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8t. 299. 25. ZahrMS. I Ktil»se des Jormirtf Diellstilg. 22. Dezember 1908. lilanenproteft gegen das IRixdorfer Aahlrechtsattentat. Die Dolksmassen, die durch das kommunale Dreiklassenwahl- recht zu Wählern minderen Rechtes degradiert und von den bürger- lichen Stadtverordneten Rixdorfs noch zu einer besonderen Ent- rechtung verurteilt worden sind, haben am Sonntag ihr Urteil über die Verschlechterung des Wahlrechts gesprochen. Eine dichtgedrängte, nach Tausenden zählende Volksmenge war dem Ruf zur Protest- Versammlung gefolgt. Der Saal derNeuen Welt" samt den Galerien war bis-in den äußersten Winkel besetzt. Zorn und Er bitterung gegen die Wahlrcchtsattentäter lohte auf allen Gesichtern und machte sich hier und da in kräftigen Worten Luft. Ehe die Versammlung begann, wurden einige Polizeibeamte in Zivil, die sich unter die Versammlungsbesucher gemischt hatten, hinausgewiesen Ein allgemeiner Sturm des Unwillens begleitete die Eindringlinge. Der erste Referent war Gen. P a u l H i r s ch. Er kennzeichnete die Heuchelei der Bourgeoisie, die, jedes Gemeinsinns bar, nur die Vertretung ihrer egoistischen Interessen im Auge hat. Ein Tag der Schmach und Schande sei der 17. Dezember für die Vertreter des Rixdorfer Bürgertums. Das kürzlich erst eingeweihte neue Rathaus sei durch das Attentat auf das Wahlrecht beschmutzt und besudelt wordent Der Schimpf, den die Rixdorfer Bourgeoisie durch diese Handlungsweise auf sich geladen habe, könne nie wieder abge- waschen werden. In der bürgerlichen Presse würden jetzt unsere Stadtverordneten angegriffen, weil sie sich dem Wahlrcchtsraub in so energischer Weise widersetzt haben. Wir sagen demgegenüber, unsere Parteigenossen im Rixdorfer Stadtparlament würden ihre Pflicht verletzt haben, wenn sie anders gehandelt hätten, als sie gehandelt haben.(Allgemeiner Beifall.) Nicht unsere Genossen, sondern Herr Rahmig und seine Genossen hätten dem Parlamen tarismuS einen schweren Schlag versetzt. Die Rixdorfer Bour- geoisie habe gezeigt, daß sie noch schlimmer sei als die preußischen Junker. Diese wollen eine Verbesserung des bestehenden Wahl- rechts verhindern, aber die Rixdorfer Bourgeoisie habe eine Ver- schlechterung des ohnehin schon schlechten Wahlrechts beschlossen (Entrüstete Pfui-Rufe.) In der bürgerlichen Presse heiße es, wir seien durch die Annahme des Antrags Rahmig besiegt. Man möge sich diese Versammlung ansehen. So sehen keine Besiegten aus (Lebhafte Zustimmung.) Die Herren Rahmig und Genossen hätten wahrlich keine Ursache, auf ihren angeblichen Sieg stolz zu sein. Das Skandalöseste an dem Wahlrechtsraub sei, daß an demselben sich eine Anzahl von bürgerlichen Stadtverordneten beteiligt haben, die das Vertrauen der Wähler gar nicht mehr besitzen, denn sie seien ja bei den letzten Wahlen nicht wiedergewählt worden. Trotzdem hätten dies« sich nicht geschämt, einem Antrage zur Annahme zu verhelfen, der erst zur Ausführung kommt, wenn sie der Stadt verordnetenversammlung nicht mehr angehören. Auch in anderen Orten, so in Kiel , in Halle, in Steglitz , sei das städtische Wahlrecht verschlechtert worden. Das Verhalten der Rixdorfer Bourgeoisie übertreffe aber diese Fälle noch, denn sie sei zur Verschlechterung des Wahlrechts geschritten, nachdem sie bei der Wahl eine Nieder läge erlitten hatte. Es frage sich, was sollen wir nun tun? Der von der Stadtverordnetenversammlung angenommene Antrag be­dürfe noch der Zustimmung durch den Magistrat und den Bezirks- ausschuß. Daß der Bezirksausschutz dem Antrage zustimmen werde sei zweifellos. Auch der Magistrat werde wahrscheinlich zu- stimmen, denn man dürfe wohl annehmen, daß die bürgerlichen Stadtverordneten, die ja über ihr Vorgehen in geheimen Kon- ventikeln beraten haben, sich der Zustimmung der Mehrheit des Magistrats versichert haben. Trotzdem aber mutz der Magistrat jetzt von unserer Seite aufgefordert werden, den Antrag abzulehnen. Tut der Magistrat das nicht, dann könne er nicht erwarten, daß die Entrechteten auch nur eine Spur von Vertrauen zu ihm haben oder daß die sozialdemokratische Fraktion, die ja in der neuen Versamlung 27 Stadtverordnete habe, dem Magistrat auch nur einen Pfennig bcwilligan werde. Durch den Gewaltstreich der Rahmig und Konsorten würden auch den zurückgebliebensten kleines feuilleron. DasHaus der Zukunft". Zu wiederholten Malen hat Edison bereits die Welt mit der Ankündigung überrascht, daß er sich mit der Herstellung von Wohnhäusern durch Gutzformcn beschäftige und daß er in dieser einfachen und praktischen Erfindung dieLösung des Wohnungsproblems für die Zukunft" erblicke. Erst in den letzten Tagen kam die Meldung, daß eine Firma bereits an die Ausführung des Planes gegangen sei. Von diesemHaus der Zu- kunft" erzählt F. Baumgarten inlieber Land und Meer". Edison will ein zweistöckiges Einfamilienhaus in einem Tage und für den bescheidenen Preis von 4000 M. aus Beton gießen. Die hohlen Formen, die aus Gußeisen bestehen und innen vernickelt sind, werden nach dem Bauplatz transportiert, dort mit Schrauben und Bolzen aneinandergefügt und dann erst aufgerichtet. In die Hohl- räume wird nun die Masse, die aus einem Teile Zement und ans je drei Teilen Sand und verkleinertem Stein besteht, mit Hilfe hydraulischer Maschinen von oben hineingepumpt, bis die Formen gefüllt sind. Inbegriffen in Form und Guß sind Treppen, Kamine, Badewanne, Waschtische, Aufwaschtische für die Küche usw., so daß hier tatsächlich ein Hausohne Naht" geschaffen wird. Nach zirka acht Tagen können die Formen entfernt und nach weiteren acht Tagen, in denen die Masse eisenhart geworden ist, kann das Haus bezogen werden. Der Preis könnte noch geringer sein als 4000 M., wenn die Formen für das Modell nicht 12ö000 M. kosteten und für den Bauherrn die Gefahr vorläge, daß ein bestimmtes Modell nicht genügend viele Abnehmer findet. Wenn man bisher Beton nur beim Bau von Fabrikgebäuden, Arbciterwohnungen, Brücken usw. verwendet hat, so ist dies aus dem Vorurteil zu er- klären, daß mit diesem Material keine architektonischen Effekte u erzielen und daß Betonhäuser feucht, dumpf und kalt wären. Zun haben aber zwei deutsch -amerikanische Architekten und ein deutsch -amerikanischer Bauherr durch einen praktischen Versuch er- wiesen, das� dieses Vorurteil falsch ist. Ein Brauereibesitzer bat auf einer Farm, die er an einem schönen Seeufer in Wisconsin besitzt, auch sein eigenes, elegantes dreistöckiges Wohnhaus, die Wohnungen der Verwalter und des Personals aus Beton erbauen lassen. Die Bauten sollten vor allem auch durch ihr wohlgefälliges Aeußere die Allgemeinheit zur Nachahmung bestimmen. Schon die Abbildungen lassen erkennen, daß den Architikten diese Auf- gäbe glänzend gelungen ist.(?) Außer Stahl und Eisen ist dabei kein anderes Material als Beton bei den gesamten Baulichkeiten verivendet worden. Drei Vorzüge werden diesen Betonbauten bc- sonders nachgerühmt. Erstens sind sie feuersicher, so daß eine Wer- sicherung fast überflüssig wird; dazu sind sie wasserdicht und frei ieglichern Ungeziefer. Außerdem sind sie wohl das Dauer- hafteftk» was geschaffen werden kann, und bedürfen daher nur ge> Zt' Wählern die Augen geöffnet werden. Es seien ja nicht nur Ar- beiter, sondern auch viele Angehörige des Mittelstandes, die durch den Antrag Rahmig als der zweiten in die dritte Wählerklasse hinabgestotzen werden. Unter stürmischem Beifall schloß Genosse Hirsch seine Rede mit der Aufforderung, nunmehr mit verdoppelter Kraft zu agitieren gegen das Dreiklassenwahlrecht in Staat und Gemeinde. Tausende und Abertausende neuer Anhänger würden wir durch diese Agitation gewinnen. Der zweite Referent war Genosse Dr. Silber st ein, Mit- glied der Rixdorfer Stadtverordnetenversammlung. Er schilderte die wesentlichsten Momente aus dem Wahlrechtskampf im Rixdorfer Rathause und führte u. a. aus: Während sich bei anderen Ange- lcgenheiten oft kleinere oder größere Gruppen von der bürgerlichen Mehrheit abgesplittert und mit uns gestimmt haben, trat die Mehr- heit diesmal geschlossen gegen uns auf. Ein Beweis dafür, daß das gesamte Bürgertum nur eine reaktionäre Masse ist, wenn es gilt, die Arbeiterklasse in ihren Rechten zu beeinträchtigen. Es waren nicht nur Konservative, welche sich an dem Attentat auf das Wahl- recht beteiligten, sondern auch fünf Stadtverordnete, welche Mit- glieder des liberalen Wahlvereins sind, gingen Arm in Arm mit dem Reaktionären, als es sich darum handelte, von den 4000 Wählern der zweiten Abteilung 2000 davon in die dritte Abteilung zu be- fördern. Diese fünf liberalen Bereinsmitglieder sind die Stadt- verordneten Emmelut, Glasemann, Rosenow, Winzent und Siegel- kow. Einer dieserliberalen Männer", der Herr Glasemann, ist Besitzer desRixdorfer Tageblatt", welches leider noch in sehr vielen Arbeiterfamilien zu finden ist. Wenn man sieht, wie diese Feinde des Wahlrechts gearbeitet haben, dann muß dafür gesorgt wer- den, daß ihr Blatt aus den Arbeiterkreisen ver- schwindet. DasRixdorfer Tageblatt" bringt sonst jeden Antrag, der den Stadtverordneten vorgelegt wird, und wenn er noch so unbedeutend ist, im Wortlaut und mit der Begründung, die ihm beigegeben ist. Ten äußerst wichtigen Wahlrechtsantrag aber hat dasRixdorfer Tageblatt" mit keiner Silbe erwähnt. Ich habe das in der Stadtverordnetensitzung vom 17. Dezember angenagelt, und darauf antwortet das Blatt, es habe deshalb von dem Antrag Rahmig nicht Notiz genommen, weil ihm keine Begründung beigegeben war, und ohne Begründung sei der Antrag für die Leser nicht verständlich gewesen. So gering schätzt die Redaktion desRixdorfer Tageblatt" daS Verständnis ihrer Leser ein, und das mangelnde Verständnis der Leser gibt der Redaktion einen Vorwand zur Verheimlichung eines hochwichtigen Antrages, der in aller Stille vorbereitet worden ist, damit das schändliche Werk der Wnhlrcchtsverschlechterung um so sicherer gc- lingen konnte. Der Stadtverordnete Abraham, auch ein Libe- raler, sagte im Privatgespräch zu mir: Wenn wir uns dem Wahl- rechtsantrage gegenüber ruhig verhalten, dann würde die Mehr- heit für unseren Antrag auf Unterstützung der Arbeitslosen stimnren.(Pfui-Rufe.) Das ist kennzeichnend für die Gesinnung, die in bürgerlichen Kreisen herrscht. Man mutet uns zu, daß wir für 10000 Mark Arbeitslosenunterstützung das Wahlrecht verschachern. Wenn nur zwei oder drei Liberale gegen den Antrag Rahmig gestimmt hätten, dann wäre die Zweidrittelmehrheit nicht vorhanden und der Antrag abgelehnt gewesen. Es stimmten aber fünf organisierte Freisinnige für den Antrag, also können wir mit Recht sagen: Der Freisinn ist schuld, daß das Wahlrecht verschlechtert worden ist. Angeblich soll der Antrag darauf zurückzuführen sein, daß wir die Wähler der zweiten Abteilung durch Terrorismus gezwungen haben, sozialdemokratisch zu stimmen. Natürlich ist von uns kein Terrorismus ausgeübt worden. Aber wenn dem so wäre, dann würde doch die Einführung des geheimen Wahlrechts der beste Schutz gegen jeden Tcrrorismus sein. Statt dessen stoßen die Vertreter des Bürgertums einige Tausend Wähler der zweiten Abteilung in die ganz von uns be- herrschte dritte Abteilung und geben die armen Wähler dadurch dem angeblichen Tcrrorismus der Sozialdemokraten völlig preis. Wenn der Magistrat, was anzunehmen ist, dem Antrage Rahmig zustinimt, dann werden wir in Zukunft alle seine Vorlagen ab- lehnen, bis er alles daran setzt, um den durch den Antrag Rahmig geschaffenen Zustand wieder zu beseitigen. Die Ausführungen des Genossen Silberstein wurden ebenfalls mit stürmischem Beifall aufgenommen. ringer Reparaturen. Schließlich sind sie auch bedeutend billiger als die in der üblichen Art errichteten Gebäude, Theater. Neue Freie VolkSbü hne(Schiller-Theater 0.):»Ein Volksfeind ", von Henrik Ibsen . Dies Drama von der geistigen Rückständigkeit derkompakten Majorität' wird, solange sie auf Erden herrscht, nichts von seiner Bedeutung verlieren. Der Dichter hätte sich sein Problem sehr wohl leichter stellen und es im Hinschauen auf eine aufwärtsstcigende allgemeine Entwicklung der Masse hoffnungsfroh beantworten können. Er läßt sich jedoch auf kein haltloses Prophezeien ein, sondern übt an den bestehenden Zuständen eine schneidende Kritik, ohne viel danach zu fragen, daß unter besonderen Umständen wir brauchen ja bloß an eine revolutionäre Volksbewegung zu denken auch gerade der Freiheitsdrang der Massen eine heilsame Umwandlung zum Besseren herbeiführen kann. Ver- mögen wir auch seinen Lehrsatz von der Stärke des Alleinstehenden vom demokratischen Standpunkte aus nicht zu unterschreiben so ist es doch eine apodiktische Wahrheit vom Standpunkte der Volks- schichte aus, die Ibsen in seinem Schauspiel uns vor Augen stellt. Ob Doktor Stockmann gegen denUnverstand der Massen" vergeblich ankämpfen wird, ist im Grunde gleichgültig. Hauptsache bleibt: er nimmt mit ihr den Kampf auf, und hierin liegt das befreiende Moment für das Drama wie für den Glauben des Dichters an den Sieg aller Lich'lstreiter. Die Aufführung zeigte von gutem Streben nach Energie und Geschlossenheit, obivohl sie nicht ganz erreicht wurde. Im letzten Akte machte sich eine schleppende Ermüdung bc- merkbar, was schließlich nicht wunder nehmen kann, da die Vorstellling erst um ll'/a Uhr beendet wurde. Als Doktor Stockmann bot Paul B i l d t namentlich vom dritten Akte an eine resolute Leistung; nur überschrie er sich zuweilen mehr, als wünschens- wert erscheinen mochte. Unter den übrigen Darstellern sind Harry F ö r st e r(Bürgermeister Stockmann), Max K i r s ch n e r(Nils Morse) und Emil Werana(Buchdruckereibesitzer Aslaksen) lobend zu nennen. o. k. Thalia-Theater:Mein Leopold" von Adolf L'Arronge . Wir haben es an dieser Stelle schon des öfteren beklagt, daß Girardi für sein Gastspiel in Berlin keine rechten Stücke mehr findet, daß er die für den Tag geschriebene Wiener Ware spielen muß und daß kein Repertoire mehr gibt, in dem seine echte, herzenswarme Kunst den rechten Wirkungskreis findet. Ist es nicht in der Tat betrübend, daß dieser treffliche Künstler, der wie kein zweiter geschaffen scheint, um echte Menschlichkeit in Leid und Lust volkstümlich darzustellen, mit seinem Reichtum die Hauben- stocke und Puppengestelle der Fabrikanten auszustaffieren ge- zwungen ist? Am Sonnabend wurde ein neuer Ausweg probiert: L'Arronges Berliner Volksstück.Mein Leopold"(von 1873) war neu einstudiert und Girardi spielte den Schuhmachermeister Weigelt. Das gab eis« In der Diskussion nahm zuerst Dr. Breitscheid daS Wort. Er erklärte sich mit dem, was die Referenten gesagt hatten, vollkommen einverstanden und übte unter lebhaftem Beifall der Versammlung scharfe Kritik an dem jammervollen Verhalten des Blockfreisinns. Nicht Bedauern, nicht Mitleid, sondern nur Ver- achtung könne man empfinden vor solchen Leuten, die das Wort liberal im Munde führen, um damit ihre reaktionären Taten zu verschleiern. Die allerdings nur kleine Gruppe der demokratischen Vereinigung werde den Kamps der Sozialdemokratie gegen die verrottete Bourgeoisie unterstützen. Der folgende Redner, Genosse Eduard Bernstein , ent- fesselte wiederholte Beifallsstürme durch i'eine äußerst scharfe und entschiedene Verurteilung des Vorgehens der Rixdorfer Stadt- vcrordnetenmehrheit im besonderen und der Feigheit und Erbarm- lichkeit des Bürgertums im allgemeinen. Rückhaltlos billigte der Redner das Auftreten unserer Parteigenossen im Rixdorfer Stadt- Parlament. Wenn sie noch viel weiter gegangen wären in der Ab- wehr des Wahlrcchtsattentats, so würde das jeder, der noch eine Spur von Rechtsgefiihl hat, gebilligt haben. Wenn die Massen der Arbeiter, denen das Wahlrecht verschlechtert werden soll, noch weiter in das Rathaus eingedrungen wären, so würden sie im Recht ge- Wesen sein. Ein Volk braucht lange Zeit, um ein Recht zu er- kämpfen, das man ihm vorenthält. Aber kein Volk darf sich ein Recht, das es besitzt, ruhig und geduldig nehmen lassen.(Stür- mische Zustimmung.) Alles muß versucht werden, um die Ver- schlechterung des Wahlrechts wieder aus der Welt zu schaffen. Wenn wir auch zunächst an das Rechtsgefühl der maßgebenden Faktoren appellieren, so müssen wir doch gleichzeitig bekunden, daß wir nicht ablassen werden, aufs neue zu demonstrieren, und daß wir es nicht bei papierenen Protesten bewenden lassen. Genosse B ö s k e regte an, es solle an der Hand der Wähler- listen festgestellt werden, ob die Wahlrcchtsverschlechterer wirklich im Austrage der Wähler der zweiten Abteilung handelten, wie Stadtverordneter Beermann behauptet hatte. Genosse W u tz k i bezog sich auf eine Behauptung der bürgerlichen Presse, welche bc- sagt, daß erst das Auftreten der Sozialdemokraten in der Stadt- verordnetenversammlung das geschlossene Zusammenhalten der bürgerlichen Stadtverordneten bewirkt habe. Diese Behauptung sei unzutreffend, denn aus einer Acußerung, die der Stadtverordnete Beermann dem Redner gegenüber machte, gehe hervor, daß Kon- servative und Liberale ein Herz und eine Seele seien und daß die geschlossene Mehrheit schon vor der Diskussion des Antrages vor» handen war. Ferner sprachen noch die Genossen Heinrichs und Kloth. Auch diese Redner wandten sich unter allgemeinem Beifall gegen die Wahlrcchtsräuber und billigten das Verhalten unserer Genossen im Kampfe gegen dieselben. Die Versammlung beschloß, die Einwohner Rixdorfs durch ein Flugblatt über diese Angelegenheit aufzuklären. Die nachstehonde Resolution wurde einstimmig angenommen: Die heutige Versammlung spricht ihre Entrüstung auS über die brutale, allen Rcchtsbegriffen ins Gesicht schlagende Handlungsweise der bürgerlichen Mehrheit in der Rixdorfer . Stadtverordnetenversammlung in der Sitzung vom 17.Dezbr. 19ii8. Nicht zufrieden damit, durch ein verwerfliches Klassengesetz weit über ihre tatsächliche Anhängerschaft in der Bevölkerung im Stadtparlament vertreten zu sein, hat diese Mehrheit am Vor» abend des Verfalls eines Teiles ihrer Mandat ihr« bereits von der Wählerschaft beseitigte Zweidrittelmehrheit dazu benutzt, den Klassencharakter dieses Wahlrechtes noch zu verschlimmern, damit die Stimme der werktätigen Bevölkerung nicht einmal mehr in der bisherigen beschränkten Weise in der Verwaltung Rixdorfs zum Ausdruck kommt. Die heutige Versammlung protestiert auf das Entschiedenste gegen diesen Gewaltakt. Sie ruft alle diejenigen, die noch einen Funken von Rechtsgefühl sich bewahrt haben, auf, sich diesem Protest anzuschließen. Sie ersucht die sozraldemo- kratische Stadtverordnetenfraktion, keinen Schritt unversucht zu lassen, die Aufhebung dieser Wahlentrech- tung zu erwirken. Sie erwartet bon den zuständigen Instanzen, daß sie einer derartigen- Auslegung des Gesetzes ihre Zustimmung versagen und wiederholt die Forderung des gleichen, aU» gemeinen, direkten und geheimen Wahlrechts in Reich, Staat und Gemeinde, ftir die unermüdlich zu kämpfen die heutige Versammlung entschlossen ist. G r o g e r. E d. B e r n st e i n." etwas seltsame Mischung. Das moraltriefende, sentimentale, mit groben Mitteln arbeitendeVolksstück" mag in das Berlin nach der Gründerzeit hineingepaßt haben, als es aktuell war, gewissen vom Krache aus verschiedenen Himmeln gestürzten Schichten des Bürgertums rührselig zu kommen. Aber heute ist diese Dunstschicht kleinbürgerlicher Anfänge längst verweht und es gibt wederVolk" noch Bürgertum, dem diese Predigten etwas zu sagen hätten. Es bliebe dann das Verlangen nach sanften Rührungen, die man aus eigenem nicht mehr zu beftiedigen vermag und nun bei anderen auskosten will. So hält ja dergebildete" städtische Bourgeois die Landbewolmer und die unteren Klassen schlechthin immer noch für geeignete Träger von allerlei Gemütsanwandlungen, für die er sich selber aufs schönste bedanken würde. Und so mag L'Arronges Volksstück vielleicht bei den Verehrern der guten alten Zeit und sonstigen Gennitsmenschen immer noch Anklang finden. Für tins andere blieb aber nur die Darstellung: Girardi und seine Gefährten. Girardi bemühte sich nicht erst lange, einen Berliner Ton zu treffen, der ihm nicht liegt. Er übersetzce den Protzen und Verschwender, den Berliner Haustyrannen, das Opfer seiner Liebe zum ungeratenen Sohne ins Wienerische. Das gab freilich manche Brüche. Aber zum Schluß hin hatten wir doch den reinen Genuß an Girardi, als er den armen, einsamen Alten so echt und zu Herzen gehend verkörperte. Man vergaß L'Arronge und sein Volksstück und sah nur Girardi in Wehmut' und sanfter Freude. Recht wacker standen ihm Th. Stolzenberg als waschechter Werkführer Starke, Marianne Thomas(als Klara), Walter Formes (als Leopold) zur Seite. und auch in den kleineren Rollen war Lokalkolorit gut gewahrt. Helene B a l l o t erfreute als Stadtrichterstochter durch Gesang und Spiel. r. Humor und Satire. GanzwiebeiunS. Ihr guten Bürger röchelt ZorneS-Chöre: Wie quält man doch die armen Legionäre!' Nur sachte, schlagt Euch vor den eig'ncn Bauch: Wir können's auch I .Da wird gespuckt, getreten und geschunden, gepciischt und halbzerfetzt gleich tollen Hunden.' Ihr Bürger, schlagt Euch vor den eia'nen Bauch: Wir können's auch I »Befiehlt wer: ,Friß den eig'nen Dreck hinunter I' der Sklave tut's und sagt:.Befehl, Herr Unter' Nichts Neues, schlagt Euch doch vor Euren Bauch: Wir können» anchl »Wagt er», dem Schinder an den Hals zu fahren, so büßt er da» mit langen Kerkerjahren." So schlagt Euch endlich doch vor Euren Bauch: Wir können's auch l grauA