Es wird vielleicht unternommen werden, diese Wahl in Oester- reich mit dem ergebnislos ausgegangenen Versuch zu vergleichen, der Partei im Reichstage, nach dem grohen Siege des Jahres 1803, die Stalle eines Vizepräsidenten zu verschaffen— ein Versuch, der damals zu so umständlichen Debatten den Anlaß gegeben hat. Aber der Vergleich wäre ganz vrrfehlt. Das österreichische Abgeordnetenhaus ist kein Parlament von Mehrheiten und Minder- hehten; selbst jene Gruppierung, die im Reichstage einmal durch die konfervativ-klerikale, das andere Mal durch die konservativ- liberale Paarung gebildet wird, ist ihm versagt, und was sich hier als Negierungsblock sammelt, ist nur GelegenheitS- und Zerfallsprodukt, ohne Halt und Dauer und vor allem ohne innere Ver- knüpfung. Deshalb spiegeln die Vizepräsidenten niemals seine Formation der Parteien wieder, sind sie nicht mehr als die Vertreter der Parteien, denen der Anspruch teils wegen ihrer Größe, teils aus nationalen Beweggründen zugebilligt wird. Schon deshalb übernimmt der sozialdemokratische Vizepräsident mit seinem Amte keine anderen Pflichten als eben die, die aus diesem Amte entspringen, also ausschließlich die Beteiligung an der Leitung des Hauses; irgendwelche Verpflichtungen anderer Art sind weder von ihm gefordert worden, noch würden sie von der Partei anerkannt werden. Insbesondere, und das ist für jenen Vergleich die entscheidende Tatsache, gibt eS im österreichischen Abgeordnetenhause keine Mchrheitspartcien, die die Wahl des Sozialdemokraten etwa von seiner Zusicherung abhängig machen wollen könnten, daß er die „Repräsentatujnspflichten" des Hauses am Hofe erfülle; davon war, was mit aller Deutlichkeit gesagt wird, absolut keine Rede; viel- mehr ist daS Recht der Sozialdemokraten, im Bureau des Hauses vertreten zu sein, ebensowenig Bedingungen unterworfen worden, «IS etwa ihr Recht auf Vertretung im Ausschusse, in den Delega- tionen usw. Aber gerade dieses unbestrittene Recht der sozial- demokratischen Fraktion gibt der Wahl ihre ernstliche Bedeutung. Denn darin ist ausgesprochen, daß die Sozialdemokratie im öfter- reichischen Mbgcordnetenhause keine Partei minderen oder anderen Rechtes ist, daß für sie, weil sie höfische Verpflichtungen nicht über- nimmt und für sich nicht anerkennt, keine anderen Bedingungen gelten als für die bürgerlichen Parteien. Die Wahl ist also auch ein Ausdruck der Tatsache, daß die Sozialdemokratie das parla- mentarische Terrain mit'dem vollen Gewicht ihrer Stärke und Macht besetzt hat und behaupten will, lieber diese politischen Momente hinaus wird jeder Sozialdemokrat Pcrnerstorfers Erwählung auch mit einem Gefühl der persönlichen Genugtuung be- grüßen, weil er in seiner Ehrung die Ehrung der Partei empfindet und überzeugt ist, daß Mann und Amt hier wie nur selten in Uebereinstimmung steht. politilcbe(leberticbt. Berlin , den 11. Dezember 1908. Zur Haftentlassung Liebknechts. Wie borauszusehen war, hat die GeschäftSordnungS- Kommission d-S Abgeordnetenhauses den Antrag auf Haft- entlassung unseres Genossen Liebknecht abgelehnt. Die Kom- Mission hat aber auch nicht einmal dem Antrage Traeger auf Aenderung der Verfassung zugestimmt, sie verschanzten sich hinter den formalen Einwand, daß ihr nur der sozialdemokratische Antrag aus Haftentlassung, nicht aber der Antrag Traeger überwiesen sei und daß sie deshalb kein Recht habe, darüber zu be- raten. Dieser Einwand ist um so weniger stichhaltig, als bereits im Plenum der Redner der sozialdemokratischen Fraktion angeregr hat, die Kommission möge, wenn sie nicht auf dem Boden des sozial- demokratischen Antrage? stehe, wenigstens eine Aenderung der Verfassung nach d er R ich tun g hin in Erwägung ziehen. daß auf Verlangen deS Parlaments auch die Haft- entlassung eines Abgeordneten ohne weiteres verfügt werden muß.—_ Eine Arbeitslosendebatte im Chemnitzer Stadt- Parlament. In der gestrigen Stadtverordnctensitzung zeigte sich der Mafien- charakter des Chemnitzer StadlparlameutZ in ausgeprägtester Form. Auf der Tagesordnung standen unter anderem folgende zwei Punkte: Erhöhung der Lchrergehälter und Bewilligung von 30 000 M. für Rotftondsarbeiten. Solange die Gehaltserhöhung für die Lehrer, die die Stadt mit 271 000 M. belasten, verhandelt wurde, waren die bürgerlichen Stadtverordneten voller Aufmerksamkeit und Interesse. Die» änderte sich jedoch sofort, als die Bewilligung von 30 000 M. für Notstandsarbeiten zur Beratung kam. Viele der bürgerlichen Stadtväter gingen hinaus und die zurückgebliebenen unterhielten sich so laut, daß der Vorsitzende um Ruhe bitten mußte. Die sozialdemokratischen Stadtverordneten Landgraf. Langer. Straube und Riemann verlangten schleunigste Inangriffnahme von Notstandsarbeiten. Langer kritisierte, daß für die NotstaudSarbeiten nur SS Pf. Stundenlohn festgesetzt worden sind. Dann fragte Genofie Straube den Rat. wie eS komme, daß ein städtischer Auf- trag von SO 000 Mark nach auswärt? gegeben werde, während doch in Chemnitz eine leistungsfähige Firma und auch genügend Arbeits- lose vorhanden wären. Eine Antwort bekam er nicht. Die 30000 M. wurden vorläufig bewilligt. Wenn mehr ge- braucht wird, soll mehr bewilligt werden. Zur bayerischen Steuerreform. Der sozialdemokratische Antrag, weibliche Personen bis zu einem Einkommen von 1200 M. steuerfrei zu lasten und da» Einkommen männlicher Personen bis 1200 M. mit 50 Pf. zu besteuern sin Rück- ficht auf das Wahlrecht), wurde im SteuerauSfchuß de» Landtages mit allen gegen die Stimmen unserer Partei- genossen abgelehnt. Steuerfrei bleibt daS Einkommen bis 800 M., von einem Einkommen von 300 M- bis 300 M. ist eine Steuer von 50 Pfg. zu entrichten. Dabei kam eS zu erregten AuS- einandersctzungen zwischen unseren Abgeordneten und den Vertretern deS Zentrums einerseits und den Blockliberalen andererseits Korreferent Dr. Quid de beantragte, im Einklang mit der Regierungsvorlage, Einkommen bis zu 300 M. nur auf Autrag der Steuer- Pflichtigen zu veranlagen, während jetzt alle Einkommen, in Rücksicht auf daS Wahlrecht, veranlagt werden und Steuerfreiheit, die den Verlust de? Wahlrechte? zur Folge hat, nur auf Antrag der Steuer- pflichiigen eintritt. Schon auf Grund des geltenden Rechtes haben über 100 000 Pflichtige Steuerfreiheit erlangt. Würde der �Antrag des„Demokraten " Dr. Qnidde Gesetz werden, so würde sich voraussichtlich die Zahl derer, die keine Steuern zahlen, verdreifachen und dementsprechend die Wählerzahl verringern. DaS will zweifellos der Block erreichen. Zentrum und Sozialdemokraten nahmen gegen diesen Versuch. das Wahlrecht zu verschlechtern, scharfe Stellung. Der Vertreter der Zentrumspariei erklärte geradezu, unter Umständen an dieser ve- stinimung das Gesetz scheitern zu lassen. Abgelehnt wurde weiter ein Antrag unserer Vertreterl Alle auf Grund deS ß ISS der Reichsgewerbeordnung errichteten Arbeiter- orgamfationen steuerfrei zu belassen. Eine Einschränkung der Sie- gierungSvorlage wurde durch folgende Faffung der einschlägigen De- stnninungen erzielt: Von der Einkommensteuer sind befreit: die juristischen Per- sonen und nicht rechtsfähigen Vereine, insbesondere Anstalten und Kassen, deren Einkünfte satzungsgemäß ausschließlich zu fort- laufenden Unterhallsbeiträgen oder zu Unterstützungen in Kranlheit, Sterbe- oder Noiiällen oder im Falle der ArbtitSlosig- keit an die Mitglieder oder deren Hinterbliebenen verwendet werden. Bei der Veranlagung zur Steuer bleiben die Mitgliedsbeiträge außer Betracht. Eine sehr lebhaste Debatte entwickelte sich über die Be- steuerung der Konsumvereine. Unsere Parteigenossen hatten be- antragt: Konsumvereine, welche den über eine angemessene Verzinsung der Mitglieder-Anteile hinausgehenden Gewinn(ab- gesehen von den statutengemäßen Rücklagen: Reservefonds, Stiftungs- fonds, Betriebsfonds. Auszahlung einer Erübrigung von 5 Proz. auf den Warenumsatz ihrer Mitglieder) zu gemeinnützigen Zwecken, wie Kleinwohnungsbauten und wirtschaftlicher Hebung der er- werbenden Stände, verwenden, steuerfrei zu lasten. Der Antrag wurde mit allen gegen die Stimmen unserer Abgeordnete» abgelehnt. Eine Doppelbesteuerung der Konsunwercine soll dadurch vermieden werden, daß die Dividenden der Mitglieder bei der Veranlagung zur Einkommensteuer außer Ansatz bleiben.— Klerikale Anmastnng. Die Zentrumspresse hält sich auf über da? in unseren Partei- blättern veröffentlichte Verzeichnis empfehlenswerter Jugendschriften. Namentlich hat eS den frommen Eiferern der Teil des Verzeichnisses angetan, der die Literatur für die reifere Jugend enihält. Darin sei eine Reihe von Buchen: enthalten,«die das jm:ge Herz für die sozialistischen Ideen empfänglich machen sollen". Genannt werden alz besonders verdächtig Wilhelm Bölfche„Die Abstammung des Menschen "; A. Dodcl„Moses oder Darwin "; K. Grottewitz„Sonntage eine? großstädtischen Arbeiters in der Natur' ufw. Hier besage, meint der ultra- montane„VolkSfreund" in Nachen, schon der Titel genug und hier zeige sich wieder einmal,„wie die Sozialdemokratie in der Praxis den Satz„Religion ist Privatsache" behandelt. Anstatt die Religion ganz aus dem Spiele zu lasten, wie sie folgerichtig nach diesen: Satz verfahren müßte, sucht sie als„empfehlenswerte" Jugendschristen gerade solche heraus, welche der christlichen Religion direkt entgegen- treten." Diese Ausführungen zeigen die ganze Anmaßlichkeit der Kleri- kalen. In ihrer idiotischen Geistesenge stempeln sie eS zum Re- ligionSvergchen. wenn jemand lehrt, daß Darwin mehr von der Wissenschaft versteht als MoseS, wenn der Arbeiter zur Erkenntnis und zum Genuß der Natur erzogen wird.„Religion aus dem Spiele lassen" heißt für diese Eiferer nichts anderes als die Arbeiter in Dummheit und Rückständigkeit erhalten.— „Neues" zum Fall Hossmanu t Wir lesen in der„Münchener Post": „Unter dieser Ueberschrist ergeht sich der„Bayerische Kurier" in allerlei Betrachtungen, von denen nur die eine interessant ist, in der er die Meinung durchblicken läßt, daß der maßregelnde Bescheid der pfälzischen Kreiöregierung im Einvernehmen mit den: Kultusministerium erfolgt sei. Aehnliches vermutet auch die„Augsburger Post- zeitung"(in Nr. 283), deren Vertreter kein seltener Gast im Borzimmer des Kultusministers ist. Wenn diese Vermutungen zutreffen, dann wirkt die Tatsache um so aufsälliger, daß bis jetzt weder die Beschwerde HoffmannS verbeschieden. noch auch nur die Gründe der Maßregelung durch die pfälzische Kreisbehörde bekannt gegeben wurden. Swam oder Bedenklichkeit können kaum die Leitmotive der bayerischen Regierung bilden, denn die ihr ergebene Presse ist eifrig daran, die Richtung anzuzeigen, in die das Kabinett Podewils rollen will. Die„Augsbuger Abendzeitung" hat, was bei diesem Blatte weiter nicht erstaunlich wirkt, ganz im Sinne des seligen Ausnahmegesetzes den Fall Hoffmann behandelt. Und nun kommt die„Angsburger Po st zeitung". offenbar nach einem Rundgange bei den zuständigen Mimsterien, ganz im Sinne des„liberalen" Angsburger ScharfmacherorganS zu folgenden Schlüssen: „ES handelt sich um eine Prinzipienfrage, die gegen die Sozialdemokratie gelöst wird. DaS Kultusministerium wird sie, das muß angenommen werden, lösen, gedeckt durch den Ministerrat. Die„Angsburger Abendzeitung" sagt, das Prinzip sei in Bayern durch den Fall Roßh'aupter durchlöchert. Das Prinzip formuliert die„Abendzeitung" treffend so: Kann der Staat dulden, daß irgendeiner seiner Angestellten und Arbeiter eine: Partei, die ihn selbst negiert und auSgesprochenermaßen mit allen Mitteln auf seine Vermchtung hinarbeitet, angehört, sich als Vertreter dieser Partei ins Parlament wählen läßt und sein Mandat sogar unter materieller Unterstützung des Staates ausübt? Nein, das kann der Staat nicht dulden. Allein im Falle Roßhaupter waren alle Parteien einer Meinung mit der Staatsregierung in der sozialpolitischen und politisch- opportunistischen Würdigung. Der Fall Roßhaupter est auch anders wie der des Beamten und Lehrers. Kon- seguentcrweise dürste.man keinen Sozialdemokraten in den Staatsbetrieben dulden. Man müßte Roßhaupter und Genofien von dort entfernen. Warum dies ausgeschlossen, wurde beim Aufkommen deS Falles Roßhaupter erörtert. Wenn man Roßhaupter und Genossen dort duldete, wäre eS real- poliiisch eine Torheit gewesen, ihn deS Mandats wegen fliegen zu lasten. Der Fall Roßhaupter ist auch nur auf Ruf und Widerruf gelöst. Dennoch hat sich der Fall Hoffmann aus dem Fall Roß- haupter entwickelt. Und da muß die Scheidelinie ganz markant gelegen werden. Wir haben noch einen anderen Fall, nämlich den Fall Binder in Ludwigshafen . Binder ist sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter. Er hat als Adjunkt(zweiter Büigermeister) einen Beamtenanstrich, wie Abg. Timm aus dem Nürnberger Sozialisie,:tag hervorgehoben hat, Binder übt als Sozialdemokrat die Polizeigewall aus, das ist absurd. Binder ist bestätigt morden, obwohl er deklarierter Sozialist war. Die StaatSregierung muß hier endlich klare Bahn schaffen. Entweder oder!" Unser Münchener Parteiorgan wünscht nun die Bcant- Wartung jener Fragen. Erstens der. ob dieser Artikel der „Augsburger Postztg." parteiosfizieller Natur sei; zweitens ob die N e g i e r u n g hinter dieser Notiz stecke. Herr v. Podewils habe wohl die Güte, seinem Kollegen W e h n e r die Zunge zu lösen. Die„Münchener Po st" schließt:„Auch wir sind Freunde klarer Ent- scheid u ngen." ES freut uns aufrichtig, daß nunmehr auch die bayerische Parteipresse„klare Entscheidungen" fordert. Allerdings kommt diese Foiderung reichlich spät, da ja die„Münchener Post" mindestens ebensogut über die Auffassung der Herren PodewilS und Wehner unterrichtet sein mußte, wie der„V o r w ä r t 5", der die„klare Entscheidung" bereits in dem Verzichte des Volks schullehrerS Hofsmann auf seine Stellung und dem. was ihr voranging und sie vor- a n l a ß t o nnzweideutig gegebe« sah I Ein lichter Moment. Im Hauptvlatt vom 20. Rovemv-r d. I. berichteten wir, daß die preußische Polizeibehörde Miene zu machen schien, ihren Liebes- und Hehlerdiensten für„Väterchen" durch Auslieferung des russischen EtaalSangebörigen Geschkow einen neuen Kulturfrevel hinzuzufügen. Als Vorwand sollte GeschkowS angebliche anarchistische Gesinnung(!) benutzt werden.... Wie wir nunmehr erfahren, wird der Mann nicht an die Henker des Zaren ausgeliefert. Am 7. d. MtS. wurde er aus dem Polizeigefängnis zu Sterkrade (Regierungsbezirk Düffeldorf) ent- lassen und angewiesen, sofort den preußischen Staub von seinen Pantoffeln zu schütteln. Geschkow zögerte nicht, das Gebot der gastlichen Regierung Preußens zu befolgen. Die preußische Polizeibehörde hat also mal einen lichten Moment gehabt.--_ Ein Botschafterwechsel. Der deutsche Botschafter in Rom Graf MontS verläßt seinen Posten und wird durch Herrn Gottlieb v. I a g o w. den Gesandten in Luxemburg , ersetzt. Herr MontS war seit 1003 in Rom . In den fünf Jahren seiner Tätigkeit hat die Lockerung deS Dreibunds weitere Fortschritte gemacht und ist daS Verhältnis Italiens zu den Wesimächten immer inniger geworden, bis eS zuletzt in kaum mehr verhüllter Feindseligkeit zu Oesterreich und mit offener Unzufrieden- heit mit dem Dreibund geendet hat. Die rheinischen Bauern ans dem Kriegspfade gegen die Erbschaftssteuer. Nächste Woche soll in Köln auf dem Gürzenich eine groß- Prote st Versammlung gegen die Ausdehnung der Erbschaftssteuer stattfinden. Der Anfrus dazu, der in der zentrumSagrarischen«Rheinischen Lolksstimme" veröffentlicht wird, iveist darauf hin, daß wie vor zwei Jahren, so auch diesmal die deutschen Bauern sich in einmütigem Protest gegen„eine Steuer. die dem bäuerlichen Grundbesitz und ländlichen Mittelstände die schwersten Wunden schlagen würde", erhoben hätten, daß aber Ein- flüsie am Werke seien, un: der Steuer beim Reichstage die Wege zu ebnen. Dann heißt es: „Der Kampf ist noch nicht gewonnen, noch droht der Land- Wirtschaft ein Schlag, wie er verhängnisvoller kaum gedacht werden kann. Darum auf zur Wehr. In eindrucksvoller großer Ver- iammlung wollen die rheinischen Landwirte nochmals lauten Protest erheben gegen ein Gesetz, welches den Grundbesitz an der Wurzel treffe» würde. Kein rheimschcr Bauer darf fehlen, und ihr rheinischen Bauernfrauen sorgt, daß eure Männer aus den: Kampsplatze erscheinen, denn es gilt, das Erbe eurer Kinder zu verteidigen." Die Agrarier, ob sie mm diesseits oder jenseits der Elbe fitzen. ob sie ultramontan oder konservativ wählen, sind gleich groß in Worten, wenn eS sich darum handelt, die öffentlichen Lasten von sich abzuwälzen und sie anderen aufzuhalsen.— Für die Sammelmappe des Reichsverbandes. In Königsberg i. Pr. hat der vereidigte Konkursverwalter Otto Brandt bedeutende Unterschlagungen und Betrügereien verübt. Er vereitelte seine Verhaftung dadurch, daß er sich eine Kugel in den Kops schoß. Schwer verletzt wurde Brandt nach dem städtiichen Kranken- Hause geschafft. Der b:Sher in seinen Kreisen geachtete Mann war nanu- lich eine OrdnungSstütze und ein Feind der Sozialdemokratie, der siäi in Königstreue und Patriotismus nicht genug tun könnte. Schon lange waren Klagen über die Geschäftsführung des Gestürzten laiu geworden. In seinen ausgedehnten Lagerräumen verschwanden Kisten mit wertvollen: Inhalt, desgleichen Stoffballen, Weine usw. AuS den von ihm verwalteten Barbeständen, Summen auS den Konkursmassen, ließ er gleichfalls viele Tausend Mark ver schwinden. Bei der Haussuchung fand man seine Bureau- räume in geradezu verwahrlostem Zustande. Quittungen und Rechnungen'lagen überall zerstreut umher, und wie sich später herausstellte, waren seine GeichästSbücher von gleicher Beschaffenheit. ein großer Teil der Buchungen waren falsch, verschiedene Betrag- überhaupt gar nicht eingetragen. Als er in seiner Wohnung ver- haste« werden sollte, ließ er sich verleugnen. Die Kriminalpolizei sorgte indes für Bewachung aller Wohnungsausgänge. Als Brandl jede Möglichkeit zur Flucht ausgeschlossen sah, schritt er zum Selbst- mord, der allerdings nicht glückte.— Berichtigung. Von der Bergwerksgesellschast Trier(Hamm ) erhalten wir folgende Zuschrift: In Nr. 283 Ihrer Zeitung vom 3. d. M. ist unter der Ueber- schrist:„Die Noblesse der Aktionäre von Radbod" eine Notiz veröffentlicht. die wir unter Bezugnahme aus die Bestimmungen des NeichSpreßgesctzeZ wie folgt zu berichtigen ersuchen: „ES ist unwahr, daß die Zeche Radbod bei der Zahlung des letzten Lohnes an die Hii:terbl:ebenen der verunglückten Bergleute Strafgelder im Betrage von 400 M. abgezogen hat. Wahr ist, daß durch ein Versehen des Rechnungsbureaus am Lahntage 7g M. der Strafgelder eingehalten worden ivaren. Die Verwaltung hat jedoch sofort, als ihr die? noch am Lohntage selbst bekannt wurde. verfügt, daß die eingehaltenen Beträge bei der nächsten Löhnung zurückgezahlt und auch die übrigen Strafgelder sämtlich niedergeschlagen werden sollten. ppa. Bergwerksgesellschaft Trier m. b. H. Andre Puffert. Die Balkankrise. Der Boykott. KZl», 11. Dezember. Die„Kölnische Zeitung " meldet aus U e S k ü b vom 10. d. M.: Gestern fand eine Sitzung aller natio- nalen Klubs zur Wahl von Bohkottvorständen und Be- schließung schärferer Maßregeln statt. Die bulgarischen Berhaudlunge». Sofia , 10. Dezember. In der S o b r a n j e erklärte der Minister des Aeußern P a p r i k o w: Wenn die Politik, welch- die Regierung gegenüber der Türkei befolgte, richtig ein- geschätzt wird, dann muß man anerkenne::, daß die Politik der Regierung eine wertvolle Kompensation für ein fiktives und lästiges Basallen Verhältnis bildet. Zum Beweis dafür, daß wir mit der Türkei in Freundschaft zu leben wünschen, haben wir nicht zu den Waffen Zuflucht gc- nommen. Als die Mächte Bulgarien den Rat erteilten, sich an. die unmittelbar intcressterte Türkei behnfs Anerkennung' unserer Unabhängigkeit zu wenden, hatten wir bereits die notwendigen Schritte unternommen, um zu wisse», ob die Er- zielung eines direkten Einvernehmens möglich sei. Getreu unsercr Politit haben wir erklärt, wir werden unsere Unabhängip.- keit nicht erkaufen, werden aber wirklich verletzte JnterefKi: entschädige». Aus diese Weise haben wir die Grundlage für ein Ein- vernehmen ausgestellt. Nachdem wir in Konstantinopel sondiert, entsandte:: wir Liaplschew nach Konstantinopel . Seine Mission führte zunächst zu keinem endgültigen Ergebnis. Wir haben einem kurzen Aufschub zugestimmt in der Ueberzcngung, daß eS demnächst zu einem Einvernehmen kommen wird. Wir können erklären, daß eine Entichädignng für wirklich verletzte Jnterefieu weder unserer nationalen Würde Eintrag tun, noch auch unS neue unvorhergesehene Opfer auferlegen wird. Ocftcrmcb. Nationalistischer Unfug. Prag , 10. Dezen:ber. Die Redaktion der„vohemia" ist in den Besitz eine? geheimen AgitotionSzirkularS gelangt, in welchem die Partei des tschechisch-ravikalen Abgeordneten K l o f a c
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