HandelsvertrSge mit den erhöhten Brot�öllen in Kraft ,md im selSs» Jahre schnellte sckoii der Brotpreis erheblich in die Höhe. Die Ver- teuenmg setzte sich 1907 in dem Matze fort, daß für 10 Pf. dann <3.56 Gramm Brot weniger eingekauft werden konnten als 1005 Der Brolprei« stand 1907 um rund 16 Proz. hßfitc sogar wie in dem TeueriingSjahr 10001 Wie sich die Fleischpreise entwickelt haben, geht ungefähr an? den auf dem städtischen Viehhof ermittelten Grotzhandelspreisen her- vor. Da die Masse der arbeitenden Bevölkerung vorzüglich die ae- ringwertigen Fleischsorten konsumiert, seien die Preise nur dafür hier mitgeteilt. EZ wurden für 80 Kilo gezahlt: Anfang 1001 Anfang 1008 Ochsen..... 86 M. 60 M. Kälber und Kühe. 40„ 48„ vullen..... 62„ 60„ Schafe..... 80„ 41„ Schwein.'.... 47, SS„ Knda 1008 und Anfang 1907 standen die Viehpreise noch höher Wie Anfang 1908. Damals versicherten die Agrarier, die Preise würden bald wieder auf den früheren„mätzigen Stand" zurückgehen. Aber gegen Ende 1907 begannen die Preise abermals zu steigen und standen 1908 schon wieder, mit Ausnahme der Kälber, bedeutend Höver wie 1901. Die Agrarzölle sind es. welche die Lasten noch weiter in« Angemessene steigern und«s damit dem deutschen Volke so lmgehener erschiveren, sie zn tragen. Das hindert das moderne Ranbriltertum aber nicht, sich selbst von Steuerlasten zu befreien. diese restlos auf die Opfer der Zöllnern abzuwälzen. Bus der frauenbewegimcf* Staatliche Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft. Die prcutzischen BolkSschullehrerinncn, zirka 18000 an der Zahl, ringen seit langem schwer um ihre wirtschaftliche Besser- stellung. Sie haben in diesem Kampfe von jeher allein gestanden, da ihre männlichen BerufSgenosscn sie in kurzsichtiger Verblendung lediglich als Eindringlinge, als Konkurrentinnen betrachteten und jede Kampfgenossenschaft mit ihnen zum eigenen Schaden ablehnten. Tatsächlich haben Staat und Gemeinde sich die organisatorische Schwäch? der Lehrerinnen zunutze gemacht und ihre willige und billige Arbeitskraft— genau so wie der erste beste kapitalistische Ausbeuter— systematisch in lohndrückerischer Absicht gegen die drS Lehrers ausgespielt. ES waren Hungergehälier, mit denen die ungemein anstren- gcnde Berufstätigkeit der Lehrerin bezahlt wurde. 700 M. betrug bis vor kurzem das AnfangSgehalt, und es stand ganz im Belieben der Gemeinde, eine Aufbesserung dieser Besoldung eintreten zu lassen. 700 M. im Jahre, d. h. 1,00 M. pro Tag, erachtete man für ausreichend, die Kosten für alle Lebensbedürfniff« einer quali- fizierten geistigen Arbeiterin, die staatlich geprüft wurde und ein drei- bis vierjähriges kostspieliges Fachstudium absolviert hatte, zu decken. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, datz die Lehre- rinnen erst nach 2— vierjähriger, oft aber auch sechsjähriger Wartezeit, in der sie auf schmalen ZufallSverdienst angewiesen waren, in den Eenutz deS Gehalts von 700 M. gelangten. Lehrerinnen, welche noch für Familienangehörige zu sorgen hatten. führten dabei ein Leben voll der schwersten Entbehrungen, in dem die Kräfte oft lange vor der Zeit aufgerieben wurden. Gewiß war auch die Besoldung des Lehrers völlig unzulänglich und eines KulturstaateS unwürdig. Aber die Lehrerin bezahlte der Staat, auch wenn von ihr dieselben Leistungen wie von dem Lehrer verlangt wurden und obgleich die Ancntbehrlichkeit ihrer Tätigkeit längst anerkannt war, grundsätzlich um 20—28 Proz. niedriger als ihren männlichen Kollegen. Ein Steigen der Gehälter in den größeren Städten über ein gewisses Maß hinaus verbot der be- rüchtigte Studtschc BrcmSerlaß gerade in der Zeit, als die im- erhörte Teuerung aller Lebensmittel einsetzte. Eine Reform dieser unerträglichen Verhältnisse wurde immer dringender gefordert. Der zu einer chronischen Kalamität gc- wordene Mangel an Lehrkräften— in Preußen sind zurzeit IS 000 Klassen ohne Lehrer und 13 400 Klassen sind überfüllt— zwang endlich die Regierung, dem Abgrordnctenhause ein neues Besoldungsgesetz vorzulegen, dem die Lehrerinnen mit großen Hoff- nungen entgegensahen. Aber welche Enttäuschung sollten sie er- leben! Wohl erhöht die Regierungsvorlage das Grundgehalt auf 1050 M.. aber was will das sagen, wenn die Lehrerinnen mit diesem Grundgehalt noch unter den gewiß elend bezahlten De- amtenkategoricn der Bremser, Schaffner, Landbriefträger und Bahnwärter ranzieren! Die auf Grund eines Kompromisses zwischen der Regierung und den Parteien zustande gekommenen Beschlüsse der Kommission, deren Annahm- im Abgeordnetenhaus? so gut wie sicher erscheint, erhöhte das Grundgehalt um 150 M., machte aber dafür bei den AltcrSzulagen Abzüge von 100 M. Di-S würde immerhin eine Verbesserung des EndgehalteS um M M. bedeuten, wenn ein erheblicher Prozentsatz der Lehrerinnen in den Genuß der letzten AlterSzulage von 280 M. gelangte! Das ist aber nicht der Fall. Nur der zehnte Teil etwa erreicht nach 31 Dienstjahren das Endgehalt von 2450 M. So bringt das neue Gesetz den Lehrerinnen im allgemeinen nicht nur keine Verbesse- mng ihrer ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern ein beträchtlicher Prozentsatz verschlechtert sich künftig direkt. In vielen größeren Städten, besonders im Westen Deutschlands , hatten cinsichtige und opferwillige Stadtverwaltungen die Gehälter der weiblichen Lehrkräfte bisher vielfach über die regierungsseitig fest- gesetzten Beträge erhöht. Hier büßen die Lehrerinnen künftig im Laufe ihrer Lehrtätigkeit oft Tausende von Mark ein. wenn die neuen Bestimmungen Gesetz werden. Zwar gesteht daS neue Be. scldungSgesetz den Lehrerinnen in größeren Orten mit teuren Lebensverhältnissen Ortszulagen von 100. 200 und 300 M.. je nach der Größe der Kommunen, zu. Aber eine Verpflichtung zur Zahlung dieser Summen besteht für die Gemeinden nicht, und die Lehrerinnen sind darin ganz auf den guten Willen der Stadt. väter angewiesen. Große Erbitterung ruft in Lehrerinnenkreisen die Tatsache hervor, daß die Bewertung ihrer Arbeit im Ver- gleich zu der des Lehrers, dem das neue Gesetz eine wirkliche Verbesserung bringt, künftig eine weitere Verschlechterung erfahren soll. Die gleiche ungerechte Behandlung wird ihnen bei der Normierung der Mietsentschädigung zuteil. Den unverheirateten Lehrern, die einen eigenen Hausstand führen, steht die volle MietS- Entschädigung der verheirateten Lehrer zu. Ton Lehrerinnen aber soll stets, auch wenn sie einen eigenen Hausstand haben, eine vm em Drittel gekürzte Mietsenischädigung gezahlt werden. TaS ist in großen Zügen der gegenwärtige Stand der Lehre- rinnenbesoldungsfrage. so wird er voraussichtlich trotz Einspruch der Sozialdemokratie in den nächsten Wochen von den Feinden der Volksbildung im Junkerparlament auf lange hinaus gesetzlich festgelegt werden.— �# Nachdem der Landesoerei n preußischer Volks- schul! ehrerinnen bereits gegen die in der Vorlage zum Lehrerbesoldungsgesetz zum Ausdruck kommende Geringschätzung der iveivlichen Lehrtätigkeit in einer Versammlung protestiert hatte, nahmen hierzu auch die unorganisierten Lehre- rinnen Grvß-BerlinS in einer in den Festsälen Alt- Berlin tagenden sehr gut besuchten Versammlung Stellung. Die Referentin, Fräulein Marie LifchnetvSta, wies eingehend dls zahl- selchen Ungerechtigkeiten in dem Gesetzentwurf nach, in denen die Lehrerinnen eine unverdienis Zurücksetzung gegenüber den Lehrern erblicken. Diese unwürdige Behandlung der Lehrerinnen, bemerkte die Referentin febr richtig, sei auch eine Falge der politischen Rechtlosigkeit der Frau. Vor Nichtwahlern brauche man sich eben nicht zu genieren. Man seh« hieraus, wie sehr uns statt deS Männerparlaments ein Parlament von Männern und Frauen not tue. In einer einstimmig angenommenen Resolution protestierte die Versammlung dagegen, daß in den Kommissionsberatungen des Abgeordnetenhauses eine Verschlechterung gegenüber den Be- schlüsfen der ersten Lesung der Vorlage beantragt worden ist. Sie forderte ferner gleicbes Grundgehalt für Lehrer und Lehrerinnen� da die Bedürfnisse deS jungen Lehrers und der Lehrerin die gleichen feien, ferner Wiederherstellung der von der Kommission in der Regierungsvorlage gekürzten Alterszulagen in Höhe von 0 mal tKO M. sowie die volle Mietsentschädigung des verheirateten Lehrers für die Lehrerin mit eigenem Haushalt, Serickrs-Telwng. Der Fraueumor's bei Grönau . Die Aufsehen erregende Aufhebung des WahrsstnichZ der Geschivoreuen durch die drei gelehrten Richter des Schwur- gerichtS in der Anklage gegen Woldenberg ist von uns bereits gestern gewürdigt worden. Eine Reihe namhafter Juristen haben unS erklärt, daß auch ihnen ein ähnlicher Fall, in dem ein auf Bejahung der Mordfrage gerichtetes Berdikt von dem Kollegium aufgehoben ist. nicht bekannt ist. Der Spruch der Geschworenen war ein Fehlsprnch. Von drei Möglich- keiten nahm er ohne ausreichende Beweise die dem Ängc- klagten migünstigste als erwiesen an, in Frage konnte Mord, Totschlag oder Körperverletzung mit tödlichem Ausgange kommen. Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ist nachjj 211 St.-G.-B. wegen Mordes zu bestrafen,„wenn er die Tötung mit Ueberlegung ausgeführt hat". Als Strafe kennt das Gesetz nur die Todesstrafe. Die Strafe für Totschlag ist 5 bis 13 Jahre Zuchthaus. Totschlag liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich getötet, aber die Tötung n i ch t m i t Ueberlegung ausgeführt hat. War der Totschläger ohne eigene Smuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem Getöteten zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder sind mildernde Um- stände vorhanden, so beträgt die Strafe 6 Monate bis 5 Jahre Gefängnis. War der Tod die Folge einer vorsätz- lichen Körperverletzung, so betragt die Strafe Ge° fängniS oder Zuchthaus von einem bis 5 �Jahren und falls der Tod durch die Körperverletzung verursacht war, Gefängnis von 3 bis 5 oder Zuchthaus von 3 bis 15 Jahren. Die Geschworenen sind zu der irrtümlichen Auffassung, daß nicht der volle Beweis für die Tatsragen erbracht werden muß. sondern eine Wahrscheinlichkeit genüge. wohl durch das Plaidoyer des Staatsanwalts für solchen Jrrtuni gelangt. Auffällig ist die staats- anwaltliche Ansicht insbesondere, wenn man ihr die Auffassung des Jtzehoer Staatsanwalts gegenüberstellte, der für Nichtverfolgung des Hausvaters der Blohmöschen Wildnis in den Fällen eintrat, in denen gemißhandelte Mädchen wohl infolge der erlittenen Grausamkeiten verstorben waren und deshalb Aussagen nicht mehr machen konnten. In beiden Fällen haben die Staatsanwälte die Rechtswage mit Gewichtsstücken beschwert, die bei Eichung durch gesundes Rechtsempfinden als unecht— in Berlin als zu schwor, in Itzehoe als zu leicht— bestmden werden müssen. Wiesenthal 0*0«« Handl«. Die im vorigen Jahre geführte Lohnbewegung der Rohrleger Berlins hat bekanntlich zu heftigen Polemiken zwischen dem Deut- schen Metallarbeitrrverband und dem Wiesenthalschen Allgemeinen Merallarbeitervcrband Anlaß gegeben. Wegen einiger scharfer AuÄ- drücke, die Handle als Vertreter deS Deutschen Mrtaklarbeitervrr- bandeS gegen Wiesenthal gebrauchte, hat dieser gegen Handle wegen Beleidigung geklagt und dann hat Handle Widerklaoe erhoben, weil auch Wiesenthal gegen ihn mit äußerst scharfen Worten nicht ge- spart hat. DaS Schöffengericht hat Handle Ende Oktober vorigen Jahres wegen formeller Beleidigung zu eine: Geldstrafe von 190 Mark verurteilt, den Widerbrllaoten Wiescnthal aber freigesprochen. Räch den Feststellungen des Schöffengerichts liegt der Klage folgender Tatbestand zugrunde: Die Unternehmer hatten den Rohr- legertarif gelündigt. Sie wollten wegen Abschluß eines neuen Tarifs mit den beiden genannten Metallarbeiterverbändcn ver» handeln. Der Deutsche Ätetallarbeiierverband war an sich bereit, mit den Unternehmern zu verhandeln, er lehnte eS aber ab, gemeinsam mit den Vertretern des Allgemeinen Mctallarbeitervcr- bandeS diese Verhandlungen zu führen, weil dieser verband nicht als eine berufene Vertretung der organisierten Arbeiterschaft gelren kann. Der Allgemeine verband verhandelte dann allein mit den Unternehmern vor dem EinigungSamt. Der Deutsche Metall- arbeitcrverband dagegen reichte den Unternehmern Forderungen auf Verbesserung deL Arbeitsverhältnisses ein. In diesem Stadium der Bewegung verbreitete Wiesenthal in seiner Zeitung und in einem Flugblatt die Behauptung, die Leitung deö Deutschen Me° tallarbeiterverbandeS habe sich in einem Briest an einen Vertreter der Unternehmer dahin ausgeivrochen: Sie bedauere die Kündi- gung deö Tarifs, sie halte die Sätze desselben für angemessen hoch genug, sie würde den Tarif nicht gekündigt und auch keine Lohn- erhöhung gefordert haben. Diese von Wiesenthal verbreitete Behauptung bezeichnete Handle in einer Versammlung und in einem Flugblatt mit scharfen Worten als eine Unwahrheit. Obermeister Grün, an den der von Wiesenthal zitierte Brief angeblich geschrieben sein soll, bekundete als Zeuge vor dem Schöffengericht, daß ein Brief mit dem von Wiesenthal angegebenen Inhalt nicht existiert. Der Zeuge hat zwar in der Verhandlung des EinigungSamtes einen Brief vom Deutschen Metallarbeiter- verband verlesen,� der jedoch nichts anderes enthielt, als die Ab- lehnung, gemeinsam mit dem Wiesenthalschen Verbände an den Verhandlungen teilzunehmen. Im Anschluß an die Verlesung deS Briefes hat Obermeister Grün mündliche Ausführungen ge- macht, von denen Wiesenthal angenommen haben lon«, daß diese ebenfalls im Briest stünden. Aber diese Ausführungen des Herrn Grün waren keinesfalls derart, daß sie sich auch nur annähernd mit dem decken konnten, was Wiescnthal als Inhalt des Briests angegeben hat!?. Diese Ausführungen deS Herrn Grün bezogen sich auf ein Gespräch, welches er mit Handke hatte. Wie Herr Grün als Zeuge bekundete, hat Handke kein Wort davon gesprochen, daß der Deutsche Wetallarbeiterverband mit den Löhnen des alten Tarifs zufrieden war«nd keine Lohnerhöhung fordern würbe. Hierdurch war die Vehrniptiing Wiesenthals als eine tatsäch- lich unwahr? Angabe erwiesen. Er hat sie aber— wie gleichfalls vor dem Schöffenaericht festgestellt wurde— nochmals verbreitet, nachdem er durch Mitteilungen des Obermeisters Grün den wahren Sachverhalt erfahren hatte und demnach wissen mußte, daß seine Angaben nicht wahr sind. In der allerdings sehr scharfen Kennzeichnung des Wiesen- iljalfdkn Verhaltens durch Handle hat das Schöffenoericht eine formelle Beleidigung erblickt, sonderbarerweise aber nicht in den mindestens ebenso scharfen Worten, die Wicsenthai gegen Handke auS diesem Anlaß gebrauchte. Handke hat gegen dieses lleteil Ben, s, mg cingesi'gk. über bis gestern die 0. Strafkammer verhandelte. Im Verkauf de« angelegenilichen DecgleichSversuche des Vor- sitzenden hielt Handle, dem Rechtsanwalt Dr. Heinemann als Ver» teidiger zur Seite stand, die Berufung nur soweit aufrecht, als sie sich auf die Widerklage bezieht. Damit handelte ed sich nur noch um die Frage, ,d auch Wiesenthal wegen Belridignng verurteilt werden soll. DaS Gericht bejahte diese Frage. SSiesenthal wurde wegru formeller Beleidigung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 50 Mark verurteilt, auch soll er das Urteil auf feine Kosten im„Bor- wärts" veröffentlichen lassen._ Ein ISjätzrigee vom Jagendgericht z« 8K; Mouaken GtfängmS verurteilt! Vor der Jugendkammer des Chemnitzer Landgerichts hatte sich ein eben erst 18 Jahre alt gewordener Angeklagter wegen einfachen, vollendeten und versuchten schweren Diebstahls zu ver- antworten. Der junge Angeklagte hat schon als Schulknabe mit dem Innern deS Gefängnisses Bekanntschaft gemacht; als Drei- zehnjähriger wurde er mit drei Monaten Gefängnis bestraft, mit 16 Jahren erhielt er eine sechsmonatige Gefängnisstrafe wegen schwerer Urkundenfälschung und Betrug». Am 4. Januar 1900 hatte er die dritte Strafe, 16 Tage Gefängnis verbüßt und wurde nun sofort wegen der im November 1906 verübten Straftaten in Untersuchungshaft genommen. Wie es gekommen, welche Ver- hältniffe daS dreizehnjährige Kind damals vor den Strafrichtrr gebracht hatten, wurde in der Verhandlung nicht erörtert. ES wurde nur festgestellt, datz der Vater, ein HauSweber, noch lebte. Der Angeklagte war beschuldigt und geständig, von einem Bau weg 15 Messingschrauben im Werte von 90 Psennioen gestohlen, sich stchlenshalber zweimal in die Knechtckammer eineL Gutes eingeschlichen und in einem Falle zwei Mark gestohlen zu haben, die einem Knechte gehörten; im zweiten Falle hatte er sich wieder entfernt, ohne daß er etwas gestohlen hatte. Ohne Lohn war der Angeklagte von seinem letzten Arbeitgeber wegen Unredlich- keiten entlassen worden und stand mittellos da. Der Staatsanwalt beantragte strenge Strafe, denn nur durch solche sei der Angeklagte auf den Weg zur Besserung zu bringen. Dem schloß sich das Gericht an, daS gegen den Angeklagten auf 8 Monate und 2 Wache» Gefängnis erkannte. Zur Begründung des harten Urteils wurde ausgeführt, daß der Angeklagte im Vollbesitz der Strafbarkeiis- einstcht gehandelt habe. Weil er in Bedrängnis gewesen, seien ihm mildernde Umstände zugebilligt worden. Die Beharrlichkeit deö bösen Willens und die Verkommenheit, die der Angeklagte gezeigt, erfordern eine strenge.ErziehungS''strafe. Eine schwere Strafe als Erziehungsmittel, Wer diesen Irrtum komemn die Gerichte nicht hinaus, auch wenn ihnen der Name Ju- gcndgerichtShof zugelegt wird. Wiederholt haben wir darauf ver- wiesen, daß der Name deL Gerichts absolut nichts an der beklagens- werten Tatsache ändert, daß Kinder und junge Leute zu Freiheit»- strafen verurteilt und dadurch zu Verbrechern erzogen werden können. Ein Jugendgerichtöhof, der nicht den Ursachen, ins- besondere den sozialen Ursachen der Straftaten nachforscht, ver- kennt seine Aufgabe. Die sozialen Ursachen aufdecken ur.d zu ihrer Beseitigung beizutragen, sollte die Hauptaufgabe der Jugend- gcrichte sein. Di«„Gesundbeterei" betrifft ein interessantes Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts III. welches in den„Bl. f. Rechtöpfl." veröffentlicht wird. Gin Mann, der sich, feine Ehefrau und feine kleine Tochter bei einer Anhängerin der„Christian Science ' in Behandlung gegeben hatte, hatte dafür in Raten 60 M. gezahlt, war aber dann de Meinung, daß die Heilmethode nicht viel geholfen habe und Magie uns Rückgabe der 60 M. Die Klage behauptete: Die Beklagte babe infolge der vielen Mißerfolge ihrer Methode gewußt, daß durch Gebete Krankheiten nicht beseitigt werden können und deshalb dem Kläger zum Zwecke deL Gelderwerbs unwahre Tatsache:! mit- geteilt. Der Kläger behauptete ferner, der ganze' zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossene Vertrag sei nichtig, da er gegen die guten Sitten verstoße. Das Amtsgericht Charlottenburg bat den Kläger abgewiesen. Seine hiergegen eingelegte Berufung rit aber von der Zivilkammer für begründet erachtet worden. Außer em- deren durchgreifenden rechtlichen Gesichtspunkten hat die Zivil- kammer anerkannt, daß die ganze Bereinbarvng gegen die guten Sitten verstoße. Es heißt in dieser Beziehung u. a.:„Es würde mit gesunden sozialen Zuständen völlig unvereinbar fein, wenn der gewerbsmäßige Abschluß von Verträgen rechtliche Anerkennung fände, bei denen der vertragSwille der Parteien darauf gcrick'tet ist, daß die eine Partei gegen feste Bezahlung ihr angeblich bewnderS enges Verhältnis zu Gott benuden soll, um einen angeblichen Eingriff übersinnlicher Kräfte in daS Leben der anderen Partei herbei- zuführen. Der Glaube, daß jemand kraft besonderer göttlickcr Gnade in der Lage sei. die Kranken zu heilen, mag m mehr oder minder weiten Kreisen k-estehcn. Die Anmaßung einer solche!- Heilkraft aber in Verbindung mit der Ausübung eines auf diese Heilkraft sich gründenden, den Gelderwerb bezweckenden Gewerbe- betriebb. widerstreitet dem allgemeinen Sittlichkeitscmpfinden. zum mindesten der gebildeten Kreise, als der Kulturträze-- und kann daher rechtlichen Schutz nicht genießen. Außerdem crsckeint das öffentliche Jntercss- an einer geregelten Gesundheitspflege im Volke dadurch gefährdet, daß durch den Einfluß der Christian Scici,« Kranke der sachgemäßen und rechtzeitigen Behandlung durch den Arzt, dem berufenen Hüter der Gesundheit deS Volkes entzogen werden. Demnach muß Verträgen,' wie dem zwischen Klager und der Beklagten abgeschlossenen, die rechtliche Anerken- nung versagt werden und daraus folgt die Nückzahlungöpflicht der P�Tlagten. Den Gründen wird man bis auf den völlig fehlgehenden Passuö bcistimnien. daß die„gebildeten Kreise die Kulturträger" seien. Die Klientel gerade der Gesundbeter setzt sich zum großen Teil aus Angehörigen der sogenannten„gebildeten Kreise" zu- sanimen, von denen einzelne ebenso wie zur Wahrsagerin und zur Kirche in elegantem Fuhrwerk fahren. Die Kultur beruht auf der geistigen und körperlichen Arbeit der Arbeiterklasse, die das llrteil wohl nicht zu den„gebildeten Kreisen" rechnet, lind wiederum sogenannte„gebildete Kreise" sind cö. die auch in Arbeiterkreisen den Aberglauben an dir Heilkraft eineS Gebets zu nähren suchen. Ode: sind eS wicht„gebildete Kreise", die Gesundbeterei in Kirchen für erkrankte Mitglieder deS Herrscherhauses und für Erhaliun; der Gesundheit de: körperlich gesunden Mitglieder deL Herrscherhauses anordnen?__ W«n» ist ein« Lustbarkeft sieuerftcl? Ter Fußballklub in München-Gladbach sollte wegen cincS vou ihm veranstalteten Wettspiels Lustbarkeitsstauer zahlen. Der BezirkSunsschntz erkannte jedoch gemäß dem Kkagvantrag deö Kluis auf FreifteSnns und führte aus: Wenn das Wettspiel zur Er- gützung und Uiiterhaltulig deö Publikums veranstaltet Uwrdcn wäre, dann wäre eS als Lustbarkeit steuerpflichtig. Das sei aber hur nicht der Zweck gewesen. Vielmehr sei cS veranstaltet worden, um für daS Fußballspiel als Kraft und Gewandtheit förderndes Sport'piel Propaganda zu machen. Die Heranziehuna zur Lust- torkeitSstciier sei daher nicht gerechtfertigt.— DaS Oberverwal- tiinaSaericht verwarf dieser Tage die gegen das Urteil eingelegte Revision als unbegründet. Sie scheitere cm den Feststellungen de? Vorinstanz. Cingcgsngem Drudtrcbriften. Platrn, Die neue Heilmethode. Lieferuns 21—28. 60 LicstruliZcu fl 48 Bs. Long ll. Co.. verlin V/. 57. Reue Weltankchauuug. Heft 1. 1988. Rcd. Dr.'S. Vrriwn?ach. Jährl. 12 Heft», i M, F. Lkhtncim, Sluwgari.
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