Dr. 301. 25. Jahrgang.
2. Beilage des„ Vorwärts " Berliner Volksblatt. Bonnerstag, 24. Dezember 1908.
Das Wirtschaftsjahr 1908.
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Kohlenindustrie
Schon den Morgen des Jahres 1908 begrüßten wirtschaftliche| der Bevölkerung um annähernd eine Million Köpfe! Jn den vor. Sorgen schwerer Art. Die in Amerika zuerst atut gewordene Wirt- stehenden Zahlen prägt sich die fortschreitende Verschlechterung am bisher unter der Krise noch verhältnismäßig wenig gelitten. Ju schaftstrise hatte ihre Wellenschläge auch bereits nach Deutschland ge- Arbeitsmarkt aus. Unter Berücksichtigung der Bevölkerungs - den ersten 11 Monaten dieses Jahres erzielte das Rheinisch- Westworfen. Nun, am Abend des laufenden Jahres, bliden wir zurück zunahine ergeben Berechnungen, die das Reichsarbeitsblatt" an fälische Kohlensyndikat einen rechnungsmäßigen Absah von 56% auf eine durchaus unerfreuliche Entwickelung. Deren charatte- gestellt hat, in den einzelnen Monaten dieses Jahres im Vergleich Millionen Tonnen gegen rund 57 Millionen Tonnen in der gleichen ristischen Merkmale find: relativer und absoluter Rückgang der mit den vorjährigen Bergleichzeiten folgende Bunahmen(+) re- Beit des Vorjahres. Ganz anders sieht das Bild aus, wenn man Produktion, Berschlechterung der Lage am Arbeitsmarkt und un- spektive Abnahmen() für den Gesamtmitgliederbestand: Fe- die Förderung unter dem Gesichtswinkel der Beteiligung würdigt. gewöhnlich hoher Preisstand für Industrieerzeugnisse und Agrar- bruar+7468, Mära+8010, April 24 623, Mai-93 478, Infolge der wachsenden Abfabschwierigkeiten fah sich das Syndikat produfte. In den hohen Lebensmittelpreisen kommt, unterstützt Juni-77 243, Juli- 94 783, Auguft 122 654, September veranlaßt, für das laufende Jahr Förderungseinschränkungen m von den Wirkungen verhältnismäßig ungünstiger Welternten, für 133 729, Ottober 125 597, November 134 162, Dezember folgendem Umfange anzuordnen: Kohlen unsere Großgrundbefizer der Segen der erhöhten Agrarzölle in Gr. 146 965. Sein Zweifel, die Erwerbsgelegenheit hat sich im Laufe scheinung Und während frühere Krisen begleitet waren bon des Jahres ganz außerordentlich verschlechtert. Leider ist neben einem ziemlich allgemeinen Rüdgang der Warenpreise, erweitert der dadurch bedingten Einkommensverminderung eine solche auch Viele fich mit der Kartellierung in der Industrie der Komplex von Er- als Folge von direkten Lohnkürzungen zu verzeichnen. zeugnissen, für welche auch in der Zeit wirtschaftlichen Nieder- Ginzelmitteilungen über Affordkürzungen bestätigen das. Die un ganges das erlangte Preisniveau behauptet wird; jedenfalls bleiben günstige Einwirkung dieses Momentes auf die Lebenshaltung wird die vorgenommenen Nachlässe hinter den während der Konjunktur- unangenehm verschärft durch die Nahrungsmittelteuerung. periode erzielten Aufschlägen zurüd. Ganz markant ist diese Ten- tostete z. B. im Oktober Mark: benz bei der Bewegung der Kohlenpreise nachweisbar. Das rheinisch- westfälische Kohlensyndikat wurde im Jahre 1893 gegründet. Der Zwed seines Inslebentretens war, die Preise der von ihm Weizen beherrschten Produkte zu heben. Das geschah zunächst etwas Roggenmehl 100 Kg. zögernd, dann energischer während der vorlegten Hochtonjunktur. Kartoffeln 1200 Der wirtschaftliche Rüdfchlag brachte ab 1902 eine geringe Preis Roggenbrot ermäßigung , die aber durch die Preiserhöhungen während der Weizenbrot 1 legten Aufwärtsbewegung weit überholt worden ift. Und die jetzt bom Syndikat beschlossenen Preisermäßigungen bringen uns nicht
wieder auf das Preisniveau der vorigen Krise zurüd; trog der für 1909/10 zugestandenen Nachlässe bleibt der Preisstand der vorletzten Hochkonjunktur noch übertroffen. Die nachstehende Zufammenstellung von Syndifatspreisen diene als Beweis. Es notierten pro Tonne in Mark: Fettfohlen:
Fördergrus
Bestmelierte
Gew. Nuß IV 8,00
Flammfohlen:
Eẞkoblen:
Feinkohlen
Beſtmelierte 8,00 9,50 11,00 8,50 5,50 7,50
10,50 5,50
Magerkohlen:
Stücke
Roggen To.
1
Kots Briketts Proz. Proz. Proz
Januar Februar. März
10
10
20
15
35
10
12
80
5
121
40
10
20
40
April
Mai- Juni
Juli- Ottober
November- Dezember
171 Die amtlichen Nachweisungen über die Kohlenproduktion in 178,87 Deutschland ergeben diese Bergleichsziffern:
1901 134,50 155,75
18,35
17,49
1908 1905 1907 129,24 161,56 209,58 156,95 174,34 228,36 20,75, 27.16
1908
204,86 21,80
39,00
51,00
44,00 63,00
48,00
24,23
23,68
24,98 82,85 30,05 41,44 41,63 48,22 53,13 52,79
Die Großhandelspreise verstehen sich nach den Ermittelungen der Berliner Kaufmannschaft, die Brotpreise nach den Angaben des Berliner Statistischen Amts. Wenn auch die Großhandelspreise bie exorbitante Höhe des Vorjahres verlassen haben, so ragen fie doch noch weit über den Stand der Vorjahre hinaus; und die Brotpreise büßten von dem ganz ungewöhnlich hohen Preisstande des Vorjahres fast gar nichts ein. Sie stehen um zirka 20 refp. 23 Broz. über dem Niveau der Vorjahre. Schon daraus ergibt sich, daß die Verminderung des Einkommens eine empfindliche Einschränkung in der Lebenshaltung bedingt. Um so mehr, als sich für noch eine Reihe von Lebensmitteln die Preise zu ungunsten der Konsumenten verändert haben. So foftete Ochsenfleisch pro 50 Kilogramm im Oktober dieses Jahres 69 M. gegen 68 M. im Vorjahre; der Preis für Kaffee ging für das gleiche Quantum von 122 auf 127 M. hinauf; Tabat stieg um 2 M., bon 116 auf 118 M.; Baumwolle erzielte eine Steigerung von 83 auf 105 M. Jm Kleinhandel blieb der Preis für Schweinefleisch unverändert, für Hammelfleisch trat eine Verteuerung von 6 Pf. pro Kilogramm ein usw.
Der Warenverteuerung steht nun leider, wie die Biffern der Arbeitsmarktstatistik erkennen laffen, eine Verminderung der Erwerbsgelegenheit gegenüber. Der Beschäftigungsgrad in den Hauptgewerben und die Produktionsnachweise bilden weitere Beweise für diese unerfreuliche, die soziale Lage der breiten Masse verschlechternde Tatsache. Auch in den industriellen
G
Neugründungen
1906
1907
1908
147 908 500
0
•
o
•
97 559 400 107 999 325 207 915 000 93 349 000 105 041 000 129 495 100 50 964 500 74 915 000 285 860 900 91 913 300
135 488 900 112 169 700 149 699 700 121 876 100 113 402 100 102 097 700 134 609 469 73 273 100 54 235 240 95 057 600 103 275 900 1 205 827 409
93 634 300 72 603 000 83 772 000
93 399 605 100 226 200
Januar bis Nobbr. 1392 921 025 Selbstverständlich ist auch der Außenhandel
72 566 000 108 432 300 69 156 067 69 967 350 103 534 200 78 095 800
Januar bis Oktober 1907
1908
Steinkohlen Braunfohlen. Rots.
119 296 980
124 560 667
°
·
51 106 430
55 086 244
•
18 189 234
17 787 471
Die Kohlenförderung hat demnach in diefer Zeit noch um rund
9 Millionen Tonnen zugenommen; troßdem ist infolge des Minderbedarfe der Eiſenindustrie die Kokserzeugung um 351 763 Tonnen zurückgegangen. Nicht nur relativ, sondern auch absolut hat die
Roheisenproduktion
abgenommen. Für die ersten 11 Monate diefes Jahres beträgt ber Rückgang gegen das Vorjahr über 1 Million Tonnen oder an nähernd 10 Proz. Die folgende Zusammenstellung zeigt die Ver gleichung der diesjährigen mit der Erzeugung der gleichen Zeit der Borjahre. Menge in 1000 Tonnen:
1902
1903
1904 1905 1906 1907 7649 9287 9233 9959 11 408 11 939
1908 10 797 Der ziemlich starte Aufstieg feit 1902 ift plöglich unterbrochen. und auch in der Weiterverarbeitung ist ein Rüdschlag eingetreten. Das beweist der Versand des
Stahlwerkverbandes
in feinen Gesamtprodukten A. In den ersten 11 Monaten betrug nämlich der Versand in 1000 Tonnen:
1906 5286
1907 5225
1908 4806
Gegen das Vorjahr ergibt sich ein Minderberfand bon runb 8 Proz. Im November dieses Jahres ist der Verfand gegen den des November 1906 gar um 26 Broz. zurüdgeblieben. Eine sehr ungünstige Gestaltung haben im laufenden Jahre die Ber hältnisse in der Textilindustrie
erfahren. Das tritt schon in der Versorgung des Inlandes mit Rohstoffen und in der Ausfuhr von Erzeugnissen in Erscheinung. Ein Vergleich mit dem Vorjahre für die Zeit vom Januar bis Oftober gibt diese Zahlen:
Gesamteinfuhr an Rohmaterial Gesamtausfuhr
"
"
1907
1908
Doppelzentner 8410 860
1 083 240
•
7 651 489 1052 246
Gesamteinfuhrüberschuß an Rohmaterial.. 7877 620 6 599 243 Der Inlandverbrauch an Rohstoffen ist demnach um 778 377 Doppelzentner, gleich 10,55 Broz., zurückgegangen. Damit in un erfreulichem Einklang steht der Rückgang der Ausfuhr an Textil945 386 822 erzeugnissen. Der Export ist zurückgegangen bei Baumwollgarnen von 485 655 Doppelzentner auf 405 603 Doppelzentner, bei Bollwaren von 286 219 Doppelzentner auf 260 483 Doppelzentner,' bei Seidenwaren vou 89 345 Doppelzentner auf 75 360 Doppelzentner, bei einen usw. Waren von 103 401 Doppelzentner auf 79 096 Doppel78 618 Doppelzeniner und bei künstlichen Blumen, Schirmen, Schuhen usw. von 15.219 Doppelzentner auf 13 038 Doppelzentner. Einer günstigen Entwickelung trog der Strife erfreute sich die
1893/94 1897/98 1901/02 1904/05 1908/09 1909/10 6,00 7,00 9,00 7,50 10,00 9,25 8,00 9,60 11,10 10,50 12,10 12,10 9,80 11,75 11,00 13,00 12,75 Gasförderkohle 8,00 9,25 10,75 10,00 11,75 11.25 Nußgrus 5,50 7,00 8,50 7,50 10,00 9,00 12,10 12,10 8,50 7,50 11,00 12,00 14,00 13,50 14,25 14,25 Anthr. Nuß III 9,00 11,00 14,50 14,00 18,00 18,00 Die für 1909/10 festgelegten Preise sind trok der vorgenommenen Reduktion faft ausnahmslos immer noch höher als die Höchstpreise der verletzten Hochkonjunktur. Auf denselben Pfaden wie das Kohlensyndikat wandeln mit ihrer Preispolitik auch die anderen Produzentenvereinigungen. Daher jest auch die lebhaften Klagen der reiner Walzwerke über die Preispolitik der Halbzeugproduzenten. Das Mittel zur Durchsetzung solcher Preispolitik ist prägt sich der wirtschaftliche Niedergang aus. Nach den Zusammendie Ausschaltung der freien Konkurrenz, in Verbindung mit orga- ftellungen der Frankfurter Zeitung " ergeben sich für die lezten nisierter, quotifierter Produktionseinschränkung. Die Verteidiger drei Jahre folgende Neuinvestierungen: der Preisschrauberei Gegner der Produktionsorganisation find audy wir nicht nennen das Martiregelung und sprechen das als Januar ein Mittel an, um Krisen zu verhindern oder doch mindestens ab- Februar auschwächen. Wir sehen eher eine gegenteilige Wirkung! Krisen März find Begleiterscheinungen der Weltwirtschaft und die ganz not- April mendigen Folgen einer über die Abfabgelegenheit hinausgetriebenen Mai.. Vermehrung der Produktionsmittel als Ausfluß tapitalistischen Er- Juni pansionsbedürfnisses. In Deutschland haben zur Berschärfung der Juli. Krise innerpolitische Verhältnisse zweifellos beigetragen. Die August durch das persönliche Regiment ausgelösten Mißstimmungen unter- September banden einmal die Unternehmungslust, bereiteten ferner dem Ab- Oktober sah deutscher Erzeugnisse auf dem Weltmarkt vermehrte Schwierig- November. fciten. Bedeutungsvoller war die Wirkung der neuen Handelsberträge; und was besonders wichtig ist: diese Wirkung ist nicht schnell vorübergehender Natur; sie wird vielmehr in den nächsten Jahren wahrscheinlich an Intensität noch gewinnen. Die Erhöhung der deutschen Agrarzölle trieb die Preise der Lebensmittel Deutschlands von der Krise beeinflußt worden. Aber man kann hinauf; die Kauftraft des Geldes fant. Die große Maffe fonnte feine bestimmten Entwicklungslinien als untrügliche Merkmale einer den für die Ernährung erforderlichen Mehrbetrag nicht für Hochtonjunttur oder ihres Gegenpols ansprechen. Exportsteigerungentner, bei Stleidern, Pelzwaren uji. bon 89 187 Doppelzentner Industrieerzeugnisse ausgeben. Der dadurch hervorgerufene gen sowohl als auch Ausfuhrrückgänge fönnen Folgen günstiger Minderverbrauch wird nicht durch Konsumsteigerung aus landwirt- Wirtschaftsverhältnisse sein; ebenso gut kann allein das Abflauen schaftlichen Kreisen aufgehoben und wirkt daher verschärfend auf der Nachfrage auf dem Inlandsmarkt verstärkte Ausfuhr veran bie Krise. Das Nahrungsmittel erportierende Ausland sah in der lassen; schließlich ist noch die Kombination möglich, daß trok großer Erhöhung unserer Agrarzölle eine Schädigung seiner Interessen, Serisis im Inlande, eine Exportsteigerung nicht möglich ist, weil auch die es durch Erhöhung seiner Industriezölle auszugleichen suchte. der Außenmarkt vermehrte Aufnahme verweigert. Jedenfalls ist Das erschwert natürlich den Absatz deutscher Industrieerzeugnisse es ein ungünstiges Zeichen, wenn die Ausfuhr der im Inlande erin vielen Ländern, was wiederum die Krije bei uns nachhaltiger zeugten Rohmaterialien wächst und die der weiter verarbeiteten maschinen 28 Millionen Mark( 17 Millionen Mart), Leitungskabel gestaltet. Teilweise hat die Entwickelung der Zollverhältnisse Artikel zurückgeht. Der deutsche Gesamtaußenhandel hat der Menge deutsche Fabrikanten schon veranlaßt, ihre Unternehmungen in das nach im laufenden Jahre bei der Einfuhr einen Rüdgang, bei der Ausland zu verlegen. Das wird in der nächsten Zeit leider wohl Ausfuhr einen kleinen Aufstieg zu verzeichnen. Es betrug in den in noch größerem Umfang geschehen. Nicht von der Hand zu ersten 11 Monaten 1907 weisen ist, daß auch dieses Moment den Grad des mirtschaftlichen 60 666 038 55 577 501 Tonnen Rüdganges bei uns sehr ungünstig beeinflußt. So geben die all41 022 460 41 830 617 gemeinen, im fapitalistischen System beruhenden Ursachen, in Zu- Die Einfuhr ging um rund 5. Millionen Tonnen zurück; die fammenwirtung mit den besonderen innerpolitischen Verhältnissen, Ausfuhr weist ein Plus von zirka 4 Millionen Tonnen auf. Im ber Wirtschaftskrise Umfang und Tiefe. Wie fest verankert in dem Spezialhandel ergeben sich für die ersten 11 Monate diefes Jahres Gesamtkomplex der Bestimmungsursachen die Strife liegt, zeigt die im Vergleich mit der Parallelzeit des Vorjahres u. a. folgende Tatsache, daß die mittlerweile eingetretene Erleichterung am Geld- charakteristische Verschiebungen: die Einfuhr von Steinkohlen fant marti nicht nur teine Belebung gebracht hat, sondern nicht von 12% Millionen Tonnen auf 10% Millionen Tonnen; gleichzeitig einmal ein noch weiteres Hinabgehen der Konjunkturkurve ver- schnellte die Ausfuhr von 18 Millionen Zonnen auf 19 Millionen hindern konnte. Daß mit der Spannunglösung am Geldmarkt der Tonnen hinauf. Bon 401 773 Tonnen auf 238 003 Tonnen ging Beginn eines neuen wirtschaftlichen Aufschwungs geboren werde, die Einfuhr von Roheisen zurück. Die Ausfuhr in diesem Artikel hatten bürgerliche Nationalöfonomen als zweifelsfrei geweisfagt. blieb mit etwas über 4 Million Tonnen stabil. Dagegen ist die Sanach müßten wir schon wieder hochkonjunkturlicher Betriebsam- Ausfuhr von Rohluppen, Rohschienen, Rohblöden usw. von 228 263 feit uns erfreuen. Der Tonnen auf 399 576 Tonnen gestiegen; die unbedeutende Einfuhr wuchs von rund 7000 Tonnen auf rund 8000 Tonnen. In der Eins fuhr von Trägern zeigt sich ein Rüdgang von 1962 auf 766 Tonnen; Die Ausfuhr ging von 361 484 Tonnen auf 263 874 Tonnen zurüd. Die Verschiebungen, die sich für Textilprodukte im Außenhandel Db die nächstjährigen Dividendenerklärungen für die Aktionäre ergeben haben, werden noch gewürdigt. Die Abschwächung in der das gleiche freundliche Geficht zeigen werden, ist allerdings fraglich. Güterbewegung hatte für die preußisch- hessischen Eisenbahnen in den ersten 11 Monaten dieses Jahres gegenüber der Parallelzeit Durchaus zufrieden dürfen mit der Gestaltung der Dinge die Agrarier 1907 eine Mindereinnahme von rund 34 Millionen Mark zur Folge. Von der Krise ist außerordentlich schwer das
Diskont der Reichsbank,
ber im Jahresdurchschnitt 1906 5,15 Broz. und für 1907 6,03 Bros. betrug, ist seit Juli dieses Jahres auf 4 Proz. zurüdgegangen. Dieser Saz hält sich um mehr als 50 Proz. unter dem des bor. jährigen November, ber mit 6,57 Broz. die zweithöchste im Vorjahre erreidyte Stelle einnimmt. Daß die Diskontermäßigung eine bes mertenswerte Belebung ausgelöst hat, wird niemand ernsthaft behaupten wollen. Gerade im letzten Halbjahr hat vielmehr die Krise in Deutschland empfindliche Verschärfung erfahren. fich die Verhältnisse im allgemeinen verändert haben, kann hier naturgemäß nicht eingehend geschildert werden, nur einige große Umrisse sollen der Entwidelung Gang und des Wirtschaftsbildes augenblidliche Form und Gestalt veranschaulichen. Zunächst hier eine Betrachtung des
Arbeitsmarktes.
Nach den Angaben der an den„ Arbeitsmarkt" angeschlossenen öffentlichen Arbeitsnachweise entfielen auf je 100 offene Stellen im November Arbeitsuchende: 1903 1904 1905 1906 1907 1908 168,8 162,6 181,1 135,1 152,5 212,5
Gesamteinfuhr
Gesamtausfuhr
Baugewerbe
1908
in Mitleidenschaft gezogen. Schon im Vorjahre war die Bautätig. teit ziemlich flau; die Ungunst für dieses Gewerbe hat sich im laufenden Jahre noch bedeutend verschärft. Nach Aufzeichnungen des Statistischen Amtes der Stadt Düsseldorf ist im ersten Halbjahr 1908 gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres die Zahl der neuentstandenen Wohnungen zurückgegangen: in Barmen von 525 auf 307, in Straßburg von 506 auf 281, in Essen von 1242 auf 1076, in Bremen bon 1047 auf 893, in Magdeburg von 749 auf 270, in Breslau von 1510 auf 1192, in Elberfeld bon 189 auf 85, in Bofen von 357 auf 289, in Leipzig von 820 auf 764 und in Königs Danach hat die Lage am Arbeitsmarkt ganz ungewöhnliche berg von 666 auf 509. Nur wenige Städte weifen gegen 1907 eine Berschlechterung erfahren. Das Gleiche wird bestätigt durch die etwas stärkere Bautätigkeit auf. Nach Angaben des Statistischen Angaben der im Reichsarbeitsblatt" berichtenden Strantentassen, Amtes der Stadt Berlin ist hier, allein in der Zeit von März bis die ungefähr ein Fünftel aller reichsgesehlichen Krantenfassen September, die Zahl der neu fertiggestellten Zimmer von 19572 im ausmachen. Jene Stassen hatten am 1. Novbr. dieses Jahres 72 153 Jahre 1906 auf 13 288 im Jahre 1907 und auf 8307 im laufenden Perfonen weniger als am gleichen Tage des Vorjahres versichert; Jahre zurückgegangen. Betrachten wir nun die Entwicklung der die Bergleichung nach dem Termin 1. Dezember ergibt für 1908 Produktionsverhältnisse, dann hat, an der Quantität der Erzeu. ein Minus von 84 965 Versicherten, und das, trop der Zunahme launa aemessen, die
"
Elektrizitätsindustric.
Was sie vielleicht im Inlande einbüßte, das holte sie reichlich durch Ausfuhrsteigerung wieder ein. Dem Werte nach betrug die Ausfuhr( für 1907 in Klammern) in den ersten 10 Monaten: Dynamo45 Millionen Mart( 38 Millionen Mart), Glühlampen 11 Millionen Mark( 6 Millionen Mark) und Vorrichtung für Beleuchtung 21%, Millionen Mark( 15 Millionen Mart ). Auch die chemische Industrie hat von der Krise noch nicht sehr viel verspürt; die anderen Gewerbe dagegen litten fast ausnahmslos mehr oder minder start unter der Krise lähmendem Einfluß. Unter der Verhältnisse Ungunft haben jedoch bisher die
Dividendenausschüttungen
wenig oder gar nichts eingebüßt. Nach den durch das Zentral. handelsregister von Januar bis Oktober veröffentlichten Bilanzen ergeben sich für die Aktiengesellschaften der Hauptgewerbe folgende Durchschnittsdividenden:
Bergbau und Hütten. Eisengewerbe
Nahrungs- und Genußmittel. Textilgewerbe
Steine und Erden
Chemische Industrie
Banken
Verkehr
1906/07 1907/08 11,8 Proz. 10,2 Proz. 8,5
8,7
"
"
8,4 9,2
"
7,0
" A
"
9,5 16,8 8,0 5,6
"
"
10,0 9,2 P 18,5 7,9
"
"
5,8
fein. Die Zölle auf landwirtschaftliche Produkte fichern ihnen exorbitant hohe Preise, und dazu war ihnen das Glück bold in Ernte u. a. folgende Erträge: Gestalt einer reichen Ernte. In den letzten vier Jahren brachte die
•
"
1905 1906 1907 1908 Zonnen 9 606 827 9 625 788 9757 859 10 786 874 Roggen Weizen 3 699 882 3989 563 8479 824 8 767 767 Die günstige Ernte in Verbindung mit den hohen Preisen garanitert den Kornproduzenten Einnahmen, die über die reichen Erträge dieses Jahres noch weit hinausgehen.
Ziehen wir aus den Tatsachen und Verhältnissen die Bilanz, dann ergeben sich folgende Resultate: das Wirtschaftsjahr 1908 hat den Agrariern reiche Erträge geliefert und für 1909 glänzende Ausfichten eröffnet; das industrielle Kapital erfreute sich noch des Gemuffes einer Hochkonjunkturdividende, aber es wird sich für das näcyfte Jahr wohl mit etwas weniger bescheiden müssen; für die breite Masse des Boltes, für die Arbeiterschaft jedoch brachte das zu Ende gehende Jahr Verschlechterung der Eriverbsverhältnisse und der Lebenshaltung und läßt den Ausblick auf noch trübere Zustände im nächsten Jahr. D.