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Beilage zumVomiirts" Berliner Bolksblatt. ftg*_ Donnerstag, den 16. März 1893. 16. Jahrg. Vnvlmnentslrertllhke. Deutscher Neichstag. 67. Sitzung vom 15. März 1893, 1 Uh». Am Bundesrathstische: v. M a I tz a h n. . Die zweite Berathung des Reichs-Haushaltsetats wird fort- gesetzt beim EtatdesReichs-Schatzamtes. Bei den Ausgaben für das Münzwesen kommt Abg. Gras Mirbach auf die gestrige Debatte zurück und weist es zurück, daß Abg. Büsing gestern ausgeführt, daß die Deihrungssrage nur dem Großgrundbesitzern zu gute käme. Solche Unterscheidung zwischen großem und kleinem Grundbesitz sei sonst nur bei anderen Parteien als bei der Partei des Herrn Busing zu finden gewesen. Er habe nur ausgeführt, daß der bei der Landschaft verschuldete Grundbesitzer besser daran sei, als der be, Privatgläubiger». Die Landschaft beleiht aber große Guter ebenso wie Bauerngüter. Redner wendet sich dann gegen Bamberger. der ihn wohl mißverstanden habe. Er habe ihm durchaus keinen Vorwurf gemacht; eine Verletzung würde nur dann vorliegen, wenn er(Redner) einen Volksstamm als schlechter als den anderen bezeichnet hätte, was nicht ge- schehen ist. Was Herr Bamberger sonst persönlich ausgeführt habe, falle aus ihn selbst zurück und mache jede sachliche Tis- kwsion unmöglich. Abg. Brömel(bfr.) konstatirt, daß der Abg. Bamberger eines Augenleidens wegen augenblicklich eine ärztliche Konsultation habe. Er werde wohl Gelegenheit haben, bei der dritten Lesung zu antworten. Abg. Büsing(ntl.): Ich habe gesagt, die Doppelwährung komme nur den Großgrundbesitzern zu gute. Das ist geschehen aus grund der Ausführung des Grafen Mirbach, daß die bei der Landschaft verschuldeten Besitzer davon einen Vortheil haben. Tie Landschaften sind nicht überall vertreten, namentlich sind die Bauern nicht überall bei der Landschaft betheiligt, und es giebt auch Schulden, welche hinter der Landschaft eingetragen sind. Graf Mirbach hat darauf gesagt: Den Grundbesitz, der nicht bei der Landschaft ist, gebe ich preis.(Hört! links.) Danach war meine Folgerung vollkommen gerechtfertigt. Wenn Graf Mirbach gestern auf meinen Privatberuf angespielt und mir vorgeworfen hat. daß ich deswegen der Goldwährung anhänge, so ist das ein Beweis dafür, daß die Herren(rechts) überhaupt nicht mehr glauben, daß man im Interesse der Allgemeinheit etwas vertritt. Abg. Graf Mirbach bestreitet, eine solche Aeußerung über die nicht bei der Landschaft betheiligten Grundbesitzer gemacht zu haben, während Abg. Büsing seine Behauptung ausrecht erhält. Ter Titel wird genehmigt, ebenso der Rest des Etats des Rcichs-Schatzamtes. Ohne Debatte wird der Etat der Reichsschuld genehmigt. Beim Etat des Reichsbankwesens weist Abg. Graf Mirbach daraus hin. daß bei Uebernahme der Reichsbank aus das Reich dem Reiche aus dem Bankwesen 1892 S'/,. aus dem Jahre vorher 5 Millionen Mar! mehr als jetzt zugeflossen wären. Die Sparsamkeit sei also in dieser Frage auf seite derjenigen gewesen, welche die Sieichsbank verstaatlichen wollten. Der Etat wird genehmigt; ebenso ohne Debatte die bayerischen Quoten, die Erstattungen auf aus Landesmitteln angewendete Kasernenbau- u. s. w. Kosten und die Betriebsfonds. Für die Vervollständigung des deutschen Eise n b ahnnetzes im Interesse der Landesver- theidigung sind 29 749 260 M. ausgesetzt, deren Bewilligung die Kommission beantragt. Hierzu liegt eine von den Abgg. Lender und Hug beantragte, von sämmtlichen badische» Abgeordneten unterstützte Resolution vor: Der Reichstag wolle beschließen: Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, für die auf grund von zwischen dem Reich und einem Bundesstaate abgeschlossenen Verträgen erbauten Eisenbahnen, welche im Interesse der Vertheidigung Deutschlands oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet worden sind, Beiträge aus Reichsmitteln wie zur Erbauung, so auch zur Unterhaltung und zum Betriebe dieser Eisen- bahnen dem einzelnen Bundesstaate zu gewähren, sofern die dazu erforderlichen Kosten die Betriebseinnahmen übersteigen und den Staatshaushalt des Bundesstaates belasten." Abg. Hug(Z.) führt aus, daß diese strategischen Bahnen durchaus keinem wirthschaftlichen Bedürfniß entsprächen, ja, daß sie unnöthiger Weise den badischen Staatsbahnen Konkurrenz machen; sie erfordern in jedem Jahre einen erheblichen Zuschuß. Deshalb sei es nothwendig, daß das Reich die Kosten allein trage. Die Bahnen in den Gebirgsgegenden haben immer mehr gekostet als sie veranschlagt waren; der Zuschuß ist dadurch ein unbestimmter und besonders bedenklich ist es, daß Baden alle Erneuerungs- bauten bezahlen soll. Wenn der badische Staat oder die badi- schen Eisenbahnen so belastet werden, dann kann die Un- abhängigkeit Bavens in Gefahr kommen, und wieder das Projekt auftauchen, die badischen Staatsbahnen auf das Reich zu über- nehmen. Nach Artikel 41 der Reichsvcrfassung kann das Reich Eisenbahnen, welche im Interesse der Vertheidigung Deutschlands oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig er- achtet werden, kraft eines Reichsgesetzes auch gegen den Wider- spruch der Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahn durch- schneidet, unbeschadet der Landeshoheitsrechte anlegen. Aber daraus geht nicht hervor, daß die Einzelstaaten den Betrieb solcher Eisenbahnen übernehmen müssen, der vielleicht einen er- h-blichen Zuschuß erfordert. Redner empfiehlt deshalb die vor- geschlagene Resolution. Staatssekretär v. Malhahn: Solche strategischen Bahnen sind nicht erst in neuerer Zeit gebaut worden, sondern von Preußen aus Landesmitteln ohne einen Pfennig Zuschuß aus Reichsmitteln schon früher. Erst in neuerer Zeit sind solche Bahnen mit Reichszuschuß gebaut worden in Staaten, welche sich in bezug auf ihre Ausdehnung und ihre Mittel nicht mit Preußen »>essen konnten. Es sind darüber Verträge abgeschlossen und auch vom Reichstage gebilligt worden. Dabei ist man immer in der Weise verfahren, daß man den betheiligten Staaten ein Pauschquantum gegeben hat, daß das Reich sich damit ein für alle Mal abfand und keine Verpflichtung übernommen hat zu etwaigen Mehrkosten der Anlage oder des Betriebes. Wenn das Reich zum Betriebe etwas zuzahlen soll, so muß es auch die billigste und kürzeste Linie verlangen und kann auf die Wünsche der Lokalinteressen keine Rücksicht nehmen; das Reich müßte dann auch dauernd den Betrieb kontrolliren, was wohl in den Einzelstaaten nicht als erwünscht angesehen werden würde. Der Vertrag mit Baden ist abgeschlossen, ohne daß irgendwie bemerk- bar gewesen wäre, daß Baden mit dem Entgegenkommen des Reichs nicht zufrieden gewesen wäre. Allerdings hätte ohne den Bau der Bahn der Umbau des Bahnhofs Karlsruhe noch etwas warten können; aber Baden hat einen höheren Zuschuß be- kommen als andere Einzelstaaten; deshalb kann ich nur bitten, die Resolution abzulehnen. Präsident des Reichs-Eisenbahnamtes Schulz bestreitet, daß Baden einen erheblichen Zuschuß für die in Rede stehenden strategischen Bahnen leisten müsse. Das Defizit der badischen Staatseisenbahn sei ein sehr geringes und auf die früher ge- bauten badischen Bahnen entfalle davon nur ein geringer Bruch- thcil, ja, die Bahnen hätten zum theil einen erheblichen Neber- schuß gebracht. Uebrigens müsse man bedenken, daß das Reich 95 pCt. der Baukosten als Zuschuß gewährt. Badischer Bevollmächtigter v. Brauer: Trotz des Reichs- zuschusses zu den Baukosten decken die Einnahmen der Bahnen die Betriebskosten nicht, und so weit dies geschieht, werden da- durch Einnahme-Zlusfälle bei den fünf alten Stammbahnen her- vorgerufen. Deshalb wäre der Antrag wohl wünschenswerth, aber bei Abschluß des Vertrages ist das alles erörtert worden. Es wurde anerkannt, daß das Reich nichts Unbilliges verlangt und daß Baden die Kosten, die ihm entstehen, im Interesse der Sicherheit decken müsse. Abg. Lender(Z.): Ich kann den Antrag, der von Ab- geordneten aller Parteien unterstützt ist, nicht als ungerecht an- erkennen. Es soll kein Einzelstaat belastet werden zu gunsten des Reiches. Wenn die Bahnen im Interesse der Landesvertheidigung nöthig sind, muß auch das Reich die Kosten des Betriebes tragen. Staatssetretär v. Maltzahn: Wenn das Reich die Betriebs- kosten mittragen soll, dann würde es weniger Zuschuß zu den Anlagekosten geben; es müßte serner den Betrieb beaufsichtigen können. Die Abgg. Lender(Zentr.) und Hug(Zentr.) halten es für nothwendig, daß der Grundsatz ihres Antrages wenigstens in Zukunft angewendet wird. Der Titel wird darauf genehmigt; der Antrag aber gegen die Stimmen des Zentrunis und der sozialdemokratischen Abge- ordneten Dreesbach und H i ck e l abgelehnt. Ohne Debatte werden die übrigen Etatskapitel: Besonderer Beitragvon Elsaß-Lothringen . Zinsen aus belegten Reichs- geldern, Ueberschüsse aus früheren Jahren, Matrikularbeiträge und außerordentliche Deckungsmittel genehmigt, ebenso das Etats- und das Anlcihegesetz. Der Etat schließt ab in Einnahmen und Ausgaben mit 1257 699 611 M. und zwar betragen die laufen- den Ausgaben 1 005 419 231 M., die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats 82 796 694 M., des außerordentlichen Etats 169 474 776 M. Damit ist die zweite Berathung des Etats erledigt. Die allgemeine Rechnung für 183999 wird der Rechnungs- kommission überwiesen; die Vorlage zur Erwägung der Gesetze betreffend die P o st d a m p s s ch i f f s- V e r b i n d u n g e n mit überseeischen Ländern wird in dritter Berathung endgiltig an- genommen. In zweiter Berathung wird der Gesetzentwurf betreffend die Abänderung der Maaß- und Gewichtsordnung angenommen. Hierzu liegt ein Antrag der Abgg. Brömel und M e r b a ch vor: Den Reichskanzler zu ersuchen, die gesetzliche Einführung einer in das metrische System passenden Bezeichnung sür 199 Kilogramm in Erwägung zu ziehen und dem Reichstage eine daraus bezügliche Vorlage zu machen. Abg. Brömel(dfr.): Aus der neuen Gewichtsordnung ist der AusdruckZentner" vollständig verschwunden, Landwirlh- schaft und Statistik haben aber an einer kurzen Bezeichnung für 199 Kilogramm ein großes Interesse; deshalb kann ich die Resolution mit gutem Gewissen empfehlen. Abg. Merbach(RP .) weist darauf hin, daß eS noch manche Stätten im Deutschen Reich gäbe, wo das Pfund noch eine gesetzlich ganz unberechtigte Existenz fristet. Man solle damit endlich ein Ende machen. Ueber die Resolution wird erst bei der dritten Berathung abgestimmt werde». Die zweite Berathung des Gesetzentwurfes betreffend die Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird ohne Debatte erledigt. Schluß SV« Uhr. Nächste Sitzung Donner st ag 1 Uhr (Handelsvertrag mit Columbien und erste Lesung der Novelle zum Unterstützungswohnsitz-Gesetz). DoKsles. Auf Requisition der Staatsanwaltschaft des Amts- aerichts I wurden gestern die zur Ausgabe am 18. März be- stimmten Blätter: 1. ein von Fritz Wille herausgegebenes rllustrirtes Blatt, 2. die rothe Festausgabe desV o l k s b l a t t s sür Teltow- Beeskow u. s. w.", 3. die rothe Nummer des Sozialist" mit Beschlag belegt und wurde nach den Exem- plaren der Blätter angeblich auf 49 Stellen gehaussucht. Von dem ersten Blatte nahm die Polizei die noch im Druck befindliche zweite Auflage, soweit sie hergestellt war, weg. VomVolksblatt" fielen ihr in der Expedition 4999 Exemplare in die Hände. Nach Angabe der haussuchenden Beamten wäre die Maß- regel in erster Linie veranlaßt durch die falsche Notiz, die über die Beschlagnahme des Wilkc'schen Blattes am Dienstag durch die Zeitungen gegangen war. Auf die seitens desVolksblatts für Teltow-Beeskow u. s. w." ergangene Anfrage an die Staatsanwallschaft, welches der Grund zur Beschlagnahme sei. ist Antwort noch nicht ergangen. Der Antrag aus Aushebung der Beschlagnahme ist bei Gericht gestellt. De« Genossen zur Kenntuist, daß für Rixdors die Ernennung einer Person nothwendig wurde, welcher der Ver- trieb unserer Tagespresse besonders am Herzen liegt. Diese Aufgabe habe ich dem Genossen R e tz e r a u übertragen. Der- selbe nimmt alle Bestellungen auf unsere Tagesliteratur ent- gegen. Es ist ihm zur Pflicht gemacht, keine gegnerischen Schriften zu verbreiten. Gleichzeitig mache ich noch die Parteigenossen darauf aufmerksam, daß Sonnabend, den 13. März, der Sozial- demokratische VereinVorwärts" sein diesjähriges Winterfest veranstaltet, wozu ganz besonders die Genossen eingeladen sind. RobertKöppen, Vcrtrauensperson. Auf eine Ketzerei des orthodoxenReichSboten" macht uns ein kirchenkundiger Atheist aufmerksam. Den Antisemiten ist es ein großer Aerger, daß Jesus selbst Semit ist, und ist des- halb auch schon der Versuch gemacht worden, Jesus als Arier hinzustellen. Damit wird nun wieder an den Fundamenten der christlichen Lehre gerüttelt, und Stöcker und Genossen ergießen ihren Zorn über dergleichen Versuche. Der christlich- orthodoxe Reichsbote" sucht sich damit zu Helsen , daß er behauptet, daß Christus wegen seiner Göttlichkeil überhaupt keiner Rasse zu- gerechnet werden dürfe. Das ist vom theologischen Standpunkte eine Ketzerei, und es ist drollig, daß derReichsbote" von Judenlnechten" undAtheisten" darüber belehrt werden muß. Nach der Lehre der Kirche von Christus sind in ihm zwei Na- turen, er ist wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich; als Mensch ist er vom Weibe geboren und gehört durch seine Mutter einem Volk und einer menschlichen Rasse an. Wer das leugnet, bekennt sich zurIrrlehre" der Monophysiten, die von der katho- tischen wie von der lutherischen r-vche in gleicher Weise ver- dämmt wird, wie die Lengnung der Göttlichkeit Christi. GeschäftSfreisinnlge werden imfreisinnigen Bezirksverein Nen-Kölln" gezüchtet. Vor uns liegt em vertraulich versandtes Zirkular seines Vorstandes, das von elf Herren, darunter drei freisinnigen Stadtverordneten, unterzeichnet ist. Dasselbe giebt den Zweck des Vereins, neben der Organisation der Wohlthatig- keit, so an:Ferner Zweck des Vereins ist, die Bewohner der oben genannten Stadtbezirke untereinander bekannt zu machen und sie geschäftlich und gesellschaftlich näher zu führen". Der Vor- stand eines politischen, freisinnigen Vereines fordert also hier dazu auf, aus geschäftlichen Beweggründen dem Freisinn beizutreten. Diejenigen, die dem freisinnigen Verein beitreten, sollen ein Ge- schäst machen, die anderen werden also indirekt gedoykottet. Man theilt uns übrigens mit, daß ähnliches in den Zirkularen frei» sinniger Vereine schon wiederholt gesagt worden sei. Die von unS sowie mehreren andern Blättern gebrachte Reporternotiz, wonach infolge einer Denunziation beim Fabri- kanten Warnecke eine polizeiliche Haussuchung nach Dynamit- bomben stattgefunden, stellt sich als eine Ente heraus. Herr Polizeipräsident v. Richthosen sendet uns folgende Berichtigung: Die in der Beilage zu Nr. 62 desVorwärts Berliner Volksblatt" Seite 2. Spalte 2 unter der Ueberschrist:Ein Miß- vcrständniß" abgedruckte Notiz, es sei bei der Polizei Anzeige erstattet worden, daß bei dem Cuxhavenerstr. 3 wohnhasten Fabrikanten Warnecke Bomben angefertigt würden und es sei infolge dessen bei Warnecke eine Durchsuchung durch Polizei- beamte vorgenommen worden, ist unwahr." Arbeit nm jeden Preis ist heute die Sehnsucht so vieler Tausende. Die Roth lehrt sie, jede Rücksicht darauf zu ver- gessen, daß sie dadurch nur den Lohn herabdrücken und die all- geineine Roth vermehren. Die Erhaltung des eigenen Lebens, der nagende Hunger, der augenblickliche Befriedigung verlangt, läßt die Abwägung des allgemeinen Interesses, den Gedanken an morgen, das Gefühl der Solidarität gar nicht aufkommen. Die augenblickliche Roth will befriedigt sein, und leider steht die große Masse der Arbeiter noch jeder Organisation fern, die ihnen einen Halt gewähren könnte. Solch ein unter taufenden in gleicher Lage Befindlicher isolirt dastehender Arbeiter nimmt schließlich jede Arbeit unter allen Bedingungen an. Oft aber ist er selbst hierzu nicht in der Lage, denn mit der Arbeit erhält er noch kein Brot, wie folgendes Beispiel lehrt. Ein junger Mann von 24 Jahren tritt am Donnerstag gegen 9 M. Wochenlohn als Hausdiener in einer Stcindruckerei ein. Am Sonnabend ist Lohnzahlung; nach der Fabrikordnung wird ein Tagelohn einbehalten. Der Hausdiener hat also nur für zwei Tage Lohn zu erhalten. Aon diesen werden ihm aber für Krankenkasse, Einschreibegeld, Altersversicherung:c. 2,38 M. ab- gezogen, so daß ihm nur noch 62 Pf. bleiben. Ein kleiner Vor- schuß wurde ihm verweigert. Er kündigte sofort zum Montag; da erhielt er wenigstens den Lohn für zwei Tage. Was blieb ihm sonst übrig? Wovon sollte er bis zum nächsten Sonnabend leben, wenn er bei der Arbeit blieb? Um leben zu können, mußte er die Arbeit aufgeben. Bon zehn Milchplantschern veröffentlicht daS Polizei» Präsidium unterm 13. d. M. die Namen, bei denen wiederholt Milch entnommen wurde, welche den Bestimmungen der Polizei- Verordnung vom 6. Juli 1887 nicht entsprach und die deshalb mehrfach bestraft wurden. Es sind dies Karl Beutel, Strom- straße 36; Theodor Brunn, Blumenftr. 21; Heinrich D i e r i g, Bernauerstr . 73; August Fehmer, Koppenstr. 62; ranz List, Pasewalkerstr. 11; Dorothea Mühlen- e r g, Koppenstr. 38; Karl Päschel, Pallisadenstraße 16; einrich Schröder, Posenerstr. 11: Louis Schumann, aunynstr. 69 und August Steinrcke, Stralauerplatz 17. Wie aus den angeführten Straßen ersichtlich, ist es auch hierbei die arbeitende Bevölkerung, welche das Ausbeutungsobjekt ab- giebt. Auch die Butterhändler Robert Garlipp. Grünauer- Iiraße 49 und Eisenbahnstraße 39 und R. Kutschera, Man- teuffelstr. 195 und Falckensteinstr. 23 sind auf grund des Nahrungs- mittel-Gesetzes wiederholt bestrast worden, weil ihre Butter mit Margarine verfälscht und selbst reine Margarine als Naturbutter verkauft worden war. Die Verlegung deS ViehmarktS auf den Montag hat unter den Schlächtermeistern eine große Bewegung hervorgerufen. Am Dienstag Abend fand eine große Versammlung der Schlächter- ineister statt, welche die Begründung einerViehmarkts- b a n k" aus Aktien mit einem Grundkapital von 1 Million Mark beschloß. Der Vorschlag, mit den Viehkommisstonären in Ver- Handlung einzutreten, fand nicht die Zustimmung der Versamm- lung. Auf dem hiesigen Viehhof ist unter den bedeutenden Ueber» ständen an Rindern und Schweinen vom letzten Hauptviehmarkt die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen, infolge dessen dürfen Thiers vom Viehhof nicht lebend entfernt werden. Die Zufuhr ist selbstverständlich gestattet. Bezüglich deS gestern gemeldeten Unglücksfalles in Rixdors, Treptowerstrahe, wird uns berichtigend mitgetheilt, daß das einjährige Kind, welches aus dem Fenster gefallen war. noch am Leben ist, und voraussichtlich wieder hergestellt werden wird. Verschwunden ist feit Donnerstag, den 9. März, der Geld« schrankfabrikant Richard Koppe. Große Hamburgerstr. 29 wohn- hast. K., dessen Geschäft unter der Ungunst der Zeit zu leiden hatte, hatte sich eingebildet, daß er seinen geschäftlichen Ver- pflichtungen nicht mehr nachkommen könne und nicht mehr in der Lage sei, sich und seine Frau zu ernähren. Diese fixe Idee machte den Mann so tiefsinnig, daß er nur mangelhaft Nahrung zu sich nahm und gänzlich von Kräften kam. Am Donnerstag wollte er sich nach seiner in der Oranienburgerstr. 5 belegenen Werkstatt begeben, wohin ihm seine Gattin wenige Minuten später folgte; die letztere traf jedoch K. dort nicht mehr an, welcher nach kurzem Aufenthalt das Geschäft wieder verlassen, angevlich nm sich ein wenig in der frischen Lust zu erholen. Seitdem ist der Fabrikant, welcher 36 Jahre zählt, verschwunden. Es wird vermuthet, daß der Bedauernswerthe in einem Anfall von Geistesstörung sich das Leben genommen hat. Einen schaurigen Tod erlitt am Dienstag die 17jShrige Martha Nadecke, welche Lützowplatz 12 bei einer Ber - wandten im Geschäft und in der Wirthschaft thätig war. Die Unglückliche war in der Waschküche dem Herde, rückwärts gehend, zu nahe gekommen und stand plötzlich in Flammen. Ehe ihr Hilfe werden konnte, war sie von Brandwunden so bedeckt, daß auch die ihr im Elisabeth- Hospital zu theil gewordene liebevolle Pflege sie nicht zu retten vermochte. Nach kurzer Zeit erlag sie ihren Verletzungen. Die Landung deS BallonsHumboldt" ist. wie eine telegraphische Meldung aus Rogasen(Provinz Posen ) besagt, gestern Nachmittags 3 Uhr 29 Minuten daselbst glücklich von statten gegangen. Die wissenschaftliche Ausbeute dieser Luftfahrt dürfte eine sehr große sein, da der Ballon die kolossale Höhe von über 6999 Metern erreicht hat. Nähere Angaben fehlen noch. Marktpreise in Berlin am 14. März, nach Ermitte- lungen des Polizeipräsidiums. Weizen per 199 Kg. guter von