Gewiß haben unsere Gewerkschaften große Einnahmen und eingroßes Vermögen, leider ein noch viel zu kleines meiner Meinungnach.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Aber was leistensie auch dafür!'Im Jahre 1907 hatten die 61 Zentralverbändemit rund 1 Mlllion und 800000 Mitgliedern ein Vermögenvon 33 Millionen und eine Einnahme von 55 Millionen.Hiervon waren sie aber verpflichtet z» bezahlen an MaßrcgelungS-Unterstützung eine Million(Hört! hört! bei den Gozialdeniokraten),an Reiseunterstützung 900 000 M., flu ArbeitslosenunterstützungÖ'/j Millionen(Lebhafte» hört! hört! bei den Sozialdemokraten), anKrankenunterstützung 3V, Millionen(Hört! hört I bei den Sozialdemo-kraten), an Briisilsen in Not und Sterbesällen 1 Million und100 000 Mark, und für Streiks mußten sie ausgeben nicht wenigerals 13 Millionen Mark.(Lebhaftes Hört I hört! auf allen Seiten desHailscS, das sich rechlS zu wahrem Lärm auSwächst.) Sie scheineniiber die Bedeutung diese« Postens sich sehr im Unklaren zu befinden.Wenn Sie sich mit der Geschichte der deutschen Arbeiterschaft etwaseingehender besaßt hätten, so würden Sie, auf welchem StandpunktSie auch politisch stehen, als unbestreitbare Wahrheit annehmen, daßdie Vervesserung der Lage der Arbeiterschaft ausschließlich daS Verdienst der Arbeit ihrer Gewerkschaften und ihrer politischen Partei ist.(Lebhafte Zustiminung b. d. Soz,. Widerspruch rechts.) DaS hat Ihnenja auch schon der alte Bismarck gesagt. Wenn Sie uns nichtglauben wollen, so glauben Sie d e m.(Sehr gut I bei den Sozial-demotraten.) Diese Streikunterstützung ist notwendig gewesen, umdas Lebensniveau der Arbeiterschaft aufrecht zu erhalten. ES zeugtvon dem hohen Idealismus der Arbeiterschaft, daß sie eS auf sichgenommen hat, auch daö Los der U n v r g a n i s i e r t e n zu ver-esiern.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Die Lohnerhöhungvon 37 Prozent bezieht sich übrigens auch aus einen Zeitraumvon 15 Jahren. Aber kurz vor den letzten Zolldebatten befandsich eine der kräftigsten Gewerkschaftsorganisationen, dieder Buchdrucker in der Lage, einen neuen Tarif auf zehn Jahre ab»zuschließen. Um eine Grundlage dafür zu gewinnen. verschafftesie sich eine amtliche Aufstellung über dle Lebensmittelpreise in500 Orten, großen und kleinen. Da ergab sich eineSteigerung der Lebensmittelpreise von 25 bis 30 Prozent.Den Buchdruckern gelang es trotzdem nur. obwohl sie eineder besten Organisationen haben, eine Lohnerhöhung von 10 Pro,.zu erhalten(HörtI hört,! bei den Sozialdemokraten), sie bekamen alsonicht eine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung ihrer Lage.und wohin wären sie erst gekommen, wenn sie die gewerkschaftlicheOrganisation nicht gehabt hätten? Ohne die gewerkschaftlichenOrganisationen wäre die ganze bürgerliche Gesellschaft jalängst zusammengebrochen!(Lachen rechts.) Glauben S:edenn, daß Sie mit Ihrer unzureichenden Annenpflege den Schädender Arbeitslosigkeit wirksam entgegentreten konnten, wenn nicht dieGcwertschaftcn die größten Lasten der Arbeitslosigkeit aus sichnähmen?(Sehr wahr! bei den Sozialdemokralen.) Ganz undenk-bar wäre eS, die Arbeitslosen in den Kommunen zu erhalten, wen»sie sich nicht selbst versicherten. Aber der preußische Staat ist freilich(nach rechts) ebenso weit davon entfernt, diese segensreiche Tätigkeitder Gewerkschaften anzuerkennen wie Sie!Ehe der Herr Minister mit Durchschnittsberechnungen kommt.sollte er eine genaue Lohustatistik über die Arbeitslöhne der einzelnenKategorien von Arbeitern vorlegen, z. B. darüber, wie die Löhnein de» saarabischen Kohlengruben gestiegen sind.(Sehr wahr I beiden Sozialdemokraten.) Wer auS den hohen Gewerkschaftsbeitrngenden Schluß ziehen will,«S gehe den Arbeitern gut, der komm! mirebenso vor wie jemand, der sagt: Herrn$ muß es doch sehr gutgehen, er hat 300 M. für Arzt und Apotheker ausgegeben!(GroßeHeiterkeit.) Wer behauptet, die deutsche Arbeiterschaft befindesich in günstiger oder auch nur in befriedigender Lage, derhat keine Ahnung von den Zuständen. Denken Sie nur andie Wohnungsnot, denken Sie daran, daß Zehntausende von Familienin Berlin in einem einzigen Raum wohnen(Zuruf rechts: Sie sollenaufs Land gehen!), daß Hunderte von Familien mit einemnngeheizien Raum sich begnügen müssen. Denken Sie an dieSäuglingSsierbliwkeit, daran, wie wenig Arbeiter Allersrenie be-ziehen, denken Sie an den Rückgang der Militärtauglichkeit, dannkönnen Sie unmöglich behaupten, das deutsche Volk sei fraglos soleistmigSsähig, daß eS ohne weiteres diese_ neuen Steuernauf sich nehmen kann.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten)Aucki dem Mittelstand geht es nicht besser, das wissen wir sehr wohl.(Znstiiiunung bei den Sozialdemokralen.) Der Reichskanzler sagtfreilich, man brauche bloß zu sparen! Dieses Sparprogrammverdankt er wohl einem Defekt in seinem Büchmann.(Heiterkeit.)Es fehlt dort das Lessingschc Zitat:„Ein Geizhals und ein fettes Schweinkann llur im Tode nützlich sein."(Große Heiterkeit.)Der Abg. Schräder wieS darauf bin. daß die Franzosen gegenim? in großer Ueberlegenheit sind. Sie haben eine» Präsidenten—mag er nun Müller oder Schulze heißen— er kostet jährlich 1 MillionFranks. Wir aber haben eine erhebliche Anzahl von Fürsten, derenZivilliste so viel ausmacht, daß wir davon 1000 Millionen MarkSchulden verzinsen könnte» I(Sehr richtig I bei den Soziaideinokralen.)Frankreich hat es übrigens auch dem preußischen Herrn Finanz-minister angetan. Er wie? darauf hin, daß ein Mann der sozial-demokratischen Partei betont habe, wie außerordentlich starkFrankreich mit indirekten Steuern belastet ist. Damitwollte er beweisen, daß wir jetzt völlig erichosien sindund gar nicht» mehr sogen können. Er hat dabei an eine Aeußerungschippel« angeknüpft. Als darauf Zurufe von unserer Seite kanten,sagte der Finanzminister:„Sie sehen, wie loyal jene Seite ist,selbst gegenüber Männern von der eigenen Partei, welche die Tal-lachen so angeben, wie sie sind." Der Herr Finanzminister weißsehr gut, daß ich es an Loyalität für Schippe! sicher nichtfehlen laffen werde, aber ich muß sagen, die Verhältnisse liegenkeineswegs so, loie sie Schippel dargestellt hat. Schippel hat beiseinem bedauerlicherweise sehr oberflächlichen Vergleich folgendesaußer acht gelasicn. Wir haben in Deutschland und in Frankreicheine vollständig verschiedene Lebensart. Die Zahl der Familien-glieder ist eine ganz andere, die Franzosen haben einen enormenfremden Zustrom in ihrem Lande, der uns fehlt, usw. Wenn derdeutsche Familienvater für 6 Köpfe die indirekte Steuer aufbringenmutz, so zahlt der französische nur für vier. Sie werden nichtbestreiten, daß das ein enormer Unterschied ist. Der Familien-vater in Frankreich hat auch für seine Wohnung viel geringereAufwendungen zu machen als der deutsche. Die Franzosen sindein stagnierendes Volk, das daher nicht immerneue Wohnungen baut, und die Preise der Wohnungen sind deshalberstaunlich viel niedriger als in Deutschland.(Abg. Dr. Arendtruft: Die Wohnungspreise in Frankreich sind höher als inDeutschland!) Sie. Herr Dr. Arendt, kennen vielleicht zweiBourgeoiSwohnungen in Paris(Große Heiterkeit bei den Sozial-denrokraten) und wollen mir mm erzählen, daß die Wohnungen inFranfteich teurer find als die in Deutschland. Was die Belastmtgder Arbeiter durch die Wohnungsmiete anlangt, so will ich, um nurein Beispiel herauszugreifen, Ihnendie Steigernng der Wohnmigsmieten in den Jahren 1903 biS 1905in der Nmgebimg von Berlinmitteilen. So sind die Wohmingspreise für eine Wohnung, bestehendauS Stube, Kammer und Küche, gestiegen in Köpenick um 12 Proz.in Friedenau um 27 Proz.. Fürstenwalde 25 Proz., Weißensee 39 Proz.!Dort wohnen sicherlich keine Unternehmer, sondern nur Arbeiter.Auch in den kleinen Städten und auf dem Lande sind die Preiseder Wohnungen erheblich gestiegen.(Lebhafter Widerspruch rechts.)Lesen Sie den letzten Bericht de-Z großherzoglich-hesstschen Zentral»wohnungSinspeklorS. und die hessischen Verhältnisse sind nicht so ab-sonderlich, daß sie mcht auch für unsere Gegend gelten, abgesehenvielleicht von Ostelbien. Daraus ergibt sich, dag die WohnungS-mieten heute einen immer größeren Teil des ArbeitereinkommenSverschlingen. 1In seiner Empfehlung dtr Sparsamkeit kam der Reichs-kanzler auch auf die Gemeinden und ihre angeblichmaglosen Anleihen zu sprechen. Heute, in dieser Zeit der Arbeitslosigkeit. den Gemeinden Sparsamkeit empfehlen, heißt, den Arbeits-losen statt Brot Steine geben.(Sehr wahr! bei den Sozial-demokraten.) Und ihnen generell Sparsamkeit empfehlen, heißtgerade daS lebensvollste Stück deutscher politischer Gestaltung, dasGemeindewesen, völlig in seiner Bedeutung verkennen. Daranzweifelt niemand, daß die Gemeinden fich in schlechter finanziellerLage befinden, aber der Grund liegt wesentlich darin, daß die gc°rechteste aller Steuern von ihnen noch gar nicht eingeführt wordenist. nämlich die Wegnahme des Wertzuwachse» von Grund undBoden für die Zwecke der Allgeiiieiilheit. Das wäre gewiß längstgeschehen, wenn nicht die Hausbesitzer in den Gemeindeverwaltungeildie Mehrheit hätten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Hätten wir in den Genieinden ein freies Wahlrecht, würde manihnen das Maß von Autonomie geben, das sie heute vielleichtin Festreden bei StädteordnungSjubiläen, nicht aber in Wirk-lichkeit besitzen(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), dannkönnten wir von jeder Rücksichtnahme auf die Gemeindenbei unserer Finanzpolitik absehen. Dort läuft das ganze Problemin letzter Linie auf genau daS>elbe heraus wie im Reiche, nämlichauf Vermehrung der Selbstverwaltung.(Sehr wahr Ibei den Sozialdemokraten.) Und wenn auch die Leistungsfähigkeitdes Volkes noch viel größer wäre, so müßten wir die vorgeschlagenenSteuern doch ablehne» auS Gründen, die in diesen Steuern s e l b siliegen.Ich beginne mit derBierstener.In der Begründung dieser Steuer und auch in den Aue-führungen des Grafen Schwerin wird immer von dem Bier alseinem Gcmißmittel, das für den LebenSunterhalr nicht unbedingtnotwendig sei. gesprochen. Dabei macht man gar keinen Unterschiedzwischen der phnsiologischen Nolwendigkeit und der sozialenNotwendigkeit eines Genußmittels. Physiologisch ist der Bier-gcmiß allerdings nicht notwendig, wahrscheinlich nicht ein-mal empfehlenswert. Aber etwa« ganz anderes istes mit der soziale n Notwendigkeit. Dieses liegt inunseren politischen Zustände» begründet. ES ist heute unmöglichin Deutschland, daß sich politisches Leben entfaltet, ohnedaß dabei alkoholische Getränke genossen werden.(Gelächter rcchtö.)Ihre Heiterkeit würde nur berechtigt sein, wenn ich vom Alkohol-gemiß im Ueber maß gesprochen hätte, wenn ich nur an dasW a h l b i e r gedacht hätte.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.Zuruf rechts: Parteibndiker!) Sie wissen, daß das Versammlungs-wesen aufgebaut ist auf der Benutzung von Sälen und daß dieseSäle heule in Deutschland nicht zugänglich sind ohne Alkoholgenuß.(Sehr richtig! bei den Sozialdemolraten.) In Frankreich allerdingsstellt man den politischen Parteien öffentliche� Säle zur Per-tüglMg, in denen kein AlkoholauSschank notwendig ist, bei uns aberzivingl die Rückständigkeit der herrschenden Klasieu daS politischeLeben in die Kneipen. Versetzen Sie sich nur in die Lage einesArbeiters der Textili»d»sUie, der tagaus, tagein dieselbe eintönige,geisttötende Arbeit vollziehen muß, dessen Familie vielleicht in einen,einzigen Wohnräume Hausen muß. Daß der den Zwang in sichfühlt. Alkohol zu genietzen, ist nicht nur selbstveritäii stich, sondernauch— Ihr Scuutz! Wenn die Leute den Allohol nicht mehrhätten, würden sie sich ganz anders gegen Ihre Herrschaft anflehncit.lSehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Tatsache, daß inallen Kulturländern dnrchsctmttllich ziemlich gleich viel Alkoholgeiiofle» wird, sollte doch warnen, von einer Ueber-flüssigkeit deS Alkohols zu sprechen. Wenn Sie aberdem Arbeiter daS Bier unmäßig verteuern, muß er wieder zum