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«8 ist natürlily, das; dieDemokratie" nach solchen Exzessen kirchlicher Gesinnungstüchtigkeit mal wieder das dringende Be- dürfniS fühlt, liberalen Spektakel zu machen. Den hat sie denn auch gemacht. ES handelte sich um die Beschäftigung von Ordensschwestern im Schulbetrieb. Nach Angabe des Ministers sind in 27 Gemeinden 32 Ordensschwestern, die ihre staatliche Prüfung bestanden haben, als Lehrerinnen tätig, und zwar in obligatorischen Unterrichtsfächern. Eine größere Anzahl Ordens- und Laienschwestern ist als Handarbeitslehrerinnen tätig. Durch das Gesetz soll der Handarbeitsunterricht, der bisher fakul- tativ war. obligatorisch gemacht tverden. Das veranlasste unsere Genossen, darauf zu dringen, dah Ordensschwestern, die ihren kirchlichen Oberen zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet sind, nicht in weiterem Umfang mit der Unterrichtscrteilung in obligatorischen Unterrichtsfächern betraut werden. Unser Redner Gen. Hilden  - brand bezog sich dabei auf einen Ministerialerlaß aus dem Jahre 1875, der verbietet, Ordensschwestern für den öffentlichen Schul- dienst neu anzustellen. Die Forderung der Sozialdemokratie war die Konsequenz unserer Forderung der reinen Staatsschule. Die Demokraten, die vorher der Kirche Augeständnisse gemacht hatten, glaubten nunmehr aber den Augen- blick für gekommen, fortschrittlich zu donnern. Die Folge war eine Blamage über die andere. Haussmann bringt eine Resolution ein» in der das Ministerium ersucht wird, die von Hildenbrand erwähnte Ministerialverfügung über die Erteilung des öffentlichen Unterrichts in Ansehung der Ordensschwestern auch künftighin zur Durchführung zu bringen. Kaum hat er diese Resolution publiziert, so zieht er sie auch schon wieder zurück und bringt eine zweite ein, in derschrittweise Beseitigung des öffentlichen Unterrichts durch Angehörige von Orden und Kongregationen" verlangt wird. Der volksparteiliche Abgeordnete L i e f ch i n g hat keine Ahnung, um was der Streit sich dreht. Er behauptet, die Resolution Haußmann sei falsch verstanden. Es handle sich nur um die Aufnahme von Lehrerinnen in den Staatsdienst, die keine Prüfung gemacht hätten. Hohnlachend antwortet Gröber, dah nach den Er- klärungen des Ministers die betreffenden Schwestern ihre Prüfung gemacht hätten. Nachdem das klargestellt fei, möge die Bolkspartei ihre Resolution gefälligst zurückziehen. Hauhmann korrigiert seinen unwissenden Fraktionsgenossen, nicht um die Prüfung handle es sich, sondern darum, daß Personen, die der Kirche zu unbe- dingtem Gehorsam verpflichtet sind, nicht zugleich dem Staate Gehorsam leisten können. Wieder springt Gröber auf. Mit schneidender Ironie führt er dem Demokraten zu Gemüte, daß seine Partei, die demokratische, ja beantragt habe, den Reli- gionSunterricht in der Schule nur durch Geist- iiche erteilen zu lassenl Der Geistliche st ehe doch er st recht unter einer doppelten Disziplinar- gewalt, der der Kirche und des Staates. Hauß- mann erklärt darauf, er müsse sich die Sache noch einmal über» legen. Man möge die Debatte vertagen. Das geschieht gegen den Widerspruch des Zentrums. Andern Tags bringt Hauhmann die dritte Resolution ein. Dieschrittweise Beseitigung des öffent- lichen Unterrichts durch Angehörige von Orden und Kongregationen" läßt er im OrkuS verschwinden. Er verlangt nur noch,daß auch die Einführung der Volksschulnovelle keine Steigerung des Einflusses der Orden und Kongregationen auf das öffentliche Volks- schulwesen im Gefolge habe." Er begründet diese seine dritte Resolution zu demselben Gegenstand mit der weinerlichen Er- klärung, man mache in diesem Gesetz d.em Zentrum überhaupt zuviel Konzessionen! Er hätte hinzu. fügen können:Und gibt dem Zentrum überreichlich Gelegenheit, unsere Blamagen zu Kulturkampfpauken auszunützen." Die Reso- lution Hauhmann wurde schliesslich angenommen. Auch die Sozialdemokratie stimmte dafür. Nachgerade wird es Pflicht der Sozialdemokratie, dem Treiben der liberalen Blockbrüder ein Ende zu machen. Daß mit der Volkspartei und der Deutschen   Partei ein grundsätzlicher Fortschritt nicht zu erreichen ist, das haben die bisherigen Abstimmungen bewiesen! Die Kulturkampfkomödien der Blockbrüder mitzumachen, mutz die Sozialdemokratie a b- lehnen. Für unsere prinzipiellen Forderungen auf dem Ge- biete der Schule hat auch der Gegner Verständnis. Ihre klare konsequente Vertretung nützt uns. Der Wortspektakel der Demokraten nützt nur dem Gegner. Einen scharfen Trennungsstrich zwischen diesen..Halbechten" und der Sozialdemo. kratie zu ziehen, wird zur Pflicht der Selbstachtung und S elbfterhaltungl Stuttgart  , 22, Dezember.(Privatdepesche des Vorwärts".) Sowohl die Einführung des obligatorischen Schuljahres wie die Aufhebung des Schulgeldes und die Ein- sührung der Lehrmittelfreiheit wurden von der Kammer ab- gelehnt. Für das achte Schuljahr stimmten die Sozialdemo- traten und die Volkspartei, insgesamt 33 Stimmen. Zentrum, Liberale und konservative Bauernbündler, zusammen 30 Stimmen, brachten den Antrag zu Fall. In der heutigen Sitzung wurde der sozialdemokratische Antrag betreffs Auf- Hebung des Schulgeldes gegen die Stimmen der Sozial- demokraten, denen sich fünf VolkSpartetler anschlössen, ab- gelehnt. Für die Lehrmittelfreiheit an den Volksschulen stimmten nur unsere Genossen und drei VolkSpartetler. Politische CUberftcbt Berlin  , den 22. Dezember 1908. Der deutsch  -schweizerische Mehlzollkonflikt. Der Mehlzollkonflikt zwischen Deutschland   und der Schweiz  , über den wir wiederholt berichtet haben, kam, wie telegraphisch aus Bern   berichtet wird, dort heute im Nationalrat zur Verhandlung. Aus Nnlatz einer Interpellation betreffend den Stand des Mehl- zollkonflikts antwortete Bundesratsmitglied Dr. Deucher im Namen des Bundesrats mit einer ausführlichen Erklärung, in der die bisherigen Verhandlungen geschildert werden. Redner führte aus: Der Bundesrat ist bereit, die Streitfrage dem im Handels- vertrag mit Deutschland   vorgesehenen Schiedsgericht zu unter- breiten. ES haben sich jedoch über die Formulierung der Streit- frage Meinungsverschiedenheiten ergeben. Der Bundesrai ver- langte, datz das Schiedsgericht darüber entscheide, ob Deutschland  «ine Exportprämie gewähren solle; Deutschland   wollte dagegen dar- über entscheiden lassen, ob die Schweiz   zur Erhebung eines Aus- gleichszolles befugt fei. Der Bundesrat hat zugestanden, datz in zweiter Linie auch diese letzte Frage dem Schiedsgericht unter- breitet werde. Hierauf steht die deutsche Antwort noch aus, weil inzwischen Verhandlungen zwischen den deutschen   und schweizc- rischen Müllern über eine Ermätzigung der Mehleinfuhr geführt worden sind. Leider sind diese Verhandlungen erfolglos geblieben. Der Bundesrat hat deshalb, um eine Verständigung herbei- zuführen, bei der deutschen   Regierung angefragt, ob und unter welchen Bedingungen sie bereit wäre, den Mehlzoll freizugeben. Die deutsch  « Regierung antwortete, sie wolle den Vorschlag eben- falls in Erwägung ziehen. Eine nähere Erklärung steht noch aus, der Bundesrat erwartet aber eine baldige Antwort. Für ein Ge- treidemonopol liegen bereits ausgearbeitete Entwürfe vor, die bald weiteren Kreisen zur Beratung unterbreitet werden sollen. Der Bundesrat hat dazu noch nicht Stellung genommen; er wird der Mehlfrage auch ferner volle Aufmerksamkeit widmen und hofft auf Unterstützung durch die Bundesversammlung, wenn es nötig werden sollte, zur Rettung einer Industrie, deren Erhaltung für die Brot- Versorgung und damit für die Unabhängigkeit deS Landes unent­behrlich ist, autonome Matznahmen zu ergreifen. Der Interpellant erklärte sich durch diese Ausführungen für befriedigt._ Das neue Bündlerorgan im Westen, da? dem Bund der Landwirte die Wege in Rheinland-Westfalen  ebnen soll, versendet soeben seine Probenummer, ein redaktionell sehr dürftig ausgestattetes Druckerzeugnis. Die erste Seite des West deutschen Tageblattes" ziert eine Abounements- einladung mit dem Programm des Blattes, daS vom 1. Januar ab täglich erscheint. Der erste Satz lautet: «Das.Westdeutsche Tageblatt" steht auf paritätisch-christlichem Standpunkte. Es wird nach dem Beispiel desKaisers s!> und deS Herrn Kardinal-Erzbischofs Dr. Fischers!) daS betonen, was die beiden grossen christlichen Bekenntnisse eint, damit sie unter treuer Festhalrung deS eigenen Bekenntnisses sich die Hand reichen im Kampfe gegen die Sozialdemokratie, zum Schutze von Thron und Altar." In den weiteren Ausführungen des Programm» bekennt sich das Blatt nicht nur als Agrarier-, fondem auch als Mittelstands- und HauSbefitzerorgan. Es verspricht u. a., das Streikrecht der ländlichen Arbeiter und Dien st botenmit allem Nachdruck"zu bekämpfen". Mit gleicher Eni- s ch i e d e n h e i t werde eS die Uebertragung des Reichs- tags- Wahlrecht» auf den preußischen Landtag bekämpfe». DaS interessanteste ist, daß die z e n t r u m S agrarischeRhein  . VollSstimme" erklärt, dies Programm feinach demKonzept der»Rheinischen Volks stimme" aufgestellt", und somit müsse man die Frage, ob die Gründung deS»Westdeutschen Tage- blatteS" nötig war, verneinen. Elend und LuxuS. Die Arbeitslosigkeit hat seit mehr als einem Jahr ihren Einzug gehalten. Die Zeiten des industriellen Aufschwunges sind nach dem Gesetz der kapitalistischen   Wirtschast der Krise gewichen, und Hunderttausende von Arbeitern wissen nicht, wie sie zum bevorstehenden Fest für sich und die Ihrigen Brot schaffen sollen. Doch in den Kreisen deroberen Zehntausend" verspürt man keinerlei Einschränkungen. Sie amüsieren sich und verschwenden für Launen des Augenblicks Riesensummen. von denen zahlreiche Arbeiterfamilien jahrelang zehren könnten. Berlin   wird immer mehr zur Stadt des ausgesuchten Luxus. Selbst den Fremden fällt das auf. Nicht selten findet man heute in englischen und französischen   Blättern funkelnde Schilderungen des Treibens der reichen Berliner   Gesellschaft. So wird z. B. der Londoner  Daily Mail" von ihrem Berliner  Korrespondenten geschrieben: Als Lord und Lady Randolph Churchill im Jahre 1888 Berlin   besuchten, fanden sie das Leben am preussischen Hose ausserordentlich bescheiden und einfach. Der Gegensatz mag ihnen, die von dem Glanz und Prunk des Winterpalastes in St. Peters- bürg kamen, besonders stark erschienen sein. Heute würden sie finden, daß der Hof Wilhelms II. und oie Berliner   Gesellschaft sich seit zwanzig Jahren von Grund auf geändert haben. Seit dem Tode Wilhelms I. ist Deutschland plutokratisch geworden. Es zählt heute die Millionäre nach Dutzenden, währenv es damals ihrer nur vereinzelte besah. Die moderne Gesellschaft Deutsch- lands, in der sich die geadelten Führer der Finanz, und Jndu- striewelt mit den blaublütigstcn Junkern mischen, fyit die Tra­ditionenaltpreutzischer Einfachheit" verlassen und an ihre Stelle den LuxuS gesetzt. Jede neue Saison, deren Modepracht und FesteSglanz alle Vorgängerinnen übertrifft, spiegelt den Geist diesesreichen Ncu-Dcutschlaird" wieder. Luxushotels, mit marmorgetäfelten Speisesälen und Kve-o'eloclc-tes-Palmenhöfen nach Pariser   und Londoner   Geschmack, sind von einer extravagant gekleideten Menge gefüllt, die das Bier ihrer Väter verachten und dem Champagner Frankreichs   aufs freigebigste huldigen. Die Prinzessinnen promenieren Unter den Linden   nicht länger in baumwollenen Handschuhen, wie cS nach dem Bericht eines alten Berliner   Diplomaten früher der Fall war. Eins der bc- merkenswertesten Anzeichen von Deutschlands   gesellschaftlicher Umwandlung ist die auffällige Verbesserung der weiblichen Klct- dung. Die Berliner   Gesellschaftsdame von 1308 ist erstaunlich reich equipiert. Sie entfaltet am Hof und in der Oper einen Hauch verfeinerten Reichtums, wie man ihn vielleicht sonst nur im Buckingham-Palace   oder auf New DorkS berühmterltiamona horse show" findet." Es ist der den Arbeitern abgezwackte Mehrwert, der auf diese Art konsumiert wird._ Der Eutzen der geistlichen Schulanfsicht. In welcher Weise daS SchulaufsickitSamt zu kirchlichen Gen- darmendienstcn benutzt wird, zeigt das folgende Schreiben, das ein als Lokalschulinspektor fungierender katholischer Pfarrer an einen Lehrer gerichtet hat: Von der k. Lokalschulinspektion Ensfeld an den Herrn Lehrer Betz  . Betreff: Schule Ensfeld. Soweit mir bekannt ist, teilt der Herr Lehrer Betz   unter die SchulkinderDas H e i d e n k i n d" aus und unterstützt damit die gute Sache. Dagegen liest der Herr Lehrer meines Wissens dieAugSb. Abendztg.", ein ausgesprochen kirchenfeind- liches Blatt, und trägt damit bei zur Verbreitung der schlechten Presse. Da zwischen beiden Dingen ein Ausgleich unmöglich ist und eine derartige Doppelseitigkeit nur dazu führt, den Charakter des LehrerS zu verderben und den christlichen Geist der Schule in schwerer Weise zu schädigen, so wird der Herr Lehrer gebeten, sich über die schwebenden Fragen der Zeit anderswo zu orientieren als in einer kirchcnfeindlichen und der katholischen Bevölkerung ärgernisgebenden Zeitung. Der Herr Lehrer wird ferner gebeten, den Unterzeichnern innerhalb der nächsten Tage wissen zu lassen, wie er sich zur Sache stellt, damit ein unnötiger Konflikt vermieden wird. Ensfeld, B. Dezember 1308. Die k. Lokalschulinspektion EnSfeld. Mohart. Der fromme Pfarrer hat zweifellos sein Amt als Lokakschul- inspektor gemihbraucht; aber im klerikalen Bayern   wird man ihm deswegen schwerlich ein Haar krümmen.-» Nochmals Müller Meiningen und der Sprachen- Paragraph. Der Abgeordnete für Meiningen   hat neuerdings dieFrank- furter Zeitung" ersucht, sestzustellcn, daß die freisinnigen Mitglieder der Vereinsgesetzkommission die freisinnige Fraktion genau und loyal unterrichtet haben lüber die Stellung der Regierung zur An- Wendung des Sprachenparagraphcn auf die Gewerkschaften), sodass von einer Täuschung der Fraktion keine Rede sein kann, ferner mitzuteilen, daß Herr Müllcr-Vdeiningen in seinem Kommentar den Ausdruckganze Gewerkvereinsbcwcgung" durch Einfügen des Wortesdeutsche" berichtigt hat. Der Freisinn beteuert aber, daß er wissentlich der Au». nahmebehandlung der polnischen Gewerkschaften zustimmt. DaS hat er aber bei der Beratung SeS Vereinsgesetzes der Oeffentlichkdit fein verschwiegen. So muh denn auch dieFrankfurter Zeitung  " bedauern, daß danach versäumt worden ist, die Aufklärung weiter zu erstrecken. Tatsache sei doch, daß ziemlich allgemein die Auf- fassung bestand, auch die polnische Gewcrkvereinsbewegung sei aus dem Sprachenparagraphen ausgenommen. Herr Holle  . DieFrankfurter Zeitung  " nimmt gegen den Kultusminister olle Stellung. Sie polemisiert gegen die Blätter, die eine nahe eilung des Kultusministeriums in Aussicht gestellt haben, und meint, daß an eine Trennung von Kultus und Unterricht zurzeir nicht zu denken sei. Kultusminister Holle   wird in folgender Weise verhöhnt:«Richtig ist es, er hat versagt; er ist sachlich seines großen Ressorts noch nicht Herr geworden, aber mehr als seine Vorgänger abhängig gc- blieben von den erfahrenen und zum Teil sehr tüchtigen Direktoren, die die einzelnen Abteilungen leiten. Althoff hat nach der Ernennung deS Herrn Holle   gesagt:Er ist fleißig, sehr intelligent, und wenn er so fortfährt und einige Jahre Minister bleibt, wird er schon n.o ch manches lernen."_ Zur Angelegenheit Hoffmam» schreibt dieMünchen er Post": DieAugSburger Postzeitung" behandelt deS langen und breiten den Fall Hoffmann, ohne auf den Kernpunkt der derzeitigen Situation einzugehen. Die Frage, ob Genosse Hoffmann Volksschuldienst leisten darf oder nicht, ist völlig ausgeschieden, nachdem Hosfmann selbst auf sein Amt als Voltsschullehrer verzichtet hat. Daß wir diesen Verzicht für einen grossen Fehler halten, soll nebenbei bemerkt sein. Für jetzt handelt eS sich darum, kann Hoffmann Fort- bildungSschulunterricht in der Handelslehre erteilen oder wird ihm das unterlagt, weil er Sozialdemokrat ist. Darüber hat das Kultusministerium, hat die Regierung zu entscheiden. Und eS scheint, daß ihr die Entscheidung sehr schwer wird. Oder ist daS Kultusministerium bereits in den Weihnacht!-- schlaf versunken?" DieMünchener Post' erklärt also den Verzicht deS Genossen Hoffmann auf sein Amt als Volksschullehrcr für einen grossen Fehler. Es wird gut tun, sich das zu merken. Die Ansicht unseres Münchener   Parteiorgans, datz wegen dieses Rücktritts HoffmannS die Frage, ob er Volks- schuldien st leisten dürfe oder nickt, völlig ausgeschieden sei, können wir nicht teilen. Und zwar de! halb nicht, weil vor diesein Rücktritt schon den Beteiligten bekannt war, dah Genosse Hoffmann aus seinem Amt gematzregelt werde. wenn er für die Sozialdemokratie, kandidiere. Die Androhung der Matzregelung ist hier ebenso schlimm wie die Matzregelung selber, denn sie bekundet, daß die bayerische Regierung der Sozialdemokratie die staatsbürgerliche Gleichberechtigung nicht zuerkennt. Auf diese unsere Behauptung sind unsere bayerischen Parteiblätter immer noch nicht emgegangen. Nach wie vo» verschweigen sie ihren Lesern diese Tatsache l-- Zum Fall Rödel erläßt der Geschäftsführende Ausschuß des Deutschen Lehrervereins folgende Erklärung: Der GeschäftSführendc Ausschuß deS Deutschen Lehrcrvereinö hat mit tiefem Bedauern von der durch den Großherzoglicheu Ober- schulrat erfolgten Maßregelung deS Oberlehrers M. Rödel in Mannheim   Kenntnis genommen. Der Ausschuß, dessen Mitglieder die Diskussionsrede de» Herrn Rödel selbst gehört haben, kann das Urteil des Grossherzoglichen Oberschulrats, daß Herr Rödel da» heimatliche Schulwesendem Spott und der Mißachtung der au» ganz Deutschland   und auch aus dem Auslande besuchten Lehrer- Versammlung" ausgesetzt habe, nicht als zutreffend anerkennen. Ihm ist die Beurteilung des badischen Schulwesens durch Herrn Rödel als eine auf genauer Kenntnis der Tatsachen beruhende fachmännische Erörterung erschienen. Er kann auch den Vorwurf, tzass Herr Rödelalles, was zugunsten der heimischen Schulzustände hätte lauten und den Beifall der Versammlung finden können. geflissentlich unterdrückt" habe, nicht als berechtigt ansehen; die Diskussion einer pädagogischen Einzelfrage in einer von Tausenden von Lehrern besuchte» Versammlung erfordert Beschränkung aus die unbedingt und zunächst zur Sache gehörigen Verhältnisse. Die Deutsche   Lehrcrversammlung ist nach Ansicht deS Ge- schäftsführenden Ausschusses die geeignetste Stelle, die Vorzüge und Mängel der Volksschule in den einzelnen-deutschen   Staaten zur Sprache zu bringen. Es dürfte deswegen aus der Darlegung tat- sächlicher Rückständigkeiten des heimatlichen Schulwesens an dieser Stelle keinem deutschen   Volksschullehrer ein Vorwurf gemaltu werden. Die Deutsche   Lehrcrversammlung würde ihre Aufgabr verkennen und nicht erfüllen, wenn sie nicht die kenntnisreichsten Mitglieder des Deutschen LehrervereinS, wie cS im Falle Rödc' geschehen ist, dazu anregen würde. Ter Geschäftsführende Ausschuß deS Deutschen LehrervereinS bedauert deswegen, daß die Schulbchorde eines Staates, der in der Pflege und Entwickelung der Volksschule in anderer Beziehung in anerkennenswerter Weise vorangegangen ist, zur Massregelung eines freimütigen Redners sich hat entschließen können. Durch ähnliche Maßnabmen würde die öffentliche Erörterung von Er- ziehungs- und Dildungsfragen in grossen Versammlungen über- Haupt in Frage gestellt werden." Zuckersteuer und Tabaksteuer. Also Reichstag   werde hart gegenüber allen versuchen, die Zuckersteuerherabsetzung zur Vertagung zu bringen", ruft die agrarischeDeutsche Tageszeitung" in ihrer Nummer 689 vom 16. Dezember 1308. Jede Erhöhung der Steuer bedeutet Rückgang, jede Ermäßigung Steigerung des Konsums, argumentiert völlig richtig da« Agrarier- blatt. Nur gegenüber der Tabakindustrie soll daS nicht gelten; der Tabak soll so hoch als möglich besteuert werden, weil der Tabak kein NahrungS-, sondern ein Genußmittel ist. Merkwürdig, baß die Deutsche Tageszeitung' aus dieser Tat'ache nicht den so einfachen Schluß zieht, daß gerade deshalb, weil der Tabak ein Genußmittcl ist, er von den Konsumenten um so leichter entbehrt werden kann und jede durch die Steuer bewirkte Preiserhöliung für Zigarren, namentlich jetzt in der Zeit der Krisis, wo über 400 000 Arbeiter in Deutschland   arbeitslos sind, zu einem enormen Konsumrückgang führen muß, so daß zu den vielen Arbeitslosen in der Industrie noch die durch die Zoll- oder Steuerrrhöhung brotlos gemachten Tabakarbeiter hinzukommen._____ Klassenjustiz. Während deS letzten FliesenlegerauSstandeS in Rheinkand-Wcsi- falen war cS zwischen einem Unternehmer und Streikenden in Düsseldorf   zu Prügeleien gekommen. Zwei Arbeitswillig« kamen dem Unternehmer zu Hilfe und schössen acht scharf« Schüsse auf die Streikenden ab. wobei ein ganz unbeteiligter Fliesenleger einen Schuß durch den Arm erhielt. Du gegen den Unternehmer wegen Mißhandlung und gegen die Arbeitswilligen wegen der Schießerei erstattete Anzeige endete mit der Verurteilung der Arbeiter wegen Hausfriedensbruchs zu je einer Woche Gefängnis. Die Revolverhelden wurden nur wegen unerlaubten Waffen- tragen» in eine Polizeistrafe von 8 M. genommen. Der völlig unverschuldete Angeschossene erstattete nochmals eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Aach   zwei Monat«» hat«r daraus folgenden Bescheid erhalten i