Wir oFdf wolle» eiMch uiiaHangi� tvcr�c» So»„Nervo»- krisen" u»d Gemütsstimmungen eines einzelnen Mannes. Wir wollen diesen lächerlich unwürdigen Zustand nicht länger ertragen. Es muß endlich auch in Deutschland Ernst gemacht tverden mit parlamentarischen Institutionen, mit verantwort- lichen Ministern. Wir wollen keinen Absolutisinus. weder den Absolutismus Wilhelms II. noch den des Fürsten Bülow. Wir wollen die Selbstregierung des Volkes, und das frevle- Spiel der Kamarilla muß endlich ersetzt werden durch den ernsten politischen Kampf eines reifen Volkes. Gemeindewablcii In Aiiettemberg. Stuttgart , den 13. Dezember. Die Wahlen zum Bürgerausschuß der Gemeinden Württembergs sind in vollem Gange. Alle zwei Jahre hat die Hälfte der Mitglieder dieser gemeindlichen Körperschaft aus zuscheiden. Bei den Gemeinden mit über 10 ovo Einwohnern ge-> langt diese? Jahr zum ersten Male die Verhältniswahl auch für den Bürgeransschuß zur Anwendung. Zum Gemeinderat wurde im vergangenen Jahre zum ersten Male nach dem„Proporz' gewählt, fteilich ebenfalls nur in Gemeinden mit über 10 000 Ein- wohnern. Der Antrag der Sozialdemokratie, dieses Wahlsystem auch den kleineren Gemeinden zu geben, ist von den bürgerlichen Parteien des Landtags abgelehnt worden. Die bürgerlichen Parteien sahen die Verwaltung der kleineren Gemeinden als ihr Privilegium an. Daß in den Kleinstädten und Dörfern die Sozialdemokratie jemals so anwachsen könnte, daß sie— von etlichen Jndustrieorten abgesehen— die Majorität der Wähler unter ihrer Fahne vereinigen und den bürgerlichen Parteien die Herrschaft auf dem Nathans streitig machen könnte, das hielten die bürgerlichen Parlamentarier in ihrer Mehrheit für undenkbar. Sie lehnten deshalb für diese Gemeinden den sozialdemokratischen Antrag ab. Anders in den größeren Städten des Landes. Hier lag die„Gefahr" vor. daß die bürger- lichen Parteien von der Genicindeverwaltung ausgeschaltet würden, wenn die Majoritätswahl nicht durch den Proporz ersetzt wurde So kamen die Städte mit über 10000 Eimvohnern zum Proporz. Die vorjährige Gemeinderatswahl hat den bürgerlichen Parteien bereits gezeigt, daß sie mit der Ablehnung der Verhältniswahl für kleinere Gemeinden eine kapitale Dummheit begangen haben. Tie jetzt im Gange befindlichen BürgerauSschußwahleu werden diese Er kenntnis sehr fördern. Auch die kleineren Städte und Gemeinden gehen mehr und mehr dazu über, ihre Gemeindeverwaltung der Sozialdemokratie anzuvertrauen. In der Regel gehen unsere Genossen mit reinen Parteizetteln vor, in außergewöhnlichen Fällen leihen sie auch Männern, die sich um die Gemeinde verdient gemacht haben und wegen ihres MrlenS von den Reaktionären aus dem Rathause gebissen werden sollen, ihre Hilfe. In den letzten vierzehn Tagen wurden von der Sozialdemokratie in den Bürgerausschuß entsandt in Eßlingen 4, Ludwigsburg 1. Obereßlingen 2, Ravensburg 1, Nellingen 4, Zizishausen 3, Metzingen 2, Neckargartach 4, Deizisau 3, Wendlingen 3. Güglingen 2, Dußlingen 2. Hedelfingen 3, Magstadt 3, Hall 1. Schweikheim 3, Botnang 4, Sulzbach 1, Waiblingen 1, Böckingen 5, Reutlingen 3, Tuttlingen 4, Rohracker 2, Gindelfingen 1, Backnang 1, Deißlingen 1 , Schwenningen 1 Vertreter. Von diesen 05 Mandaten hatten wir 13 bisher innegehabte zu verteidigen, 52 wurden neu hinzuerobert. In mehr als einem Orte siegte die Sozialdemokratie glatt über sämtliche bürgerliche Parteien. Btsher zählten wir in 135' Gemeinden 413 sozialdemokratische Ge meindevertreter, von denen 108 dem Gemeinderat, 215 dem Bürger- miSschuß angehörten. I» vorstehender Aufstellung ist die Residenz Stuttgart nicht mit einbegriffen. Die Wahl— nach dem Proporz— fand bereits am letzten Freitag statt, am Sonnabendabend gegen 9 Uhr war endlich die Zählung der Stimmen beendet. Zu wählen waren 1b Vertreter. Der Wahllampf wurde mit außergewöhnlicher Heftigkeit geführt. Die Wahlbeteiligung war denn auch stärker als öei allen vorhergehenden Bürgerausschußwahlen. Von 29 241 Wahl- oerechtigten stimmten 22119 ab, 75, ö Prozent. Der Angriff richtete sich vorzugsweise gegen die Sozialdemokratie. Die aationalliberale Partei hatte versucht, einen Zusammenschluß sämt- sicher bürgerlicher Parteien gegen die Sozialdemokratie herbeizuführen. Die Volkspartei lehnte jedoch ab. Nur Zentrum, National- liberale und Konservative bekräftigten ihr Bündnis durch Listen« Verbindung. Die vereinigten 20 Bürgervereine machten ihre Mannen mobil gegen die Sozialdemolratie, der„Bund für Handel und Ge- werbe," eine mittelsiandsretterische Vereinigung, grub das Kriegsbeil gegen die Sozialdemokratie aus, der Haus- und Grundbesitzer» verein stellte sich in die vorderste Schlachtreihe. Alles umsonst I Wir behaupteten unsere beiden alten Mandate und eroberten vier neue hinzul Gewonnen hat nur noch das Zentrum einen Vertreter. Die Liberalen haben ihre vier Sitze behauptet, die Konservativen büßen einen Sitz ein, die Volks- parte! hat von ihren fünf Mandaten zwei gerettet. Die Sozial- demokratie ist mit 12 Vertretern im Bürger- ausschuß zur stärk st en Fraktion geworden. Es folgen dii Liberalen mit 10, die Volkspartei mit 8, Konservative mit 2 Ver- treten,, das Zentrum mit einem Mandat. Erfreulicher noch, als der Mandatszuwachs, ist das Stimmen- Verhältnis. Großmündig hatten die vereinigten bürgerlichen Par- teien vor der Wahl den„politischen Bankerott der sozialdemokratisch-demokratischen RathauS mehr- h e i t" verkündet. In allen Tonarten wurde der Bevölkerung das Lied von der„sozialdemokratischen Steuergelderverschwendung" vor« gesungen. Trotzdem ist unsere Stimmenzahl seit der letzten Gemeinderats wahlumzirka300 ge st iegen, während die der vereinigten drei Parteien sZen- trum, Liberale. Konservative) abgenommen hat. Gestiegen ist auch die Stimmenzahl der Volkspartei, wenn auch nicht stark- Die Linke kehrt gestärkt aus dem Wahlkampfe znrückl__ Zur IschMchen AshIrechtKrage. i Dresden , 14. Dezember 1908. (Telegraphischcr Bericht.) Der außerordentliche Landes Parteitag der fach» fischen Sozialdemokratie trat heute im Kristallpalast unter sehr starker Betclligung zusammen. Anwesend waren mehr als 150 Delegierte und mehrere tausend Zuhörer. Als Ver- treter des Parteivo �standeS ist Genosse Molkenbuhr an- wescnd. Der Saal ist mit roten Fahnen und Inschriften, die den Wahlrechtskampf verherrlichen, reich geschmückt. Zu Beginn der Verhandlungen wird auf der Tribüne eine weiße Fahne der proletarischen Frauen aufgesteckt, die in goldgestickten Lettern die Inschrift trägt:„Hoch das F r a u e n w a h l r e ch t 1" Die Verhandlungen leitete der Vorsitzende des sächsischen Zentralkomitees, Genosse Sindermann. Er begrüßte die Parteigenossen, die in einer ernsten Stunde der Geschichte Sachsens zusammengekommen seien. Die stärkste Partei Sachsens , die Sozial. «tzMokrgjie, die einzige»nd wahre Verfechterin der Volksrechte. empfindet die Wahlrechtsbeschlüsse der ziveiten Kammer bom 2. Dezember d. I. als blutigen Hohn und schamlose Herausforderung, die das Unrecht des jetzigen Dreiklassenwahlrcchts noch in den Schatten stellen. Es werde nicht eher Frieden in Sachsen geben, als bis das Wahlunrecht zerschmettert am Boden liege.(Lebhafter Beifall.) Einziger Gegenstand der Tagesordnung war die Wahlrechtssrage. Hierzu legte das Zentralkomitee in Gemeinschaft mit dem Referenten Genossen Dr. Gradnauer folgende Resolution vor: „Die Landesversammlung erklärt, daß die gegenwärtigen Mitglieder der Zweiten Kammer des Landtags, weil sie vermöge des Dreiklassenwahlsystems lediglich als Vertreter der besitzendenKlassen gewählt wurden, nichtalsVolks- Vertreter zu betrachten sind, daß daher auch ihre Tätigkeit in der Wahlrechtsfrage nicht im Namen des sächsischen Volkes erfolgt. Die Landesversammlung ist der Meinung, daß Regierung und bürgerliche Parteien ihre feierlichen Ver- sprechungcn, dem Volke ein besseres Wählrecht zu geben, aufs neue schmählich gebrochen haben. Die Landesversammlung verweist darauf, daß in der Verfassung des sächsischen Staates die Gleichberechtigung aller Staatsbürger nieder- gelegt ist. Dieser grundlegende Gedanke eines bürgerlichen Rechtsstaates ist schon durch das bisherige Drei- klassenwahlsystem zerstört worden und soll durch das neue Wahlgesetz von neuem preisgegeben werden. Damit ist der sächsische Staat aus einem Rechtsstaat zu einem Gewalt st aat gegen die Mehrheit des Volles gemacht worden. Die notwendige Folge dieser Gewaltpolitik der herrschenden Klassen mutz sein, daß das Interesse deS sächsischen Volkes an diesem Staate mehr und mehr schwindet wnd daß Verachtung gegen die Institutionen und herrschenden Klalsen dieses Staates eintritt. Die Landesversammlung erklärt die Einführung eineS MchrstimmenrechtS für ein Verbrechen am sächsischen Volke. Durch ein solches Wahlsystem wird die Wählerschaft in bevorrechtete und entrechtete Klassen zerrissen, und cS wird das Recht der Mehrheiten durch das mehrfache Recht der Minderheiten brutal er- drückt. Insbesondere würden die arbeitenden Klassen wiederuni ungeheuerlich entrechtet und um die ihnen gebührende Ver- tretnng in der gesetzgebenden Körperschaft betrogen werden. Das von der Kammer beschlossene Vierstimmenwahlsystem würde über- dies durch die Aufrechterhaltung der alten WahlkreiSeinteilung und die in Aussicht genommene Einschränkung der Verhältnis- Wahlen auf die Großstädte das Uebergewicht des agrarischen Landbesitzes von neuem befestigen gegen- über der gewerblichen und handeltreibenden Bevölkerung, aus deren EntWickelung das wirtschaftliche Gedeihen Sachsens in erster Linie beruht. Die Gesetzgebung würde den wirtschaftlich und poli- tisch rückständigsten Gruppen und Cliquen über- antwortet, die arbeitenden Klassen in ihrem materiellen und kulturellen Fortschritt aufs schwerste beeinträchtigt werden. ES ist eine schimpfliche Verhöhnung deS werktätigen Volkes, ihm nach endlosen Verschleppungen ein derartiges Wahlrechtsmonstrum zu bieten. � Die Landesversammlung fordert die gesamte werktätige Be- völkerung Sachsens auf, die Reihen der streitbaren Arbeiterklasse zu verstärken und den Kampf für das allgemeine und gleiche Wahlrecht gemäß den programmatischen Forde- rungen der sozialdemokratischen Partei Deutschlands mit der größtenBeharrlichkeit und dem größten Nachdruck zu führen. Von unten herauf, aus den Massen des Volkes heraus muß der Groll und die Empörung gegen den s ch a mlosen Entrechtungsplan der herrschenden Klassen in inlmcr wachsender Wucht sich Geltung verschaffen." In derAegründung dcrR esolution erinnerte derRefcrcntGenosse Dr. Gradnauer zunächst an die gewaltigen Straßen» .demonstrationen und Massenmeetings vom 1. No- �ember, die die große Anteilnahme und den großen Ernst des sächsischen Volkes in der Wahlrechtsfrage bewiesen hätten. Jetzt Ziege seit der Wahlentrcchtung von 189S der erste Beschluß der Kammer und der erste Versuch vor, in der Wahlrechtssrage einen Abschluß zu erreichen. Aber dieser Beschluß sei so Volksfeind- lich, s o reaktionär, daß die Sozialdemokratie in der feierlichsten Weise dagegen Protest einzulegen verpflichtet sei(Beifall). Die Regierung werde zwar nickt hören, aber das sächsische Volk werde für den Kampf um das Wahlrecht immer mehr mobilisiert werden. In der Kammer machten sich jetzt Personen breit, die nur aus Grund der Entrechtung deS Volkes sich an die Stelle der wirklichen Volksvertreter setzen könnten. Im Augenblick hätten diese künstlich aufgeblasenen Bar- lamentarier noch die Macht zu den nichtsnutzig» stcn Taten; aber die Geschicke des Landes seien nicht von ihnen abhängig. Das sächsische Volk werde am letzten Ende durch jseine eigene Kraft sich sein Schicksal schmieden. (Lebhafter Beifall.)— Redner erörterte dann die letzten Bc- ratungen in der Wahlrechtsfrage und die gegenwärtige Situation. Für die herrschenden Klassen sei die Wählrechtsfrage unlösbar, iveil sie sowohl ihre Privilegien voll Ibehalten, als auch die Erbitterung und Unzu» friedenheit des sächsischen Volke« beseitigen wollten. Aus dieser Unmöglichkeit stammt die unsägliche Oual, in der sich die WahlrechtSmacher Sachsens seit Jahren be- finden, die trostlose Verwirrung innerhalb der Re» "ierung und der bürgerlichen Parteien, der unerhörte atzenjammcr, den die quietschenden Mißtöne der rebellisch gewordenen Nationalliberalen begleiten.(Heiterkeit und Beifall.) Die Bauern vom Lande hätten nämlich beim Kuhhandel die„In- tclligenzen der Stadt" gründlich hineingelegt. Die National- liberalen seien die betrogenen Betrüger, die jetzt mit der Peitsche des Pluralwahlrechts geschlagen würden, die sie sich selbst geflochten haben. Die Sozialdemokratie feilsche nicht um ein paar Mandate mehr oder weniger, sie verlange die Gleich- berechtigung für alle als Voraussetzung des Staates. Aber durch die Ausstattung oller möglichen anderen Schichten mit 4 Stimmen zeig« die Wahlrechtsvorlage die schlimmste Verachtung erad« gegen die Arbeiter und charakterisiere sich als ein uSnahmegesetz, durch das die Arbeiter zu Parias und Heloten degradiert werden sollten, figehr wahrt) Darum müsse dieses neue Wahlunrccht für die Arbeiter ohne Unterschied der Parteirichtung die ungeheuerlichste Ver» -a ch t u n g und den größten Haß gegen diese« Staats- wesen, die größte Feindschaft gegen seinen Be. stand und seine Dynastie hervorrufen.(Stürmischer Beifall.) Redner kritisierte dann das Pluralwahlrecht als einen Bankerott der politischen Bildung. Nur weil die anderen Parteien daran verzweifelten, mit der Sozialdemokratie im geistigen Kampf fertig zu werden, nehmen sie für sich als Ge- bildete ein Mehrstimmenrecht in Anspruch. Aber der Tag sei nahe, an dem die Sozialdemokratie zeigen werde, daß der Staat auch nicht einen einzigen Tag ohne die Arbeiter aufrecht erhalten werden könne. Die Zeichen der Zeit seien trübe genug für die Hcrrsckxndcn, und Deutschland werde sich fragen müssen, ob nicht für das ganze Reich die Bindung der Volks- kräfte gerade jetzt die schwerste Gefahr bedeute. Daß ein Gesetz nach dem Beschluß der Zweiten Kammer zustande komme, sei ganz undenkbar. Aber die Jämmerlichkeit und Lächerlich, keit der Situation liege gerade in der Unmöglichkeit. zu sagen, was überhaupt werden wird: niemand weiß es. Jedes neue Wahlrecht, das nicht allgemein und gleich sei, werde den T o d e s k e i m in sich tragen. Die neue Klasseneinteilung werde das Kraftbewutztsein und den Klassenhaß verstärken. Das Volk werde sich auf die Dauer nicht ungestraft vergewaltigen lassen, sondern mit. der ganzen Rasse der werktätigen Bevölkerung hineingehen in den j Kampf für seine höchsten Güter. Die Geschichte aber werde mir ehernem Schritt hinweggehen über die Taktik der klemcn Staatsmänner. Schließlich müsse doch die Wohlfahrt und das R e ch r desarbeitend ei� Volkes triumphieren. Das mehr als dreistündige Referat fand stürmischen Beifall. In der Diskussion erhielt zunächst das Wort Genosse Reichstagsabgeordnetcr Molkenbuhr. Er wies darauf hin. daß der Wahlrechtskamp 7 der Gegenwart notwendig sei, infolge der Sünden des Bürgertum-- in der Vergangenheit. Das Bürgertum duldete die rückständige agrarische Junkerherrschaft zu lange, und jetzt müsse das Prole- tariat die politische Arbeit des Bürgertum« verrichten. D,e Sozial- demokratie müsse ihr. ganzes Tun und Lassen darauf einrichten, die Wahlrechtsfordcrungen immer schärfer zu er- heben. Der Sturm könne erst einsetzen, wenn es zur Entscheidung gehe. Einstweilen müsse man sich genug sein lassen, die Kämpfer ruhig weiter zu organisieren. Sobald dieZeitreifsei, werde dasSturmzeichen gegebe Ii werden.(Lebhafter Beifall.) Lipinski-Leipzigi Die Landesversammlung der national- liberalen Partei erklärte im Jahre 1866, sie habe kein Interesse meho am Bestehen des sächsischen Staates. Damals erklärte man durch das Wahlgesetz von 1868 das sächsische Volk für politisch reif. Wem- ihm jetzt jedes Recht genommen werden solle, außer der Steuer- leistung und der Militärdienstleistung, so habe es noch weniger Interesse am sächsischen Staate, als damals das Bürgertum.(Sehr wahrl) Sch ö p f l i n- Leipzig: Die Reaktion wendet jetzt eine Er- müdungstaktik gegen unsere Wahlrechtsforderung an, aber wir lassen uns nicht ermüden, sondern tragen unsere Agitation, immer tiefer in das Volk hinein. Graf Hohenthal meinte, daß auch tüchtige Arbeiter durch ihren höheren Verdienst in die Vierstimmenwähler kiasse aufrücken könnten. Wenn Graf Hohenthal im Erzgebirge als Arbeiter geboren wäre und das Elendvieh fabrizierte(Heiterkeit), würde er wohl auch nicht über 1600 M. verdienen. Durch diese Redewendung stellte er die Unterbeamten und Polizeibeamten als minderwertig dar, denn sie alle erhalten keine 1600 M. jährlich. Das ist wirklich ein sächsisch polizeiwidriger Unsinn. den ausgerechnet unser Polizeiminister hat sprechen, müssen. lHeiterkeit und Beifall.) Sobald König Friedrich August seinen NamenSzug unter das neue Wahlgesetz gesetzt haben wird, wird in der Masse der erbittertste Kampf auch gegen den Träger der Krone ausbrechen. Der e i n z i g e H o ch r u i. der in Zukunft den König ein pfangen wird, wird das Hoch auf das allgemetne Wahlrecht sein. lSehr gut!) Man sagt Friedrich August nach, daß er sich im Fluge die Sympathien der Bevölkerung erworben habe.(Zuruf: Er fliegt ja gar nicht, sondern fährt im Automobil!) Gewiß reist cu sehr viel, aber die VerlinerKonkurrenz kann er doch nicht aushalten.(Große Heiterkeit.) Der Mann, der einst in Berlin die.vaterlandslosen Gesellen" zerschmettern wollte, ist jetzt auch gar nicht mehr kriegslustig. Das sollte für Friedrim August ein Warnungszeichen fein. Wir führen den Wahlrechts- kämpf jetzt erst recht aus Trotz um so rücksichtsloser. schärfer und erbitterter.(Stürmischer Beifall.) Riem-Dresden : Viel tiefer als die„tief gefallene Frau" (Heiterkeit) ist in der Wahlrechtsfrage das Rechtsempfinden dcu herrschenden Klassen Sachsens und des serdilen Bürgertum Dres- dens gefallen.(Sehr gut!) Auch die Delegierten der anderen sächsischen Wahlkreise schließen sich dem Protest gegen das neue Wahlgesetz an. Nebenbei fallen auch harte Worte über die Ausführung des Reichs- vcreinsgesetzes. und die freisinnige Partei, die sich nur radikal gcberde, wo sie nichts zu sagen habe, und über das neue sächsische Berggesetz, das das fluchbeladene System der Unterdrückung der Bergarbeiter fortsetze. In seinem Schlußwort führte Genosse Gradnauer aus, daß die L a n d e s v e r f a m m- l u n g der sächsischen Sozialdemokratie das wahre Parlament des sächsischen Volkes sei. Der Kampf um das sächsische Wahlrecht sei keine partikulare Erscheinung, sondern eine Erscheinung der allgemeinen Reichs- Politik. Ter Kampf gegen das persönliche Regiment sei ja gegen- wärtig eine Art Modcsport. Daraus könnten die Herrscher lernen, wie leicht der Byzantinismus in die entgegengesetzte Stimmung umschlägt. Das persönliche Regiment könnte für die Sozialdemo- kratie gleichgültig sein, wenn nicht hinter den Monarchen die Klassen stünden, die ihn für ihre eigensüchtigen Zwecke benutzten. Die Herrschast einzelner bevorrechteter Schichten sei die Wurzel de-- Uebels, und der Hort dieser Klassenpolitik der Bevorrechteten seien. die einzelstaatlichen Landtage. Die sächsische Sozialdemokratie werde sich in dem Kampf um gleiches Recht als Preisfechter be- währen und bei den nächsten Wahlen Sachsen zu einem knallroten Königreich machen.(Stürmischer Beifall.) Hierauf wurde die vorgelegte Resolution einstimmig an- genommen und die Landesversammlung mit Hochrufen auf dasallgemeinc, gleiche, geheimeunddirekteWahl- recht geschlossen._ poUtlfchc deberfiebt* Berlin , den 14. Dezember 1908. Königsschlosser-Verramsch. Wilhelm n. will niedrere Königssckilösser verkaufen. Die preußischc: Hofkammer steht, wie der„Bote a. d. Riesengebirge ' berichtet, in Verhandlungen über den Verkauf deS Schlosses Erdmannsdorf nebst Doininium. Als Kaufpreis für die 1700 Morgen groß« Besitzung werden 1 700 000 M. genannt. Zugleich berichtet) die„Rbciii.-Wests. Ztg." von Gerüchten übce den Verkauf der KönigSschlösier in Düssetvorf, Benrath . Stolzen- fel« und Brühl und erinnert daran, daß das Oberhoimarschallamt die Nachricht, die Burg Stolzenfels sei für 5 Millionen Mark an den Freiherrn t». Schorlemer-Lieser verkauft worden., zwar dementiert habe, daß aber das Gerücht von VerkaukSabsichten trotzdem begründet sei. Zum Schluß schreibt daS Zcchenblatt: „Die Verkaufspläne der Krone bei den rheinischen Schlössern sind nun abermals ein inleressanter neuer Beitrag zu des Kaisers lediglich stofflichem und b i st o r i) ch e m Interesse an der Kunst. Schloß RheinSberg mit seinen vielen Eriiincrungcu an Friedrich den Große» oder daS wenig reizvolle Babelsberg des ersten Kaisers würde Wilhelm II. niemals aufgeben. DaS fünst- lerisch sehr viel höher stehende Benrath , mit dem ihn keine histo- rischen Beziehungen verknüpfen, gibt er auf. Die Krone läßt ihre rheinischen Schlösser zum Verkaufe an«- bieten, weil sie Geld braucht, da die bisherige Kunst-�j Politik des Kaisers Millionen verschluckt hat; das Kaiserschloß auf Korfu , die unglückliche Sieget;- a I l e e. Burgen, die im Widerspruch init ollen Kennern wieder aufgeführt worden. Dafür will man die eigenartige Perle am Rhein vom 18. Jahrhundert opfern." Höherer Klatsch. Seit einiger Zeit beschäftigen zwei einfältige Klatschgeschichie.u die Salons der sogenannten hochfeinen Kreise und die„anstondiee" Presse. Natürlich handelt es sich um sexuelle Affären, und ziv.rc betrifft die eine das Verhältnis des Herrn v. Kiderlen-Wacchtvr zu seiner HauSdam«, die vor Jahren einmal ZirkuSrciterin ge- wesen sein soll, die andere daS LiebeSleben des Leiters deS offi- ziösen PreßburcauS, deS Geheimrats Dr. O. Hammann, dem Ehebruch und vorzeitiger Geschlechtsverkehr mit seiner jetzigen Gattin, der geschiedenen Frau eines hiesigen Architekten, vorgc- werfen wird. Wir haben von beiden Klatschereien bisher keine Notiz genommen-»» nicht, weil wir besondere Sympathien für
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten