wenden.(Zurufe rechts.) Der eine Fall, der sich der emigen Jahren m Schlesien ereignet hat. spricht Bände: Ar- Leiterinnen. die an der Dreschmaschine beschäftigt waren, war der Lohn von 32 Pf. zu gering, und sie verlangten gemeinsam höheren Lohn, dafür wurden sie bestraft, die sogenannte Nädelsführerin sogar mit siiefängni-Z!(Zurufe rechts.) Der Fall ist aktenmätzig.(Zuruf rechtS: Falsche Alien! Olle Kamellen!) Befiehl denn die Gesindeordnung, auf Grund deren solch Urteil möglich ist, nicht noch zu recht?(Abg. Nicht- Hosen[!J: Gott sei dank! Zurufe und Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Gewiß gibt eS auch gute Arbeitgeber unter den Konservativen, aber aus die kann die Gesetzgebung nicht zu- geschnitten werden, sondern aus die zahlreichen PiimuchclskSppc unter ihnen. DaS Koalitionsrecht für die ländlichen Arbeiter ist auch not- wendig, um politischen Austand in Ostelbien herbeizuführen(Lachen rechts), um zu bewirken, daß jeder Arbeiter nach seiner politischen Ueberzeuaung wählen kann. Ich erinnere daran. daß Arbeiter entlassen wurden, weil sie freisinnig gewählt halten. Man � fugte ihnen: Lasten Sie sich doch von Herrn Golhein Arbeit verschaffen!(Zuruf rechts: Sehr richtig I) Sie(nach rechts) wollen den Landarbeitern das KoalilionSrechi ver« weigern, weil Sie. wie Sie behaupten, die Ernährung des Volkes nicht in Frage stellen wollen. Aber es besteht doch ohne jede Ge- fahr in einigen süddeutschen Ländern. im Elsaß , itt Belgien , in Holland ! Der wahre Grund für Ihre Stellungnahme ist ein anderer. Sie sagen:»Wir wolle» die Herren sein." ES ist das der Herrenstandpunkt, wie er leider auch bei gewissen Großindustriellen zu finden ist, derselbe Geist, der einstmals die Gegner der Steinschen Bauernbefreiung beseelte.(Hehr richtig! links.) Wie vereint sich die nationale Gesinnung der Schloßherren von Hinterpommera mit der massenhaiten Beschätiigung polnischer Arbeiter? Will man den Leutemangel abhelfen. so schaffe man_ durch Zerschlagung der Latifundien. zumal der Domänen, kleine Bauerngüter, so gebe man den Land- arbeiiern die Rechtsgleichheit und beseitige die Gesindeordnung. ES ist etwas anderes, den ffontrailbruch moralisch verurteilen and ihn strafrechtlich verfolgen. Eine Regelung der landwirischaft- lichen Arbeitszeit ist durchaus möglich; eine schematisch- einheitliche werden auch die Sozialdemokraten nicht verlangen. Wir sind berett, den Antrag, der ja rn seiner jetzigen Fassung mehr einer Resolution gleicht, sofort anzunehmen, ziehen aber Ueberweisung an eine Kom- Mission vor. die freilich bei der Schwiertgleii der Materie und der Geschäftslage des HauseS sehr longsam arbeiten wird. Jedenfalls muß etwas geschehen, um der Rechtsungleichheit der Landarbeiter ein Ende zu machen.(Lebhafter Beifall linls.) Abg. Dr. Hahu(!.): Ich glaubte beim Anhören dieser Rede im Wahlkreise des Herrn Gothein zu sein und einer Wahlrede beizu» wohnen.(Oho l und Lachen links.) Herr Gothein. der die Land- Wirtschaft ihres ZollschntzeS berauben will, hetzt die Landarbeiter gegen Bauern und EMleute auf. Den gewerblichen Arbeitern kann man ein einheitliches Recht geben, nicht aber den ländlichen Arbeitern, denn die ländlichen Arbeitsverhältnisse sind im Norden und Süden, im Osten und Westen schon durch daö verschiedene Klima ganz verschieden. Auch die geichäftliche Entwitkelung bedingt die Verschiedenheit der Verhältnisse. Der Redner ergeht sich in längeren agrariscb-historischen Ausführungen. Präs. Graf Stolbcrg ruft den Redner zur Sache. Abg. Dr. Hahn(fortfahrend): Da« Koalitionsrecht muß be- schränkt Iverdcn, wo e-Z im Interesse der Allgemeinheit notwendig ist; das ist der Fall bei den Seeleuten, bei den Bergarbeitern, vor ollem aber bei den landwirtschaftlichen Arbeitern.--- In einem Punkte bin ich mit dem Abg. Gothein einer Meinung— das ist ja auch notwendig in der Zeit des Blocks(Schallende Heiterkeil): Herr Gothein verlongte die Ansiedelung kleiner Leute. Gerade von der rechten Seite des Hauses ist die Ansiedelung stet? in Angriff genommen. zum Teil im Widerspruch zu den Freunden des Herrn Gothein. Auch darin Kimmen wir mit Herrn Gothein überein, daß die ländlichen WohnungSverhältniffe zu bessern sind, doch gehl das nicht von heute aus morgcu. Im allgemeinen sind die Arbeiterverhältnisse ans dem Lande gut, diel besser als in der Großindustrie, denn aus dem Lande herrscht ein patriarchalisches Veibällnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter.(Anhaltende Heiter« keit bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. Kleye ist vom Bund der Landwirte mit gewählt worden z sein nationalliberaleS Herz hat er erst nachher entdeckt. In einem Punkte sind wir mit dem Antrag Albrecht prinzipiell einverstanden. Auch wir wünschen die Krankenversicherung der ländlichen Arbeiter. Wir meinen aber, daß zunächst einmal die LandeSgesetzgebung hier eingreifen soll. Die Koalitionö- freiheit der Landarbeiter läuft einfach auf Kontrattbruch heraus l(Lautes Lachen links.) Und die große Mehrheit des preußischen Landtages wünscht diesen Kontraktbruch autS schärfste bestraft. Im Süden mag man demokratisch sein. I» Norddeutsch- lmtd ist scharfe Disziplin nötig I Merken Sie sich das. Herr Ab- geordneter Müller-Meiningen !(Lautes Lachen links.) Große und kleine, evangelische und katholische Landwirte lehnen das KoalitionL- recht der Landarbeiter strikte ab. Wer gut mit dem katholischen Bauern stehen will, der verlange uicht die Ausdehnung des KoaiitionsrechtS auf das Land! Friedrich Naumann , mein alter K o tu m i l 1 1 o u e vom Verein deutscher Studenten, hat die Notwendigkeit betont, die ArbeitSverfassung des platten Landes aus andere Grundlagen zu stellen als die Gewerbeverfassung. Gehe Herr Golhein hin und lerne von Herrn Naumann.(Bravo l und Händeschütieln recbts,— Langanhaltende Heiterkeit lmkS.) Abg. Dr. Höffrl(Rp.) fbei der Unruhe des HouieS schwer ver- ständlichj bezeichnet eine re chsgeietzliche Regelung der KoalitionS- frage der Landarbeiter als schwierig und unziveckmäßig. Auch ver- langen die Landarbeiter gar nicht das ÄoalitionSrecht I KoalitionS- freiheit artet durch Terrorismuö oft in Koalitionsunfreiheit aus. und davor wollen wir die Landarbeiter bewahren.(Bravo I rechts.) Abg. Herold(Z.): Auch von unserer Seite liegt ein Antrag vor. der dieselbe Materie behandelt wie der vorliegende Antrag. Mit der Äenderung der ländlichen Arbeiterverhältnisse kann nur sehr vor- sichtig vorgegangen werden.— Die Forderung des Antrags Albrecht. die Gesindeordming rcichsgcsetzlich zu regeln, ist eine Forderung, die meine Freunde seit Jahren unterstützen. Weiter wird verlangt, daß die Strafen für Kontraktbruch be- seitigt werden. Auch aus diesem Gebiete ist eS dringend notwendig. die landwirischastlichen Arbeiter den gewerblichen gleichzustellen. Durch Strafen können die Verhältnisse nickt gebesiert tvcrden. Die Bestimmung der Gewerbeordnung, welche bei Rontraktbruch Schadenersatz bis zu einem Wochen lohn fixiert, reicht zum Schutz des Arbeitgebers aus. und in ähnlicher Weise könnte, durch höhere Fixierung des Schadenersatzes, der ländliche Arbeitgeber gegen Kontraktbruch geschützt werden. Das Koalitionsrecht wird den Landwirten häusig als Schreck- gespenst hingestellt, und die Stellung des Zentrums zum KoalitionS- recht wird häufig agitatorisch gegen unS verwertet. Herrn Stadt- Hägen aber bemerke ick, daß das Zentrum in seiner Stellung zum Koalitionsrecht eingeschwenkt hat.(Zustimmung im Zentrum.) Eine Gefahr bietet das Koalitionsrecht nicht, das beweist auch sein Be- stehen in den preußischen Provinzen Hannover , Hesien-Nassau und SlvleSwig-Holstein. für welche die Beschränkungen des Koalitionsrechts v.aib dem prciißifcheit Gesetz von 1824 nicht besteben. Gerade in der Heimat des Herrn Hahn also besteht das KoalitionSrecht der Landarbeiter nicht, ohne daß dort die Landwirtschaft schlechter daran ist als im übrigen Preußen. Die landwirtschaftlichen Arbeiter verlange» mit Reckt, rechtlich nicht schlechter gestellt zu werden alS die gcwerb- lichen Arbeiter. Der Forderung, die Krankenversicherung aus die ländlichen Arbeiter auszudehnen, stehen wir sympathisch gegen- über. Unter Berücksichiigung der landwirtschastlichen Verhältnisse wird man sich über Einzelheiten in einer Kommission verständigen können.— Bezüglich der Arbeitsdauer ist cS ja sehr schwierig, in der Landwirtschaft einen Maximalarbeitötag durchzuführen. doch hoffe ich. daß auch ohne gesetzliche Regelung sich eine modernere Anschauung im ländlichen Arbeitsverhältnis durchsetzen wird. Daß ein gleichmäßiger Aormalarbeitstag von acht Stunden im Sommer und Winter in der Landwirtschaft unmöglich ist. wird ja auch von dem sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. David in seinem Buch „Sozialismus und Landwirtschaft" zugegeben. Wenn weiter in dem Antrag gefordert wird, die Arbeit so zu regeln, daß den Geboten der Sittlichkeit entsprochen wird, so brauche ich wohl nicht erst zu sagen, daß daS unsere Zustimmung findet, allerdings verstehen wir unter Sittlichkeit etwas anderes als im Buche Bebels dargelegt wird. Wir diskutieren hier über die Frage, ob daS preußische Gesetz vom 24. April 1824 aufgehoben werden soll. Da ist doch daran zu erinnern, daß im Februar 1866 ein Gesetzentwurf. der dies verlangte, von Bismarck eingebracht wurde, der wohl auch Herrn Hahn als Autorität gelten wird. Er kam wegen Schluß der Session und Eintretens des Krieges nicht zur Verabschiedung. Jetzt, nach 40 Jahren, ist es wohl Zeit ernstlich in Erwägung zu ziehen, dieses alte Gesetz zu beseitigen.(Bravo ! im Zentrum.) Daraus verlagt sich das Haus. Tie Wciterberatung des An- träges wird am nächsten Schiverinstage statlfindcn. Es folgen persönliche Bemerkungen: Abg. Gothein(freis. Bg.): Der Vorwurf, ich hätte hier eine Wahlrede gehalten, ist gerade aus dem Munde des Abg. Hahn ein komisches Stück. Weiter gab er mir den Rat, zwischen meinen jüdischen und christtichen Freunden einen Unterschied zu machen. Auf eine»', so niedrigen Kultnrstandpunkt stehe ich nicht. Aber ein an- ständiger Jude tst mir lieber als ein christlicher Lump mit dem schönnen Namen.(Bravo ! bei den Freifinnigen.) Abg. Kley(natl.) weist den Vorwurf des Abg. Hahn zurück. daß er sein nationalliberaleS Herz erst nach seiner Wahl ent- deckt habe. Abg. Dr. Hahn(kons.): Herr Kleye muß mich mißverstanden haben. Herrn Gothein bemerke ich. daß ich von Juden nicht im Sinne eines religiösen Bekenntnisses gesprochen habe, sondern ich wies dabei lediglich auf die Herkunst seiner Freunde hin.(Zuruf links: Dr. Arendt! Schallende Heilerkeit.) Nächste Sitzung: Donnerstag l Uhr Jnlerpellationen Nlbrecbt u. Gen.(Soz.) und Brandys u. Gen. (Polen ) wegen der Haudhilbung des BemnsgesetzeS. Schluß 6'/« Uhr._ Cabakarbeiter-Kongreß. Nach Eröffnung der am Mittwoch abgehaltenen Sitzung teilte der Vorsitzende Börner mit, daß ein Antrag eingegangen ist, welcher besagt, es solle festgestellt werden, wieviele Delegierte organisiert sind und welchen Organisationen sie angehören. Daö Bureau des Kongresses schlägt vor, diesen Antrag nicht zur Abstimmung zu bringen, damit nicht der Anschein erweckt iverde, als ob auf die Nichtorganisierten Delegierten ein Druck zum Beitritt zur Organisation ausgeübt werden solle. Ter Antragsteller Schlüter- Bielefeld bemerkte hierzu: In der„Vosiischen Zeitung" und anderen bürgerlichen Blättern werde fälschlich berichtet, dieser Kongreß sei vom Tabalarl-eiterberbaiid und vom Hirsch-Dunckerschen Gewerkverein einberufen. Durch den Antrag sollte festgestellt werden, daß nur ein Teil der Tele- gierten den genannten Organisationen angehövc, uild daß der Kon- greß nicht eine Veranstaltung organisierter Tabakarbeiter, sondern eine Vertretung der gesamten Tabakarbciter Deutschlands sei, die sich hier ohne Unterschied ihrer Stellung zur gewerkschaftlichen Organisation oder zu den politischen Parteien zusammengefunden haben, nur, um ihre Jntereffen als Tabakarbettcr zu vertreten.— Nach diesen Ausfuhrungen, die der Kongreß als zutreffend bezeichnete, wurde auf die Abstimmung über den Antrag verzichtet. Hierauf setzte der Kongreß die Besprechung über die schädliche Wirkung der Tabaksteuererhöhung fort. Eine große Zahl von Rednern ist noch vorgemerkt. Begreif- licherweise hat fast jeder Delegierter das Bedürfnis, die besonderen Verhaltnisse seines Heimatortes vorzutragen und unter Hinweis auf das Elend seines Kreises die Abweisung des drohenden Unheils zu fordern, welches durch die Erhöhung der Steuer unfehlbar hereinbrechen muß über ganze Orte, ja ganze Kreise und Landes- teile. Aber es ist unmöglich, daß alle Redner, welche zur Sache sprechen möchten, noch zum Wort kommen könneil. Der Kongreß müßte dann mindestens noch eine Woche tagen. Dazu aber haben die Proletarier der Tabakindustrie uicht Zeit. Sie muffen zurück in die Arbeitssron, zurück in daS graue Elend ihres Berufes, um den kärglichen Unterhalt für ihr kummervolles Dasein zu er- arbeiten. Uni wenigstens ein allgemeines Bild aus den einzelneil Bezirken der Tabakindustrie geben zu können, haben die Delegierten der einzelnen Bezirke je einige Redner ausgewählt, die nun der Reihe nach zum Wort kommen. Was die Redner vortrugen, waren lediglich Fortsetzungen und Ergänzungen der Schilderungen, welche schon gestern und vorgestern gegeben worden sind. Aus allen Reden klang der Notschrei einer aufö tiefste gedrückten Arbeiterschickst heraus, einer Arbeiterschicht, die seit Jahren einen Verzweiflungskamps um ihr ärmliches Dasein führt, einer Arbeiterschicht, der jetzt die völlige Vernichtung droht und die nun eine letzte krafwollc Anstrengung macht, um wenigstens die neue Belastung abzuwehren, und sich nicht völlig erdroffeln zu laffcn. AIS wir m diesem Winter unsere Protestbewegung gegen die Steuervorlaae einleiteten— sagte ein Redner— konnte man in der Presse Aufrufe von Tierschutzvereinen lesen, welche sich an die milde Gesinnung des Publikums ivandten mit der Mahnung: Gedenket der hungernden Vögel, gedenket der armen Hunde usw. Aber an die hungernden Tabakarbciter denkt man nicht. Wir sollen nicht nur hungern, wir sollen im Elend verkommen. Das ist die notwendige Folge der geplanten Mehrbelastung des Tabaks. Nur einige Einzelheiten auS der Debatte können wir hervor- heben. Ein Redner aus Nordhausen , bekanntlich ein Zentralpunkt der Kautabakindustrie, sagte, der freisinnige Abgeordnete des KveiseS, Dr. W i e m e r, hat uns bei der Wahl und noch im von- gen Jahre versprochen, im Reichstage jede Vorlage zu bekämpfen, welche die Volkswirtschaft schädigt. Damals versprach Herr Dr. W i e m er auch, in unsere Versammlung zu kommen, wenn wir ihn einladen würden. Als wir ihn zu unserer Protestbewegung einluden, kam er aber nicht. Er hat sich jedenfalls mit den Fabri- kanten verständigt, die auch nicht teilgenommen haben an unserer Protestbewegung. Auch die Stadtverwaltung von Nordhausen hat nicht mit der wünschenswerten Entschiedenheit gegen die drohende Tabaksteuer Stellung genmnmen. Als die Erhöhung der Branntweinsteuer aus der Tagesordnung stand, hat sich die Stadtver- waltung rückhaltslos dagegen ausgesprochen. Die Nordhäuser Branntwcinintmstrie beschäftigt nur 120 Arbeiter, in der Tabak- industrie sind vagcgen 2000 Arbeiter beschäftigt. Trotzdem hat sich die Stadtverwaltung nicht grundsätzlich gegen jede Erhöhung der Tabaksteuer, sondern nur gegen die Banderolcnstcuer ausgesprochen. En Redner aus Köln führte an, ber Zentrumsabgcordncte T r i m b o r n habe vor drei Jahren den Tadakardcitern durch Handschlag versprochen, gegen Erhöhung der Tabaksteuer einzu- treten. Im Gegensatz dazu habe Herr Tr i m b o r n jetzt erklärt, diesmal müsse der Tabak bluten, das sei die Stimmung oer Zcn- lrumöfraktion. Die Zahl der Tabakarbeiter sei allerdings so gering, daß Herr Trimborn für seine Wahl nichts von ihnen zu befürchten habe. Ans Baden wurde berichtet, daß sich auch die dortigen Tobak- Pflanzer der Protestbewegung angeschloffen haben. Ein Bremer Delegierter bemerkte, der llteichstagSabgeordnete Hormann habe in einer liberalen Wählerversammlung in Bremen erklärt, er habe kürzlich von Herrn Blome eine Einladung zu einer Tabakarbettcrversammliing erhalten, er habe die Einladung nicht beantwortet, auch die Versammlung nicht besucht, derartige Versammlungen seien immer tendenziös, deshalb erkläre er ein für allemal, daß er Einladungen von jener Seite ganz einfach ignoriere. Am Ende der VormittagSsitzung wurde ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Sodann machte der Vorsitzende Börner auf jene alarmierende Zeitungsnotiz auf- mcrksam, wonach am Montagnachmittag von Tabakarbeitern ein Demonstrationszug veranstaltet worden sein soll. Er verlas, was der„Vorwärts" gestern unter„Berliner Nachrichten" dazu schrieb, wies darauf hin, daß die Delegierten der Tabalarbciterschaft am Montagnachmittag auf ihrem Kongreß waren, und erklärte, daß sie durchaus nicht gewillt wären- ihre Knochen der Polizei preis- zugeben. In der Nachmittagssitzung hielt der Referent v. E l m sein Schlußwort. Er faßte nochmals zusammen, waS sich aus der ein- gehenden Debatte ergeben hatte. Als die Regierung im Jahre 1379 die Tabakarbeiter mit dem Steuerdruck belastete, diente ihr das Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokratie dazu, die Oppo- sition der Arbeiter mundtot zu mackien. Bei Erlaß der Zigaretten- steuer gab es zwar kein Sozialistengesetz, aber doch ein Gesetz, auf Grund dessen man lästige Ausländer ausweisen konnte. Dieses Gesetz wurde benutzt, um aus Berlin 200 bis 600 russische Zi- garettenarbeiter auszuweisen. Auf diese Weise glaubte die Re- gierung zu beweisen, daß die Zigarettensteuer keine Arbeitslosig- keit zur Folge gehabt habe. Sie hatte ja die Zahl der Arbeiter dadurch vermindert, daß sie die russischen Arbeiter, die zum Teil den Henkern des Zaren entronnen waren, den Henkern auslieferte. Auch heut ist die Situation derjenigen von 1879 sehr ähnlich. Reue Steuerbelastungen, und dazu hat ja Fürst Bülow vereitS ein Aus- nahmegesetz gegen die Sozialdemokratie in Aussicht gestellt. Wie damals, so wird auch jetzt wieder hinter den Kuliffen gearbeitet, um die Steuererhöhung durchzudrücken. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß auch die einflußreichen Fabrikanten dies Spiel hinter den Kuliffen mitmachen. Man sieht sie im Reickstage herum- streifen. Die Abgeordneten, welche früher grundsätzlich gegen Er- höhung der Tabaksteuer auftraten, jetzt aber eine solche befür- Worten, obgleich die Gründe, welche dagegen sprechen, noch heute bestehen, haben ihre Grundsätze von früher aufgegeben und damit die Existenz von Zehntausenden von Tabakarbeitern auf dem „Altar des Vaterlandes" geopfert. Ist denn bei diesen Herren die Scham zu den Hunden entflohen? Schämen sie sich nicht, arme Krüppel brotlos zu machen, Tausende dem Hungertode zu über- antworten. Ja, viele unserer Kollegen werden nicht warten, bis sie Hungers sterben. Sie schämen sich, betteln zu gehen, sie ver- abscheuen es. Armenunterstützung zu nehmen und werden deshalb freiwillig den Tod suchen, anstatt langsam zu verhungern. Solche Fälle habe ich nach der schweren Belastung von 1879 erlebt, solche Fälle werden sich auch jetzt wieder ereignen. Sorgen wir dafür, daß auch die Reichstagswähler über die Wirkung der Steuerpläne aufgeklärt werden, damit solche Abgeordnete, welche kein Herz oder kein Verständnis für die Jntereffen des Volkes haben, nicht wieder- gewählt werden. Dieser Kongreß vertritt 168 000 Tabakarbeiter. Wenn sie alle organisiert wären, könnten wir mehr für ihre Jnter- cffen erreichen wie jetzt, loa noch ein großer Teil derselben der Organisation fernsteht. Darum wollen wir diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um die Tabakarbeiter daran zu er- innern, daß sie nur im Zusammenschluß mit ihren Kollegen und im Zusammenschluß mit der großen kämpfenden Arbeiterschaft Deutschlands ihre Jntereffen wirksam vertreten können. Nur der verdient Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muß. Kämpfen wollen wir bis zum letzten Augenblick, um das Unheil, welches uns droht, von uns abzuwenden. Durch Kampf zum Sieg! soll unsere Losung sein. Darum rufen wir den gesamten Tabak- arbeiiern zu: Ihr müßt für Eure Interessen kämpfen in der großen Armee des kämpfenden Proletariats.(Stürmischer Beifall.) Hierauf nahm der Kongreß einstimmig die nachstehende Resolution an: Der vom 18. bis 20. Januar in Berlin im Gewerkschafts. hause tagende Kongreß der Tabakarbeiter Deutschlands und der in den Hilfsindustrien der Tabakbranche beschäftigten Arbeiter, auf welchem durch 342 Delegierte aus 728 Orten 168 242 Ar- beiter vertreten sind, erblickt in der von der Regierung vor» geschlagenen Tabakverbrauchssteuer eine schwere Schädigung der gesamten Industrie. Nach den Erfahrungen in anderen Ländern hat dort die Banderolensteuer die Entwickelung der Industrie gehemmt; in Rußland sind von einer Zigarrenindustrie überhaupt kaum be- mertenswerte Anfänge vorhanden; in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist die Industrie in ihrer Entwickelung gegen- über Deutschland um zirka 30 Proz. zurückgeblieben. Bei der von der Regierung vorgeschlagenen prozentual weit höheren Belastung der Industrie als in Amerika mußte die Wirkung, namentlich in der jetzigen Periode der Krisis, für die Arbeiter eine furchtbare sein. Der Tabakarbeiterkongrcß spricht sich auch mit derselben Entschiedenheit gegen eine Erhöhung des Zolles auf aus- ländischen Rohtabak und der Jnlandsteuer aus. Die Wirkungen einer Zoll- und Steuererhöhung in irgendeiner Form würde für die Arbeiter ber Industrie genau so schlimm sein, wie bei Einführung der Banderolensteuer. Da der Tabak kein Nahrungsmittel, sondern ein Genuß- mittel ist, würde sich eine Mehrbelastung der Industrie durch eine Zoll- und Steuererhöhung weit mehr noch, als dies bct NahrungLuntteln der Fall ist, in einem Rückgang des Konsums geltend machen. Genau, wie nach der Zollerhöhung von 1870, würden wiederum Zehntausende von Arbeitern brotlos gemacht werden; die in Arbeit verbleibenden Arbeiter müßten bei verminderter Arbeitszeit arbeiten und könnten sich eines Lohndruckes, der durch das enorme Angebot von Arbeitslosen begünstigt würde, nicht erwehren. Die Zollcrhöhung von 1879 hat dazu geführt, daß die Arbeiter nicht imstande ivaren, sich, wie die übrigen Arbeiter Deutschlands , einen auskömmlichen Lohn für ihre gesundheitsschädliche Arbeit zu erringen. Nach den Feststellungen sämtlicher gewerblichen Berufs» genoffenschaften betrug der Verdienst eines Aollarbeiters im Jahre 1906 1027,59 M. Tagegen erreichte in demselben Jahre der Durchschnittsverdienst eines Vollarbeiters in der Tabak- und Zigarrenindustrie nur die Höhe von 574,72 M„ d. h. die Tabakarbeiter sind um 44 Proz. ungünstiger gestellt als die übrigen Arbeiter Deutschlands . Von dem Segen der letzten Hochkonjunktur haben die Tabakarbeiter wenig zu kosten be- kommen— für das Jahr 1900 betrug nämlich der Durchschnitts- verdienst eines Vollarbeiters im allgemeinen 896,59 M., der Durchschnittsverdienst eines Tabakarbeiters 541,08 M, Während sich in der Periode der Hochkonjunktur der In- dustrie der Durchschnittsverdienst im allgemeinen um 131 M. pro Arbeiter steigerte, stieg er bei den Tabakarbeitern nur um 33,67 M. Bei den so außerordentlich trüben Erwcrbsvcrhältnissen der Tabakarbettcr, vor allem aber angesichts Ver in der Tabak- industrie so zahlreich beschäftigten Krüppel und schwächlichen Personen, die in keiner anderen Industrie Arbeit finden könnten. würde es geradezu eine grausame Härte sein, wenn der Reichs- tag durch Zustimmung zur Banderolensteucr oder irgendeiner anderen Zoll- und Steuererhöhung andauernd große Arbeits- losigkeit für diese armen Arbeiter bewirken und damit zu einer weiteren Verschlechterung ihrer ErwerbSverhältniffe beitragen würde. Der Tabakarbeiterkongreß erwartet auS den hier angeführten Gründen, daß der deutsche Reichstag nicht nur die Regierungsvorlage, sondern jeglichen Vorschlag aus eine Mehr- belastung der Industrie durch erhöhte Zölle oder Steuern ab- lehnen wird. Schließlich richtet der Tabakarbeiterkongreß cm die deutsche ReichSregierung. an den Bundesrat und cm den Reichstag das dringende Ersuchen, im Jnieressc der in der Industrie tätigen zirka 200 000 Arbeiter die Tabakindustrie vor den fort- gesetzten Beunruhigungen durch immer neue Stcuerprojckte zu bewahren. Der Tabakarbeiterkongrcß protestiert aus das entschiedenste dagegen, daß die in der Tabakindustric beschäftigten Arbeiter» die, wie oben nachgewiesen, zu den mit am schlcchtest entlohnten Arbeitern gehören, noch neben den direkten und indirekten Steuerptz durch welche tze verhältnismäßig ig gleicher Weise
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