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schasten, zu einem fiir die Lage des Geldmarktes und damit des gesamten Wirtschaftslebens mitbestimmenden Faktor geworden. Während die Wechselbeziehungen zwischen Geldmarkt und WirtschaftS- leben einerseits und dem heimischen Anleihewesen andererseits in einigen anderen Hauptstaaten, vor allem in Holland , England, Frankreich , auch Oesterreich und Nordamerika , eine IVO bis 200 Jahre alte Tradition aufweisen, ist die Bewegung in Deutschland in erheblichem Umfange erst nach der Reich-Zgründnng, im großen Stil aber erst parallel mit der ganzen modernen Entfaltung seit den 80er Jahren eingetreten." Die Schulden betragen heute: des Reiches........... 4 253,5 Mll. Mark der Einzelstaaten......... 14 362,4, der ikommunen und höheren Kommunal- verbände.......... 7 420,0», Insgesamt sind also zu verzinsen... 26 035,9 Mill. Mark' Zur bayerischen Steuerreform. Die Debatten im bayerischen Steuerausschuß gestalten sich recht interessant, namentlich durch das Verhalten der Vertreter des Blocks und des einzigen Demokraten Dr. O u i d d e. Der Versuch der Blockparteien, das Wahlrecht zu verschlechten:. indem den Steuer- Pflichtigen mit einem Einkommen bis 600 M. freigestellt wird, ihr Einkommen zu versteuern, ist. wie wir gestern bereits berichteten, an den, Widerstand unserer Parteigenossen und des Zentrums ge­scheitert. Gleich darauf hat sich der.Demokrat' Dr. Ouidde einen Streich geleistet, bei dem ihn selbst die Nationalliberalen und Konservativen im Stich gelassen haben. Nach dem jetzigen Steuergesetz sind Stiftungen, die im Kapitalvermögen ihren Fundus haben, frei von der Einkommen- und Kapitalrentensteuer, wie auch von den Gemeindeumlagen. Dagegen sind Stiftungen, deren Vermögen m Grundbesitz besteht oder die ein Gewerbe betreiben, zur allgemeinen Einkommensteuer mit ihrem gesamten Einkommen aus Grund- vermögen oder Gewerbeerträgsnis steuer- und umlagepflichtig. Diese ungünstigere Behandlung der Stiftungen, deren Einnahmen ' aus Grundbesitz oder Gewerbe fließen, hat in der historischen Ent« Wickelung des Landes ihre Begründung. Wenn nun eine konfessionelle Partei, wie das Zentrum, versucht. die.Parität' herzustellen durch einen Vorstoß gegen die Be- steueruug von Grund und Boden, so kann man das begreiflich finden, wenn auch selbstverständlich diese Ausdehnung von Privilegien zurückzuweisen ist. Der Referent Dr. Heim beantragte die Steuer- sreiheit der Stiftungen auch auf Grund und Boden und Gewerbe auszudehnen. Dadurch würde nicht nur ein neues Privileg. Haupt- sächlich für die Klöster und ähnliche Stiftungen geschaffen, sondern der Staat um mindestens 100000 Mark geschädigt und den Brauereien und ähnlichen gewerblichen Unternehmungen der Klöster die Konkurrenz mit den relativ hoch besteuerten Privatbetrieben wesentlich erleichtert. Selbstverständlich wurde der Antrag von unserer Seite nachdrücklich bekämpft, denn was man auf diese Art den Klöstern schenken würde, inüßten die Steuerzahler mehr ausbringen. Zur all- gemeinen Ueberraschung erstand den Klöstern aber ein Bundesgenosse in Herrn Dr. Ouidde, der wiederholt für Ausdehnung de» klöster- lichen SteucrprivilegS auf Grund und Boden und Gewerbetrieb das Wort ergriff. Wie bereits bemerkt, wurde Ouidde selbst von den Blockleuten, deren Wortführer er ist, dabei desavouiert. Nicht einmal die ZentrumSmitglieder hatte Dr. Heim alle auf seiner Seite. Bier der angei-hensten Mitglieder des Zentrums stimmten gegen den Antrag Dr. Heim, weil sie eine derartige Eriveiterung an sich ungerechter Privilegien nicht unterstützen wollten. Dagegen stimmte Dr. Ouidde stramm mit Dr. Heim, jedoch ohne seinen Zweck zu erreichen. Der Antrag Dr. Heim wurde vielmehr mit 14 gegen 13 Stimmen abgelehnt. Für die Sleucrpflicht der Gewerkschaften wurde eine Erleichte- rung geschaffen: Bei der Veranlagung der Einkommensteuer bleiben die Einkünfte der juristischen Personen und nicht rechtsfähigen Per- eine, soweit sie sotzimgsgemäß für Arbeitslosenunterstützung. Kranken- Unterstützung usw. verwendet werden, außer Ansatz. Wahlterroriönms. Bei der Stadtberorduetenwahl in der rheinischen Stadt Dülken ging es diesmal hart zu. da mit dieser Wahl eine Vermehrung der Stadtverordnetensitze verbunden war und es sich zugleich entscheiden sollte, ob die Liberalen die Mehrheit, die sie seit 30 Jahren inne­haben, behielten oder sie an das Zentrum abgaben. Das Zentrum hat in der zweiten und dritten Abteilung gesiegt und damit die Mehrheit an sich gerissen. In der ultramontanen Presse waren während des Wahttainpfes Schauerdinge zu lesen von den Gewaltstreichen, die von den Liberalen zur Einschüchterung der Wähler begangen worden waren. Die.Kölnische Zeitung ' findet eS lehr verständlich. wenn nach den Erfahrungen im Wahl- kämpf die Liberalen mehr als bisher zusammenhielten und dem Volitischen Gegner den Rücken kehrten. Dann heißt eS: »Demgegenüber ist eS Pflicht der liberalen Presse, daran zu erinnsrn, daß daS hiesige ZentrnmSblatt, der»Sprecher am Niederrbein", schon lange vor der Wahl enipfohlen hat. sich die- jenigen Gewerbetreibenden zu merken, die nicht in zenlrumsfreund- lichem Sinne wählen würden. Das Blatt hat in seiner Nr. 105 vom 1. September 1908 geschrieben:»Hoffentlich wird aber auch nach der diesjährigen Stadtratswahl genau veröfsentlicht, wer liberal, wer Zentrum, wer nicht gewäblt hat. damit die Bürgerschaft sieht, von wem sie ihrer Rechte beraubt wurde.' Dieser Satz hat mächtig gewirkt. Hypotheken ließ man kündigen, Bäcker und Metzger wurden gesperrt und die schwarzen Bärte dursten nicht mehr von einem liberalen Barbier eingeseift werden. Wenn man selbst mit solchen Mitteln kämpft und sie als felbstve''ländlich zu betrachten scheint, so darf man sich nicht darüber ent- ilcn, wenn liberale Leute ihre Ge« siunuiigsge.offen bevorzugen. Jedenfalls steht es da den hiesigen Führern deS Zentrums schlecht an, die gekränkte Unschuld zu ff iclen.' Liberale und Ultramontane sind in dieser Beziehung einander wert. Um so lächerlicher nimmt es sich aus. wenn ste sich gegenüber den Sozialdemokraten als die Gerechten aufspielen und über»sozial- demokratischen Terrorismus' zetern. Nichts zu handeln? Die»Kölnische Zeitung ', das Weltblatt der Gebildeten und Besitzenden nationaler Färbung, bringt zwischen Anpreisungen von �Baumkuchen, pommerschen Bpatgänsen und gerittenen Schimmel- ftuten unter anderem folgendes Inserat: »Literarischen Namen können sich Nichtschriftsteller schnell und leicht erwerben. Vollständige Ucbertragung mit Autor- rechten von ungedruckten Romanen, Novellen. Gedichtsamm. lungen, wissenschaftlichen, politischen oder industriellen AuS. arbeitungen usw. Reflektanten werden um Angab« ihrer Adresse unter Zusich. ehrcnwörtl. DiSkr. unter Z O 199, Vossische Ltg., Berlin C, Äreitestraße, gebeten." Ter Handel erinnert lebhaft in den ehemaligen national- liberalenFreiheitsdichter" Alfred Meißner , dessen litera- rischer Ruhm auch für koschere Groschen erworben war, und dessen Stern erblaßte, als d er Fabrikant der Meißnerschen Geistes- Produkte nicht mehr liefern konnte. Eine Kugel machte dem Dasein dieser literarischen»Größe" in Bregenz am Bodensee ein Ende. Gegen das Arbeitskammergesetz. Der Vorstand des Vereins Deutscher Arbeit- geberverbände hat beschlossen, dem Ausschuß deS genannten Verein? vorzuschlagen, gegen den dem Reichstag zugegangenen neuen Entwurf eines Arbeitskammergesetzes entschieden Verwahrung ein- zulegen. Maßgebend für diese Stellungnahme war die Ueberzeuguug, daß der Entwurf auch in der abgeänderten Fassung die Interessen der Industrie und des Gewerbes nur zu schädigen vermöge._ Die Treppe hinaufgefallen. »Die ganze Gesellschaft, der Beamten sind.DöSköppe' und Rindviehs". Sie dösen hier herum und wissen gar nicht, was sie tun" diese sehr wenig schmeichelhafte Charakterisierung deutscher Reichsbeamten hatte sich der Postdirettor Weithase in Viersen gegenüber einem Postsekretär erlaubt und damit die ihm unter- stellten Postunterbeamten und mittlere Beamte gemeint. Im allgemeinen ist eS sonst um die Beamtenehre eine kitzliche Sache. Wehe dem sozialdemokratischen Redakteur, der sich auch nur in an- nähernd so herabsetzender Weise und in so klobiger Form über eine ganze Beamtengruppe äußern würde I Doch dem Herrn Posidirektor nahm man die Aeußerung nicht sehr übel. Das Schöffengericht Viersen verurteilte ihn nur zu 30 M..Geldstrafe eventuell 3 Tagen Haft. Obendrein aber wurde der Herr Postdirektor aus seinem .dösköppigen' Viersen nach der Jndustriemetropole Duisburg versetzt. Vielleicht hat man dort in den Kreisen der ihm dann unterstellten Postbeamten besseres Verständnis für burschikose Um- gangssormen._ Wie man Geständnisse erlangt. In welch' geradezu unerhörter Weise bei dem Kriegsgericht der l. Division in München Untersuchungen geführt, bezw. Ge- ständnisse erlangt werden, kam gelegentlich einer Verhandlung vor dem Obcrkriegsgericht zur Sprache. Ein Soldat, der von dem 5triegsgericht verurteilt, gegen dieses Urteil aber Berufung er- griffen hatte, widerrief in der obertriegsgerichtlichen Verhandlung das in der Voruntersuchung abgelegt« Geständnis. Auf Vorhalt. warum er denn früher ein Geständnis abgelegt habe, erklärte der Angeklagte, er habe sich nicht mehr anders zu helfen gewußt. Als er nämlich in der Voruntersuchung vernommen worden sei, habe ihn der betreffende KriegSgerichtsrat derart angeschrieen, daß sich vcr dem offenen Fenster an der Artilleriestraße zahlreiche Müschen angesammelt hätten. Gleichwohl habe ihn der KriegSgerichtSrat weiter angefahren, so daß die Leute auf der Straße drohende Be- merkungen hereingerufen hätten. Dadurch sei aber der ihn ver- nehmende KriegSgerichtSrat noch erregter geworden; er habe das Fenster schließen lassen, und nun habe er sich nicht mehr getraut, dem Herrn Rat zu widersprechen. Auf diese Aussage des Soldaten hin wurde nun der betreffende Kriegsgerichtsrat sofort als Zeuge vernommen, und er mußte die Angaben deS Angeklagten bestätigen. Katholische Fußballklubs. Wie der lokale Ableger der»Kölnischen VolkSzeituna' meldet, sind in Niehl, einem Kölner Vorort , sieben Fußballabtei» luugen katholischerJünglingSvereinezu einem Spieler- verband zusammengetreten; Vertreter von vier anderen, im Entstehen begriffenen Abteilungen waren bei dieser Gelegenheit anwesend. Ferner haben sich der dortige katholische Jünglingsverein und der Niehler Fußballklub zu einem»katholischen Jugendkartell" zusammcngetan..... Sollte daö Kölner Beispiel Nachahmung finden, bann erleben wir es vielleicht, daß der spätere Gesamtverband katholischer Fuß- ballkubs offiziell an den Katholikentagen teilnimmt und durch seine Künste verschönen hilft._ Vierzehn Tage strenger Arrest wegen Neugierde. In Halle a. S. wurde ein Musketier des Infanterieregiments Nr. 93 in Dessau zu 14 Tagen strengem Arrest verurteilt, weil bei einer Spinorevision ein im Verlag« vsb.LipinSki...in/ Leipzig er. schieneneS LiederbuchSinge mit!" vorgefunden wurde, das poli- tische Kampf- und gewerkschaftliche Lieder enthielt. T«r Angeklagt? erklärte, nicht gewußt zu haben, daß es sich um einesozialdemo- kratische" Schrift handele, er habe das Buch bei einer Urlaubsreise in seine Heimat von seinem Bruder erhalten. Trotzoem der Feldwebel dem Angeklagten b e st ä t i g e n mußte, daß er nie- malS Ungehorsam gegen einen dienstlichen Befehl bekundet, noch sich jemals sozialdemokratisch betätigt habe, erfolgte die Ver. urteilung zu 14 Tagen strengem Arrest, da das Kriegsgericht an- nahm, daß der Angeklagte den Inhalt des Buches gekannt habe. Auf die milde Strafe beantragt waren zwei Monate Ge- fängniS! wurde nur deshalb erkannt, weil der Angeklagte das Buch aus.Neugierde" eingeführt habe und ihm sozialdemo- kratische Gesinnung nicht nachzuweisen sei. Wahrscheinlich wird der Verurteilte während der vierzehn- tägigen Tortur über manche Dinge nachdenken, über die er sich früher keine Skrupel gemacht hat. Wahrscheinlich wird er nach seiner Entlassung nicht nur das Liederbüch, das ihm zu vierzehn- tägigcm Aufenthalt auf der Pritsche verholscn hat, mit besonderer Neugierde" lesen, sondern auch andere Schriften, die ihm bei seiner Rückkehr in die bürgerliche Freiheit nicht mehr vorenthalten werden können!_ Die Balkankrise. Die Verhandlungen. AuS Wien kommt heute eine Nachricht, die beweist, daß die österreichische Regierung endlich sich ihrer Verantwortung bewußt zu werden beginnt und ihren unnachgiebigen Standpunft gegenüber der Türkei nicht mehr aufrecht erhält. Ein halbamtliches Communiquä kündigt die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Türkei an. Die Ankündigung nimmt zuerst, um den Rückzug, den die Vernunft schon lange gefordert hätte, zu verdecken, bezug auf offizielle Erklärungen der türkischen Regierung, daß die Pforte, in den Grenzen der ihr gesetzlich zustehenden Befugnisse alles auf- bieten werde, um dem Boykott zu steuern. Daran wird die völlig überflüssige Drohung geknüpft, daß wenn die türkische Regierung diesen von ihr anerkaunlen Verpflichtungen nicht nachkommen sollte, sie für alle etwa daraus entstehenden materiellen Schäden haftbar wäre. Dann fährt die Erklärung fort: Mit Rücksicht daraus, daß infolge der Erklärungen der türkischen Regierung und unserer Erwiderung über die Frage des Boykotts eine prinzipielle Divergenz nicht mehr besteht, hat die österreichisch« ungarische Regierung, um einen Beweis freundschaftlichen Ent- gegenkommens zu geben, sich bereit erklärt, die bisher unterbrochen gewesenen Verhandlungen wieder aufzunehmen. Der österreichisch- ungarische Botschafter in Konstantinopel hat demnach die entsprechenden Weisungen erhalten, und eS würde hier leb­haft begrüßt werden, wenn die bald zu gewärtigenden VerHand- UtUgen zu einem vollen Einvernehmen führen und in gleichem Schritt auch die wirtschaftlichen Beziehungen wieder in ein normales Gleis zurückkehren würden. Es ist nur zu hoffen, daß die österreichische Regierung diese Ver- Handlungen auch in einem Geiste führt, der ein Resultat erwarten läßt. Fürst Bülow hat sich ja beeilt, die BundeSlreue Deutsch« landS nochmals zu versichern. ES kann aber gar keinem Zweifel unterliegen, daß daS deutsche Volk diese Versicherung sicher nicht dahin auslegt, daß eS Aufgabe Deutschland » wäre, für die Dummheiten AehrenthalS auch nur das gering ste Opfer zu bringen. Wir verlangen vor allem das eine, daß der Friede da miten unter allen Umständen gewahrt bleibe und wir meinen, daß diese Aufgabe, bei der Deutschland und Frankreich Hand in Hand arbeiten können, sogar für die bescheidenen Fähig« ketten der deutschen Diplomatie durchaus lösbar ist. Auch auS P e t e r S v u r g kommen Nachrichten, die zeigen, daß man auch dort endlich von der panslawistischen Hetze, die zu einem Teile auch für die scrbisch-monteuegrischen Treibereien verantwortlich ist, abzurücken beginnt. Das Zugeständnis, das die österreichische Antwortnote in der Frage der Diskussion der Annexion gemacht habe, biete die Grundlage zu Verhandlungen, die bereits vor der Konferenz zu einem Einvernehmen führen könnten. Ein solches Einvernehmen ist um so dringender, da die serbischen Kriegs- treibereien noch ungeschwächt fortdauern. franhrcicb. Die nene Blockorgamsation. PariS , 12. Dezember. Von den Fraktionen der Linken in de» Kammer beschloß die demokratische Union und die Gruppe derunabhängigen" S o z i a l i st e n, die Bemühungen zur Wiederherstellung eines Vertraueusmänuerkonvents zu unterstützen. Die geeinigtenSozialisten beschlossen dagegen, sich fern- zuhalten. Cnglancl. Die Gewerkschaften und die politischen Beiträge. London , 10. Dezember. (Eig. Wer.) Die Verbands- leitung der E i s e n b a h n a n g e st e l l t e n, gegen die das Urteil des Appellhofes gefällt wurde(dah Gewerkschaften kein Recht haben, ihre Mitglieder zu parlamentarischen Zwecken zu besteuern), hielt gestern eine Sitzung ab, um über die weiteren Maßnahmen zu beraten. Sie beschloß, einen Rekurs bei den Oberhausrichtern einzulegen. Das Urteil des Appellhofes hat inzwischen einige kon- servative Bergleute in Südwales veranlaßt, auf Rück- crstattung der von ihnen zu parlamentarischen Zwecken er- hobenen Beiträge zu klagen. Die Ansicht ist indes vor- herrschend, daß die Richter die Verhandlungen über alle der- artigen Klagen verschieben werden, bis der Rekurs an das Oberhaus erledigt ist._ Zur politischen Lage. London , 11. Dezember.(Eig. Ber.) In den letzten acht Tagen ist es ziemlich klar geworden, daß die Regierung und die liberale Fraktion die demütigende Lage, in die sie durch die Lords und die TorieS gedrängt wurden, schmerzhaft empfinden. Allein eS ist noch nicht ganz klar, was sie dagegen zu tun beabsichtigen. In einem demokratischen Lande muß eine Regierung außer einer parlamentarischen Mehrheit auch eine moralische Autorität besitzen, die ihr die Zustimmung des Volkes sichert. Ohne dieses moralische Ansehen verliert sie~ trotz der parlamentarischen Mehrheit die Macht, ihre Aufgaben zu erfüllen. Und durch die letzten Ereignisse die Ablehnung der Schankvorlage und das Scheitern der Schulvorlage hat die liberale Regierung viel von ihrem Ansehen eingebüßt. Sie ist nicht mehr in der Lage, neue Vorlagen durchzusetzen und die Geschäfte deS Landes zu leiten, außer wenn sie sich zu einem Kampfe gegen die Lords entschließt oder sich sonst das Vertrauen der Wähler wieder erwirbt. Ohne in die inneren Beratungen' der Liberalen irgend- wie eingeweiht zu sein, läßt sich doch aus den Aeußerungen und Kundgebungen ihrer Führer der Schluß ziehen, daß ein derartiges Vorgehen tatsächlich geplant wird. Der Premier- minister Mr. Asquith will vor allem eine Anzahl von Vorlagen passieren lassen, die im Oberhause auf keinen Widerstand stoßen dürften. Unter diesen Gesetzesvorlagen befindet sich.such die. A cht stu nd e n v o r l a g e für Bergleute. Die Opposition gegen die letztere ist zwar erheblich, aber es wird angenommen, daß sie doch Gesetzes- kraft erlangen wird. Dagegen ließ Asquith vorläufig die irische Bodenreformnovelle fallen. In der nächsten Tagung, die vor allem dem Etat für daS Finanzjahr 1909/19 gewidmet lein wird, gedenkt die Regierung eine demokratische Wahlrechtsreform(mit Frauenstimmrecht) einzubringen und im Falle ihrer Ablehnung durch das Ober- Haus zur ultiwu ratio zu schreiten und das P a r l a m e n t aufzulösen. Auch in Kreisen der Arbeiterpartei wird gerechnet, daß der nächste Sommer eine Parlamentsauslösung bringen wird. Was den Kampf gegen das Oberhaus betrifft, so zir- kuliert gegenwärtig unter den Liberalen eine Denkschrift, in der die Regierung aufgefordert wird, den Kampf gegen die Lords aufzunehmen. Die Denkschrift ist bereits von mehr als 200 liberalen Parlainentsabgeordneten unterzeichnet worden. Unabhängig von dieser Denkschrift fassen die ver- schiedenen liberalen Organisationen des Landes Resolutionen, die zum kühnen Vorgehen gegen das Oberhaus auffordern. Am 11. d. M. spricht Asquith im National-Liberalen Klub in London , wo er, wie allgemein erwartet wird, sich über die Maßnahmen der Regierung aussprechen wird. Die ganze politische Lage wird als ernst aufgefaßt. Man nennt sie eineVerfassungskrise", da sie, wenn sie andauert, zu einer Vernichtung der Autorität deS Unterhauses führen muß._ Der Kampf gegen das Oberhaus. London , 11. Dezember. Auf dem heutigen Festessen des nano» nalen liberalen Klubs hielt Premierminister Asquith eine An- spräche, in der sagte, man habe sich nicht in buhfertiger Stimmung zusammengefunden. Die Regierung habe das An- sehen Englands als eines Freundes des Friedens auf der höchsten Hohe erhalten und in Südafrika Briten und Buren zusammen- gebracht. Asquith richtete sodann Angriffe gegen das Oberhaus, weil dessen Mitglieder die Schankkonzessionsvorlage abgelehnt hätten, bevor sie an das Oberhaus gelangt war. DaS Verhalten der Oberhausmitglieder habe nicht der hergebrachten Form einer öffentlichen Debatte entsprochen und sei ein demütigendes Schauspiel gewesen für alle diejenigen, die die ersten Grundsätze einer volkstümlichen Regierung schützten. Im weiteren Verlaufe seiner Rede führte Asquith ans, wenn es sich um die Verwerfung der Schankkonzessionsbill allein handelte, so würde die? schon ein Grund sein, zu den Waffen zu rufen, aber es handle sich nicht allein um diese Vorlage. Der Herr- schaft der LordS müsse ein Ende gesetzt werden. Er lehne eS ab, das Parlament aufzulösen, weil dies eine Anerkennung des Anspruchs des Oberhauses, Zeitpunkt und Anlaß der Auflösung zu bestimmen, bedeuten würde. Die Finanzfragen müßten einen großen Zeitraum der kommenden Session in Anspruch nehmen. Aufgabe des Schatzkanzlers sei eS, sehr genau zu sein, aber er habe keine Fürsorge für Defizite zu treffen, wie sie bei den beiden größten schutzzöllnerischen Ländern vor- handen seien. Zum Schluß seiner Ausführungen nannte ASquith das Oberhaus eine unverantwortliche Körperschaft, die keinen Anspruch darauf machen könne, die Wählerschaft zu ver- treten. Die liberalen Blätter begrüßen diese Kampfansage mit Jubel, während die konservativen über die blinden Schüsse,