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Ar. 2. R.IshrMg. 1. KnlHt ks SniinfM, B.|iifl«Ml9Ö9. Der außerordeotlkbe Kongreß der belgischen Sozialdenohratk über die Kolonialfrage. Brüffel, 23. Dczeinber.(Elg. S3cr.) Die Aimexion deS Kongo hat c-Z der Llrbeitervarlei zur Not- Wendigteil gemacht, nunmehr auch ihr prakitsckeS Verhalten in den Fragen der KolomaWerwaltung zu regeln. Dieter Ausgabe war cm außerordentlicher Kongreß gewidmet, der gestern hier ragte. Die zahlreiche Beschickung zeigte das hohe Interesse, das die Genossen des ganzen Landes an dtelem Gegenstände, der in der allgemeinen Politik imnmehr eine beherrschende Stellung einzunehmen Hernien sein wird, entgegenbringen. Die Anwesenheil eines Sozialisten aus Ostindien, des Genossen Krisch na. machte den intentationalen Aert der sozialistischen Kolonialpolitil besonders deutlich. D:e eng- liiche Bourgeoisie hat ja in ihren Angriffen aus die Greuel des Kongostaares an Moralheuchelei das möglichste geleistet. AuS dem Munde deS asiatischen Revolutionärs Hörle man die Schmach und Grausamkeit des britischen Kolonialkapitalismus verkünden, und tu wurde die Befreicrrolle. die dem internarionalen Sozialismus gegenüber den zurückgebliebenen Rassen zugefallen ist, durch ein sichtbares Beispie! zu stärkstem Bewußtsein gebracht. Natürlich konnte die Diskussion der politischen Praxis von den Prinzipiellen Grundfragen nicht abichen. Eigentlich haben die theo- retischen AuSeinandersetzungeii auch gestern einen viel breiteren Raum chizcnommcn als die Vorschlage und Meinungsäußerungen über daS Verhalten in den einzelnen Detailpunkten der Kolonialpolitik. lind dieses schon darum, weil die augenblickliche Situation Zweifel über die Pflichten der sozialistischen Opposition kaum zuläßt. Daß die Sozialisten das Kolonialbudget ablehnen müssen, daß sie Steuer- sorderungen ablehnen müssen, die den belgischen Bürgern zum Zwecke angeblicher Reformen in der Kolonie zugemutet werden, darüber herrschte bei allen Genossen, von den radikalen Gegnern jeder Kolonialpolitik, wie H i n S und de Brouckvre, bis zu Bandervelde nur eine Stimme. Die Frage, ob die Sozialisten in den Kolonialrat eintreten sollen, wurde als sekundär zurück- gestellt. Unter diesen Bedingungen war für eine sachliche, von persönlicher Erregung freie Debatte der Boden bereitet und die Hoffnungen, die die bürgerliche Presse auf ein Anschwellen des ..Falls Vandervelde " gesetzt hatte, gingen nicht in Erfüllung, was sich denn auch in der gezwungenen Ironie ihrer Berichte kundgibt. Die Diskusston eröffnete Genosie HinS mit einem energischen Frontangriff auf die refonnistische Kolonialpolitik: wenn sich diese jetzt aus die Stuttgarter Resolution und ihre Reform- sorderungen zugunsten der Eingeboreneil berufe, so sei er der Meinung, daß Kongreßbeschlüste keine Dogmen seien. SSaS not tue. sei eine unzweideutige Aeußcrung über die Annexion. Man müsse erklären, daß die Arbeiterpartei alle ihre Anstrengungen daraus zu richten habe. Belgien vom Kongo zu befreien. Deputierter Terwagne. einer der Anhänger VanderveldeS in der Kotonialfrags. forden Respekt für den Stuttgarter Beschluß. Wenn man KolonisaNon, selbst im kapitalistischen Regime verteidigt, so verrät man noch nicht daS sozialistische Ideal. Jede GeieUschaftsordnung hat die Tendenz, die Reichiümer der Erde in den Dienst der ganzen Menschheit zu stellen. Die Menschheit muß sich der Erhebung der unterdrückten Klaffe widmen. In einer ausführlichen Rede legt Hrctor Denis seinen Standpunkt dar. den er schon in einer Gesetzesvorlage formulier: hat. Auch er will Belgien von seinem tcoloiiialbefiy befreien, aber er will es im Wege der Jnter nationalisation des ganzen Kongobecken, also auch des heutigen portugiesi- schen, französischen und englischen Besitzes. Zu diesem Zwecke soll eine neue Konferenz in Berlin einberufen loerden. Dir Bedeutung seines Antrages steht et in der Verwerfung des belgischen KapitalkolonialiSmuS, in der Ermög- lichung der Verbesserung deS Loses der Eingeborenen, in der Bei- hülung der internationalen Konflikte und in der Berineiduirg der schweren finanziellen Lasten, die Belgien aus den unvermeidlichen Reformen im Kongo erwachsen und die soziale und kulturelle Reformen in Belgien selbst unmöglich machen lvnnten. WaS die Kolonialpolitik praknsch bedeutet, geht aus dem Äongobudget hervor, das an Einnahmen, die auS den verschiedenen Formen der Z, wangsarbcrt fließen, fast 17 Millionen anführt, denen als Ausgaben Arbeitslöhne für die Eingeborenen ini Betrage von kleines feiuUeton. Die Dauer und die Schnelligkeit der Erdstöße. Aus dem Un- glücksgebiete in Süditalien kommen Nachrichten von neuen Erd- stützen. Die geheimnisvollen Gewalten im Erdinnern find also n-jcl) nicht zur Ruhe gekommen. Die Geschichte der Erdbeben zeigt, baß die Dauer der Erschütterungen mannigfachem Wechsel ausge- setzt find. Man hat Erdbeben beobachtet, die kaum den loinzigen Bruchteil einer Sekunde währten. Aber die Erschütterungen können einander in kürzester Frist mit solcher Schnelligkeit folgen, daß ihre Verwüstungen alle Vorstellungen übertreffen. Bei der Katastrophe von Jschia am 28. Juli 1838 war alles in lt! Sekunden vorüber. Dagegen hat man Fälle beobachtet, wo die Erdbewegungen sich Monale, ja Jahre hindurch fortsetzen. Bei dem Erdbeben von Visa im Wallis wurde am 1. Juli 1855 ein starker Erdstoß bc- merkt, der sich sogar bis Paris fortpflanzie. Ihm folgten im Zeit- räum von vier Monaten eine unerschöpfliche Zahl neuer schwächerer Erdbeben, die erst zwei Jahre später, 1857 aufhörteu._ Auf den Sandwichinseln konnten 1653 im Laufe eines einzigen Märzmonats 2000 Erdstöße beobachtet werden. Das Erdbeben vom 25. Dezember 138-1 in Andalusien setzte sich bis zum 11. April des folgenden Jahres fort und zerstörte noch am letzten Tage eine Reihe von Häusern. Der Umfang der vertikalen Erdstöße und ihre Kraft können ungeheuer sein: bei dem chilenischen Fort San Carlos wurde 133? ein zehn Meter tief in die Erde gegrabener und dort mit Eisenilammcrn beseftigtcr Fahnenmast geivaltsam in die Luft ge- schleudert und bei der großen Erdbebenkatastrophe in Kalabricn 1733 sah man ganze Bauten-wie von einer furchtbaren Explosion emporgeschnellt rn die Höhe fliegen. Die Ausdehnung der Erdbeben wechselt je nach ihrer'Dauer und Stärke. Ein Erdstoß, der im Biärz 1879 die Bewohner von Linzthal im Kanton Glarus auS ten Häusern trieb, wurde in einer Entfernung von 30 Kilometer kaum noch bemerkt. Dagegen verbreiteten sich die Wirkungen deS großen Liffaboner Erdbebens von 1755 auf einen Umkreis von 3 009 009 Quadralkilömetckpu, und am 10. November 1827 fielen in Südamerika alle Ortschaften zwischen Bogota und Popayan , eine Strecke von 1500 Kilometern Länge, der gleichen Erderschütterung zum Opfer. Die Schnelligkeit, mit der die Schwankungen sich fort- bewegen, ist bcrschicdcn. Bei dem Liffaboner Erdbeben von 1755 erreichten- die Erschütterungswellen eine Schnelligkeit von 510 Meiern in der Sekunde. Bei den rheinischen Erdbeben von 1846 konnte die Geschwindigkeit mit 503 Metern gemessen werden. Bei den ligurischen Erschütterungen 1887 variierten die Gc- schwindigkcitsgrade zwischen 584 und 1452 Meter, in Eharleston erreichten im Jahre 1880 die Erschüttcrnngswellcn die riesige Schnelligkeit von 5200 Metern in der Sekunde. Tagegen zeigte das « Erdbeben in Peru von 1808 nur 13114 Meter. Tie Schnelligkeit | der Fortpflanzung verringert sich, wenn die Erdcrschütternngen . große Wassermassen auf ihrem Wege treffen. Dann bildet sich auf ' der Meeresoberfläche jene gewaltige Woge, die von den Seeleuten das Seebeben genannt wird und die an den Küsten furchtbare Ver- Wüstungen und Verheerungen anrichtet. Auf dies? Weise wurden drei Millionen gegenüberstehen. Das erste Budget der Kolonie sei dre zhnischcste Illustration der Marxschcn Wehr- Werttheorie. Lolkacrt: Belgien , das Land der billigen Löhne, kann die Lost des Kongo nicht tragen. Wenn man uns das Ideal der Bc- freiung aller Unterdrückten ohne Unterschied der Rasse vor Augen kiält. so ist dagegen zu sagen, daß die Befreiung der Arbeit nicht das Wer! der Kapnallsten sein kann. Seuchen wie im Kongo haben wir auch m Belgien : die Tuberkulose und die Bleikrankheit und Zwangs- arbeit haben wir auch bei unseren slandrischen Bauern, die über die französische Grenze wandern müsten, um leben zu können. Vandervelde : Die große Frage ist. ob wir eine negative oder eme konstruktlve Politik betreiben sollen. Die Stullgarler Reiolunou. wie der Beschluß eines belgischen KongreffeS legen den toztallstischen Vertreten! die Pflicht aus, sür die Emgeborenen Re- formen zu fordern KautSkh und die hestigsten Kolonialgegner haben immer zwischen der BevölkenmgS- und der AusbeulnngS- kolonie unrerjchicden. KautSky verwirft die zweite und nimmt die erste an. mit dem Tadel der Verbrechen der kapitalistischen Kolonisation. Aber die BevölkcrungSkolonic ist eine Frage der Vergangenheit, da fast alle? besetzt ist. Wichtig ist daS Verhalten der Sozialisten gegenüber den Ausbeutungskolonien. Aber tclvst wenn die Europäer nicht kolonisierten, vermöchten sie nicht außer Kontakt mit' den Ein- geborenen der Tropenländcr zu bleiben. Wir haben dort Rohstoffe zu holen, wie Baumwolle. Kautschuk. Gewürze usw. Nun brauchte man dazu wohl keine Kolonien. Aber der Handel verlangt die Schaffung großer Verkehrswege. Wer wollte sich einer vom Geist der Eroberung freien, friedlichen, sozialistischen Durchdringung wider- setzen? Bebel und Jaurös haben sie verteidigt. Die kapitalistische Kolonisation allerdings ist nicht uneigennützig. Ihr muffen wir uns widersetzen. Mit Denis bin ich in vielem einverstandeir, aber hat er nicht die internationalisiorle kapitalistische Kolonisation verteidigt?(Widerspruch.» Wir alle fordern die internalionale Konferenz zum Schutze der Eingeborenen, die inrentationale Charte und Kontrolle, eine internationale Kolonial- gesetzgebung gleich der Arbeiterschutzgesetzgebung. Die einfache Formel der Preisgebung der Kolonie ist nicht ernst zu nehnreu. Es liegen große Werte dort. Im Kongo wie in allen Kolonie» ist es die Aufgabe der Sozialisten, die Befreiung und Selbstregierung der Eingeborenen vorzubereiten. Den Hinweis V o l k a e r t S auf die Armut Belgiens bekämpft der Redner mit dem Argument, daß man ja auch den russischen Streikenden geholfen habe, und er verteidigt die Reformen im Kongo mit den Pflichten des Internationalismus. Fran?oiS Paul sagt, daß man, wenn man als Minorität Verbesserungen beantrage, sie realisieren und finanziell er- möglichen müsse, sobald man Majorität sei. Der Verhandlung wird eine entscheidende Wendung gegeben durch eine Resolution, auf die sich V a n d e r v e l d e mit D e r t r 6 c, Anseele. de Broucköre u. a. geeinigt hat. Sie gibt unter Berufung auf den Stuttgarter Beschluß die Anschauungen der von uns schon mitgeteilten Tagesordnung der Brüsseler Föderation wieder, spricht also vor allem die Notwendigkeit der Verteidigung der Eingeborenen vor der kapitalistischen Ausbeutung aus, fordert auf. die Berannvortlichkeit für die Annexion den bürger- licken Parteien zu überlasten und die Kosten der Reformen den Nilsmeßcrii der Ausbeutung aufzubürden. Den sozialistischen Abgeorduewn wkd vor allen, die Pflicht auferlegt, für den Fort- schritt der internationalen Kontrolle zu sorgen und die Selbst- Verwaltung und die Rückkehr der Eingeborenen zur Unabhängigkeit vorzubereiten. Eine Differenz bleibt jedoch in bezng auf den EinkeitungSsatz der Tagesordnung, da Vandervelde zu der Wendungunerbittliche Opposition gegen die Kolonialpolitik" das Zuiatzwort kapitalistische" beantragt. Um diese Differenz bewegt sich dann hauptsächlich die weitere Debatte. Deputierter R o y e r erklärt sich mit der von Denis ver- treten en Anschauung der Jntcrnarionalisation einverstanden. Wie aber soll bis zur Verwirklichung dieser Idee die parlamentarische Haltung der Partei sein? Diskutieren wir das Kolouialbudget und verbefferu wir es I De Broucköre: Vandervelde will das Wortkapitalistisch" nach dem WorteKolonialpolitik" einführen. Das wäre eine Ab- ichwächung. Denn man hat nicht gesagt, wo die kapitalistische oder sozialistische Kolonisation anfängt oder aufhört. Bereiten wir die Unabhängigkeit und Befreiung der Eingeborenen vor, und wir werden uns. gleichviel um welchen Preis, vom Kongo befrelen. (Bandervelde ruft: Sehr gut!) Dcstrue setzt den Sinn der Resolution auseinander mid sagt: Wir verdammen jede Kolonialpolitik. CS gibt überhaupt nur eine kapitalistische Kolonialpolitik und wir verwerfen st?, gleichgültig unter welcher Form. Wenn wir die Eingeborenen ver- leidigen werden, werden Geld und Reformen nötig sein. Wir werden die Reformen verlangen, und an der Regierung lvird cS sein, wie für die anderen Budgets die Mittel aufzubringen. Wir haben uns auf allen Gebieten Reformen erobert, aber seit 14 Jahren gegen daS Budget gestimmt. Wir werden auch gegen das Kolonialbudget stimmen selbst wenn cS von uns ver­bessert werden sollte. Ich habe in der Kammer nach der Annexion vorausgesagt, daß Vandervelde zu uns zurückkehren wird. D i o Verstiinniung ist gewichen, die Krise zu Ende, daß Einvernehmen besiegelt! Nach dieser Rede erklärte Vandervelde rmter demonstrativem Beifall: I ch habe die Freude, unser Einvernehmen konstatieren zu tonnen und berufe mich aus die Worte D e n i S. Nachdem ich meinen Standpunkt m der Kolonialpolitik genau verzeichnet habe, ver zichle rch auf mein Amendement und sch ließe mi vollständig der vorgelegten Lagesordnung an. Dre Avstimmung ergab eine nahezu einstimmige An- nähme der Resolution, die in der Bereinigung der Unter- ichrlsten von Vandervelde und Anseele, Denis und De Broucköce die befriedigende Einigung in der Kongoftage ftchldar macht._ Massenelend vor dem Linaelrichter. in. Trunkenheit wird vor deutschen Gerichtshöfen allgemein als MilderungLgrund angesehen. Betrunkene Studenten sind bc- kanntlich so gut wie straflos. Man behandelt sie mit gewissem Recht wie das liebe Vieh: richtet ein Tier Schaden an, so büßt der Besitzer, und ebenso werden die studentischen Ausschreitungen aus dem Geldbeutel des Studentcnvatersbeglichen". Aber beim Amtsgericht Bcrlin-IKitte versicherte der Einzelricbter mit ethischem Pathos, er lasse die Trunkenheit keineswegs als Milde- rungSgrund gelten! Freilich hat er ja keine Studenten abzuurteilen. Ihre Roheiten, mit oder ohne Trunkenheit verübt, fallen�offenbar noch nicht einmal unter die Rubrik des öffentlichen Aergernisscs. Wer ein Peoleiarier, der ähnliches verübt, erregt unbedingt zum aller« mindesten dies vorgeschriebene AergerniS. Wie sollte er auch nicht? Ist nicht schon seine ganze Existenz ein AergerniS für die Herrschen- den? JnS Loch mit ihm! Und hierauf gründet sich der bekannte Ruf deS preußischen Richters alö des unparteischsten Richters dieser Welt. Dieser Welt? Sagen wir getrost: dieser und jener Welt... Nummer 5(tritt ohne Aermel auf). Richter: Etwas reduzierte Kleidung. Sie haben Leute am- gerempelt? Nummer 5: Ich weiß nicht. Richter: Waren also betrunken? Nummer 5:... keinen Schnaps gesehen. Richter: ES gibt ja auch andere Getränke. Sie haben den Schutzmann angespuckt! Sic bestreiten? Wc?Kein Geständnis. Untersuchungshaft! DerEinzclrichtc: darf bekanntlich nach den im crstcnArtikcl wieder« gegebenen gesetzlichen Vorschriften ohne Schöffen nur dann ver- urteilen, wenn ein Geständnis vorliegt. Siehst du, Nummer 5, wenn Du gestehst, fliegst du ins Loch, und wenn du nicht gestehst. fliegst du erst recht ins Loch. Tu' dir doch selber den Gefallen und gestehel Denn siehe, der Schutzmann ist Zeuge wider dich. Und gegen sein Zeugnis kommst du Prolet nicht an. Ihn zu Wider- legen ist ebenso schwierig, wie einst bei einem Kardinal: wer bc- weisen wollte, daß ein Kardinal gehurt hatte, der mußte sieben Augenzeugen stellen. Welcher Kardinal und welcher Schutzmann wird aber in Gegenwart von sieben Zeugen etwas Unrechtes tun? Und selbst wenn er es täte, so wiegt doch die Stimme eines Schutz- manns reichlich die Stimmen von zwölf Arbeitern auf. Und du, Wurm, willst in erhabener Einsamkeit gegen Schutzmann. Richter und Amtsgewalt ankämpfen? Das sei ferne! Hüte dich aber auch, deine Strafe gar zu voreilig und be- geistert anzunehmen! Richter: Sie gehören in die Kategorie der Rowdys. Haben Leute belästigt auf der Straße. Amtöanwalt: Beantrage zehn Tage. Nummer v: Nehme an! 1883 die Küsten von Java heimgesucht und so entstand auch die Katastrophe, die 1893 die japanische Küste überflutete. Bei der ersten dieser gewaltigen MeereSauswühlungen legte die große Flut- welle einen Weg von 3110 Kilometern bis nach Point de GalleS an der Südspitze Ccizlons mit einer Geschwindigkeit von durch- schnittlich 277 Metern zurück. Bei dem japanischen Seebeben von 1893 erreichte die Flutwelle sogar Port Louis auf Mauritius : die Entfernung von 5500 Kilometer durchraste sie mit einer Schnellig- keit von 212V3 Metern in der Sekunde. Theater. Neues Schauspielhaus:Die Sünde ", Lustspiel von Max B e r n st e i n. Der Titel, den Max Bernstein , der bc- kannte Münchener Rechtsanwalt, für sein neues Lustspiel gewählt hat, erweckt die Vorstellung, als läge der Akzent des Stückes in einer gegen die engherzigsalbadcrnden Sündenschnüffler und Feinde freier Kunst gerichteten Satire. Ansätze sind dam vorhanden. Ein öliger Familienblattverleger tritt auf. der an der Spitze desMänner- vundeL" Entrüstungsstürme gegen dieSünde", daS ebenso talent- volle als nackte Gemälde cincs jungen Künstlers, organisiert hat. ein streberisch korrekter Staatsanwalt, der die Konfiskation befür- wortet. und beide bekommen allerhand unangenehme Wahrheiten zu hören. Aber das läuft so nebenher und zeigt keine interessante Prägung. DaS Originelle in dem Stückchen ist die mit diesem Hintergründe nur ganz lose verbuirdene, behaglich humoristische Gestalt eines alten SchausprelerS. der in naivstem Selbnbetrug seine melodrama- tischen Rollen im Leben weiter spielt. Die Komödianteneitelkeit, die so leicht zur AuStrocknung alles unmittelbar natürlichen GemütSlebcnS. zu schrankenlosem Egoismus führt und in dieser ihrer Tendenz oft Gegenstand literarischer Darstellung war, ist hier in ihrer harmlos liebenswürdigsten Sviclar! konterfeit. Man wird dem alten Knaben, der bei all seinen Spiegelfechtereien ein warmes Herz bewahrt hat, gut und die grandiosen Flüge seiner Phamasie entfesseln lachende Bewunderung. Rußland, wo er seinenentwürdigenden" Baters- namen Meier mit dem klangvolleren Zumbusch-Rottcck vertauscht hat, ist das bevorzugte Land seiner Heldensagen. Mit dem Zaren stand er auf Du und Du. Da einst ein Kritiker sein Mienen- spiel getadelt hatte, geriet der hohe Herr derart in Zorn, daß er den Frevler nach Sibirien verbannen wollte, und ein andermal, in einem Augenblicke stiller Rührung nahm der Monarch vor seinem großen Künstlerfrcunde gar die Krone von: Haupte, wischte sich die Stirn und beschwor ihn. seiner in der Sterbestunde zu gedenken. Als einer von den Zuhörern oppositionelle Regungen zu äußern wagt, schmettert er den Unvorsichtigen mit majestätischer Ucberlcgen- beit zu Boden. Habe er denn den Anspruch erhoben, daß jedermann ihm glauben solle? Er erzähle als freie Individualität und lasse anderen Individualitäten volle Freiheit, sich dabei zu denken, was sie wollcir. Vorzüglich ist cS, wie gerade in den Szenen, in denen das Gefühl des Allen»varm lvird als er in der hübschen Rest sein eigen Kind erkennt sein Komödiantenpathos mir um so üppiger floriert. Der Dialog hat Witz, die Gestalten des WeltenbummlerS Doktor Boß, Resti der Kellnerin, Helldobler des Gendarmen sind mit vielen hübsch erftindmen Pointen onsgesiatjet. Indessen blieb die Bühnenwirkung hinter dem Eindruck der Lektüre zurück. Zum Teil wohl, weil die Entwicklung in allzu gemächlicher Gangart sich vollzieht, zum andern Teil weil Herrn Arndt, dem auS- gezeichneten Charalterkomiker, die Heldenpose, auf welche Zumbusch- Äotteck eingestellt ist, nicht recht lag. So mancherlei Feines er bot, ein unentbehrliches Ingredienz der Fig»r. die tnpisch fchauspieler- hafte Körperlichkeit und die rollende Kraft des Organs stand ihm nickst zu Gebote. Von den Mitspielern seien namentlich Harry Waiden, Gisela Schneider nnd Artur v. Duniecki erwähnt. dt. Berliner Theater:Einer von unsere 2eut", Posse von D. Kalisch. Der Silvesterabend war in verschiedenen Berliner Theatern einem Rückblick geweiht, der sich nicht nur auf das verfloffene Jahr, sondern gleich auf ein Dutzend und sogar auf fünfzig Jahre erstreckte. Im k g l. S ch a n s p i c l h a rr s e feierte man das Wiederschen mit dem sogen. VolksstückSchlagbaum" von Heinrich Lee, das vor dreizehn Jahren im Berliner Theater mehr als harmlose Gemüter erfreut hatte, aber für unser Schauspielhaus immer noch Reize genug zu haben scheint, zumal darin die deutsche Einigkeit(im Jahre 18331 vorweg gefeiert wird. In, Berliner Theater aber hatte man gar die richtige, alte Berliner Posse ausgegraben. Man schwärmt gar so gern für das gute Alte, um so mehr wenn man glücklicherweise nichts mehr damit zu tun hat und die Senti- Mentalität einem nichts mehr lostet. Grad' 50 Jahre ist die mit allen Theater- und Rührmitteln ausgestattete Posse im letzten Tkonnt alt geworden, aber sie wirkte immer noch. Einmal sentimental: denn man hatte sie sehr hübsch im Biedermeierstil ausstaffiert: dann aber vor allem durch die Modernisierung und Aktualisierung, die sie erfahren hatte. Wo uns das Alts nichts mehr zu sagen hatte, waren immer Couplets mit Anspielungen auf Tagesereignisse eingelegt, und wo die altcnWitze nicht mehrverfingen, sollten neue zünden. DaSReichder jüdischen Kalauer ist ja unerschöpflich, und Karl Meinhard war als Handelsjuds Isaak Stern ebenso unerschöpflich in seiner komischen Charalterificrung und witzigen Pointierung. Diese Figur machte das Stück allein schenswerr, und trotzdem war Lust und Laune auch sonst überall zu spüren. Man spielte zwischen den Zeilen. Der zerstreute Apotheker Stössel und der schicke Kraus wurden von Sabo und Klewing ganz famos herausgebracht, der Ducker des Herrn Picha war eine sehr ulkige Charge, und Frau Dora sang und tanzte als Köchin Jette vortrefflich. TÄirz, es war ein sehr vergnügter Abend; die Herren Meinhard und Vernaucr haben ihre besten Traditionen auü der Bösen-Bubcn-Zeit her aufs glücklichste wieder anfgenomnien, als sie Kalischen neumachtcn. _ r. Kunst chronik, Sezession wird nicht. sondern erst am 10. Ja Heine- Aben am Sonntag, den 3. einen Heine-Abend. Notizen. Die Winterausstevung der Berlilier '"rsprünglich angesetzt, am S. Januar, Hlosten. Schiller-Lheater deranfialtet ' ll'os S Nhr, im Berliner Rathause