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Die Zahl der Vertreter soll in der Regel 20 betragen, den Vorsitz führt der erste Gewerbeaufsichtsbeamte(Gewerberat) des Bezirks oder sein Stellvertreter. § 8. Die Mitglieder des Arbeitsamtes werden auf drei Jahre gewählt. Auf das Wahlveriahren finden die Borschriften der 15, 17 und 18 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung. Die Äahlordnunq erlätzt das Reichs-Arbeitsamt. Die Wahl der Vertreter soll so erfolgen, dah möglichst alle im Bezirk des Arbeitsamtes vorhandenen Berufe vertreten sind. Für die Betricbsbeamten. Techniker. Werkmeister, Bureauangestcll- ten und Handlungsgehilfen sollen besondere Wahlabteilungen er- richtet werden. Die hierfür nötigen Anordnungen crlätzt das Rcichs-Arbettsamt. Das Wahlrecht und die Wählbarkeit haben alle grotzjährigcn Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Bezirk des Arbeitsamts. Nicht »vählbar sind Personen, die sich nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. § 9. Das Arbeitsamt unterstützt das Reichs-Arbeitsamt in den diesem obliegenden Aufgaben; insbesondere gehört zu den Aufgaben des Arbeitsamtes: 1. Mitwirkung beim Abschluß von Tarifverträgen. 2. Errichtung und Förderung von paritätischen Arbeits- nachweisen, 3. die Leitung der Wahlen zu den Arbeitskammern, 4. der Erlaß besonderer Ausführungsbestimmungen über Verordnungen des Reichs-Arbeitsamtes und des Bundesrates, b. die Festsetzung von Ordnungsstrafen, um die Jnnehaltung der zum Schuhe der Arbeiter erlassenen Vorschriften und Ver- ordnungen herbeizuführen. § 19. Für den Bezirk eines Arbeitsamtes wird eine Gewerbe- aufsichtsbehorde gebildet, die sich dem Arbeitsamt angliedert. Zur Leitung und Erledigung der Geschäfte werden Reichsbeamte be- rufen. Der Vorsitz ist dem Gewerberat zu �übertragen. Sind im Bezirk der Gewcrbeaufsichtsbehörde Betriebe vorhanden, die in er- heblicher Zahl weibliche Arbeitskräfte beschästigen, so sind Gr- werbe-Jnspektorinnen anzustellen. Die Zahl der Beamten ist so zu bemessen, daß die Betriebe im Bezirk der GewerbeaufsichtS- deHörde genügend kontrolliert werden können. Den Gewerbeaufsichtsbehörden werden zur Ausübung de: Kontrolle über die Jnnehaltung der im tz 5 Ziffer 4 und 5 und der im§ 11 Ziffer 1 bis 4 benannten Verordnungen Hilfskontrolleure beigegeben, die von den Arbeitskammern aus den Reihen der Ar- beiter gewählt werden. § 11. Di« Gewerbeaufsichtsbehörden haben in der nach diesem Gesetz gegebenen Abgrenzung die Befugnisse der Landespolizei- bchorden. Zu den Aufgabe» der Gewerbeaufsichtsbchörde gehören: 1. Die Fabrikinspektion(§ 139b der Gewerbeordnung), 2. die Tampfkesselrevision, 3. Ucberwachung aller vom Bundesrat und vom Reichs- Arbeitsamt erlassenen Verordnungen. 4. lleberwachung der bcrgpolizeilichen Verordnungen, 5. die Wahrnehmung der aus Titel Vll der Gewerbeordnung sich ergebenden Befugnisse. § 12. Di« Kontrolle über die Jnnehaltung der im 6 ll ift Ziffer 3 und 4 benannten Verordnungen und Vorschriften soll eine regelmäßige, oft sich wiederholende sein. 8 13. Die Bergpolizeibehörden und Oberbergämter gliedern sich den Gewerbeaufsichtsbehörden an und sind dem Gewerberat unterstellt. Arbeiterkammer ». Ä 14. Für die Wahrnehmung der Interessen der Versonen, die in der Landwirtschaft, im Handwerk, in der Industrie, im Handels- und Berkehrsgewerbe gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt sind, sowie zur Unterstützung der Aufgaden des Arbeitsamtes wird für den Bezirk eines Arbeitsamtes eine Arbeiterkammer errichtet. deren Mitgliederzahl vom Reichs-Arbeitsamte nach der Größe des Bezirks und der Zahl der Betriebe bestimmt wird, jedoch soll die Zahl der Mitglieder nicht weniger als 19 betragen. 8 Ib. Die Mitglieder der Ärbeiterkammer werden auf Grund der Proportionalwahl nach einem gleichen, unmittelbaren und ge- Heimen Stimmrecht gewählt. Gleichzeitig sind eine entsprechende Anzahl Stellvertreter zu wählen. Ist die Reihe der Stellvertreter erschöpft, so hat das ReichS-ArbeitSamt eine Ergänzungswahl an­zuordnen. 8 16. Das Wahlrecht und die Wählbarkeit haben alle groß- jährigen Personen, die in den im§ 14 benannten Berufsgruvpen gegen Loh» oder Gehalt im Bezirke der Arbeiterkammer beschäftigt sind. Nicht wählbar sind Personen, die sich nicht im Besitze der bürgert chen Ehrenrechte befinden. Die Mandatsdauer der Mitglieder der Arbeitskammer be- ziehungsweise ihrer Stellvertreter währt drei Jahre; sie beginnt mit dem Kalenderjahre. Wählbar sind auch die für die beruflichen Organisationen der Arbeiter und Angestellten tätigen Beamten �und Vorstandsmitglieder. 8 17. Die Wahl findet an einem Sonntag statt, und zwar im Laufe des MonatS Oktober desjenigen Jahres, in dem das Mandat der Mitglieder der Arbeiterkammeru zu Ende geht. Den Wahltag destimmt das Reichs-Arbeitsamt, ebenso die Art und Form der Legitimation für die Wähler und die Normen. unter welchen die Wahlhandlung stattzufinden hat. L18. Die Wahlzeit ist so festzusetzen, daß auch die am Wahl- schäftigten Personen ohne Rücksicht auf Tag- oder Nacht- schlicht sich an der Wahl beteiligen können. Die Betriebsleiter sind verpflichtet, den von ihnen beschäftigten wahlberechtigten Personen auskömmlich Zeit für die Ausübung des Wahlrechts zu gewähren. Die Verletzung dieser Vorschrift ist mit Geldstrafe von 29 bis 199 M. für jeden Wähler, der an der Aus- Übung feines Wahlrechts gehindert wird, zu ahnden. Die Strafe setzt das Arbeitsamt des Bezirks, für den gewählt wurde, fest. Das Arbeitsamt bestimmt sie Abgrenzung der Wahlbezirke in der Weise, daß allen Beteiligten die Ausübung deL Wahlrechts leicht ermöglicht wird. 8 19. Die Wahl leitet das Arbeitsamt, es ernennt die Vor- sitzenden des Wahlbezirks sowie die Beisitzer aus dem Kreise der Wähler. 8 29. Ein Einspruch der Wahlberechtigten gegen die Gültig- keit der Wahl ist binnen vier Wochen nach der Wahl an die Ar- beiterkammer zu richten. Diese prüft den erhobenen Einspruch und entscheidet über die Gültigkeit der Wahl. Gegen die Eni- scheidung ist binnen zwei Wochen Beschwerde beim Reichsarbeits- amt zulässig. Die Entscheidung des Reichsarbeitsamts ist endgültig. 8 21. Die Ärbeiterkammer gibt sich ihre Geschäftsordnung selbst; ihre Sitzungen sind öffentlich. Die Tagesordnung wird in den von der Ärbeiterkammer zu PublikatwnSorganen bestimmten Zeitungen bckanntgemacht. tz 22. Den Vorsitz in der Arbeiterkammer führt der Gewerbe- rat oder dessen Stellvertreter. Der Vorsitzende setzt die Tages- ordnung für die Sitzungen fest, soweit nicht die Arbeiterkammer selbst darüber beschließt. 8 23. Der Vorsitzende ist verpflichtet, die Arbeiterkammer mindestens alle drei Monate einmal zu einer Sitzung zusammen- zuberufen; er muß dieselbe zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen, sobald mindestens ein Drittel der Mitglieder der Ar- beiterkammer mit Angabe des Gegenstandes, über den verhandelt werden soll, darauf anträgt. Dem Antrage ist innerhalb vierzehn Tagen, nachdem er in die Hände des Vorsitzenden gelangte, stattzugeben. 8 24. Die Arbeiterkammer faßt ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit; Stimmengleichheit gilt als Ablehnung; sie ist beschluß- fähig, sobald mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Mitglieder, die ohne genügende Entschuldigung in der Sitzung fehlen, kann der Vorsitzende mit einer Geldstrafe von fünf bis zwanzig Mark belegen. 8 25. Tic Ardeiterkammcrn unterstützen die Arbeitsämter in den diesen obliegenden Aufgaben; insbesondere gehören zu dc» Aufgaben der Arbeiterkauimexni 1. dem Reichsarbeitsamt Anträge über Vornahme von En- queten oder statistischen Erhebungen zu unterbreiten; 2. Beschwerden über Mißstände im gewerblichen Leben ihres Bezirkes dem Gewerbeamt zu übermitteln; 3. an die gesetzgebenden Körperschaften in Staat und Reich sowie an die Verwaltungsbehörden der Gemeinden mit Bor - schlagen darüber heranzutreten, wie Uebelstände des Wirtschaft- lichen Lebens beseitigt werden können; 4. sich über Gesetzesentwürfe sowie gesetzgeberische Vor- schlage und Verordnungen des Reichsarbeitsamtes gutachtlich zu äußern; b. die Wahl der Hilfskontrolleure(§ 19 Abs. 2); Ii. Mitwirkung an dem Erlaß von Ausführungsbcstim- mungen des Arbeitsamtes(8 9 Ziffer 4). Die Arbeiterkammern können dem Reichsarbeitsamte Anträge unterbreiten über die Bornahme von Enqueten, statistischen Er- Hebungen betreffend die Gehälter, die Löhne, die Arbeitsart und die Arbeitsdauer, die Tätigkeit der Unternehmervcrdände und der Arbeitergewerkschaften, die Lebensmittel und Mietpreise, die Wirkung von Verordnungen und Gesetzen, insbesondere von Handelsverträgen. Zöllen, Steuern und Abgaben. Werden bestimmt formulierte Anträge dieser Art von drei Viertel aller Arbeiterkammern gestellt, so ist diesen Anträgen seitens des Reichsarbeitsamtes stattzugeben. 8 26. Die Mitglieder des Reichsarbeitsamtes, der Arbeits- ämter und der Arbeiterkammern erhalten für die Sitzungen, welchen sie beiwohnen, eine Entschädigung und Ersatz der Reise- kosten. Die Höhe dieser Entschädigungen setzt das Reichsarbeits- amt fest. Schlußbestimmungen. § 27. Die Kosten, die aus der Durchführung dieses Gesetzes entstehen, trägt daS Reich. Sie sind alljährlich in den ReichLetat einzustellen._ parlamcntanfcbeö, Die Kommission zur Beratung deS Arbeitskammergeseiz-EntwurfS begann am Dienstag unter dem Vorsitze des Abg. Legten ihre Ar- beit. Die Sozialdemokraten hatten einen vollständig ausgearbeite- ten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Errichtung eines Reichs- Arbeitsamts, eines Arbeitsamis für den Bezirk jeder oberen Ver- waltungsbehörde und einer Arbeiterkammer für den Bezirk jedes Arbeitsamtes, vorgelegt.(Wir bringen den vollen Wortlaut dieses Entwurfs in der heutigen Nummer zum Abdruck.) Die Koni- Mission mutzte daher zunächst entscheiden, ob sie ihren Beratungen den Entwurf der Regierung oder den Entwurf der Sozialdemo- traten zugrunde legen soll. Die Genossen S e v e r i n g und Böme Iburg traten für den sozialdemokratischen Entwurf ein. mit dem Hinweis darauf, daß die Arbeiterkammern die Grundlag? der geplanten Interessenvertretung bilden müssen. Dem stimmten auch einige der bürgerlichen Abgeordneten zu. Daraus sei aber später zurückzukommen. Gegenwärtig handele es sich nur um Arbeitskammern, die zunächst unter Dach und Fach zu bringen seien.... So kam es, daß die Kommission mit allen Stimmen gegen die der Sozialdemokraten und der Polen den§ 1 des sozial- demokratischen Antrags ablehnte. Im übrigen wurde anerkannt, daß der sozialdemokratische Antrag eine folgerichtig und zweckmäßig aufgebaute Organisation enthalte, die nicht nur Gutachten ob- zugeben, sondern auch bei der Durchführung des gesetzlichen Ar- bettcrschutzeS mitzuwirken habe. Nur ein konservativer Abgeord- neter glaubte sicff die geistreiche Bemerkung le,sten zu dürfen, in Konsequenz des Entwurfs fehle nur noch, daß der Bundesrat die Beamten des ReichS-Arbeitsamts auf Vorschlag der sozialdemokra- tischen Partei anstellen müsse! Dem ostelbischen Junker ant. wartete Genosse Bömelburg: ES sei bedauerlich, daß mit solchen Kindereien eine so ernste und für die Arbeiter so wichtige An- regung bekämpft werde. Darauf wurde mit der Beratung des Z 1 der Regierungs­vorlage begonnen. Nach diesem Paragraphen sollen Arbeitskammern für einenGewerbezweig oder mehrere verwandte Gewcrbezweige aus fachlicher Grundlage errichtet werden, soweit nach dem Stande der gewerblichen EntWickelung ein Be> dürfnis besteht. Hierzu will Abg. Manz hinzugefügt haben: In besonderen Fällen kann die Errichtung von Arbeitskammern auch für verschiedene Gewcrbezweige erfolgen". Der Staatssekretär des Innern, Herr v. Bcthmann-Hollweg, bat dringend, den Antrag abzulehnen. Er versicherte, daß bei Er- richtung der Arbcitskammern der Kreis derverwandten" Gewerbe- zweige so Iveit gezogen würde, daß allen Bedürfnissen Rechnung getragen iverdcn könne. Der Antrag Manz wolle eine gemein- samc ArbcitSkammcr für solche Gewerbezweige� die gar nichts Ge» meinsames haben. Solche Arbeitskammern würden zu politischen Diskutierklubs werden. Demgegenüber wiesen mehrere Redner nach, daß verschiedene Gewerbezweige oft aufs engste zusammen- hingen, ohne daß sie alsverwandte Gewerbezweige" zusammen- gefaßt werden können. Herr v. Bethmann-Hollweg erkannte schließlich an, daß in dieser Beziehung der Wortlaut der Vorlage ungenügend sei. Er versprach, daß die Geheimräte im Reichsami des Innern versuchen werden, diese Lücke zu beseitigen. Infolge dieser Erklärung zog Herr Manz seinen Antrag zurück. GcschöftsordnungZreform. Die GeschästSordnungskommisston setzte am Dienstag ihre Ve- rawngen fort. Es handelte sich um die Frage, ob bei Inter­pellationen Anträge gestellt und ob die Stellung von Anträgen an gewisse Bedingungen geknüpft werden sollten. Gegen daS Recht auf die Stellung oon Anträgen über­haupt sind die Konservativen und Freikonservativen. Da sie damit nicht durchdringen würden, suchen sie ihr Ziel auf Umwegen zu erreichen. So ist es nur zu verstehen. daß sie dreißig Mitgliedern das Recht geben wollen, durch Einspruch die Srellung jedes von anderer Seite gestellten Antrages zu vereiteln. Tatsächlich würde daS darauf hinauskommen, der konservativen Partei die Macht in die Hand zu geben, die Stellung von Anträgen überhaupt zu vereiteln. Die anderen bürgerlichen Parteien wollen die Zu- lässigkeit der Stellung vo» Anträgen bei Interpellationen von der Genehmigung der Mehrheit abhängig machen. Die Sozialdemokratie will die Stellung von Anträgen bei Interpellationen nur den nämlichen Bedingungen unter- werfen, die bei anderen jetzt schon vorgeschrieben sind: die Unter- stützung von 89 Personen soll geniigen. Dinger(Soz.) vertritt den sozialdemokratischen Antrag mit dem Hinweise daraus, daß andere Kautelen, als sie von der Sozial- demokratie bei Jnterpellationsanträgen gefordert werden, selbst dann nicht nötig find, wenn es sich um Anträge von größter Bedeutung. um VersassungSaniräge z. B. oder um die Bewilligung von Hunderten von Millionen Mark handelt, v. D» r k s e n(ftk.) sieht die größten Gefahren für Deutschland heraufziehen, wenn fortgesetzt Mitzlrauens- Voten gegen die Regierung beantragt werden können. Er ivarnt vor diesem Schritt aus dem Wege zum Parlamentarismus. Es wäre ja möglich, daß schließlich ein Reichskanzlerdie Nerven verlieren" könne, wenn ihm fortgesetzt Mißtrauensvoten ausgestellt würden. Linck(natl.) und Gr äs(Aniisemit) meinen, das Recht der Mehrheit würde beeinträchtigt, wenn Minderheiten bei Interpellationen Anträge stellen könnten. Zehnter und Kirsch(Z.) weisen darauf hin, daß gegen Mßvrauch des Rechts auf Stellung von Anträgen dadurch Bürgschaften geschaffen werden könnten, daß nur solche Anträge zulässig sein dürften, die keine Gesetzentwürfe enthalten und die den Gegenstand der Interpellation unmittelbar betreffen. Ledebour(Soz.) erklärt, daß die Sozialdemokraten gegen die letztere Anregung nichts einzuwenden hätten, da der Natur der Sache nach die Anträge aus dem sachlichen Inhalt der JnterpellationL- besprechuug hervorgehen müßte. Wenn sich also, über eine materielle Begrenzung des AutragsrechtS sprechen lasse, so sei doch für die Sozialdemokratie die llnterwerimig des Antrag. rccht< der Minderheit unter die Vormundschaft der Mehrheit absolut unannehmbar. Würde nach dem Wunsche der National- liberalen verfahren, so würde z.B. im englischen Parlament während der ganzen Dauer der Legislaturperiode bei einer ausgesprochenen Mehrheit der Regierung die Einbringung von Mißtrauensvoten über- Haupt unmöglich. Schon dieses Beispiel zeige die volle Absurdität des Gedankeus der Mehrbeitsvornrundschaft. AuS den AuSführlingcn des Herrn v. Dirlien gehe hervor, daß die Äonservativen die Herr- schafr einer Minderheit, einer kleinen Clique, die sich um Parlaments- beichliisse überhaupt nicht zu kümmern brauche, tu Deutschland ver- ewigen wollten. J u n ck(»all.) erwidert gegenüber dem auS England gewählten Beispiel, daß ja die Minderheit, wenn sie allmählich durch Gesinnungswandel von MehrheitSelementeu sich so verstärkt habe, daß sie zur Mehrheit geworden sei, zur' Eiubringung von Mißtrauensvoten kommen könne. Kret h(k.) sucht in breit augelegten Ausführungen alle die Mög- lichkeiten auszumalen, die zur Schädigung der Rcichsiiitereffen aus der Erweiterung der Parlamentörechte hervorgehen könnten. Er meinte, ohne Znstinimimg des Bundesrats sollten nicht einmal Aenderungen der Geschäftsordnung durch den Reichstag vorgenommen werden. Singer weist nach, daß diese Kreihsche Auffassung sogar gegen die bestehende Veriassung verstoße, da gegenwärtig das Recht des Reichstags auf selbständige Äenderung seiner Geschäftsordnung un- bestritte» sei. Alle Krclhschen und Dirkienschen Schreckgespenstcr hietleu einer ernsthaften Erwägung nicht Stich. Die Entivickelung zum Parlamentarismus, gegen den die Sozialdemokratie selbstredend nichts einzuwenden habe, hänge schließlich ab von der Verschiebung des KraftverbältiiisseS der Machifaktoren. Daß die Konservativen den gegkinvnrlige» Zlistand aufrechterhalten wollten, sei ganz begreif- lich, da ihre Parteiinreresse» dadurch gefördert würden. Hierauf wurde die Debatte vertagt. Bei Festsetzung der nächsten Sitzung beantragte Ledebour , sie am Donnerstag abzu- halten und dann fortlaufend an jedem Morgen zu tagen, wenn nachmittags Plenarsitzmigen stattfinden, da sonst die Verhandlungen sich wochenlang, ja monatelang hinziehen würden. Der Antrag wird von M ü l l e r- Meiniiigen(frets. Vp.) und Junck(natl.j unterstützt; die Mehrheit(Konservative und Zentrum) entschied sich aber für Beibehaltung der Sitzungen am Freitag und Dienstag. _ Aus der Vudgetkommission des Reichstags. (8. Sitzung vom 26. Januar.) Zu Beginn der Sitzung wurde vom Vorsitzenden mitgeteilt, daß in einem auswärtigen Blatte ein Bericht über die Verhandlungen der Kommission erschienen sei, die als vertraulich angesehen werden sollten. Nachdem der betreffende Abgeordnete erklärt hatte, daß er bedauere, sich über die Nalur der gemachten Mitteilungen im Irrtum befunden zu haben, wird die Angelegenheit für erledigt erklärt. Um späteren Irrtümern zuvorzukommen, soll bei vertraulichen Mit- teilungen lewetls an der Eittgangslür ein entsprechendes Plakat au- gebracht werden, damit auch später kommende Abgeordnete über den Charakter der Verhandlungen informiert sind. Hierauf setzte Staatssekretär v. S ch o e n seine vertraulichen Dar- leguiigen über unsere auswärtige Politik aus der vorhergegaugeneu Sitzung fort, wobei er unter anderem betonte, daß die Nachrichten in der Presse über das Anhalten zweier deutscher Dampfer der Wör- manntinie an der liberischen Küste ungenau seien. Die Behörden der Republik Liberia hätten übrigens ihr Bedauern über den Porfall ausgedrückt. Ein Mitglied der Kommission beschwerte sich darüber, daß die Reichsregieruug für die FnedenSbestrebuitgen, wie solche durch die interparlameutarischen Konferenzen zum Ausdruck gelangen, keine Ausioendungen mache. Staatssekretär Sydow erklärte, daß es sich hier nicht um die eventuell in Betracht kommenden geringen Summen, sondern um ein Prinzip handele: der erste Schritt tühre unter Umständen zu weitgehenden Konsequenzen. Staats- sekretär v. S ch o e u bringt den FriedenSbestrebuttgen große Sympathie entgegen und hält die Schlichtung von Streitig- leiten durch internationale Schiedsgerichte im allgemeinen für vorteilhast; dabei sei aber nicht zu verkennen, daß es Fälle geben könne, wo die Wichtigkeit deS Gegenstandes in keinem Perhältnis zu den nicht geringen Kosten stehen würde. Sodann veibrettele sich der Staatssekretär über die für die Zulassuitg zum viplotnatischen Dienst geltenden Grundsätze. In der Presse sei nach- drücklichst behauptet worden, daß bei Anstellung zum diplomatischen Dienst aus eine gewisse Exklusivität des Korps gesehen werde. Eine größere Zeitung habe, um die Bettachteiliguttg de» Bürgerrums durch adelige Bewerber darzutun, eine Liste aufgestellt, die bei 199 Namen 45 Uurichtigleiten enthielt. Aber der Herr Staatssekretär mußte zugeden, was er erst zu bestreiten versuchte: daß die bürger- lichen Elemente im diplomatischen Dienst nicht allzu stark vertreten sind. Durch die nachstehenden, von ihm selber mitgeteilten Zahlen bewies er zur Genüge, wie im Reich gerade wie in Preußen die A d e l s k a st e die Leitung auch unserer auswärtigen Politik völlig in Händen hat. Von 137 im höheren diplomattschen Dienst stehenden Beamten gehören an: dem allen Adel 79, deinälteren neuen Adel" 23, dem neuen Adel 35. zusammen 128. Diesen stehen ganze 9 Beamte bürgerlicher Herlunft gegenüber I Diese ver- vlüffende Tatsache suchte Herr v. Seimen damit zu rechtfertigen, daß sich auS dem Adelsstande mehr Anwärter melden als aus den bürgerlichen Kressen. Ein UnterichieS, erklärte er, würde nicht ge- macht, denn er selber sei der lebende Beweis dafür: er entstamme auch einer bürgerlichen Familie.... Nächste Sitzung: DonnerSrag. In der Rechnungskommission des Reichstags kam es am Dienstag zu interessanten Erörterungen. Es ergab sich, daß der Bau der Bahn Swakopmund KaribibWindhuk, für den ursprünglich 5 Millionen Mark vorgesehen waren, auf über 15 Millionen Mark zu stehen kommt und wirtschaftlich fast völlig ailssichtslos ist! Bezüglich der Hasenmolenkaianlagen in Swakopmund wurde zugegeben, daß die ganzen Arbeiten, die zirka 3 Mil- lionen Mark gekostet haben, gänzlich wertlos geworden sind, daß man in der Mole zur Zeit der Ebbe trockenen Fußes spazieren gehen kann! Dazu kommt, daß festgestellt wurde, daß der Molenkaibau ohne Genehmigung des Reichstages ausgeführt wurde. Die Beschlußfassung darüber wurde aus- gesetzt, weil der Referent S ch w a r z e- Lippstadt, vom Kolonialamt erst Auskunft über verschiedene Sachen einholen wird. Von unserer Seite sprachen Hengsbach und Ulrich: sie vertraten die Ansicht, daß derjenige, der die Schuld daran trägt, daß der Hafenmolenkaibau ohne Genehmigung des Reichstages ausgeführt worden ist, zur B e r a u t w o r« t u n g g e z o g e n werden müsse. Die Reichstagskommission für die Reform des ZivilprozeffeS hat am Dienstag über einen Antrag der Genossen Frank und F r o h m e beraten, wonach die Amtsgerichte künftig Arbeitersekretäre und GewerkschastSbeamte nicht mehr als Vertreter zurückweisen dürfen. Sämtliche bürgerlichen Parteien redeten und stimmten gegen unseren Antrag, nur ein kleiner Teil deS Zentrums unter­stützte unsere Genossen. Tritlksachcn. AusdempreußischenAbgeordnetenhauS.(Nr. v> Nachweisuna der Kommissionen und deren Mitglieder. (Nr. 45) Nachrichten von dem Betriebe der unter der preußischen Berg-, Hütten- und Salinen verw altung stehenden Staatswerke während des EtatSsahres 1997. (Nr. 48, V) Alphabetisches Verzeichnis der in der Besoldung»« ordnung... aufgeführteu Beamten.