führung der progressiven Einkommensteuer mit Gc- meindezuschlägen geht es keineswegs, so sehr sich auch die Wohl- situierten dagegen sträuben. Die Regierung kündigt denn auch für 1910 eine dementsprcchende Vorlage an. Weiter wird die längst versprochene Gehaltsaufbesse- rung für die Elementarlehrer angekündigt, sowie ein neues Berggesetz, ein Gesetz betr. die Fürsorge für die Hinterbliebenen der Universitätsprofessoren, ein Vogelschutzgesetz und ferner außer einigen kleineren Vorlagen noch die endliche Einführung deS Unterstützungswohnsitz- gcsetzes in Elsaß -Lothringen.— Wahlrechtsverschlechterung. Der Landtag deS Großherzogtums Oldenburg hat das oll- gemeine, gleiche und direkte Landtagswahlrecht angenommen. Die Agrarier und die Ultramontanen versuchen nun. das Gesetz in der Weise zu ergänzen, daß das Pluralwahlshstem eingeführt wird, uno zwar sollen die Haus- und Grundbesitzer eine Zusatzstimme bc- kommen. In der Kommission ist der Antrag mit L gegen S Stimmen zur Annahme gelangt._ Volksrechte und Blockfreifinn. Ueber das persönliche Regiment und denReichs» tag redete am Sonntag Dr. Theodor Barth in Köln in einer überfüllten Volksversammlung im Kristallpalast. Er führte unter anderem auS: DaS persönliche Regiment hängt nicht zusammen mit der Person des gegenwärtigen Trägers der Krone, sondern liegt im System. Bismarck hat es großgezogen und bei der Volks. Vertretung das Gefühl ihrer eigenen Bedeutung für das politische Leben völlig unterdrückt. Auch die Kommunalverwaltungen haben ein gerüttelt Maß von Schuld an dem heutigen Vorherrschen des Untertänigkeitsgefühls. Es gehört sich nicht, daß der Bürger- meister einer Millionen st adt sich wie der Portier e,neS vornehmen Hotels mit dem Hute in der Hand an das Brandenburger Tor stellt, um vor jedem Fürstchen oder Prinzlein seine Reverenzen zu machen. Der Reichstag hat sich bei den jetzigen Debatten in keiner Weise seinen Aufgaben gewachsen gezeigt. Niemals war es notwendiger als jetzt, die in der Berfafsung gegebenen realen Machtmittel anzuwenden, um die konstitutionelle Bewegung vorwärts zu bringen. Auch der König von England hat das Recht, genau wie der deutsche Kaiser und König von Preußen, seine Minister zu ernennen. Er ernennt aber keinen Minister, der nicht von vorn- herein das Vertrauen des Parlaments hat, weil das Parlament jeden anderen ohne Bewilligung der zum Regieren nötigen Geldmittel heimschicken würde. Das ist daS parlamentarische Regiment, das sich auS dem StruerbewilligungS- recht entwickelt hat. Dieses Recht haben wir genau so, und wenn 'Volk und Reichstag wollten, hätten wir daS parlamen- tarische Regiment am morgigen Tage genau so wie im englischen Unterhaus. Aber der L i n k S l i b e r a l i ö m u S hat sich als g ä n z l i ch unfähig zur Durchführung dieser alten libe- ralen Forderung erwiesen. Des linken Freisinns„Kampf" gegen daS persönliche Regiment begann mit einer Verbeugung vor dem StaatSmanne, unter dem all das Un- heil der letzten Jahre geschehen, derber Repräsentant diese« Systems ist. Herr W i e m e r hat ihm sein Vertrauen aus- gesprochen. Der Träger der Krone würde sich nie so geführt haben, wenn das Volk es nicht gewollt hätte. Aber wie ist es anders möglich bei soviel Speichelleckerei und Byzantini s- m u s. Cäsar wär kein Leu, wenn nicht die Römer Schafe wären! Es hat noch nie einen politischen Fortschritt gegeben, ohne daß er erzwungen worden wäre. Das sollte man bei der jetzigen „Neureform" bedenken. Statt dessen redet Herr Müller- M e i n i g e n. dieser große Staatsmann Mitteleuropas , von„Er- Presserpolitik". Auch in der äußeren Politik haben wir seit Jahren nichts als diplomatische Unfähigkeit und Mißgriffe erlebt. Fort mit Bülowk hätte es auch hier heißen müsien. Statt dessen ein Vertrauensvotum l Weshalb? Man war ja im Block, wo man bisher eine Ohrfeige nach der anderen be- t-mmen hat. Der„schwarze Mann", das Zentrum steht in der Ecke! Machen nicht trotz des Blocks Konservative und Zentrum nach wie vor klerikale Pelitik?! Mit Ausnahme des Zylinders deS Herrn Spahn, der nicht mehr im Vorzimmer des Reichskanzlers steht, ist alles beim Alten geblieben. Wie will man auf diese Art die Ucbertragung deö ReichStagSwahlrechtS auf Preußen auch nur einen Schritt weiter bringen? Der Redner befaßte sich weiter mit der grundsätzlichen AuS- schliehung der Sozialdemokratie auS allen Berwaltungsiimtern? ein Sozialdemokrat könne nicht einmal zu dem geringsten Amt berufen werden, nicht mal Nachtwächter werden. Eine ganze Dreimillionenpartei sei einfach boykottiert. In keinem anderen Lande der Welt sei dieser verfassungswidrige Skandal möglich! Der Fall Hoffmanu- Kaiserslautern. München . 7. Dezember. lPrivatdepesche deS„Vorwärts".) Die„Münchener Post" schreibt zu dem„VorwärtS"-Artikel vom Sonnabend:„Zerstörte Legende": „Wir finden, daß das Zentralorgan sich unnötig aufregt, indem eS sich, obwohl im Reiche und in Berlin noch manches andere zu schaffen wäre, gerade jetzt in unfruchtbarer Schulmeisteret übt. Wie der Fall Hossmann zu bewerten ist und welche parteipolitischen Folgerungen daraus zu ziehen sind, darüber zu urteilen, wird der „Vorwärts" schon den bayerischen Parteiinstanzen überlassen müssen. Zunächst liegt noch gar kein endgültiger Entscheid vor. Wie der„Vorwärts" weiß, ist gegen die Verfügung der Kreis- regierung Beschwerde beim Ministerium eingelegt worden. Damit ist deutlich genug gezeigt, daß die Angelegenheit mit aller Energie auSgefochten werden soll. Wir halten es nicht gerade für weise, durch eine Aufregung nach dem Muster des„Vorwärts" dem Minister Wehner und der Regierung die Stellungnahme zu er- leichtern. Wir werden daher den Ausgang der Angelegenheit erst abwarten, ehe wir weiteres unternehmen. Die Aeußerungen des „Vorwärts" find nicht dazu angetan, uns aus dieser Auffassung zu bringen.".................. Wir finden in dieser Abkanzelung, die uns unser Münchener Parteiblatt zuteil werden läßt, kein Wort darüber, ob ihm bekannt ist. daß dem Volks schullehrer Hoffmann die Amtsent- lassung angedroht war, falls er für die Sozialdemokratie kandidiere. Das aber ist der Kernpunkt der Sache, um dessentwillen wir sie vorgebracht haben. Denn soviel im Reiche und in Berlin auch zu schaffen ist, so erscheint uns doch auch nicht ganz unwichtig, daß die Partei über den wahren Stand der staatsbürger- ltchen Gleichberechtigung, die der Sozialdemokratie in Bayern zu- gebilligt wird, richtig informiert werde. Die Drohung der bayerischen Regierung gegen den Volks schullehrer Hoffmann enthält die grundsätzliche Weigerung, der Sozialdemokratie die staatsbürgerliche Gleichberechtigung auf dem Gebiet des Schulwesens zuzugestehen. Und von dieser wichtigen programmatischen Handlung der bayerischen Regierung hat die Oeffentlichkeit durch die bayerische Parteipresse bishor nichts erfahren, Im übrigen ist es uns nicht entfernt eingefallen, die bayrischen Genossen zu schulmeistern oder uns in ihre Kompetenzen zu mengen. Aber es wird uns wohl noch erlaubt sein, die Ruhe in der bayrischen Parteipresse etwas seltsam zu finden, tvenn wir sehen, daß gleich- zeitig die badische Parteipresse den Fall des Lehrers Rödel , der nicht wegen sozialdemokratischer Gesinnung gemaßregelt wurde, mit aller gebotenen Schärfe erörtert. Eitle Beleuchtung der GermanisierungSpolitik. Bekanntlich betreibt die Regierung ihre Germanisierung in den östlichen LandeStcilen mit polnischer Bevölkerung nach wie bor mit großem Eifer und mit Unterstützung der evangelischen Kirche, was der katholischen Presse zu fortgesetzten Angriffen auf die Re- gierung und die evangelischen Geistlichen Anlaß gibt. Den letzteren wird ganz unverblümt der Vorwurf gemacht, daß sie die German!- sierung der polnischen Bevölkerung alS Vorwand benutzen, um für die evangelische Kirche Propaganda zu machen und die Katholiken u verdrängen. In einem Artikel vom 4. Dezember deleuchtet das acholische Blatt, die„E r m l ä n d i s ch e Zeitung" nun diese christliche Agitation und GermanisierungSpolitik der preußischen Regierung in folgender Weise. Es heißt da unter anderem: „In den letzten Jahren sind Tau sende von Hektaren in den„gefährdeten" Kreisen Neidenburg , Ortclsburg und Oste- rode von der Domänenverwaltung aufgekauft und werden aus dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Rrntengutsbildunz an deutsche (lies: evangelische) Bauern weiter vergeben. Eine leb- haste Agitation ist dafür im Gange, daß die m a s u r i? ch e n Kreise der Ansiedelungskommission unter- stellt lv erden»nögen, und verkrachte GutSbe- s i tz e r nützen den Polenkoller aus, indem sie die Regierung mit einem polnischen Käufer graulich machen, um so einen u n v e r- schämten Kaufpreis stir ihre verlotterte Wirtschaft herauszuschinden. Die Demoralisation, die dieses elende System im Gefolge hat, Denunziationen von Beamten, Lehrern, Guts- besitzcrn, geschäftlicher und gesellschaftlicher Boykott usw. giassie- ren in diesen Kreisen schon jetzt ebenso wie in Westpreußen und Posen. Trotzdem empfahlen evangelische Geistliche noch besonders, daß tüchtige Redner geworben werden sollen, die umherziehen, Protestantenversammlungen veranstalten und das deutsche Ge- wissen der Leute aufrütteln sollen, die jetzt noch nichts Schlimmes darin fänden, ihr Grundstück, ihr Gut an einen Polen (lieS: Katholiken) zu verkaufen." Nette Zustände!_ Das Zentrum als VolkSPartei. Das Zentrum hat sich bei den letzten Wahlen zum prenßi« schen Abgeordnctenhause dazu verstanden, auch einige Arbeiter- kandidaturen aufzustellen. ES sind dann in der Tat sechs katholische Arbeiter zum Landtag gewählt worden, davon zwei aller« dingS mit Hilfe der Sozialdemokratie in der Stichwahl gegen die Nationalliberalen. Das Zentrum hat von diesen Arbeitervertretern. die seiner LandtagSstaktion angehören, ein großes Wesen gemacht, und sich als diejenige bürgerliche Partei herausgestrichen, die allein Verständnis habe für die Gleichberechtigung der Arbeiterklasse. Was in Wirklichkeit die Arbeiter beim Zentrum zu bedeuten haben, zeigt die Zusammensetzung des jetzt eingerichteten Landes- ausschusses deir preußischen Zentrumspartei . Diesem gehören an die Vorstandsmitglieder der Zentrumsfraktion des preußischen Abgeordnetenhauses, unter ihnen ist kein Ar- bcitcr; die preußischen Vorstandsmitglieder des Reichstags- Zentrums, unter ihnen ist ebenfalls kein Arbeiter; die Vor- sitzenden der ProvinzialauSschüsse des Zentrums, auch hier kein Arbeiter, und endlich sieben hinzugewählte Mitglieder, darunter ebenfalls kein Arbeiter. In der Organisation der preußischen Zentrumspartei haben also die Arbeiter nichts zu sagen. Dagegen sind in dem ultra- montanen Landesausschuß vertreten vier Grafen, ein Freiherr, vierzehn Juri st en. vier Geistliche, vier Fabrikanten und Kaufleute, ein General- d i r c k t o r usw. So versteht das Zentrum die„Gleichberechtigung der Arbeiter"._ Zur Stärkung monarchischen Sinnes. Die preußische Krone braucht Geld. Zu diesem Zwecke will sie sich einiger Schlösser im Rhcinlande entledigen, die schon seit lange nicht mehr Von der Königsfamilie besucht oder benutzt werden, dafür aber in ihrer Erhaltung viel Kosten verursachen. Es kommen hier vor allem das Schloß Swlzcnfels bei Koblenz , das Schloß Benrath bei Düsseldorf und der Jägcrhof in der letztgenannten Stadt in Betracht. Die„Kölnische Zeitung " führt mancherlei Gründe gegen den Uebergang dieser Schlösser, deren Parks der öffentlichen Benutzung freigegeben sind, in privaten Besitz an, und meint dann u. a.: „Aber über alle diese Dinge hinaus beschäftigt unS ein anderer Gedanke, und dieser ist es, der vor allem diese Met- nunasäußcrungen veranlaßt hat. Solche Schlösser, Paläste«nv Parle des Landesherrn, mögen sie nie bewohnt fein, spinnen leise Fäden zwischen der Provinzbcvölkerung und dem Monarchen in seiner Hauptstadt. Sie sind wahre Symbole, di« immer wieder an das Vorhanden- fein des Monarchen erinnern und der Loyalität einen Wink geben. Die Rheinlande sind weit von Berlin , sie führten lange ein geographisch von Preußen losgetrenntes Dasein, bei der der Royalismus mehr oder minder eingeschläfert schien. Aber nach 1866 haben sich die Beziehungen zum Gesamt- Königreich immer inniger gestaltet. Es will uns nun gar nich: zweckmäßig erscheinen, diese erfreuliche und wichtige Wendung dadurch wieder abzuschwächen, daß man jene Fäden zerschneidet, die Symbole ihres Charakters entkleidet und der Bevölkerung diese hübschen Beziehungen zum Königshause nimmt." Das Blatt weist hin auf die neuerdings viel betonte Pflicht deS Denkmalschutzes und der Heimatpflcge, auf das Streben von Staat und Gemeinde „den Mitbürgern den Wert ihrer geschichtlichen Bauten, ihrer Naturdenkmäler klar zu machen und ihnen die in unseren Tagen so sehr abgekommene Pietät wiedeveinzuflößen, in die Blutleere des modernen Denkens wieder einmal die An- regungen gefckichtlicher Phantasie zu bringen und damit auch eine gesunde Beimischung konservativen Den. kons, das auch der freiocnkende Mann, wenn er nicht ins Uferlose des Radikalismus gelangen will, nicht entbehren kann. Ist es da nicht sonderbar, wenn gerade die Krone gegen eine solche Stärkung des konservativen Sinnes sich betätigt." Tie Geschichte der rheinischen Fürstenschlösser, die vorwiegend aus der galanten und üppigen Zeit des achtzehnten Jahrhunderts stammen, scheint uns kaum geeignet zu fein. die Besucher von der Fürtrefflichkeit und Notwendigkeit der Mon- archie zu überzeugen._ Eine Kundgebung für die Präger Studenten. Gegen die nationalistischen Exzesse in Prag nahm eine von zirka 2000 Studenten und zahlreiche» Professoren besuchte Versammlung Stellung, die Sonntag i» der Philharmonie stattfand. Das Referat hielt der Jurist L o e w e n t h a l, der selbst in Prag Insulten aus- gesetzt war. In der Diskussion sprachen die Prvfcssore» R o e t h e. «d. Wagner. Lenz und v. LiSzt. Dieser beantragte folgende Resolution: „Wir, die am 6. Dezember mit ihren Professoren versammelte Studentenschaft der Stadt Berlin sind mit Entrüstung den Vorgängen in Prag gefotgt, die in ihren Angriffen aus Professoren und Studentenschast eine ernste Gefährdung deutscher Bildung und Kultur bedeuten. Wir erkennen als Pflicht jedes Deutschen an, den bedrohten Brüdern jensiitS der Grenzen zu helfen. Wir fordern die Kommilitonen auf, zu diesem Zwecke möglichst zahlreich in den Verein für das Deulschium im Auslände beizutreten. Wir beabsichtigen von dieser Resolution der deutschen Universität zu Prag Kenntnis zu geben zugleich mit dem Ausdruck unterer wärmsten Sympathie für die mannhaften akademischen Vorkämpfer für deutsche Bildung und Kultur gegen Rassenhaß und Fanatismus." Es ist natürlich, daß die deutschen Studenten sich gegen die Be- drohungen ihrer Kollegen in Prag entrüsten. Nur möchten wir wünschen, daß diese Abwehr des Chauvinismus sich nicht nur dann äußert, wenn ihn Slawen gegen Deutsche betätigen, sondern auch im umgekehrten Falle. Wir haben aber nichts davon gehört, daß eine große Studentenversammlung je gegen die VerfolgungS- sucht der preußischen Regierung den Polen gegenüber protestiert hätte._ Die„Münchener Post" gegen PeterS. München , 7. Dezember. (Privatdepesche deS„Vorwärts".) Die erste Strafkammer des Landgerichts München I hat den Termin für die Beratung der im Münchener PeterSprozeß von der „Münchener Post" eingelegten Berufung von Mittwoch, den 16. Dezember, auf Mitttooch, den 13. Januar 1909 verlegt. Landtagsstichtvahl in Schwarzburg -Rndolstadt. Am Montag unterlag bei der Landtagsstichtvahl im Wahlkreis Stadtilm der Genosse Scholl mit 640 gegen 660 Stimmen, die auf einen Agrarier fielen._ Die Balkankrise. Die österreichische Politik erlebt wenig Freude, seitdem Herr Aehrenthal die Dummheit begangen hat, die Olknpation Bosniens in eine Annexion umzutaufen. Nachdem in der italienischen Kammer der Unwille über den„Bundesgenossen" zum stürmischen Ausdruck gekommen und die Verkündung der italienisch« russischen Entente gerade wegen ihres gegen Oesterreich g e- richteten demonstrativen Charakters fo beifällig aufgenommen worden ist, nimmt jetzt auch Herr I s w o l s k i, der russische Minister deS Auswärtigen, in außerordentlich scharfer Weise gegen Oesterreich Stellung. Entgegen den österreichischen Erklärungen, wohl auch entgegen seinem eigenen früheren Verhalten erklärte er in einer Unterredung, er habe nie die Zustimmung zur Anuexion gegeben. In Uebereinstimmung mit England, Frankreich und JtalieO'ei Rußland der Ansicht, daß diese Frage vor eine europäische Konferenz gehöre. Selbst wenn diese die Annexion an- erkenne, so würde Rußland für Kompensationen an die Balkan stallten eintreten. Da nun Oesterreich sowohl die DiS- kussion über die Annexion als namentlich auch die Kompensationen ablehnt, so stehen die Aeußerungen JswolSkiS in schärfstem Gegensatz zur österreichischen Politik, ein Gegensatz, der noch verschärft wird durch eine äußerst unfreundliche und in dieser Form sehr un- gewöhnliche Kritik, die der russische Minister im einzelnen an dem Vorgehen seines österreichischen Kollegen übt. Ueberboten wird diese Kritik aber noch durch die Besckmldigung, daß am österreichischen Hofe eine große kriegerische Partei bestünde, welche einen Konflikt mit der Türkei und Serbien herbeiführen wolle. Zum Schluß kündigt JSwolSki an. daß ein formelles Bündnis Englands mit Rußland und Frankreich bevorstehe; es sei notwendig, da Deutschland die. österreichische Balkanpolitik jetzt noch intensiver unterstütze. ES ist kein Wunder, daß die Stellungnahme aller Mächte— Deutschland natürlich ausgenommen~ gegen Oesterreich die Balkan - staaten und die Türkei in ihrem Widerstände nur bestärkt. DaS spürt vor allem Oesterreichs Handel, dem der türkische Boykott schwere Wunden schlägt und der trotz aller�Vorstellnngen des öfter- reichischen Botschafters ungeschwächt fortdauert. ES taucht auch wieder die Nachricht auf, daß der ö st er reichische Botschafter demnächst von Konstantinopel abreisen werde, wodurch daS österreichisch -türkische Verhältnis sich neuerdings verschärfen würde. Um so dringender wird eS die Pflicht Deutschlands und Frankreichs , der beiden Mächte, deren Interesse vor allem die Ausrechterhaltung des Friedens im nahen Osten ist, durch vermittelndes Eingreifen der drohenden Katastrophe vor- zubeugen. Für die deutsche Politik wäre dies zugleich ein erster Schritt zu einer Annäherung an Frankreich , die auch auS tausend anderen Gründen wünschenswert wäre. Aber die deutsche Diplomatie scheint auch diese günstige Gelegenheit ungenützt vorübergehen zu lassen und nur darauf Bedacht zu nehmen, einen neuen Beweis für ihre Unzulänglichkeit zu erbringen. flranbreicb. Eine Maßregelung. Die französische Regierung hat den Admlral G e r m i n e t. den Chef des Mittelmeergeschwaders, seines Amtes entsetzt. Der Grund dafür ist, daß der Admiral in einem Interview verschiedene Mißstände über die Ausstattung der Schiffe mit Munition erörtert hatte. Die Regierung kann zwar die Richtigkeit der Aeußerungen nicht ableugnen, hat sich aber auf den Standpunkt gestellt, daß der Admiral durch die öffentliche Erörterung die Disziplin ver- letzt hat. Das Vorgehen der Regierung findet aber m der Presse eine überwiegend ungünstige Beurteilung und wird mich in der Kammer zur Sprache gebracht werden. Cnglancl. DaS Scheitern der Unterrichtsbill. London , 7. Dezember. In der Sitzung des Unterhauses zog Premierminister Asquith die UntcrrichtSbill formell zurück und gab hierbei dem tiefen Bedauern darüber Ausdruck, daß die Hoffnungen der Regierung auf Regelung der Unterrichts- frage be r e i t e l t feien. Redner wies ferner auf mehrere Schwierigleiten, die sich in dieser Frage erhoben hätten, hin und zollte den Bemühungen RuneimanS und des Erzbifchofs von Canterbury warme Anerkennung. Ich habe nie, fuhr ASquith fort, eine schwerere Enttäuschung erfahren. aber ich bcdaure nicht den Versuch, der gemacht worden ist; es ist mir lieber, ihn gemacht und mich getäuscht zu haben, als den Ver- such aus Furcht vor einem Mißlingen unterlassen zu haben. K-uManä. Die Anleihe bewilligt. Petersburg. S. Dezember. Der Budgetausschuß der Duma beschloß in der gestrigen Sitzung nach vom Finanzministcr ab- gegebenen Erklärungen, diesem Kreditoperationeu bis zum Betrage von 4 50 Millionen Rubel zur Tilgung der fünfprozcntigen Schatzscheinc und zur Deckung des Fehlbetrages für außerordent- liche Ausgaben im Jahre 1909 zu bewilligen. CUrlrn. Sultan und Parlament. Konstantinopel » 6. Dezember. Jenigazetta kündigt an, der Sultan werde am 14. d. M. der Eröffnung des P a r l a» m e n t s beiwohnen und jeden dritten oder vierten Tag in der Sitzung anwesend sein._ Unterdrückte Meuterei. Konstantinopel . 6. Dezember. Eine Meldung der Jenigazetta auS K o e p r u l i c besagt, daß R e s e r v i st e n am 8. d. R.. trotz-
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