■ hohen Geldstrafen belegt und jede weitere Publikationstrengstens uutersagt. Jetzt foigt die dritte Maßregel,die allerdings zugleich die offizielle B c st ä t i g u n g derrussischen Regierung ist, daß A z e w, der Mitglied deLZentralkomitees der russischen sozialrevolutionären Partei,Agent Provokateur der russischen Regierung war.In Petersburg ist der frühere Chef der Geheimpolizei,Lopuchin, verhaftet worden. Er war unter Plehweder allmächtige Leiter deS Polizeidepartements im Ministeriumdes Innern. Eines der Beweisstücke, die zur Entlarvung desVerräters führten, war der von Burzew dem Unter-suchungsausschuß vorgelegte, von uns bereits veröffentlichteBrief Lopuchins, den dieser an Stolhpin schrieb, um sichgegen einen Erpressungsversuch Azews und dessen ProtektorsG e r a s i m o w, des Chefs der Petersburger Sicherheitspolizeizu schützen.Lopuchins Verhaftung erfolgte unter aufsehenerregendenUmständen. Ein starkes Polizeiaufgebot umzingelte alle Ein-gänge des Hauses, in dem hohe Polizeibeamte eine vielstündigeHausdurchsuchung vornahmen. Lopuchin soll dabei selbst denBeamten einen Brief übergeben haben, den er erst vorkurzem von Burzew erhalten hat. Inzwischen kamen derehemalige Gehilfe des Ministers des Innern, Fürst U r u f s o w,und das Mitglied der ersten Duma Fürst Dolgoruckizu Besuch. Sie wurden mehrere Stunden in derWohnung interniert und unterdessen bei ihnen undzahlreichen hervorragenden Rechtsanwälten gleichfalls Haus-suchung abgehalten. Schließlich wurde Lopuchin insGefängnis abgeführt, wo er in strengster Einzelhaft gehaltenwird. Der Zweck der Verhaftung ist klar und Lopuchin mußauch, wie sein Brief an Stolypin beweist, schon früher ähn-liche Befürchtungen vor einem Handstreich der Geheimpolizeigehabt haben. Verhastet wurden nicht diejenigen, die dieUntaten Azews unterstützten und die Mitwisser derAttentate waren, sondern derjenige, der die Mithilfeder Geheimpolizei bei den Attentaten— den erfolgreichenwie den erfolglosen— kannte und der schließlich, vielleicht� aus Furcht, daß ein solches Attentat auch gegen ihn— undmit Erfolg— gemacht werden könnte, das Geheimnis desAzew enthüllen half. Seine Verhaftung bedeutet, daßsich die Geheimpolizei ihres Mitwissers unter allenUmständen entledigen will. Daher auch die gründlicheund umfassende Haussuchung. Man will m erster Linieverhindern, daß der Nachweis, daß z. B. der Großfürst S e r-g i u s unter Mitwissen der Geheimpolizei seines Neffen� Nikolaus getötet wurde, je dokumentarisch ge-führt werden kann. Auch die zahlreichen anderen Haus-suchungen dienen demselben Zweck, die Spuren des Ver-räters und seiner polizeilichen Helfershelfer zu verwischen.Fürwahr, ein erbauliches Schauspiel! Azew. der Lock-spitzel, ist jetzt bei der Negierung des Zaren in hohen Ehren.Zu seinem Schutze rückt die Geheimpolizei aus und verhaftetihren ehemaligen Chef wegen— Hochverrats. Die Eni-larvung eines Lockspitzels Hochverrat— läßt sich eine schnei-dendcre Kritik dieses infamen Blutregimes denken? Zarund Lockspitzel— sie werden einander gleichund genießen den gleichen Schutz des Hochverrats-Paragraphen von Gnaden der schurkischen russischen Polizei-bestien._politifcbc debcrHcbt.Berlin, den 1. Februar 1909Gin neuer Konflikt zwischen technischen Beamtenund Unternehmern.Der Zusammenstoß zwischen den Angestellten-Verbänden und dem Verband bayerischer Me-t a l l i n d u st r i e l l e r hat kaum sein Ende gefunden, undschon nimmt der Großmachtskoller unserer Scharfmacherwieder Gelegenheit, die industriellen Kopfarbeiter in einenneuen Konflikt hineinzutreiben.Der Schauplatz der Handlung ist Oberschlesien.Es handelt sich um einen Zusammenstoß zwischen Gruben-kapital und Steigern(Grubenbeamte). Gerade im Hinblickauf R a d b o d, auf den gegenwärtigen Bergarbeiter-k o n g r e ß ist der jetzige Vorfall besonders aktuell.Am Sonntag fand in Berlin in den Sophiensäleneine Versammlung statt, die besonders von den Mitgliederndes technisch-industriellen Beamtenbundessehr stark besucht war.Aus dem einleitenden Referat des Herrn IngenieursL ü d c m a n n ging hervor, daß auf der G i e s ch e g r u b e in� Oberschlesien der Steiger Appelt am 9. Dezember ohneAngabe irgendwelcher Gründe gekündigt wurde. DerSteiger sieht auf eine 4�>jährlge Berufstätigkeit bei derGrube zurück. Er begnügte sich infolgedessen mit dieser un°begründeten Kündigung nicht, sondern ersucht- seine Vor-gesetzten um Angabe, weshalb sie ihn so Plötzlich auf dieStraße setzten. Der Grund wurde in der Unterredung mitdem Direktor ziemlich unverblümt dahin angegeben, er habesich als Mitglied des Bundes der technisch-industriellen Be-amten als„Agitator und Hetzer" betätigt. Tie Angestellten»ahmen darauf Veranlassung, in ihrer Organisation zu derMaßregelung Stellung zu nehmen, und wurden zunächst beider Direktion der Grube, dann beim Generaldirektor undschließlich beim Repräsentantenkollegium in Breslau, jedochimmer ohne Erfolg, vorstellig. Die Angestellten nahmen dannin einer imposanten Protestversammlung zu dieser Maßrege-lung Stellung. Tarauf zitierte der Gcneralgewaltige derGrube, U t h e m a n n, die Steiger des Bezirkes zu sich undstellte ihnen in der schroffsten Weise die Alternative, e n t-weder Bund oder Gewerkschaft, d. h. ent-weder den Austritt aus dem Bund zu er-klären, oder die S t e l l u n g auf der G r u b e, der Ge-werkschast, s o s o r t a u f z u g e b e n! Von den 13 Steigernerklärten Ii, ihrer Organisation treu zu bleiben. Sie betontenmit ruhiger Entschiedenheit, ihre Koalitionsfreiheit sich nicht.rauben lassen zu wollen. Darauf erfolgte von dem General-direktor die bezeichnende Antwort:..Koalitionsfrei-b e i t und Freiheit der Persönlichkert— eineV h r a s e." Fünf Steiger wurden sofort entlassen, sechs er-knelten ihre Kündigung. Wir haben es also hier mit einer�Maßregelung zu tun. die gegenüber dem Gewaltstreich�oer bayerischen Metallindustriellen in der denkbar schroff-st e» Weise vor sich gegangen ist.<In der Diskussion ergriff zuerst Naumann das Wort."lest der Form wie dem Inhalt nach wieder eine Art In-oustriebürgerrede. Er legte den Angestellten dar, daß die mo-oerne Arbeitsorganisation im Großbetrieb eine nivellierendeTendenz habe, daß in den Händen von einigen wenigen Ka-pltallsten sich eine ungeheure Macht verkörpert, daß nur durchunbehmderte Koalitionsfreiheit, durch die Selbsthilfe, gewcrk-schaftl.lch organisierter Verbände die Persönlichkeitsrechte desArbeiters und des Angestellten gewahrt werden könnest.Naumann fand manch kräftiges Wort zur Charakteristikunserer Kapitalmagnaten, schade nur, daß er in Versamm-lungen wohl derartige Reden hübsch zu halten versteht, daßaber seine praktische Tätigkeit als Politiker und Paria-mentarier sich nicht in dem gleichen Sinne manifestiert. AlsBeauftragter der Regierung gab Geh. RegierungsratLand mann folgende Erklärung ab: Im Namen desHerrn Staatssekretärs des Rcichsamts des Innern bin ich be-auftragt, Ihnen zu danken, daß Sie mir Gelegenheit gegebenhaben, Ihren Verhandlungen beizuwohnen. Der HerrStaatssekretär verfolgt Ihre Beratungen mit großem Jnter-esse. Er hat deshalb auf die Interpellation über die ober-schlesischcn Vorgänge nicht geantwortet, da er sich erst orien-tieren wollte. Ich kann Ihnen im Namen meines Chefs dieVersicherung geben, daß wir Ihre Wünsche prüfen und soweitals möglich für Abhilfe sorgen werden. Von der FreisinnigenVolkspartei sprach ausg-rechnet LandtagsabgeordneterS ch e p p, von der Demokratischen Vereinigung Dr. Breit-scheid, von der Zentrumspartei der Abgeordnete W i e d e-man n.Im Auftrage des Parteivorstandes war der Landtags-abgeordnete S t r ö b e l anwesend. In der Diskussion gab erin großen Umrissen ein Bild davon, daß der jetzige Konfliktnicht als ein Ausfluß eines besonderen persönlichenUnternehmerübermuts zu betrachten sei, sondern daß dieseKämpfe, die sich jetzt auch zwischen Angestellten und Kapitalentwickeln, iin ursächlichen Zusammenhang stehenmit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. An der Handvon einigen drastischen Zahlen zeigte der Redner die Wirkungunserer induiinellen Entwickelung auf die Lebenslage derbesitzlosen Klasse und wies auf den Zusammenhang dieserKämpfe mit dem politischen und so-zialen Lebenunseres Volkes hin. Auch Ströbels Rede fand gespanntesteAufmerksamkeit der Zuhörer, die sich am Schlüsse in lebhaftemBeifall kundgab.Ebenso erklärten die Vertreter von den anderen An-gestellten-Verbändcn sich im Namen ihrer Organisationen mitdem Bund der technisch-industriellen Beamten solidarisch. Voneinem der Redner, dem Ingenieur W o l d t, wurde folgendeResolution eingebracht, die einstimmig begeisterte Annahmefand:Tie am 31. Januar 1309 in den Sophiensälen in Berlinauf Einladung des Bundes der technisch-industriellen Beamtenversammelten Privataugcstellten von Groß-Bcrlin erheben ent-schicdenen Protest gegen die jüngsten Angriffe der oberschlesi.scheu Kohlenmagnaten auf das Koalitionsrecht der Angestellten.Sie sprechen den Bedrohten ihre wärmste Sympathie aus undrichten gleickizeitig an die deutsche Ocffentlichleit die dringendeBitte, die Privatangestcllten bei der Verteidigung und dem Aus-bau der Koalitionsfreiheit im Interesse des Ansehens unseresVolkes als Kulturnation tatkräftig zu unterstützen. Von dengesetzgebenden Faktoren erwarten sie bestimmt, daß sie nunmehrmit größter Beschleunigung daran gehen werden, Garantien fürdie ungehinderte Ausübung des Grundrechtes der KoalitionS-freiheit zu schaffen.Den Angestellten ist es zu wünschen, daß sie auch diesenAnschlag auf das Koalitionsrccht mit der gleichen Entschieden-heit zurückweisen, wie sie es den bayerischen Metallindustriellengegenüber getan haben._Tie württembergische Volksschulnovelle.Am letzten Sonnabend beendete die württembergischeZweite Kammer die Beratung der Volksschulnovelle. Diebeiden letzten Tage wurde nochmals heftig für und gegen denEinfluß der Kirche auf die Volksschule gekämpft. Der Re-gierungscntwurf sieht zwei Oberschulbehörden, eineevangelische und eine katholische vor, er will alsoden alten Zustand im wesentlichen belassen. Die Kommissionschlägt eine Obcrschulbehörde mit zwei Abteilungen vor, fürjede Konfession eine Abteilung. Gemeinschaftliche Fragen sollenvon beiden Sektionen gemeinsam beraten werden. DerKommissionsantrag wurde angenommen.Lebhafter noch wurde es am Sonnabend, als dieLeitung und Beaufsichtigung des Religions-Unterrichts in den Volksschulen und Lehrer-b i l d u n g S a n st a l t e n zur Debatte stand. Der katholischenKirche steht dieses Recht heute bereits zu, der evangelischenKirche wird es aber bestritten. Regierungsentwurf undKommissionsantrag wollen nicht nur der katholischen,sondern auch der evangelischen Kirche das Recht derLeitung und Beaufsichtigung zusprechen. Unser RednerGenosse Heymann charakterisierte die beiden Anträgedahin. daß nun auch die Klerikalisierungder evangelischen Volksschule in die Wegegeleitet werden solle. Das Zentrum wollte sich mitdem Gebotenen nicht begnügen: es verlangt für die Kirchenickt nur die Leitung und Beaufsichtigung des Religions-Unterrichts, sondern darüber hinaus auch der„religiös-sittlichen Bildung" überhaupt. Die sozialdemo-kratische Fraktion will diese Befugnisse dem Ober-schulrat übertragen. Die Volkspartei will zwardie Schule der katholischen Kirche überlassen, bestreitet aberdas Recht der evangelischen Kirche und will die Lehrer-bildnngsanstalten ausgenommen wissen. Nach heftiger Debattewurde der Antrag der Sozialdemokratie ab-gelehnt; das gleiche Schicksal widerfuhr dem Volkspartei-lichcn Antrage, der die Lehrerbildungsanstalten dem Machtbereich der Kirche entziehen wollte. Ein Antrag der Volks-Partei, daß zu der Visitation des Religionsunterrichts durchden Geistlichen auch der Bezirksschulaufseher zu ladensei, wird jedoch angenommen. Die Zentrumsanträgewurden abgelehnt. Angenommen wurde auch ein Antrag,daß in bestimmt abgegrenzten größeren Bezirkennur je einem Pfarrer die Visitation des Religionsunterrichtsübertragen werden darf. Diese beiden letzteren Anträgemachten den Kommissionsantrag dem Zentrum uuschmackhaft.Der Antrag fiel mit 46 gegen 37 Stimmen.Von der Volks pari ei stimmten 12 Mitglieder mit ja,8 mit nein. Es kam also gar kein Beschluß zustände; der mecklenburgische Regierungsgrundsatz:„Esblifft ollet bim Ollen" kam wieder mal zu Ehren bei dieser„Reform". Eine Resolution zu dem gar nicht angenommenen Artikelwurde trotzdem angenommen. Der wesentliche Teil derResolution will die Regierung bestimmen, in der Vollzugs-Verfügung auszusprechen, daß den kirchlichen Behörden wederDisziplinarbefugnisse gegen die Lehrer, die den Religions-Unterricht erteilen, noch eine selbständige Verfügungsgewaltgegenüber der Schule zustehen, ferner, daß die ein»gehende Prüfung deS evangelischen Religionsunterrichtsdes Lehrers allein dem Bezirksschulaufseher zukommt."Welch ein Unterschied zwischen der„Visitation" durch denGeistlichen und der«eingehenden Prüfung" durch den Bezirks-fchulauffeher besteht, wußte freilich keiner genau zu sagen.Beschlossen wurde noch, den Prozentsatz der Lehrerinnenim Verhältnis zu den Lehrern auf 15 Proz. festzusetzen.Visher durften bis zu 8 Proz. Lehrerinnen im Schuldienstverwendet werden.Die Novelle geht nunmehr an die Erste Kammer.Daß diese erhebliche Schwierigkeiten machen wird, erscheintausgeschlossen. Eine eingehende Würdigung des Reformwcrkesbehalten wir uns vor._Konservative und Kanzler.Die„Deutsche Tageszeitung" bat sich den eigenartigenWitz geleistet, zu erklären, daß die Konservativen keineswegsden Fürsten Bülow zu stürzen gedächten, sondern wünschten,daß er seine Amtsgeschäfte fortführe. Die Opposition derAgrarier richte sich lediglich gegen die geplante Nachlaßsteuer,nicht gegen den Kanzler. Eine heitere Illustration zu diesenAusführungen bietet das hyperkonservative„Deutsche Adels-blatt", indem es schreibt:„Der Herr Reichskanzler liebt es, Ereigmsie und Situationendurch Zitate zu beleuchten. Die Versuchung ist groß, auch diejüngste Rede des Fürsten Bülow durch ein Zitat zu lriti-sieren:„Ach, daß du warm oder kalt wärest!" Einelauere und oberflächlichere Rede ist wohl seltenvon einem hohen Staatsbeamten gehalten worden. Von dengeradezu unerträglichen Phrasen, wie„Kulturfortsckirittchemmen",„verlehrsfeindlicker Charakter".„Pflicht, praktische Politikzu treiben",„unsere Zeit ist sozial" und vielen anderen, wollenivir ganz absehen. Wem das Gefühl für gewisse Dinge abgeht,dem ist nicht zu helfen. Auch über die unglaublich k i n d-liche Begründung der Notwendigkeit einer Nachlaßsteuer istnur wenig zu sagen....Vor ivenigcn Jahren warnte derselbe Ministerpräsident vorden Gefahren des Weihrauch st reuen? vor dem KönigDemos. Inzwischen hat er dies Geschäft offenbar gründlich er-lernt: seine Logik i st jedenfalls beneidenswert.Die Tiradcn vom Zusammenschluß der bürgerlichen Parteiengegen die Sozialdemokrane erinnerten an das landläufige Sprich-wort vom„breügetreienen Quark"..,Wenn man den„sachverständigen" Rat liberaler alter Weiberzu jeder Meinungsäußerung der Regierung einholt und befolgt,dürfte Preußen lercht dahin lominen, daß derKönig wieder mit einer roten Fahne über dieLinden reitet."Nach der Auffaffung der„Deutschen Tagesztg." beweisensolche Aeußerungen nicht, daß die Konservativen den Kanzlerzu allen Teufeln wünschen, sondern daß sie mit ihm sehr zu-frieden sind.„Oberflächliche Rede",„unerträgliche Phrasen",„unglaublich kindliche Begründung" sind lediglich Zärtlichkeits-ausdrücke konservativen Gefühlsüberschwanges.Der Reichsverband im Lichte eineS Gerichtsurteils.Die Straßburger ReichSverbändler Rechtsanwalt Dr.Zschweigert und Militärbauinspektor Stegmann fühltensich durch eine scharfe Kritik beleidigt, die unser StraßburgerParteiblatt an die Veröffentlichung eines zun, Jnseratenboykottgegen unsere Parteipreffe auffordernden Briefes der dortigen Orts-gruppe des ReichSverbandcs geknüpft hatte. Etwa 16 Parteiblätter,welche die Notiz nachdruckten, sind durch die beiden Herren, dieden Brief unterschrieben hatten, mit eitler Anklage beglückt worden.Die erste empfindliche Niederlage haben die Herren sich inMünchen geholt. Das dortige Gericht lehnte die Privatklagcder ReichSverbändler ab und bürdete ihnen die Kosten auf, da dieBekämpfung des Reichsverbandes vom Standpunkte des Be-schuldigten aus als begreiflich, als notwendig an-zuerkennen sei. In Braunschweig passierte ihnen das Malheur,daß ihre reichsverbändlerischen Gesinnungsgenossen als Richterabgelehnt wurden, und erst jetzt sind sie durch die Straß-bürg er Richter„glänzend gerechtfertigt", denn GenosseSchneider wurde als verantwortlicher Redakteur der„FreienPresse" zu 30 M. Geldstrafe verurteilt.Auch hier führte das Gericht in der Urteilsbegründung auS,daß der Angeklagte zweifellos in Wahrung be-rechtigter Interessen gehandelt habe. Nicht nurals Redakteur der„Freien Presse" hatte er ein berechtigtes Jnter-esse, seinem Blatte die Annoncen zu erhalten, sondern auch alsMitglied des Deutschen Buchdruckerverbandes wie als StraßburgerBürger hatte er ein Interesse daran,„daß gewerkschaftlichorganisierte Arbeiter und Straßburger Ein-wohner Arbeit erhalte n". daß nicht(wie in dem Briefegleichfalls angeraten wurde!)„Gelbe" von auswärts herangezogenwürden. Nur in den Ausdrücken„R e i ch s l ü g e n v e r b a n d"und„R c i ch s l ü g en g c s e l l schaf t" sei der Angeklagte überdas Maß hinausgegangen. Alle übrigen Vorwürfefeien nicht beleidigend und der Angeklagtemüsse straffrei bleiben. Genosse Schneider hatte demVerbände vorgeworfen, daß er mit� unerhörterS kru p ello s i gke i t gegen die Sozialdemokratieund die Arbeiterschaft wirke, den ausge-sprochendsten Boykott gegen politisch anders-gesinnte Bev'ölkcrungsschichten proklamiere.die Hungerpeitsche über die sozialdemokratischgesinnte Arbeiterschaft schwinge und den un°verschämte st en, im geheimen betriebe nenTerro-rismus, den man sich nur denken könne, übe.Als strafmildernd wurde in Betracht gezogen, daß die AuS-drücke„Reichslügenverband" und„Reichslügeugescllschaft" st e r e o-typ angewandt werden und fast zu einem termiuustecbnicus(Fachausdruck) geworden sind.Seien wir den beiden Reichsverbäudlern für ihr fein ent»Wickeltes Ehrgefühl dankbar und freuen wir unS auk die nochkommenden 16(!) Prozesse.—Freisinnige Parteiorganisation in Grosi-Berlin.Ein freisinniger Parteitag für Groß-Bcrlin beschloß ein Organi«sationsstatut, wonach künftig der Parteitag der Freisinnigen Volks-Partei für Groß-Berlin aus je 3 Vertretern der 6 Berliner Reichs-tagSwahlkreise, je 2 Vertretern der 12 Berliner Landtagswahlkreiseund der 4 LandtagSwahllreis« Charlotttenburg, Schöneberg-Rixdorf,Teltow-Land und Ober- und Nieder-Barnim. sowie anS je einemVertreter der auf dem Boden der Freisinnigen Volkspartei stehendenVereine von Groß-Berlin besteht. Durch Beschluß kann der Partei-tag noch anderen in Berlin bestehenden Vereinen der FreisinnigenVolkspartei eine Vertretung durch je emen Delegierten einräumen.Der Vorstand deS Berliner Parteitages besteht aus 21 Mitgliedern.von denen S den Orgaiüsationon der Vororte angehören müssen;demnächst soll ein Parteisekretär angestellt werden.Aus den Marinebetriebe».Das Reichsmarineamt hat feine Uebersicht über die Lohn« undArbeitsverhältnisse in den Reichsmarinebetrieben für das Jahr 1907erscheinen lassen. Das Ergebnis wird vom Marineministcr sicherlichbenutzt werden, um daran zu zeigen, wie in den Betrieben die Löhnegestiegen sind. Nach der Aufstellung stehen nämlich die TageS-Verdienste auf der kaiserlichen Werft in Kiel und der Torpedoaiistaltin FriedrichSort im Jahre 1907 höher wie 1906 für Maler und Segel-macher um 2 Pf.. Maschinenbauer 10 Pf., Handlauger 30 Pf.. Hilfs«Handwerker 36 Pf.. Klempner. Maurer. Sattler. Schiffbauer.Schmiede. Blechwinlelschnriede. Schloffer. Modelltischler. Tischler.