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Nr. 16. 26. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Mittwoch, 20. Januar 1909.

die Stärksten entrinnen können, jene, die sich einen Platz auf der Es kommt immer darauf hinaus, daß die Arbeiter die Kosten jeder

Die Grubenkatastrophen in Ungarn  . Förderdale erkämpfen. Wären sie ihrem Instinkt" gefolgt, wer neuen Tabal‍steuer tragen müssen. Darum fagen wir: Nieber mit

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dieser Vorlage.

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weiß, hätten es nicht viele so getan wie die Gruben 13 an der Zahl die im Moment der Katastrophe Lehmann Frankenberg( Sachsen  ) berichtet, daß in Frankens m.w. Beszprim, 17. Januar.  ( Eig. Ber. d. Vorw.".) pferde Die vergangene Woche war in Ungarn   wieder reich an Opfern von den Hütejungen- Buben von 14 bis 16 Jahren, vielleicht auch berg 1360 Zigarrenarbeiter beschäftigt sind, nämlich 224 männliche von 12 Jahren losgelassen, auf rauchfreien Wegen dem Stall und 1130 weibliche. Die Löhne sind überaus niedrig. Der durch­bęs männermordenden Kapitalismus  . Am 13. Januar sanken in schnittliche Jahresverdienst der männlichen Arbeiter beträgt etwas den berüchtigten Mordgruben der Desterreich- ungarischen Staats- zueilten und dort tags darauf wohlbehalten angetroffen wurden. über 600, der der weiblichen etwa 400 M. Es gibt in Frankenberg eisenbahn- Gesellschaft" zu Reschiza, in denen erst in der Nacht Oder sie hätten versucht, auf der Fahrt" den Tag zu erreichen und 700-800 Heimarbeiterinnen, die in elenden, unzureichenden Woh­nungen hausen und arbeiten. Ihre Löhne sind ganz besonders bom 15. auf den 16. Dezember dreizehn Bergarbeiter damit das Leben zu erhalten. 9. Zufall: Die Förderschalen sind furchtbar über- niedrig, die Arbeitszeit beträgt 8-16 Stunden. Die Annahme der durch das Vordringen von Stidgasen getötet worden waren, von eben solchen Gasen ereilt 12 Grubenproletarier, 12 Fami- füllt. Statt 6 Menschen, die normal darauf Platz haben, drängen Steuervorlage würde das Elend der Heimarbeit ins ungeheure Tienbäter, hin, und 24 Stunden später lagen 55 Bergarbeiter sich erst 9, dann 10, schließlich 11 und 12 Menschen. Der Maschinist steigern. Arbeitslosigkeit würde eintreten, die Gemeinde würde in­im Arminschacht der Ajkaer Gruben des Wiener muß die Schale mit besonderer Vorsicht, also langsamer als sonst werden. Wir haben deshalb den Stadtrat ersucht, beim Reichstage Kohlenindustrievereins erſtidt in der Grube, weil man einen durch zur Höhe gleiten laffen. Um 8 Uhr morgens brach der Brand aus, um Ablehnung der Tabaksteuer zu petitionieren, aber der Stadtrat einen bisher unaufgeklärten, scheinbar bedeutungslosen Zwischenfall um 9 Uhr begann die Förderung der Bergleute, gegen 11 Uhr hat unser Gesuch nicht einmal beantwortet. Wenn nicht die Lage entstandenen Brand nicht im Seime erstiden konnte und weil den waren aber erst annäherno 200 Bergleute ausgefahren. In zwei der Tabatarbeiter bedeutend verschlechtert werden soll, dann muß vor den Rauchgasen fliehenden Arbeitern nur ein Ausweg aus Stunden war die Schale zwölfmal mit geretteten Berg- jede Art der Steuererhöhung abgelehnt werden. Wenzel Dresden gibt eine Darstellung der Lage der sächsi­dem unterirdischen Gefängnis blieb. Als dieser, die Förderschale leuten im Schachthaus gelandet. Da, bei der dreizehnten Fahrt der Förderkorb mochte etwa die Mitte des Schachts erreicht schen Tabalarbeiter. In Sachsen   gibt es zirka 20 000 in der Tabak­des Arminschachtes, versagte, waren alle noch in der Grube Zurüc haben machte es einen Rud" und plößlich stand die Schale still. industrie beschäftigte Personen, davon sind die Hälfte Heimarbeiter. gebliebenen zum Tode verurteilt. Nach der Dezemberkatastrophe in Reschiza wurde der ungarische und zwischen Förderschale und Schachtrand geraten war, ein grau- im allgemeinen bessere Löhne bestehen, ist die Lage der Tabatarbeiter Nach der Dezembertatastrophe in Reschiza wurde der ungarische Die oben wußten, was das hieß, fie wußten, daß einer abgeriffen" Die Löhne sind durchweg sehr niedrig, am schlechtesten in den Tabatindustrieorten des Erzgebirges. Aber selbst in Dresden  , wo Ministerpräsident Weterle, dem als Finanzminister alle unga­ risch  - staatlichen Bergbaue unterstehen, von dem Abgeordneten fames Hindernis für die Weiterfahrt bildend. Nun stak der Korb, eine elende. Die Erhöhung der Steuer würde die Lage noch weiter We az ö fi interpelliert. Darauf antwortete der oberste Beamte und damit war nicht nur seinen Insassen, sondern auch allen, die verschlechtern. Darum wehren wir uns mit der größten Ent­noch unten in der Grube waren, das Todesurteil gesprochen. schiedenheit gegen jede Mehrbelastung des Tabaks. Wenn trob Ungarns   mit folgendem Geständnis: 10. 3ufall": Die Schale war mit der korrespondierenden alledem der Reichstag   die Tabaksteuervorlage annehmen sollte, dann " Tatsache ist, daß in Reſchiza wiederholt solche Bergwertaweiten Schale derart fest verbunden, daß es vierstündiger ange- müßte jeder Tabakarbeiter ein Hundsfott sein, der nicht dazu bei­fatastrophen vorgekommen sind. Um der Explosion Grubengasen   vorzubeugen, wären dort ganz besondere strengter Arbeit bedurfte, um die Schwesterschale, die nicht verteilt trägt, daß bei den nächsten Reichstagswahlen Abgeordnete gewählt werden, welche sich als wahre Volksvertreter fühlen. Schuhvorkehrungen nötig. In dieser Hinsicht bin ich be- war, frei zu bekommen und auf ihr in die Tiefe zu eilen. Hadeberg- Ottensen verbreitet sich an der Hand eines müht, alles zuberfügen, daß in den Bergwerksbetrieben 11. 8ufall": Gine andere Schale war nicht da. Das Ab- reichhaltigen statistischer Materials über die Lage der Tabal­zeitgemäße hygienische Einrichtungen zur Verwendung kommen. teufen fahrbarer Schächte foftet eben viel Geld und auch ihre stän- arbeiter in Nordwestdeutschland  . Die Verhältnisse sind hier nach Wie mir von den Bergbehörden berichtet wird, sind in den dige nußlose" Instandhaltung toftet Geld, mehr als die Arbeiter der 1879 in Kraft getretenen Tabaksteuer ungeheuer schlecht ges Rejchikaer Kohlengruben seit den letzten Unfällen febt be- knochen wert sind, die auf dem überfüllten Markte der Arbeitskraft worden. Erst in den letzten Jahren gelang es der gewerkschaft­trächtliche Verfügungen zur Verhütung bon lichen Organisation, die Lage der Arbeiter wieder etwas zu heben. Unglüdsfällen getroffen worden. Sollten Mißbräuche oder so billig zu haben sind. So ist mit dieser Kette von Zufällen" zugleich das Bild von Die niedrigsten Löhne werden in Mecklenburg   gezahlt. Etwas besser Schlußakt, dem mörderischen Kampf der Untengebliebenen um ihr 9. pro Mille gezahlt werden. Unter 23 Orten in Schleswig­Leben erzählen die Wunden an den Leibern der Getöteten. Aber Holstein gibt es 6, wo die Löhne der Tabatarbeiter noch anter dem amtlich festgestellten ortsüblichen Tagelohn stehen. Trotz der auch die Schuld ist aufgewiesen. Wenn eine solche Kette von Verlegung der Industrie nach Süddeutschland   können wir in vielen " Bufällen" zusammenwirkt, so liegt im Bufall eine Gefeßmäßig nordwestlichen Orten der Tabatindustrie ein langfames Steigen feit, die auf eine gemeinsame Quelle hinweist, aus der alle diese der Löhne beobachten, ein Erfolg unserer gewerkschaftlichen Tätig­Bufälle entspringen konnten und diese gemeinsame Quelle ist hier teit. Wenn die Regierung durch ihre Steuerforderungen mit in Ajka  , wie überall in der Welt, die Profitsucht, da die rauher Faust in diese langsame Entwickelung eingreift, dann müssen ferne Herleitung der guten Wetter" zu teuer war, zumal damals alle unsere Erfolge, die wir in jahrelangen Mühen errungen haben, die Grube noch keine elektrische Einrichtung hatte, als man den wieder verloren gehen. Für die Zigarettenindustrie in Hamburg­Ventilator in der Grube aufstellte; die Profitsucht, die offenes wurde. Besonders schlecht ist die Lage der Hilfsarbeiter. Wo Altona   trifft im allgemeinen dasselbe zu, was aus Berlin   berichtet Geleuchte" verwendet, das aller Wahrscheinlichkeit nach den Brand früher dauernde Arbeit zu finden war, da tritt seit Bestehen der gestiftet hat, anstatt der teuren geschlossenen Grubenlampen, die der Bigaretten Banderolensteuer häufige Arbeitslosigkeit ein. tapitalistische Staat nur in Schlagwettergruben" vorschreibt; die Bigarrenindustrie in Hamburg- Ottensen   ist fast nur Heimarbeit, Profitsucht, die dem Bedienungsmann des Ventilators auch noch mit der das ganze bekannte Glend der Heimarbeit Hand in Hand andere Arbeit aufhalft, bleibe auch der Ventilator zeitweilig un- geht. Es gibt dort 320 Bigarrenarbeiter, die mit ihrer Frau zu­bewacht; die Profitfucht, die keine Löscheinrichtungen hat, der auto- sammen noch nicht 20 M. wöchentlich verdienen, ja es fommen sogar matisch schließende Wettertüren zu teuer find, der für Rettungs- Löhne unter 15 M. vor. Nur unter günstigen Umständen verdient fälle Hilfsfchächte zu fostspielig sind, die sich die Technik über ein Arbeiter mit seiner Frau zusammen wöchentlich 28 M. Wird die Steuervorlage angenommen, so werden viele Arbeiter nicht haupt nur so weit dienstbar macht, soweit eine Vergrößerung mehr in der Lage sein, ihre Familien zu ernähren. Wir haben also des Profits damit zu erreichen ist. guten Grund, gegen die Steuererhöhung zu protestieren und uns mit aller Kraft gegen dieselbe zu wehren.

Unterlassungen vorgekommen sein, so werden diese sfreng gestem Hergang der Katastrophe gefügt nur von dem traurigen sind sie in Schleswig- Holstein  , aber auch hier gibt es Orte, wo nur

ahndet werden."

den

Die Antwort auf die sehr beträchtlichen Verfügungen der Bergbehörden" gibt die Katastrophe vom 13. Januar, die sich im felben berüchtigten Almasyschachte zutrug, in dem auch im Dezember 18 Grubensflaven getötet wurden, die Antwort darauf gibt der Umstand, daß es der oberste Kreisbeamte von Reschiza, der Ober­stuhlrichter d'Ilebaug, der von der Gesellschaft, wie ein Bericht aus Reschiza sagt, mehr Badschisch erhält, als fein Amtsgehalt beträgt", nicht wagte, auf den Schauplatz der Katastrophe zu kommen, daß er den Stuhlrichter ents unber­Diesmal wird für den nadten, fenden mußte. hüllten Arbeitermord des unpersönlichen Gesellschaftskapitals der Staatseisenbahngesellschaft, der in letzten zwei Jahren 18 Millionen Kronen Reingewinn" zuflossen, wohl die erfahrungsgemäß durch die Erdbeben verursachte Unruhe der Erbrinde herhalten müssen. Eine Ausrede, die durch die einfache logische Folgerung zur schwersten Anklage wird, daß, wenn Erd­beben Unruhe fünden, diese Lotschaft doch dahin genügt werden muß, daß in solchen Beiten mit berzehnfachter Bor. sicht die Schäße der Erde gehoben werden müssen. Dieselbe billige Generalausrebe haben sich zunächst auch die Offiziellen von Ajla jurechtgelegt. Aber da ihnen dies nicht ge­nügte, gewannen sie im Laufe der Untersuchung den Eindrud". daß eine Reihe von unglücklichen Bufällen" diese grausame Stata. strophe herbeigefühhrt und sie so opferreich gestaltet hat.

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Und das Ergebnis der behördlichen Untersuchung? Geftern morgen war Jhr Korrespondent Ohrenzeuge eines Ge sprächs zwischen dem Staatsanwalt Dr. Rani von Veszprim und einem der obersten Beamten des Kohlenindustrievereins. E3 wurde in der Kanzlei des Unternehmens in aller Ungeniertheit vor dem Vertreter eines Berliner   Korrespondenzbureaus", als der ich dank einem glücklichen Mißverständnis galt, geführt. Der Staatsanwalt sagte gemütlich zu dem Unternehmer: Untersuchung ist jest Gott sei dant abgeschlossen. Aber jest gleich fann ich sie nicht einstellen. Da muß man schon ein, zwei Wochen vergehen lassen, vielleicht brei, bis sich die Gemüter beruhigt haben."

Die

Der Vorsitzende Börner verliest einen Brief, den der Ab­geordnete Pauli Potsdam an den Zigarrenfabrikanten Pieper in Spandau   geschrieben hat. Herr Pauli erklärt, daß die Regie­rung Steuererhöhungen brauche, daß dazu Artikel des Massen­konsums, also auch der Tabat, sehr geeignet seien, aber wenn durch fürchten sei, dann werden Herr Pauli und seine politischen Freunde gegen die Vorlage stimmen.

Eine Reihe von Zufällen" bildete also das Verhängnis: II": die Erhöhung der Tabatsteuer eine Schädigung der Arbeiter zu be­1." Bufall": Der Ventilator, der ohne Not in der Grube steht, denn er könnte ebensogut außerhalb der Grube stehen, mitten im Walde des Efingergebirges, wo er niemandem Gefahr brächte, gerät in Brand. Niemand weiß warum, aber es fann mit sein, weil offenes Licht in der Grube verwendet wird.

2. 8ufall": Gerade im Momente, da der Ventilator in Brand geriet, war sein Bedienungsmann Bahi nicht zur Stelle. Er fonnte also auch nicht das tun, was die Verbreitung des Brandes verhindert hätte, er tonnte nicht den Ventilator ab. stellen. Die Zugluft des Ventilators konnte also die Flammen entfachen und in Riefencile weitertragen.

3. Bufall": Bahi war nicht zur Stelle, weil es zu seinen Obliegenheiten nicht nur gehörte, den Ventilator zu überwachen, sondern weil er nebenbei auch die für die Zimmerung nötigen Hölzer abzulassen hatte.

4. 3ufall": Der Schacht ist gerade an dieser Stelle be­fonders trocken; das Feuer findet also an der ausgetrockneten Zimmerung, die an dieser Stelle ziemlich dicht ist, Nahrung.

5. Zufall": Die Trockenheit der Luft bedingt es, daß sich in der Luft, namentlich unter dem First, ziemliche Mengen Heiner Kohlenstaubteilchen ansammeln konnten, die nun zu raschen Ver­breitern des Brandes werden. Die Luft" brennt wie Zunder, und was der Zugwind nicht bermag, besorgen die Kohlenpartikelchen. Rasch eilt der Brand weiter und beginnt die Grube mit Rauch zu füllen, mit den Gafen verbrannten Dels vom Ventilator, ver­brannten Holzes von der Zimmerung, verbrannter Kohle von der Luft". Die Schreckenstunde durcheilt die Grube. Alles zum Arminschacht!" lautet die Parole, die Obersteiger Sandor aus­gibt, der eben in der Grube weilt und kurz vorher den Ventilator geprüft hatte. Daß er ihn 10 Minuten vorher in Ordnung befunden hatte, darin soll nun seine Schuld liegen, die er selber mit dem Tode gefühnt haben soll. Vielleicht auch darin, daß er die Parole ausgab: Alles zum Arminschacht!", denn diese Parole war nur gut, wenn der

6." Bufall" nicht eintrat, d. H. wenn die einen Ausweg suchenden todbringenden Gase den normalen Wetterstollen nicht ver­ließen. In diesem hätten sie 1500 Meter zurüdlegen müssen, ehe sie den Arminschacht erreicht hätten. Zeit genug, um die ganze Belegschaft an den Tag zu bringen, ehe die Gase ihre Sinne be­nebelten. Nun trat aber der 6. Zufall" ein. Die Gase fanden den kürzeren, nur etwa 400 Meter langen Weg zum Arminschacht und waren fast gleichzeitig mit den ersten Ausfahrenden zur Stelle. Der fürzere Weg ist eine Verbindungs­strede zwischen Ventilator und Arminschacht, die aber dort, wo die clektrischen Bumpen sind, durch eine Wettertüre abgeschlossen ist. Diesen fürzeren Weg benutten viele von den 250 Fliehenden. Einer ließ nun, entgegen der Vorschrift, daß diese Türe immer geschlossen sein müsse, diese Türe offen.

7." Bufall": Die Türeschließt nichtautomatisch. Den Automaten erseht die Vorschrift, daß die Türe zu schließen sei! Vorschriften für von Todesangst vorwärtsgepeitschte Menschen, die nur der Selbsterhaltungsinstinkt vorwärtstreibt, Vorschriften, die ihren Lauf hemmen!

8. 3ufall": Die auf blinde Disziplin breffierten Bergleute folgen nicht ihrem Instinkt, sie folgen der Parole: Alles zum Arminschacht!" Bald drängen sich dort die geängstigten Scharen zusammen, umwallt von den todbringenden Rauchgasen, denen nur

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Die Kanzleitür geht auf. Ein Beamter erscheint: Meine Herren, zum Frühstück!" Die Weltabgeschiedenheit der Ajkaer Gruben gibt dem Staatsanwalt die Legitimation, Untersuchungs­beamter und Gaft des Unternehmers zu gleicher Zeit zu sein. Hundert Schritt von dem allerdings bürgerlich bescheidenen Frühstüdstisch entfernt ist der Fourageschuppen, in dem die 55 Leiber der Getöteten liegen. Davor stehen zwei Gendarmen mit aufgepflanztem Bajonett und wehren den jammernden Frauen den Zutritt zu den Leichen ihrer oft gräßlich verstümmelten Er­nährer. Erst die eingesargten Leichname werden den Frauen aus­gefolgt. In dieser Abwehr der Frauen liegt Mitleiden, vielleicht aber dennoch auch ein wenig Vorsicht. Wer diesen Haufen Leichen beisammen gesehen, dem verging das Weinen, er konnte am Ende die Faust ballen, die erste Aeußerung aufdämmernder Erkenntnis. Wem täte sie mehr not als den deutschen   Proletariern des un­garischen Efingertales. Der Staatsanwalt charakterisierte sie sehr zutreffend:" Ein so gutmütig harmloses Volt wie diese Menschen, ist mir noch nicht untergekommen." Hoffentlich bringt sie das ver­goffene Blut ihrer Brüder und Väter zum Denken,

Cabakarbeiter- Kongreẞ.

Am Dienstag wurde die

Debatte

über das Referat fortgesetzt. Von den sozialdemokratischen Reichs tagsabgeordneten sind heut anwesend Binder, Frohme und Böhle.

Thomas Altona verweist unter anderem darauf, daß sich die Regierung auf den höheren Ertrag beruft, den England aus dem Tabat zieht. Aber die Regierung bedenkt nicht, daß die englischen Tabatarbeiter bedeutend beffer leben wie die deutschen  , weil ja England keine Brotzölle erhebt. Die deutsche Regierung betrachtet ja die Arbeiter nur als Objekt der Gesetzgebung, fic nimmt keine Rücksicht darauf, daß sich die Lage der Arbeiter ver­schlechtern muß, wenn solche Steuerforderungen, wie die vor­liegenden bewilligt werden. Keine andere Industrie wird so an­haltend und schwer beunruhigt, wie die Tabakindustrie. Dadurch wird natürlich auch die Besserstellung der Arbeiter verhindert. Jezt find ja die Fabrikanten in der Bekämpfung der Steuervorlage eins mit den Arbeitern. Sollte die Vorlage angenommen werden, dann werden aber die Fabrikanten versuchen, die Folgen der neuen Steuer den Arbeitern am eigenen Leibe fühlbar zu machen durch Lohnherabsetzungen. In jedem Falle sind es also die Arbeiter, welche den neuen Steuerdruck zu tragen haben. Die Regierung rechnet mit einem Rückgang des Tabalkonsums. Eine einsichtige Regierung würde es sich zur Aufgabe machen, den Konsum in jeder Hinsicht zu heben. Das läge im Interesse der Volkswohlfahrt. Der Vorsitzende Hackeberg verliest ein Schreiben des nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Lind, welches besagt, daß sich Herr Lind hinsichtlich seiner Stellung zur Tabaffteuer nicht binden will, feiner Meinung nach müsse der Tabak zur höheren Be­steuerung herangezogen werden, aber in anderer Form als der Banderolensteuer.

Müller Ratibor: berichtet über die dortigen Verhältnisse und wendet sich gegen die Fabrikanten, welche die Agitation der Arbeiter gegen die Steuervorlage nicht unterstützt haben. Die Arbeiter könnten nicht zusehen, wie sie langsam abgeschlachtet werden, deshalb bekämpfen sie jede Mehrbelastung des Tabaks.

Plazmeier- Osnabrüd: Neben den Bremern und Ham­burgern haben die Tabatarbeiter bei uns am schwersten unter der Tabakbelastung von 1879 zu leiden gehabt. Bei der jebigen Brotestbewegung war erst auch ein christlicher Vertreter in unserer Kommission, zog sich aber dann zurüd unter dem Vorgeben, daß die Christlichen selbst eine Protestbewegung organisieren wollten, wovon man bis jetzt aber nichts bemerkt hat. Der liberale Ab­Hugo Herrmann- Berlin schildert den schädlichen Ein- geordnete de Wente hat sich zwar gegen die Banderolensteuer fluß der Banderolensteuer auf die Berliner   Zigarettenindustrie. erklärt, ist aber offenbar für Gewichtssteuer zu haben. Wir hatten Berlin   ist für die Zigarettenindustrie, was Hamburg   und Bremen   ihn um eine Aussprache ersucht. Als er fürzlich eines Nachmittags für die Zigarrenindustrie. In Berlin   wurde die beste Handarbeit in Osnabrück   war, teilte er mit, daß er bereit sei, die Kommission in Bigaretten angefertigt. Vor Einführung der Banderolensteuer zu empfangen, aber innerhalb zwanzig Minuten abreise. Selbst­gab es in Berlin   wenig oder gar keine Maschinen. Heut wird in verständlich konnte unsere Kommission nicht in so kurzer Zeit zu­fast allen Betrieben mit Maschinen gearbeitet. Während vor Ein- sammenkommen, um vielleicht ein paar Minuten mit dem Herrn führung der Banderolensteuer nur 3 bis 4 8igarettenmaschinen in zu reden. Offenbar war ihm auch nichts daran gelegen. Berlin   vorhanden waren, sind jest 30 Maschinisten in Zigaretten- Wesler- Häffen bei Bünde  ( Westfalen  ): Bei uns lassen fabriken beschäftigt. Eine Fabrit, die vor 6-8 Jahren mit 4 Ar- die Frabikanten jest nicht mehr arbeiten, als sie für den Markt beitern anfing, hatte es bis auf 40 Arbeiter gebracht. Nachdem brauchen. Unser Ort hat 800 Einwohner und 550 von ihnen leben die Banderolensteuer in Kraft getreten war, ließ die Fabrik nur von der Tabakindustrie. Es gibt hier nur fleine und mittlere halbe Tage arbeiten und reduzierte ihre Arbeiterzahl auf 18. An Fabrikanten, die nicht das nötige Sapital haben, um, wenn die Stelle der übrigen Arbeiter trat die Maschine in Tätigkeit. So ist Vorlage Gesetz wird, ihre Betriebe aufrechtzuerhalten. es in fast allen Betrieben. Vor Einführung der Banderolensteuer Fabrikant sagte zu mir: Ja, wären wir nur bei der letzten Wahl beschäftigte die Berliner   Zigarettenindustrie etwa 2000 Arbeiter, borsichtiger gewesen, hätten wir jetzt nur 100 oder 150 Sozial davon waren 1500-1600 Handarbeiter, der Rest Hilfsarbeiter. Die demokraten oder zuverlässige Abgeordnete im Reichstag, dann wäre Regierung behauptet, die Zahl der Bigarettenarbeiter habe nach der unsere Existenz nicht bedroht!" Banderolensteuer zugenommen. Das Gegenteil ist der Fall. In Haering Lage( Westfalen  ): In unserem Ort ist nur Berlin   gibt es heut nur 1500-1600 Zigarettenarbeiter, davon sind Kleinbetrieb. Es werden meist nur 5 Pf.- Zigarren angefertigt. 900-1000 Handarbeiter, die übrigen Hilfsarbeiter. Die Abnahme Kommt die neue Steuer, so wird sie bei uns die Industrie voll­der Arbeiterzahl ist eine unmittelbare Folge der Banderolensteuer. I ständig vernichten. Unter den beschäftigten Kollegen sind nicht

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