auf der Hut sein. Wer es ist bor allem eine allgemein bekannteTatsache, daß es vorzugsweise terroristische Organisationen sind, dieauf die Lockspitzel eine magnetische Anziehungskraft ausüben,' genauso wie sich auch in Westeuropa Lockspitzel nicht den sozialdemokra-tischen Arbeitern, sondern den anarchistischen Gewaltanbetern mitVorliebe an die Rockschöße hängen. Sodann aber sind dieFrüchte ihrer Wirkung hier wie dort grundverschieden. In denAnfängen der Revolutionsperiode versuchte die zarische Regierungdurch Provokation großen Stils auch die Arbeiterbewegung zu verderben.Nach dem Rezept des berühmten S u b a t o w wurden von Geheim-agenten in verschiedenen Städten Arbeiterorganisationen, Gewerk-schaften ins Leben gerufen und geleitet. Proletarische Elementekamen so unter die Leitung von Lockspitzeln verschiedenen Range?.Und was war das Ende? Die von Geheimagenten gegründetenArbeitervereine in Odessa gaben das Signal zu jener gewaltigenAusstandsbewegung, die im Jahre 1803 den ganzen Süden Ruß-lands wie mit einem Flammenmeer umfing. Und die SubatowschenVereine in Petersburg, vom Popen G a p o n geleitet, gaben durchihren Marsch zum Winterpalais am 22. Januar 1905 das Signalzum Ausbruch der russischen Revolution. Den Popen Gapon selbstmuß man gleichfalls für einen Geheimagenten der Regierung halten;jedenfalls versank er zum Schluß seiner Kariere in der offenkundigstenKorruption. Aber dieser selbe Pope wurde einen Moment lang vondem revolutionären Massensturm, den er entfeffcln half, als seinFahnenträger vorwärts geschoben, bis er nach abgespielter Rolledurch eigene Korruption zugrunde ging. Und so wie in diesemFalle ging es jedesmal: die mit der Arbeiterbewegungspielenden Rcgierungsagenten verwandelten sich wider Willenin Werkzeuge der revolutionären Sache, um von ihrnach getanem Dienst wie Unrat weggespült zu werden. Die innerehistorische Logik des proletarischen Klassenkampfes erweist sich ebenals stärker denn die Absichten und Pläne der Reaktion, und sie machtsich jedermann dienstbar, der die Arbeiter zu organisieren und mobilzu machen versucht. Die Geheimagenten der Reaktion, die sich andie Arbeiterbewegung heranmachen, werden zu ungewollten Werk-zeugen des Klassenkampfes und fangen sich am Ende in der eigenenSchlinge—. in terroristischen Organisationen, die mit ihreranarchistischen Taktik in der Luft hängen, werden umgekehrtdie Revolutionäre zu Werkzeugen der Reaktion, die mit ihnen nachLust spielt, um sie schließlich in der Schlinge zu erdrosseln.Der jüngste Fall— die Entlarvung bei Lockspitzels Azew— istselbst nur ein Fragment aus der tragischen Geschichte der terraristischen Kampfweise. Jeder Kenner der russischen Verhältnisse wirddie Triumphrufe über diese glückliche Entlarvung mit sehr gemischtenGefühlen vernehmen. Es ist nämlich durchaus nicht klar, wer eigcnt-lich hinter dieser Entlarvung steht. ES ist nichts Unerhörtesbei der Verwickelung des Fangnetzes, in dem die terro-ristische Aktion umgarnt ist, daß eine solche.Entlarvungeines hervorragenden Lockspitzels bloß ein Kunstgriff der Geheim-Polizei ist, sei eS, weil daS alte Werkzeug an einem gewissen Ortabgebraucht und durch ein neues ersetzt werden soll, sei eS aus.privaten' Konkurrenzrücksichten unter diesen edlen Rittern selbstDie Leidensgeschichte der russischen sozialistisch-revolutionären Parteiist also mit dieser Entlarvung durchaus nicht zu Ende, vielmehrniuß sie sich sehr in acht nehmen, um nicht wieder in dieFangnetze zu fallen, gerade wo sie sich aus ihnen zu rettenvermeint. Die Situation dieser Partei ist in der Tateine verzweifelte, und man kann schon den heftigenUnmut begreifen, der in den Reihen der Sozialisten-Revolutionäregegen ihr eigenes Zentralkomitee jetzt herrscht, das sich sechs Jahrelang oder so ungefähr von einem Buben hat an der Nase herum-führen und auf sein Geheiß so und so viele junge prächtige Menschen,wenn auch schlechte Politiker, in den grausigen Tod hat gehen lassen.Aber auch dieser Unmut hat seine Schranke in der Ungerechtigkeit,die darin liegt, die paar gutmeinenden, wenn auch leichtgläubigenMenschen aus dem Zentralkomitee dafür zu Sündenböcken zu machen,was an dem System, an der verfehlten Taktik selbst haftet.Gegen das weitere Verderben der Reihen dieser Parteiin den Fängen des entlarvten Spitzels, der alles und alle in derPartei nun kennt, der die ganze Partei in seiner Macht hat, sowie inden Fängen seiner vermutlichen Nachfolger, gibt eS nur ein einzigesMittel, das zu ergreifen freilich den Leitem der terroristischen Parteinunmehr die politische Ehrlichkeit zur unabweisbaren Pflicht macht.Dieses Mittel besteht darin, die terroristische Organisation aufzulösenund ihre Mitglieder von sämtlichen geplanten terroristischen Aktenund Expropriationen auf das entschiedenste Wstand nehmen znlassen.Die wahrhaft schmachvollen— nämlich für die terrorissischeTaktik schmachvollen— Erlebnisse der jüngsten Zeit m Polen.in Moskau, in Paris müssen endlich dazu führen, die Arbeiterbewegung in Rußland wie in Polen von dem Krebsschaden desanarchistischen Auchsozialismus zu befreien. Die künftige Auf-erstehuugSperiode der Revolution sollte bereits ein von diesen ver-wirrenden und kormmpierenden Nebenströmungen gereinigtes Kampf-lager des Sozialismus vorfinden, für das nur eine Losung gilt:Aufklärung der Arbeitermassen, Organisation der Arbeitermassen undalle Formen des Massenkampfes, die sich aus der politischen Reifedes Proletariats und aus der Reife der politischen Situation mihistorischer Notwendigkeit ergeben. Rosa Luxemburg.Politische(leberlicht.Berlin, den 26. Januar!909Erhöhung der Dampfersubvention.Aus dem Reichstag(26. Januar). Als ob dasReich noch immer heidenmäßig viel.Geld verwirtschaftenkönnte, kommt ungeniert die Reichsregierung mit der Zu-mutung an das Haus, 276 666 M. mehr für die Unter-stützung des Norddeutschen Lloyd zur Fortführung derDampferverbindung mit Neu-Guinea zu bewilligen. So wirddie Bülowsche Sparsamkeitstheorie in die Praxis umgesetzt IAls Grund dafür wird angegeben, der NorddeutscheLloyd wolle sich mit der Erhöhung der früheren Subventionvon 566666 auf 736 666 M.. die der Reichstag voriges Jahrzugestanden hatte, nicht begnügen. Er verlangt noch 276 666Mark mehr, sonst werde er die Linien nach Sydney und Hong-kong eingehen lassen und sich auf die Linie nach Singaporebeschränken. Dadurch würde aber die Dampferverbindungmit Neu-Guinea von 26- auf 6maliges Anlaufen im Jahrebeschränkt und entsprechend das Interesse der Kolonie ge-schädiat werdenTer Staatssekretär v. Beth mann- Holl wegquälte sich sichtlich mit der unangenehmen Pflicht einer Per-teidigung dieser Forderung in der Zeit einer Reichsgeldnot ab.Die Vertreter der Blockparteien erleichterten ihm aber seineAufgabe durch unentwegten Bewilligungseifer. Vor allemtat'sich Herr H o r m a ii n(fcs.). der Vertreter Bremens,hervor. In dieser Hansastadt ist nämlich der NorddeutscheLloyd daheim. Aber selbst der Agrarier D i/ d e r i ch H a h nwar für Bewilligung dieser Gelder für Kähne. In seinemWahlkreise liegt nämlich Geestemünde, auch ein Lloydhafm.Für das Zentrum trat Herr Erzbcrger als Opponentin die Schranken. Er wies darauf hin, daß in dieser Sparäradie Bndgetkommission noch nicht einmal so viel Geld gestrichenhabe, wie hier fortgeworfen werden solle. Genosse N o s k evertrat den grundsätzlich ablehnenden Standpunkt der Sozialdemokratie. Er wies darauf hin, daß wir um so wenigerGrund hätten, den Lloyd zu unterstützen, als diese großeDampferreederei mit ihren glänzenden Dividenden systematischdie Gewerkschaften bekämpfe. Sie gründe„gelbe" Vereineund beraube ihre Seeleute des Koo.litionsrechts. Aber auchan sich könnten wir uns auf die Subvention nicht einlassen.Es sei das weggeworfenes Geld, da der wirtschaftliche Nutzender Unternehmungen in Neu-Guinea für Teutschland derschwindend klein sei. Der Handel gehe fast ausschließlichnach Australien und Ostasien. Nachdem noch der Kolonialminister Deruburg sich für die Vorlage ins Zeug gelegthatte, wurde sie der Budgetkommission überwiesen.Nächste Sitzimg Donnerstag. Tagesordnung: Dersczialdemokratische Antrag betr. Landarbeiter undGesinde._Royalisten und Kamarillisten.Es war vorauszusehen, daß die konservative Presse denGeburtstag des Kaisers benutzen würde, um sich Wilhelm II.als strenge prinzipielle Monarchisten zu empfehlen, derenRoyalismus von weit besserer Dauerfähigkeit sei als dieäußerliche Königstreue des Kanzlers und anderer„VernunflMonarchisten". Und tatsächlich spielt denn auch die„DeutscheTageszeitung" sich in ihrem„Unser Kaiser" überschriebenen Festartikel als bäuerlichen Chouan, alspreußischen Epigonen des kuriosen Laroche- Jaquelinauf— wobei sie sich jedoch die günstige Gelegenheitnicht entgehen läßt, dem in Ungnade gefallenen Reichskanzlernebenbei einige kleine Peitschenhiebe zu verabfolgen. Sieschreibt nämlich:„Was des Kaisers ist. das soll des Kaisersbleiben. Eine einfache, vernünftige Ueberlcgenheit sogt, daßdes Reiches und des Volkes Zukunft durch eine starke Monarchieam besten gesichert ist. Wir brauchen keine papierenen Aenoe-rungen, sondern nur Männer auf den Thronen und nebenden Thronen, die durchdrungen sind von derVerantwortlichkeit ihrer Stellung und bandenverpflichtenden Höhe ihres Berufes. Daß demKaiser immer so mannhafte, freimütige, aufrechte, ernste undtreue Ratgeber beschieden sein mögen, das ist unser herzlicher undtiefgefühlter Wunsch an seinem Geburtstage.Abbr wir feiern diesen Tag nicht nur als Vernunft-Monarchisten, sondern als lünigStreue Männer. Für uns ist dieKönigStreue kein Gewand, das wir nach Befinden anlegen undausziehen können; sie ist uns vielmehr angeboren, ein Stückunseres Herzens, das wir nicht herausreißen können, wenn wirnicht den besten Teil de? Herzens verletzen wollen.... Fürdie sogenannten BernunstSmonarchisten ist'dos Königstum ledig.lich eine Einrichtung; für uns ist der König eine lebendige Personund soll eS bleiben. Die Königstreue verpflichtet aber nicht nurzum Dienen und Gehorchen, sondern auch zur Wahrhcft. Des.halb wird sie auch an den Stufen deS Thrones nicht schweigen,sondern freimütig und ehrerbietig das sagen, wozu sie verpflichtetzu fem glaubt. Solche Pflicht haben wir, so weit wir konnten,immer und auch im vergangenen Jahre erfüllt. Wir sind überzeugt, daß wir nicht mißverstanden worden find. Freimütigeund ehrerbietige Kritik tut aber der echten, eingewurzeltenKönigStreue keinen Abbruch. Wer die Kraft des Freimutes hat,der wird auch die Kraft haben, dem Könige die Treue zu halten,wenn fein Thron bedroht wird, und wenn eS gilt, für dieTreue alles zu opfern. Solcher Treue kann und sollunser Kaiser sicher sein. Zwischen ihn und das Voltsoll sich nichts drängen. Wir gehören zusammen undwollen zusammen bleiben, je ernster die Zeit wird, um so fester.Wer weiß, was die Zukunft im Schöße birgt I Sollte eS zuschweren Kämpfen kommen, so würde der Kaiser auf uns zählenkönnen als auf die Triarier in seiner Schlacht-reihe, auf das letzte, bis zum Tode getreue Auf-gebot."Zugleich wird in der konservativen Presse offen ausge-sprochen. daß man des Paaruirgsverhältilisses zum Freisinnüberdrüssig ist. so meint die„Kreuzztg." in einer Polemiknnt der Königsberger„Hartungfchen Ztg.", die konservativePolitik gehe jetzt darauf aus.„das Blockvcrhältniszu läutern und von den hineingetragenenliberalen Herrschaftsgelüsten zu befreie n".Die Konservativen sehen also ein, daß, wenn der vierteKanzler fällt und an dessen Stelle eine ihnen genehme Per-sönlichkeit tritt, auch der Block nachpurzeln wird, und s« ziehendaraus von vornherein die nötigen Konsequenzen, danz un-bekümmert um die nationalliberalen Drohungen und An-deutungen, daß doch auch noch andere politische Konstellationendenkbar seien, als nur eine konservativ-klerikal-national-liberale Reichstagsmehrhcit.—Die Burleske des Biermandatsraubcs.Wir meldeten kürzlich, daß der Leutnant Pohl, der in seinemgegen die Wahl im 12 Berliner Landtagswahlkreis eingelegtenProtest zugleich die Ungültigkeitserklärung der11 übrigen Berliner Wahlkreise beantragt hatte.seinen Protest gegen diese 11 Wahllreise nach den sozialdemokra-tischen Enthüllungen über die Machenschaften desbürgerlichen Referenten in dem Ausschuß und der Wahlprüfungs-kommission selbst zurückgezogen habe. Offenbar war dieseZurücknahme des Protestes durch Leutnant Pohl auf von uns gleich-falls gemeldete vertrauliche Verhandlungeu zwischenKonservativen und Freisinnigen zurückzuführen.Die Possenhaftigkeit dieser letzten Schiebung haben wir bereitshinlänglich gekennzeichnet. Aber dieDienStagSsitzung derWahlprüfungskommission hat die unglaubliche Posse desViermandatSraubversuchS noch um einen neuen, besonders possenhaftenAkt bereichert. Es kam dort nämlich zur Sprache, daß LeutnantPohl den gegen die übrigen elf Berliner Wahlen frist- und form-gerecht gestellten Protest nicht.zurückgezogen" habe, sonderndaß er seinen Protest nachträglich— nach der Festnagelung der un-glaublichen Manöver der liberalen und konservativen Fischbcckianrr!—nun dabin.interpretiert" habe, daß sein Protest nur der Wahlim 12. Berliner LandtazSwahlbezirk gelte!Welch eine Komödie der Irrungen: Erst die rätselhafte Ber-heimlichung deS vollen Protestes des Leutnants Pohl durch dieAbgeordneten«ronfohn und Malkewitz, den freisinnigenBolksparteiler und kouservativen Scharfmacher. Dann die Ber-schweigung deS wirklichen Inhalts dieses Protestes durch wiederumeinen freisinnigen Volksparteiler und einem Stock-konservativen, durch die Herren F i s ch b e ck und S t r o s s e r!Dann die Unstimmigkeit der offiziellen Freisinnspresse, woherdenn eigentlich der Protest gegen die vier sozialdemokratischen Wahlenstamme!Dann die faulen Ausreden, baß ber Protest des SeatnantS Pohlvom Bureau des Landtags übersehen worden seil Dann dieEntdeckung, daß besagter Protest gar keinen formgerechtenProtest gegen alle Berliner Wahlen enthalte. Und endlich— nachZerstörung all dieser kindischen Ausflüchte— der neueste Rettungsversuch mit dem Rückzieher des Leutnants Pohl durch eine ganzgleichgültige und verspätete„Interpretation" dieses Protestlers!Die Geschichte ist wirklich zu abgeschmackt! Mit kläg-sicherem Ungeschick hat man noch nie eine oberfaule Sache zu der-teidigen versucht!Bemerkt doch zu dem neuesten Geniestreich der Viermandats-Möchtegern-Räuber das„Berk. T a g e b l.":„Dieses Schreiben des Herrn Pohl kann die Tatsache nichtaus der Welt schaffen, daß er in seinem Protest gegen die Wahlin Berlin 12 tatsächlich von der Notwendigkeit gesprochenhat, auch die Wahlen in den anderen BerlinerWahlkreisen für ungültig zu erklären. Schließlich kommteS doch nicht darauf an, wie Herr Pohl feinen Protest nach-träglich interpretiert, sondern was tatsächlich in demProtest schreiben gestanden hat."Die Wahlprüfungskommission beschloß übrigens, in einem Antragzu dem demnächst an das Plenum zu erstattenden Bericht sowohl denO r i g i n a l p r o t e st des Leutnants Pohl, wie auch seine spätereInterpretation" im Wortlaut zu veröffentlichen. DerVergleich dieser beiden Dokumente dürfte zu lustigen Bewachtungenführen. Uebcrhaupt verspricht die Erörterung der ganzen Affäreungebeuer heiter als auch ungeheuer blamabel fürgewisse Leute zu werden I_Eine Wahlrechtsdemonstratio» in Hildesheim.H i l d e s h e i m, 25. Januar.Eine wohlgelungene Wahlrechtskundgebungfand hier heute abend statt, ohne Erlaubnis, aber unter Mit-Wirkung der königlich preußischen Polizei. Durch ein nachmittagsverbreitetes Flugblatt waren die Arbeiter eingeladen worden, sichabends präzise 8 Uhr beim Dom einzufinden, von wo dann derZug durch die Stadt nach dem Versammln ng.S-lokal stattfinden sollte. Eine Viertelstunde vor der festgesetztenZeit war der Platz noch fast völlig menschenleer; nur hier und dasah man im Mondenschein bezw. trüben Schimmer der Laternendie Wahrzeichen des Rechtsstaates blitzen: die Polizei war auf demPosten und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Wie auSdem Erdboden gestampft, waren Punkt 8 Uhr wohl gegen 2000Demonstranten, Männer und Frauen anwesend.Unter Hochrufen auf das allgemeine, gleiche, geheime unddirekte Wahlrecht setzt sich die Masse in Bewegung. In denStraßen, die der Zug passierte, standen hunderte staunend Spalier.Die Fenster der hochgiebeligen malerischen Häuser wurden klirrendaufgerissen und Kopf an Kopf drängte sich heraus, um Zeuge d>:Sungewohnten Vorganges zu sein. Immer wieder erschallenbrausende Hochs, trotz des Diensteifers einiger Polizeibcamten,die, obgleich sie das Hochrufen nicht verhindern konnten, immerwieder„Ruhe!" geboten. Nach halbstündiger Wanderung mittendurch die Stadt trafen die Demonstranten am Ziele ein. GenosseNauen hielt dort eine kernige Ansprache. Eine entsprechende Reso-lutwn fand einstimmige Annahme. Mit einem begeistert aufgc-nommenen Hoch auf das gleiche Wahlrecht schloß die würdigeKundgebung.Bemerkt sei noch, daß die Mehrzahl der Polizeibeamten, dieden Zug bis an den Eingang zum GewerkschastShause begleitet-und hier zu beiden Seiten sich postierte, sich durchaus taktvoll bc-nahm und ruhig geschehen ließ, was sie nicht verhindern konnte.Einige Beamte dahingegen schlugen die Kragen hoch, legten dieSchuppenketten herunter und die Hand an den Degen, als wenneS zur Attacke gehen sollte. Immer wieder stürmten sie in denZug hinein, geboten im Kasernenton„Ruhe!" oder hielten einigenHvcheufern den Mund zu bezw. nahmen Sistierungen vor. DieDisziplin der Massen litt durch diese hochkomisch wirkenden Unter-brechungen nicht im geringsten.Abgelehnte Reichsverbandsmitglieder als Richter.Als verantwortlicher Redakteur unseres Draunschweiger Bruder-blatteS sollte si-b am Montagmorgen Genosse Brenner vor dem zu-tändigen Schöffengericht wegen Beleidigung verantworten. Zweireichsländische ReichSverbändler, Rechtsanwalt Dr. Zschweigert undMilitärbauinspektor Sregmann, beide auS Straßburg i. E., fühltenich durch eine Notiz im.Volksfreund" beleidigt Bor Eintritt indie Verhandlungen lehnte der Vertreter unseres Genossen. GenosseDr. Jasper, die Richter als befangen ab, denn eS stellteich heraus, daß der Ri-Stcr. Oberamtsrichter Dr. Huchund die beiden Schöffen Mitglieder des Reichsverbands sind.Zwar erklärten sich die ReichSverbändler für nicht befangen,die Verhandlung mußte aber doch ausgesetzt werden; das Landgericht wird erst darüber die Entscheidung treffen, ob die Richter alsReichSverbändler bei angeblicher Beleidigung deS ReichsverbandesRecht" sprechen können.Besser ist eS unserem Genossen Grub er als Verantwortlichender.Münchener Post" ergangen. Das Amtsgericht München I lehntedie Privatklage derselben beiden ReichSverbändler ab und bürdeteihnen die Kosten auf. Dem Genossen Gruber wurde»Wahrung bc-rechsigter Interessen" zugute gehalten. ES wurde ausgesprochen..daß daS Gericht daS Aufgreifen jeder Gelegenheit, diesem(Reichs-)Verbände in dem gegenseitigen Kampfe beizutommen, als begreiflichund vom Standpunkte des Beschuldigren aus als notwendiganerkennt".Hoffen wir. daß die«ichtreichsverbändlerilchen Richter inHannover zu demselben Resultat, einer Ablehnung der Privatklageder Herren, kommen._____Eime ReichsverbandsgrShe.ES bleibt bei der Verurteilung des ChemnitzerReichsverbandshäuptlings Dr. Boesserl Wegen Bei-Hilfe zur versuchten Nötigung ist bekanntlich Dr. Boeffer. der Bor-itzende der Ortsgruppe des Reichsverbands zu 200 Mark Geld-träfe verurteilt worden, weit er da» Konzept eines Briefes ge-chrieben hatte, den der Komplice des Amandus Schubert, Rabe•an den Vertrauensarzt der von ihnen verleumdeten Ortskasse'Dr. Kroeber geschickt hat. Rabe ist deshalb mit verurteilt worden.Dr. Doeffer legte Berufung gegen daS schöffengerichtliche Urteilein. Doch wurde diese nach längerer Verhandlung verworfen.Auch daS Landgericht erachtete Dr. Boeffer schuldig und trat imwesentlichen der Vorinstanz bei. ES bleibt also bei der Geldstrafevon 200 M.— In der Verhandlung wurde wieder das Bild de!dreckigen Verhältnisses enthüllt, in dem Dr. Boeffer zu dem wegenErpressung zu hoher Gefängnisstrafe verurleisitm Broschürenherausgeber Amandus Schubert stand. DeS weiteren wurde von neuembestätigt, daß auch der»Verttauens'arzt der gemeinsamen OrtS-krankenkasse, Dr. Kroeber. ebenso hinter dem Rücken deS Kassen-Vorstandes gegen diesen mit Eingaben an die Oberbehördea intrigierthat wie Dr. Boeffer.__Wahlreform in Sachsen-Weimar.Der Eisenacher Korrespondent der.Franlfurter Zeitung" erfährt au» zuverlässiger Quelle, daß dem weimarischeu Landtag be-