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Nr. 302. 25. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Aus der Frauenbewegung.

Kampfrüstung.

Willkommen sind uns die Tage des Wintersonnenwendefestes, Sie bringen uns Stunden der Ruhe, Grholung, des Insich berfentens. Die geistige Ruhe beschaulicher Zurückgezogenheit, das fröhliche Aufleben im Kreise der Lieben, das heiße Streben, anderen Freude zu bereiten, dessen Gelingen für den Gebenden des Glückes größtes Ausmaß ist, bedeutet aber doch nicht Kampf­losigkeit. Nein, die Erholung nach stürmischem Streit ist auch Sträftesammlung, Stärkung zu neuem Ringen! Gerade diese Tage geben erwünschte Gelegenheit, in geistiger Sammlung der jüngsten Zeit Erscheinungen im öffentlichen Leben in ihren Ursachen und gesellschaftlichen Zusammenhängen zu erfassen und daraus die Schlußfolgerungen zu ziehen. Die Stunden geschäft­licher Muße sollen benutzt werden zur Vertiefung in die Dent­arbeit der sozialistischen   Theoretiker, in das Evangelium des Sozialismus, damit der Gefühlsfozialismus mehr und mehr ab­gelöst werde durch flares, sozialistisches Gefennen, Berstehen und Wollen. So wird Ruhe, Grholung, Muße zur Kampfvorbereitung und Stärkung. Niemand aber hat das nötiger als die Frauen! Sie, der größere Teil derer, die Menschenantlib fragen, wurden im Kampfe der Meinungen und Interessen lange Zeit taum be­achtet. Sie rechneten als Subjekt bei der Gestaltung der Ver­hältnisse nicht mit.

Freitag, 25. Dezember 1908.

nur für ihre Schicht dieselben Privilegien erlangen, durch welche Die Berliner   Kanalisations- und Nieselfeldarbeiter ber die Männer ihrer Schicht die Herrschaft über das Proletariat sammelten sich am Sonnabend, den 19. Dezember, im Gewerkschafts­ausüben. hause. Unsere Lohnforderungen vor der Deputation" lautete das Für die proletarischen Frauen bedeutet jeder Erfolg der Thema, über das der Stadtverordnete Gen. Koblenzer   referierte. bürgerlichen Frauenbewegung nicht eine Etappe auf dem Wege In ausführlicher Weise schilderte Redner den Gang der Verhand Wegelungen. Von einer Verfürzung der Arbeitszeit, welche für die der Befreiung der Proletarierin, sondern eine Positionsstärkung stanalisationsarbeiter durchaus angebracht sei, wollten die bürger­der Gegner dieser Befreiung. Hat daher schon der männliche lichen Deputationsmitglieder absolut nichts wissen. Mit einer Proletarier alle Ursache, unablässig zum Kampfe gegen die feind- lengstlichkeit ohne gleichen werde darüber gewacht, daß ja der lichen Gewalten zu rüsten, seine Stampfbereitschaft zu erhöhen, Privatindustrie feine Konkurrenz entstehe. Der Referent betonte vielmehr noch heischt der Frauen Interesse, teine Stunde nußlos am Schluß seiner beifällig aufgenommenen Ausführungen, daß die berstreichen zu lassen. Nicht eher gibt es Frieden auf Erden, Arbeiter nur Erfolge erzielen fönnen, wenn sie Mann für Mann bis die Fesseln der Unterdrückung des Weibes als Geschlecht und nicht nur der gewertschaftlichen, sondern auch der politischen Organis die der Unterdrückung des Proletariats als Lohnarbeiterschaft ge- fation angehören. In der äußerst lebhaften Diskussion sprachen sich Sprengt find. Friede den Menschen, aber erbitterten, unabläffigen fämiliche Redner energisch für die Einführung der acht resp. neun­stündigen Arbeitszeit aus, die in der Kanalisationsverwaltung schon Kampf den Verhältnissen, die der Menschheit Glück und Frieden aus hygienischen Gründen unbedingt notwendig ist. Die Verwaltung hindernd den Weg sperren. fönne es gar nicht verantworten, Heizer 12 Stunden vor den Steffeln   arbeiten zu lassen. Ueberhaupt werde für die Gesundheit der Kanalisationsarbeifer schlecht gesorgt; hat doch die Deputation selbst die Regenpelerinen abgelehnt. Auch die Riefelwärter und Miefelfeldarbeiter erhoben schivere Selagen. Erstere haben stark zu Leiden unter dem anstrengenden zwölfftündigen Nachtdienst in Wind und Wetter; lettere bemängelten lebhaft die gelieferten Naturalien, bon denen 3. B. die Kartoffeln nicht selten unbrauchbar sind. In der nachstehenden Resolution fam die Stimmung der Versammelten zum Ausbruck:

Verfammlungen.

Steinarbeiter. Nachdem vor kurzem die beiden hiesigen Filialen des Steinarbeiterverbandes die Verschmelzung und gleichzeitige An­stellung eines Ortsbeamten beschlossen hatten, tagte erneut eine nehmen. Um die im Verbandsorgan" Der Steinarbeiter" ausge tombinierte Berjammlung, um die Wahl des Ortsbeamten vorzue schriebene Stelle hatten sich zwei Berliner   Steinarbeiter beworben. Die Prüfungskommission, welche aus den beiden Filialvorständen Schüchtern zunächst, fast allseitig verspottet und verhöhnt, gebildet wurde, sah sich leider nach reiflicher Beratung gezwungen, wagte die moderne Frauenbewegung sich hinaus auf die offene bie beiden Bewerber der Versammlung nicht zu empfehlen. Trob Wahlstatt  . Die Sozialdemokratie, wie auch gar nicht anders der geistigen Fähigkeiten, welche beide Bewerber befizen und die sie möglich, erhob die Forderung der Frauen, politisch und sozial als sich in langen Jahren im Dienfte für Partei und Gewerkschaft er­gleichberechtigt anerkannt zu werden, zu einem Programmfah. rungen haben, mußte die Kommission zu diesem Beschluß kommen, Wer in der Frau nicht den nach jeder Richtung gleichberechtigten zurzeit so große Anforderungen geknüpft werden, daß ein gesunder da beibe Kollegen seit Jahren kränklich sind, an den Poften aber Menschen anerkennt, fann nicht Sozialdemokrat fein. Selbst- Körper zur Bewältigung der Arbeiten nötig ist. Die Versammlung verständlich war nicht sofort mit der grundsätzlichen Anerkennung teilte in der Mehrheit den Standpunkt der Kommission und schlug der Gleichberechtigung der Frau, auch allen durch Gewohnheit, nach furzer Debatte eine Anzahl befähigter Kollegen vor, welche Erziehung, wirtschaftliche Verhältniffe ufw. erklärlichen In aber bis auf den Kollegen Winkler, dem derzeitigen Vorfißenden Konsequenzen in der Praxis vorgebeugt. Theorie und Praris der Filiale I, alle ablehnten. Bei der Abstimmung erhielt Stollege famen manchmal in Konflikt. Oft erschwerten äußere Umstände Ernst Winkler 185 Stimmen und ist somit zum besoldeten Vorsitzen­den Ballast noch nicht überwundener rückständiger Anschauungen. 18 Stimmen auf sich vereinigten. Die Verschmelzung wird am den von Groß- Berlin gewählt, da die beiden Bewerber nur 22 bezw. Im allgemeinen find die Intonsequenzen jebt aber überwunden. 1, April vor sich gehen; ein in der Versammlung gestellter Antrag, Wo noch über Widerspruch zwischen Grundsaß und Tun geklagt als Termin den 1. Januar festzusetzen, wurde abgelehnt. Hierauf werden kann, da handelt es sich fast restlos um Ginzelpersonen. tagten noch die Filialen getrennt, um den arbeitslosen Kollegen Ganz anders bei den Gegnern der Sozialdemokratie! Aus dem eine kleine Weihnachtsfreude zu bereiten. Folgender von der Orts Sohn und Spott über die moderne Frauenbewegung ist erbitterte derivaltung eingebrachte Antrag wurde von den Mitgliedern der Feindschaft, grundfäßliche, rücksichtslose Bekämpfung geworden, Filiale I angenommen: Und abgesehen von einigen Jdeskogen, steht die gesamte bürger= liche und politische indifferente Männerwelt im Lager ber Feinde, die gegen die Gleichberechtigung der Frau, für die Er­haltung deren Rechtlosigkeit und Unterdrückung fämpfen. Bu ber Feindeschar gehört aber auch die ganze bürgerliche politisch indifferente Frauenwelt. Die bürgerliche Frauenbewegung will nicht die mirkliche, volle Befreiung des Weibes und dessen An­erkennung als Vollmenfch, als gleichberechtigter Faktor; sie will

Die am 19. Dezember im Gewerkschaftshaus äußerst zahlreich bersammelten Arbeiter der Pumpstationen, der Bauverwaltung und der Riefelfelder nehmen unter Protest Stenntnis von den Beschlüssen der Kanalisationsdeputation. Sie sehen in der glatten Ablehnung ihrer Anträge auf Berbesserung der Arbeitsverhältnisse einen empfindlichen Mangel von Einsicht gegenüber den notwendigen Be dürfnissen der Arbeiter. In der Erwägung, daß 1. die bescheidenen Forderungen bezüglich der Löhne das Mindeste dessen darstellen, was zum Lebensunterhalt erforder­lich ist,

2. die Durchführung der beantragten Verkürzung der Ar­beitszeit aus sozialen und kulturellen Gründen eine unerläßliche Notwendigkeit ist,

erklären die Versammelten, entschieden an ihren Anträgen festzu­halten, und sprechen die Erwartung aus, daß Magistrat und Stadt­verordnetenversammlung diesen entsprechen werden. fammelten auch von neuem flargelegt, wie zur Grringung befferer Die neuesten Deputationsbeschlüsse haben aber den Ver Gristenzbedingungen die gewerkschaftliche Organisation bitter not sammelten auch von neuem klargelegt, wie zur Grringung beſſerer Gristenzbedingungen die gewerkschaftliche Organisation bitter not tut; sie machen beshalb allen Kollegen den unverzüglichen Anschluß an den Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter zur unabweis­baren Pflicht."

Mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Motstand gelangen zu Weihnachten im Interesse einer ordnungsgemäßen Erneue Amtlicher Marktbericht der städtischen Markthallen Direktion über rung der Mitgliedsbücher an alle 1 Jahr organisierten über den Großhandel in den 8entral- Markthallen. Marktlage: Fleisch: 4 Wochen( feit dem 26. November) arbeitslosen, sowie an die Butuh rt, Bujupt veldrich, für Schweinefleich anstehend, fonſt un­aus der Ortstrantentasse ausgesteuerten kranten Kollegen 4 m. verändert. Wild  : Bufuhr reichlich, Geschäft ziemlich lebhaft, Bueise nach zur Auszahlung, Dettere erfolgt am 24., 28., 29., 80. und gebend. Geflügel: Bufuhr reichlich, Geschäft lebhaft, Breise behauptet. tiche: Bufuhr genügend, Geschäft ohne Kaufluft, Breise gedrückt. 31. Dezember vormittags von 10-12 Uhr bei Faber, Stephan- Butter und Safe: Geschäft lebhaft, Breise unverändert. Gemüse, straße 11. Später gestellte Ansprüche werden nicht berücksichtigt. Dbft und Südfrüchte: Bufuhr zum Teil nicht genügend, Geschäft Etwaige Rückstände werden in Abzug gebracht. flau. Breise fest.

Verband sozialdemokratischer Wahlvereine.

Am ersten resp. zweiten Weihnachtsfeiertage finden folgende Veranstaltungen statt:

2. Wahlkreis.

Freitag, den 25. Dezember 1908

( 1. Weihnachtsfeiertag):

3. Wahlkreis.

Sonnabend, den 26. Dezember 1908

( 2. Weihnachtsfeiertag):

6. Wahlkreis.

Sonnabend, den 26. Dezember

( 2. Weihnachtsfeiertag)

Winter- Fest Gr. Matinee Neun Matineen

in den Gesamträumen der

Viktoria Brauerei, Lützowstraße 111/112.

Mitwirkende:

Berliner   Sintonie Orchester( Dirigent: Maximilian Fischer.) Solisten: Frl. Emma Kratje ( Harfe); Hr. Fr. Seidel( Violine); Hr. Fr. Große ( Cello).

Nach der Vorstellung: Ball, Herren zahlen 50 Pf. nach. Anfang 6 Uhr.

Garderobe 10 Pf.

Eintritt 80 Pf.

Sonnabend, den 26. Dezember 1908

( 2. Weihnachtsfeiertag):

im großen Saal von Kellers Neuer Philharmonie, Köpenickerstr  . 96/97

Konzert

Kapellmeister

ausgeführt von Zivil- Berufsmusikern, R. Hascheck, unt. gütiger Mitwirkg. d. Violoncello­virtuosen Hr. Karl Struß  , der Opern- u. Operetten­sängerin Fr. Thyra Nordström- Wiese, d. modernen Humoristen Herrn Fr. Lissek und der Gesangs- und Tanz- Duettisten Marietta und Franconi. Anfang präzise 12 Uhr. Billett 80 Pf.

4. Wahlkreis.

Sonnabend, den 26. Dezember 1908 ( 2. Weihnachtsfeiertag):

Gr. Matinee 2. Matineen

im großen Saale von Kliem, Hasen­heide 13/15: Mitwirkende:

Apollo- Sänger

Herren: Paul Charton, Karl Sandmann, Arthur Steinke, Hugo Just, Emmo Raschdorf, Hermann Wehling, Hans Berani und Willy Pottano am Klavier: Herr Arthur Steinke. Anfang 12 Uhr.

Eintritt 20 PL

in Kellers Festsälen( Inhaber Freyer), Koppenstr. 29

unt. Mitwirkg. d. Liedersängerin Frl. Marianne Geyer und des Rezitators und Dialekthumoristen Hrn. Otto Wiemer  

;

im Konzerthaus Sanssouci, Kottbuser Straße 6

KONZERT unter Mitwirkung der Gesellschaft Strzelewicz"

Anfang präzise 12 Uhr.

Billett 80 Pf. Da offene Kasse nicht stattfindet, bitten wir die Mitglieder, sich rechtzeitig mit Billetts zu versehen.

Berliner Prater, Kastanien- Alle 7-9 Brauerei Groterjan, Schönhauser Allee 130 Ballschmieders Etablissement, Badstr  . 16 Brunnen- Theater, Badstr  . 58 Joseph Frankes Festsäle, Badstr  . 9 Germania  - Säle, Chausseestr. 110 Prachtsäle Nordwest, Wiclefstr. 24 Patzenhofer Brauerei, Turmstr, 25/26 Gebr. Cranz  ' Festsäle, Kösliner Straße 8

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Mitwirkende: Original Harburger Sänger.- Gesellschaft Lily Schumann. Berliner   Ulk- Trio. Elite- Streichorchester( Direktor: Fritz Blume).-Berliner   Volkssänger- Gesellschaft Max Schmeltzer, Berliner   Volks- Kabarett Rosemann- Rossé. -Paul Mantheys Lustige Sänger. Volkssänger­Gesellschaft Lewandowsky. Volkssänger- Gesellschaft Hugo Anke. Pfarrsche Künstlerkapelle. Margarete Walkotte. Konzertsängerin Fri. Meyer. Professor Krüger- Nystedt. Konzertmeister B. Nitzsche. Rezitator Willy Mielke.

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Gesangvereine: Gleichheit.

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Nordwacht. Liederlust II

Vereinte Sangesbrüder Moabit  . ( Mitglieder des Arbeiter- Sängerbundes)

Zivilberufsmusiker. Turnerische Aufführungen. Mitglieder des Arbeiter- Athletenbundes. Entree 25 Pf.

Anfang 12 Uhr.

Frau

Tische u. Stühle dürfen nicht reserviert werden.