hatken, das; aßet das Publikum gewarnt werden müsse, sichallzu optimistischen Hoffnungen hinzugeben. Herr Dem-bürg bestritt den vermuteten Einfluß seiner Rede.Zu einer lebhaften Ausemaiwersehungjam es dann, alsdie Rechnungslegung über das Schutzgebiet«üdwestafrika für1901 zur Sprache kam. Als Berichterstatter der Rechnungs-kommission wies Ulrich(Soz.) auf die Etatsüberschreitunghin, die darin liegt, daß für die V o r a r b e i t e n z u m Baueiner Bahn von Windhuk nach Rehobot 209 909Mark ausgegeben seien, die nicht vom Reichstag bewilligtwurden. Es stelle sich das als eine schwere Verletzungdes Budgetrechts heraus. Die Bahn sei heute nochnicht ausgeführt. Die Vorarbeiten feien also überflüssig ge-Wesen. Die Mehrheit der Kommission fei allerdings für Be-willigung der Indemnität gewesen, die Minderheit aber da-gegen. Die Sozialdemokraten beantragten denn auch,die Indemnität zu verweigern.Für die Indemnität legte sich mit großem patriotischenEifer der kürzlich zum Prof-ssor avancierte OberlehrerG ö r ck e(natl.) ins Zeug. Erzberger(Z.) wies dagegendarauf hin, daß im Jahr- 1995 andere nationalliberale Mit-glieder der Budgetkommission, z. B. Herr P a a s ch e, sich sehrentschieden dahin ausgesprochen haben, daß solche Verletzungendes Budgetrechts nicht geduldet werden dürften. Er be-antragt die Zurückverweisung an die Kom-Mission.Als über diesen Antrag abgestimmt werden soll, be-zweifelt Graf O r i o l a(natl.) die Beschlußfähig-k e i t des Hauses. Da auch der Präsident seinerseits gar nichtzweifelhast sein konnte, daß die Beschlußfähigkeit nicht mehrbestand, war damit das Haus gesprengt.Der Präsident konnte nunmehr kraft seiner Machtvoll-kommenheit die Tagesordnung der nächsten Sitzung(Donnerstag) festsetzen und bestimmte dazu: Die zweiteLesung des Etats(ReichsamtdesJnnern). Die Fort-setzung der Debatte über die schwarzen Listen ist somit ver-eitelt.Deplacierte Scharfmacherei.Man kann sich nicht leicht eine Gelegenheit denken, dieweniger geeignet wäre zum Scharfmachen und Hetzen gegendie Sozialdemokratie, als die Indiskretions-Episode aus derBudgetkommission. Nichtsdestoweniger hat ein Teil derbürgerlichen Presse das Kunststück fertig gebracht, im Anschlußan jene Vorgänge sogar die törichte Frage anzuschneiden, obdie Sozialdemokraten nicht aus Kommissionssitzungen, indenen vertrauliche Dinge behandelt werden, ausgeschlossenwerden sollte, und dergleichen Unsinn mehr.Es versteht sich von selber, daß die edlen Sozialisten-töter zu solchen rabiaten Schlüssen nur kommen konnten, in-dem sie die Vorfälle entstellten und den Schwerpunkt derTinge durch skrupellose Künsteleien verschoben. Die edlenThronstützen haben bei der törichten Attacke nur vergessen,daß die„Staatserhaltenden", wenn es in ihren Kram paßt,sich gar kein Gewissen daraus machen, Inoiskretionen zu be-gehen, ohne Rücksicht auf deren Tragweite, ohne Rücksicht aufderen Wirkung im In- und im Ausland. Oder ist das Ge-dächtnis der Herrschaften wirklich so schwach, daß sie— ganzabgesehen von früheren Dingen dieser Art— sogar schon dieungeheuerliche Indiskretion vom 1. Januar d. I. vergessenhaben: die Indiskretion über die Vorgänge nach dem Dinerder kommandierenden Generäle Wilhelms II!Die Ironie der Tagesgefchichte will es, daß jenen konser-vativen, nationallrberalen und sonstigen Halb-Politikern und Viertelsjournalisten jetzt von der--„Konservativen Korrespondenz" heimgeleuchtet wird, die über die„Affäre" das folgende schreibt:„Zu den Indiskretionen aus der Budgetkommission veröffentlicht die sozialdemokratische Reickstagsstaktion eine Er-klärung, worin festgestellt wird, daß der„Vorwärts" von deneigentlichen Indiskretionen des Abgeordneten Noske nicht Notizgenommen, sondern von den darüber in einer späteren Sitzungder Kommission gepflogenen Erörterungen berichtet hat,weil er von deren vertraulichem Charakter nichts gewußt habe.Schließlich heißt eL in der Kundgebung:„Wir stellen fest, daß dieFraktion eS von jeher als selbstverständlich gehalten hat, daßüber vertrauliche Auskünfte keinerlei Mitteilungen gemachtwerden, weshalb die Fraktion diese beiden Vorkommnisse lebhaftbedauert."Man wird zugeben müssen, daß diese Feststellung der Wahr-heit entspricht. Auch ist in der Budgetkommission der Versiche-rung deS Abgeordneten Noske, er habe seinen Bericht-, in dem nurerwähnt sei, über welche Dinge der Staatssekretär des Aeußern.nicht aber welche Auskunft er erteilt habe, für einwandsftei gehalten, Glauben geschenkt worden. Wir werden gewiß nicht inden Verdacht kommen, den Sozialdemokraten als Helfershelfer andie Seite treten zu wollen. Aber wir fühlen uns gedrungen, derWahrheit entsprechend hervorzuheben, daß zwar der AbgeordneteNoske die Indiskretion insofern beging, als er dem sozialdemo-kratischen Parlamcntsburcau den erwähnten Bericht erstattete, daßaber weder ihm noch anscheinend dem Bureau die Verbrei»tung dieser Indiskretion zur Last fällt. Denn soweit wir diesozialdemokratische Presse verfolgen, haben wir darin keineWiedergabe der Indiskretionen gefunden.Das Charakteristische ist vielmehr, daß der nichtsozialdemo-kratische Berliner Vertreter der„Neuen Freien Presse" in Wien.Dr. Goldmann— nornen et omen— einen Angestellten dessozialdemokratischen Preßburoaus veranlaßte, ihm den NoSkeschcnKommissionsbericht zu übergeben und daß er dann die darin ent-haltenen vertraulichen Meldungen an das Wiener Blatt tele-graphisch weitergab, alzo gegen die Interessen Deutschlandshandelnd sie an das Ausland verkauft«. Das ist der springendePunkt der Indiskretionen, dessen prinzipielle Bedeutung nichtunterschätzt werden darf."Wir werden gewiß wicht in den Verdacht kommen, demHerrn Dr. Goldmann an die Seite treten zu wollen, zumalda wir ja zur Genüge betont haben, daß wir die Veröffent-lichung jener Mitteilungen, obwohl sie wahrhaftig nichts„Staatsgefährliches" enthielten, mißbilligen, weil sie nunmal für diskret erklärt worden waren. Aber wenn die„Kon-scrvative Korrespondenz" ausnahmsweise in Objektivitätmachen wollte, so hätte sie auch d i e Frage prüfen müssen,ob dem Wiener Journalisten betannt war. daß er„vertrau-liche" Mitteilungen an sein Blatt gabDer Kampf um das preußische Wahlrecht.Die Kieler Polizeibehörde hat die von der Leitung dersozialdemokratischen Partei nachgesuchte Genehmigung zur Abhaltungeiner Wahlrechtsversammlung auf einem freien Platze innerhalb derStadt versagt. In der Begründung heißt es, daß durch das Zu-sammenströmen unbegrenzter Menschenmengen auf dem Platze unddessen nächster Umgebung die öffentliche Sicherheit gefährdet werdenkönnte.— Für die von der sozialdemokratischen Partei zum Sonn-tag, den gl. Januar, einberufenen sechs Wahlrechtsversammlungenhat die Polizei dadurch eine unbezahlbare Reklame gemacht.Eine Wahlrechtsversammlung, die auS Rücksicht auf dieKruppi'chen Arbeiter zu Freitag abend 6 Uhr tu Essen- Westeinberufen war. hatte einen Besuch von mehr als l'/a TausendPersonen aufzuweisen. Die Stimmung war eine begeisterte. Diezahlreich aufgebotene Polizei bekam nichts zu tun.Der stolze Senat.Am 22. d. M. tagte in Hamburg eine große Versammlung, diesich mit der brennenden Arbeitslosenfrage beschäftigte. Es wurdeeine Kommission gewählt und beaustragt, dem Senat die Beschwerdenund Wünsche der Arbeitslosen vorzutragen. Wie uns ein Privat-telegramm meldet, hat der erhabene Hanseatensenat gestern(Sonn-abend) der Kommission die Mitteilung zukommen zu lassen geruht:er sehe sich„nicht in der Lage, der Bitte um Gewährungpersönlichen Gehör? zu entsprechen" IOb die 13 Senatoren zu stark beschäftigt find, um sich mit sogleichgültigen und nebensächlichen Dingen, wie die erschreckendeArbeitslosigkeit dieser Tage, zu placken, oder ob sie nur der Be-rllhrung mit dem schlichten Rock aus dem Wege gehen wollen,darüber scheinen sie sich in ihrem Ablehnungsdekret nicht weitergeäußert zu haben._Graf Strachwitz als Sozialpolitiker.Der schlesische Zentrumsgraf Strachwitz ist einjunkerlicher Draufgänger, der sein reaktionäres Herz auf der Zungeträgt und aus seiner arbeiterfeindlichen Gesinnung kein Hehl macht.Er wird infolgedessen seiner Partei, die auf ihr Renommee alsVolks- und arbeiterfreundliche Partei hält, manchmal unbequem,was indessen den frommen Grafen nicht anficht— wohl in derUeberzeugung, daß er nicht der einzige in der Zentrumsfraktion ist.der derartig denkt, wenn auch die anderen es vorziehen, mit ihrerwahren Gesinnung hinter dem Berge zu halten. Seine Aus-führungen bei der Arbeitslosendebatte im Abgeordnetenhause gebender„Westdeutschen Arbeiter-Zeiwng" Anlaß, sich den Herrn Grafenmal vorzunehmen. Sie nennt ihn einen Einspänner, dessen Herzbei den Konservativen rückschrittlichster Richtung sei. Da indessendas Zentrum als Volkspartei alle Stände in allen GegendenDeutschlands zu vertreten habe, so müsse es auch einenGrafen Strachwitz unter sich dulden.Das Geständnis ist wertvoll. Es besagt, daß das Zentrumals„Volkspartei" die Pflicht fühlt, auch die rückschrittlichsten undarbeiterfeindlichsten Interessen zu vertreten und die Vertretersolcher Interessen— siehe Graf Strachwitz— in die parlamentarischen Körperschaften aufzunehmen.Das M.-Gladbacher Blatt geht dann die Ausführungen desGrafen Strachwitz bei der Arbeitslosendebatte durch und meint:„Man fragt sich unwillkürlich, wie kann die Zentrumsfraktiondes preußischen Landtags einen Herrn bei einer solchen Gelegen-heit Anschauungen vertreten lassen, die dem Programm der Zen-trumSpartei, ihrer ganzen Geschichte, ihrer ganzen bisherigenverdienstvollen(?) sozialpolitischen Tätigkeit ins Gesicht schlagen?Kein nationallrberaler und kein konservativerRedner hat der deutschen Arbeiterschaft solcheP rovokqtionen und Beleidigungen zu sagengewagt, wie dieses schlesische Mitglied der Zen-trumSpartei/ Dabei ist Graf Strachwitz Mitglied desVorstandes der Zentruinsfraktion des preu-ßifchen Abgeordnetenhauses."Wenn das Zentrum als„Volkspartei" einen Grafen Strachwitzunter sich dulden und ihm einen Parlamentssitz einräumen muß.dann muß es dem Herrn Grafen auch wohl gestatten, seinerMeinung als Abgeordneter Ausdruck zu geben— umso mehr, alsGraf Strachwitz in feiner Fraktion nicht allein steht, denn, wiedas M.-Gladbacher Blatt selber berichtet, spendeten ihm seineFraktionskollegen aus Schlesien gemeinsam mitden Konservativen Beifall. Wozu also die Aufregungüber den„Einspänner"? Die„Westdeutsche Arbeiter-Zeitung" willdurch ihre Ausführungen Verwahrung dagegen einlegen,„daß manden Grafen Strachwitz der Zentrumspartei an die Rockschöße hängt",wobei das Blatt versichert, daß dieser Herr im Westen als Abge-ordneter der Zentrumspartei unmöglich wäre.Damit sagt uns das Blatt nichts Neues. Das Zentrum hatviele Gesichter, die es ja nach den Umständen aufsteckt. An seinerreaktionären Grundlage ist damit nichts geändert. Uebrigens istder Zentrumsagrarier im Westen nicht weniger Volks- und arbeitcr-feindlich als der im Osten, und Aeußcrungen wie die des GrafenStrachwitz bei der Arbeitslosendcbatte kann man häufig genug inder„R h e i n i s ch e n V o l k s st i m m e", dem Blatt der rheinischenZcntrumsbauern, lesen._Eröffnung des reichsländischen LandesausschnssesIn Straßburg wurde gestern die 36. Tagung deS LandeSauS-schusies' durch den kaiserlichen Statthalter mit einer Anspracheeröffnet. In dieser heißt eS, daß die finanzielle Lagedes Landes noch immer unter dem Einfluß des allgemeinenwirtschaftlichen Rückganges stehe. Der Abschluß für daslaufende Rechnungsjahr werde daher voraussichtlich noch er-heblich ungünstiger ausfallen. Da außerdem die Reichsfinanz«reform die ertragreichen Einnahmequellen des Landes erheblich ,nMitleidenschaft ziehen würde,. wäre es erforderlich, neue regelmäßigeEinnahmequellen für daS Land zu erzielen. Ihre Gestaltung würdein erster Linie von dem Abschluß der ReichSfinanzreform abhängigsein. Die Ansprache kündigt eine Reihe von Gesetzentwürfen, unteranderen betreffend Gemeindebesteuerung und Erhöhung der Lehrer-und Psarrergehälter an und teilt mit. daß die Rhciuregulierung,soweit sie fertig, für die Schiffahrt die erwarteten günstigen Er-gebniffe gehabt habe.Liberale Knechtseligkeit.Einen neuen Polizeidirektor bekommt das„liberale" Leipzig inder Person des bisherigen Stadtrats Dr. Wagler. Der Vorgangwäre des Rcgistrierens nicht wert, wenn bei der Wahl nicht dieerbärmliche„liberale" Knechtscligkeit in der widerlichsten Form zutagegetreten wäre und der„liberale" Oberbürgermeister Dr. Dietrichden neuen Herrn nicht noch mit den Worten scharf gemacht hätte:.Ermöge sein Amtrnit fester und sicherer Handführen/— Dieser Wink war um so unangebrachter, alsDr. Wagler, als Dezernent des Schulwesens, durch sein kasernen-und polizeimähigcs Auftreten sich den brennenden Haß aller dererzugezogen hat, die in den Schulen doch noch etwas anderes alsreaktionäre Muckcranstalten sshen. Das Schönste aber ist, daßweder der Rat noch die Stadtverordneten dem Polizeidirektor etwa?in sein Amt dreinzureden haben; er untersteht in seinen Ent-schließungen einzig und allein der Regierung, die Stadtvertretunghat nur da» Recht, ihn zu wählen und sein Gehalt zu bewilligen.Den neugewähltcn Vertreter als Polizeichef scharf zu machen,dazu lag aber, abgesehen von allen anderen Gründen, kein Anlaßvor, da Wagler in der Leipziger Polizeistube unter dem Sozialisten-gesctz„ausgebildet" worden ist. Er war von 1332— 87 Polizei-referenvar, also in einer Zeit, wo das Leipziger Polizeiamt durchseine Sozialistenbekämpfung berühmt geworden ist. Von 1891 anwar Waglcr wiederum Polizeiassessor und von 1893 an Polizeiratin Leipzig.— Neben Wagler warer auch einige Bewerber um dieDirektorenstelle auf der Liste, die den Ruf haben, etwas wenigerreaktionären Anschauungen zu huldigen. Die Leipziger Spießerhaben aber die Namen dieser„liberalen" Bewerber sofort vonder Liste g e st r i ch e n. Das liberale»Leipziger Tag-eblalt"begrüßt den neuen Herrn mit den Worten:„In dieser ganzen Zeit hat Dr. Wagler sich stets als strengrechtlicher Charakter und als äußerst gewissenhafter Beamterbewährt, so daß ihm in seinem neuen Amte. da» größte Vertraueneiitsicgengebracbt werden-kann.",'■LS« wns will msn nun noch wchrl—/Nationalmiserable Flegeleien.„Die Menge zerstreute sich in die umliegenden Schnapiknelpen."--„Nach Schluß der Sitzung skandalierte dcr Pöbel vor dem Rat-haus." In diesem Stil berichtet jetzt die„Kölnische Zeitung"über Arbeiterkundgebungen. Der erste Satz bezieht sich auf dieBerliner Wahlrecht sdemon st ratio», der zweite auf eineKundgebung der Braunschweiger Arbeitslosen. Wenn man inden gleichen Stil verfallen wollte, den das Organ derer von Bildungund Besitz kultiviert, so hätte man dieser Tage mit mehr Recht be-richten dürfen:„Die nationalliberalen Patriotenwaren zur Fei« des 27. Januar, wie üblich, wieder gründlich b e-s o k f e n."—_Eine gute Antwort.Die Regierung des Herzogtums Braunschweig lebt dcrkindlichen Hoffnung, daß sie die Ausbreitung der Sozialdemokratiein ihrem Ländchen verhindern könne, indem sie den sozialdemo»kratischen Agitatoren und Vertrauensmännern das jedem Bürger zu-stehende Recht entzieht. Holz aus den Staotswäldern zur sogenannten„Gnadentaxe", das heißt zu ermäßigten Preisen zu beziehen. Soging am 21. April 1993 dem Genossen Schuhmachermeister KarlHeindorf in Braun läge folgend» Verfügung des Gemeinde-Vorstehers zu:Zufolge der Verfügung der Herzog!. Kammer, Direktion derForsten, vom 3. d. M.— Nr. 1370— soll ich Sie davon inKenntnis setzen, daß diejenigen Einwohner, welche als Agitatorenfür die sozialdemokratische Partei und deren Ziele eintreten, bisauf weiteres von dem Holzempfange zur Gnadentaxe aus-geschlossen sein und in die jährlichen Holzanforderungslisten nichtwieder aufgenommen werden sollen. I. V.Nebe.Dieser Tage hat nun in Braunlage eine Ersatzwahlder dritten Klasse zum Gemeinderat stattgefunden. Eswurden 196 gültige Stimmzettel abgegeben; von diesen fielen 77 aufden als sozialdemokratischen Agitator gebrandmarkten und mit Entzugdes Gnadcnholzes bestrasten Schuhmachermeister Karl Heindorf,der somit gewählt ist. Die Wähler von Braunlage haben alsoder herzogl. Regierung die gebührende Antwort auf ihr« kleinlicheMaßregel gegeben.—_Die Balkankrise.Die Haltung Bulgariens.In der bereits angekündigten, den hiesigen Vertretern derGroßmächte übermittelten Note der-bulgarischen Re-g i e r u n g wird darauf hingewiesen, daß Bulgarien sich. demeuropäischen Willen entsprechend bereit erklärt habe, der Türkei«ine Entschädigung für die Unabhängigkeitserklärung anzu-bieten. Die Pforte verschleppte nur nach gewöhnter Taktikdie Verhandlungen und habe eine neu« Schwierigkeit durchGebietsentschädigungsansprüche geschaffen. Diebulgarische Regierung erklärt, daß sie von ihrem ursprünglichenAngebot nicht zurückgehe, sich aber daran nicht dauerndgebunden halte.In einer zweiten Note verlangt di« bulgarische Negierung einrasches Einschreiten der Großmächte, weil die jetzigegespannte Lage Gefahren berge, für die die Regierung nichtdie Verantwortung tragen könne.Wie bereits mitgeteilt, hat die russische Regierungbereits die Initiative zu einer gemeinsamen Aktion der Mächte er-,griffen. Wie eS scheint, will aber die deutsche Regierungsich einer solchen Aktion nicht anschließen. Denn eine offiziöseAuslassung der„Kölnischen Zeitung" weist darauf hin, daß diePforte die Frage der GebietSentschädigung- und- Grenzregulierungbereits habe fallen lassen. Somit habe sich, tri« Lage im Laufeder letzten 24 Stunden ganz weftnUich gebessert, und esgewinne den Anschein, als ob jetzt bereits dasjenige erreicht sei,was von der russischen Note angestrebt wird. Ob unter diesenUmständen ein Zusammentritt der Mächte, wie ihn die rusfischeNote vorsähe, überhaupt noch nötig sei, scheine zweifelhaft.Das ändere aber nichts darag, daß die gute Absicht der russischenRegierung volle Anerkennung verdiene.Nach den neuesten Nachrichten erscheint aber die Auffassungzu optimistisch, da die Türkei ihre Forderung nach GebietSabtre-tung nicht definitiv fallen gelassen hat. WaS die Geldentschädigunganlangt, so beträgt der Unterschied zwischen dem bulgarischen An-gebot und der türkischen Forderung allerdings nur mehr 18 Mill.Francs. Daß eS wegen dieser geringen Differenz zu ernstenVerwickelungen kommen könnte, erscheint allerdings ausgeschlossen.Oektemid,.Der Bnmmel.Prag, 30. Januar. Da für Sonntag neue Ausschreitungender fanatisiertcn Chauvinisten zu erwarten sind, hat die Polizeiden Bummel der deutschen Studenten ver-boten.-»Schweiz.Trennung der Kirche vom Staate.Basel, 24. Januar.(Eig. Ber.) In unserem Kanton steht seit1906 die Frage der Trennung der Kirche vom Staate auf derTagesordnung mid die Regierung hat in einer umfassenden Vorlagedie kirchlichen Verhältnisse dargestellt. Die direkte Trennung beau-tragte die sozialdemokratische Fraktion des Großen Rates, währendandererseits die Katholiken eine jährliche Staatssubvention von 4000 Fr.an die katholische Kirche verlangten. In seiner jüngsten Sitzung behau-delte der Große Rat die Frage neuerdings, wobei die Grundlage der Ber-Handlungen ein Antrag der Regierung bildete, die Partialrevisionder Verfassung zu beschließen und sie durch den Großen Rat selbstvornehmen zu lassen. Aber mit der vorgeschlagenen Berfassungs-änderung verfolgt die Regierung nicht die restlose Trennungder Kirche vom Staate, sondern nur die Gütertrennungzwischen beiden und die Verpflichtung zur Bildung fester ReligionS-genossenschasten, die für sich selber sorgen sollen. DaS würde dievöllige materielle Trennung bedeuten.Die katholischen Vertreter wandten sich wie schon früher gegendie Trennung, während andererseits die Vertreter der reformiertenLandeskirche und die sozialdemokratischen Redner die Trennungempfahlen.Von sozialdemokratischer Seite führt« unser Genosse Dr. Kn örrauS, daß die Sozialdemokratie nicht religionsfeindlich fei,zählt sie doch Pfarrer in ihren Reihen und ist noch niemand wegenseiner religiösen Anschauungen belästigt worden. Nicht einverstandensei sie mit der einfachen Uebertragung des Kirchen- und Schulgutesan die Landeskirche, daS auch der Schule und den Armen dienensoll. Da die radikale Trennung vorläufig noch nicht möglich, schließtsich die Partei dem Vorschlage der Regierung an.In der Abstimmnng wurde unter Ablehnung aller anderen An-träge derjenige der R e g t e r u n g mit 119 Glimmen einmütig an-genommen.�ankreid».Eine Krise in der ArbeitSkonföderatio».Paris, 27. Januar(Eig. Ber>Im Borstand der ArbeitSkonföderation herrschen fest einiger ZeitUnstimmigkeiten, die teils auf persönliche Gegensätze, teils auf