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I. Erholungsurlaub kann solchen Arbeitern gewährt werden, bei denen unter der Voraussetzung zu II nach dein Ermessen der Werksverwaltung wegen der Natur der von ihnen zu verrichtenden Arbeit �das Bedürfnis einer mehrtägigen Er- holungSzeit vorliegt. Ein Anspruch aus Er- holungsurlaub besteht nicht. _ II. Der Erholungsurlaub ist nur solchen Arbeitern zu ge- währen, die sich gut geführt haben, mindestens 86 Jahre alt und seit mindestens zehn Jahren auf staatlichen Berg- oder Hütten- werken beschäftigt sind. HI. Die Dauer des Urlaubs ist auf längstens drei Tage zu bemesjen. IV. Die Zeit des zu erteilenden Urlaubs bestimmt die Werksverwaltung, sie hat dabei, soweit möglich, den Wünschen der Arbeiter Rechnung zu tragen. V. Für jeden Urlaubstag ist dem Beurlaubten der im vorher- gehenden Kalenderjahre erzielte durchschnittliche Tagesverdienst derjenigen Arbeiterklasse zu gewähren, welcher der Beurlaubte angehört. Zauckerode, am 7. Januar 1909. Direktion des königl. SteinkohlenwerleS. G e orgi. Man sieht, der HerrBergfiskuS' hat sich gut vorgesehen, dasj kein Unwürdiger in den Genuß der ungeheuerlichen Wohltat ge langt: 85 Jahre alt, 10 Jahre Tätigkeit in staatlichen Diensten und wenn diese Vorbedingungen erfüllt sind, dann kommt diegute Führung" und das Bedürfnis. WaS man unterguter Führung" eines kgl. sächsischen Grubenarbeiters versteht, ist zu be> kannt: ES heißt soviel wie nichtorganisiert, werksfromm. rückgrat los usw. Das schönste von allem ist und bleibt das Bedürfnis. Heiliger Bimbam l Als ob dieses Bedürfnis für einen Arbeiter, der zehn Jahre im Grubenbetriebe Leben und Gesundheit aufs Spiel gesetzt, nicht mindestens so vorhanden wäre, wie bei einem königlich sächsischen Geheimrat I Bom»eignen Hausstand" im Sinne der Landgemrindeorbnung. Sowohl die Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Pro vinzen als auch die für Hessen-Nassau   besagen, daß jemand die für das Gemeinderecht(Wahlrecht usw.) vorausgesetzte Selbständigkeit dann besitzt, wenn er einen eignen Hausstand führt. Dem Diamant- schleifer Stock, der in Langendiebach bei seiner Mutter wohnte, wurde die von ihm beantragte Aufnahme in die Gemeindewähler- liste versagt, weil er keinen eignen Hausstand habe und daher dem Erfordernis der Landgemeindeordnung in bezug auf die Selb- ständigkeit nicht genüge. Stock klagte im Berwaltungsstreitverfahren und machte geltend, er bewohne in dem kleinen Häuschen seiner Mutter ein besonderes Zimmer und genieße bei ihr des Morgens den Kaffee und Abends das Nachtessen, während er tagsüber in Hanau   als Diamantschleifer tätig sei. Für das Logis, den Morgenkaffee und das Nachthssen zahle er der Mutter 5 M. pro Woche. Sie sei eine alte Frau und aus seine Unterstützung angewiesen; allein könne sie sich überhaupt nicht ernähren. Er dagegen sei mit einem Jahreseinkommen von SiOOO M. zur Steuer veranlagt und müßte demnach sogar in die zweite Wählerklasse hinein. Die beklagte Gemeindevertretung erwiderte, daß Kläger   keinen eigenen Hausstand habe, sondern zum Hausstand der Mutter ge- höre. Er hätte keinen eigenen. Wohn- und Schlafraum, sondern wohne und esse im genicinsamen Hausstand seiner Mutter und seines Bruders, eines Schmiedemeisters. Es wäre mit Bestimmtheit anzunehmen, daß das Bett und die Bettwäsche Eigentum der Mutter seien. Der Kreisausschust und der Bezirksausschuß in Kassel   wiesen die Klage ab. Es wurde angeführt, daß nach den eigenen Angaben des Klägers anzunehmen sei, daß er dem Hausstand der Mutter an- gehöre und deshalb nicht als selbständige Person gelten könne. Daß er seiner Mutter für die ihm gewährte Beköstigung und Unterkunft eine Entschädigung gewähre, ändere daran nichts. Das sei so üblich, toenn erwachsene Kinder bei ihren Eltern wohnten. Selbständig werde er auch noch nicht, wenn der Verdienst eine Höhe erreiche, welche die Gründung eine» eignen Hausstandes ermöglichen würde. Das Oberverwaltungsgericht, vor dem Rechtsanwalt Dr. E. Roscnbcrg den Kläger vertrat, hob die Urteile der Borinstanzcu am Freitag auf und entschied, daß der Kläger   in die Wählerliste aufzunehmen sei. Zur Begründung wurde ausgeführt: Wenn die Landgemeindeordnung den Begriff der Selbständigkeit dahin inter- pretiere, daß man eineneignen Hausstand" führen müsse, so sei damit nicht gesagt, daß man unter allen Umständen allein den eignen Hausstand führen müsse. Es sei sehr wohl möglich, daß ein gemeinsamer Hausstand unter Führung eine? Verwandten, zu dem man in einem Respektsverhältnis stehe, als ein eigner anzu- sehen sei. Das sei hier der Fall. Der Kläger   zahle einen festen Beitrag zu dem von der Mutter geführten Haushalt und nehme daran teil. Es hanoele sich um einen solchen gemeinsamen Haus- stand, in den, Kläger   selbständig sei, so daß Kläger   seineneignen Hausstand" führe. Er sei als selbständig im Sinne der Land- gcmeindeordnung anzusehen. SericKts- Leitung. Eine heimtückische Denunziation üildete den Hintergrund einer privaten Beleidigungsklage, die von dem Rentenempfänger Richard Pietz(Urban- straße 118) gegen unseren Genossen K ö ck e r i tz, zweiten Vor- sitzenden des sozialdemokratischen Wahlvereins im Reichs- tagSwahlkre.ise Berlin II, angestrengt worden war. Dem Wahlverein gehört die Frau eines Arbeiters Braatz an, der von seinem früheren Arbeitgeber, einem Herrn Schmidt (Firma Schmidt u. Zorn, Luckauer Str. 1t) aus Anlaß eines Un« falleS eine Zeitlang eine kleine Unterstützung erhalten hat. Bei diesem Herrn Schnudt lief eines Tages ein anonymer Brief ein, der ihn belehrte, Braay sei Sozialdemokrat, auch sei er aus der Kirche ausgeschieden. Die Absicht des Briefschreibers war offenbar die. Braatz dem Herrn Schmidt zu denunzieren und darauf hinzu- loirken, daß der ihm die Unterstützung entzog. Die Zu- schrift ließ das deutlich genug durchmerken, und diese Wirkung ist denn auch erzielt worden. Genossin Braatz gehört auch dem Verein der Frauen und Mädchen der arbeitenden Klasse an. Nach- dem sie an einem der Diskussionsabende die Briefaffäre zur Sprache gebracht und auch der Wahlverein Kenntnis davon er- halten hatte, entstand dort der Verdacht, daß die Frau d e S Herrn Pietz die Verfasserin oder Absenderin des Briefes sein könnte. Da Frau Pietz gleichfalls dem Verein an- gehörte und auch an den Diskussionsabenden teilnahm, so mußte der Sache auf den Grund gegangen werden. Beide Frauen wurden vorgeladen. Frau Pietz bestritt, die Denunziation geschrieben zu haben, sie gab aber zu, daß sie den Inhalt kannte. Sie stellt auch nicht in Abrede, daß sie Ivegen des Briefes Hern, Schmidt mit ihrem Mann zusammen aufgesucht hatte. Sie habe sich, sagte sie, den Brief einmal zeigen lassen wollen, weil man sie der Verfasserschaft bezichtigte. Dabei habe sie dann dem Herrn Schmidt den Inhalt, der ihr bereits von anderer Seite mitgeteilt worden sei. als gutreffend bestätigt. In der Untersuchung wurde auch der Verdacht ans- gesprochen, daß vielleicht Herr Pietz der Verfasser sein könnte. Als Genoffe Köckeritz die Frau Pietz fragte, ob sie ihren Mann nicht von solcheit Handlungen zurückhalten würde, antwortete sie, das könne sie nicht. Schließlich sagte Köckeritz. man muffe in der Tat fast an- nehmen, daß sie selber den Brief geschrieben habe. Wegen dieser Aeußerung wurde gegen Genossen Köckeritz B e- leidigungsklage angestrengt, aber nicht von Frau Pietz. sondern von Herrn Pietz, und auch von ihm nicht etwa wegen Beleidigung seiner Frau, sondern wegen vermeintlicher Beleidigung feiner eigenen Person. Vor dem Schöffengericht Berlin- Tempelhof, daZ gestern die Klage verhandelte. erNärte der Kläger  , von Köckeritz sei er als Verfasser des Briefes bezeichnet ivorden, er habe ihn aber nicht geschrieben, daher fühle er sich be- leidigt. Köckeritz, dem als Verteidiger der Rechtsanwalt Genosse Heine zur Seite stand, wies eS als un­wahr zurück, daß er Pietz genannt habe, und trug den Sachverhalt vor, wie oben angegeben. In der Beweiserhebung wurde seine Darstellung unterstützt durch die Aussagen der Genossin Frl. Ottilie Baader  , der Genossin Fr. Emma Simon   und des Genossen S ch w e m k e. Dem- gegenüber bekundete Frau Pietz, Köckeritz habe ihren Mann der Verfasserschaft bezichtigt. Zu der Frage des Verteidigers. ob sie wisse, wer denn den Brief geschrieben habe. machte der Vorfitzende die Zeugin darauf aufmerksam, daß sie die Antwort verweigern könne, wenn sie dadurch sich oder ihren Mann preisgeben müßte. Sie erklärte, antworten zu wollen, und versicherte nun. den Verfasser kenne sie nicht. Der Vcr- Leidiger hob hervor, der vom Kläger   eingereichte Schriftsatz erinnere in der Art seiner Darstellung und im Stil sehr an den Brief Herr Pietz erklärte hierzu, der Schriftsatz rühre her von einem ihm befreundeten Klempner. Nachdem Herr Pietz den Vorschlag des Vorsitzenden, seine Klage noch jetzt zurückzunehmen, abgelehnt hatte, beantragte der V e r- leidiger die Freisprechung. Köckeritz habe nicht von Herrn Pietz, sondern von Frau Pietz gesprochen. Bewiesen sei übrigens, daß auch Herr Pietz die Deimnzration zum mindesten dem Herrn Schmidtbestätigt" habe, wie ja von seiner Frau zugegeben worden sel. Unter allen Umständen sei dem Beklagten§ 193 zuzw billigen(Wahrnehmung berechtigter Interessen), denn als Vorstands' Mitglied habe er alles tun müssen, um ein etwa unter den Mitgliedern befindliches ehrloses Subjekt, wie der Verfasser j error schmählichen Denun- ziation es sei, zu ermitteln. Das Gericht be gründete die Freisprechung des Genossen Köckeritz dahin, daß die Beweiserhebnng nicht ergeben habe, daß er den Herrn Pietz genannt hatte. Zu bedauern ist, daß dieser ganze Prozeß auch d a S nicht er­geben hat, wer jener heimtückische Denunziant war. Prozeß Riedel. Gestern begann der erneute Prozeß gegen den Dr. phrl. Viktor Riedel im kleinen Schwurgerichtssaale vor der 3. Strafkammer des Landgerichts I. ES handelt sich nur noch um den Fall deS SittlichkeitsverbrechenS gegen daö Mädchen Else Kaminski. In diesem Fall hat das Reichs- gericht das auf zwei Jahre lautende Urteil der Strafkammer auf- gehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vor- instanz zurückverwiesen. Der Angeklagte, der zurzeit den rechts- kräftig gewordenen Teil deS ersten Urteils zwei Jahre Zucht­ haus   verbüßt, wird aus der Strafanstalt in der Lehrter Straße   vorgeführt. Er trägt noch seine eigene Kleidung und auch der Barl ist ihm noch nicht abgenommen worden, damit seine Relognition durch die Zeugen nicht erschwert werde. Den Vorsitz im Gerichtshof fuhrt wieder Landgerichtsdirektor Dr. Lieber, die Anklage vertritt Staatsanwalt Dr. Schindler, der Angeklagte wird von den Rechtsanwälten Dr. Alsberg und Dr. H a l p e r t verteidigt. Es sind 74 Zeugen geladen, als Sachverständige wohnen der Nervenarzt Dr. P l a c z e k und Dr. med. L e p p m a n n der Verhandlung bei. Vor Verlesung des EröffnungSbeschluffeS verliest der Angeklagte einen längeren Ablehn ungS- antrag gegen die Richter, die ihn verurteilt haben, nämlich den Landgerichtsdirektor Dr. Lieber, den Landgerichtsrat N e u m a n n und Gerichtsassessor Schauenburg. Angeklagter stellt sich als Opfer falscher gegen ihn geltend gemachter Zeugen- aussagen und gehässiger Verfolgung seitens der Kriminalpolizei hin. Er sei morallich, physisch und materiell zugrunde gerichtet und länipfe nun um das letzte, um sein Leben, denn ehe er wieder in das Zuchthaus gehe, eher erdrossele er sich mit seinen eigenen Händen. Die Richter können ihm sein Leben nehmen, aber seine Seele nicht, und diese werde einst anklagen, was ihm geschehen. Ihn halte das Bewußtsein seiner Unschuld empor, sonst stände er nicht mehr vor den Richtern. Die Belastungszeugen in dem Prozeß hätten falsches Zeugnis abgelegt. Dieses und vieles andere wisse das Gericht und der Staatsanwalt und trotzdem werde die Wiederaufnahme abgelehnt. Zum Schluß bemerkt der Angeklagte mit großer Emphase:Vielleicht ipreche ich heute zum letztenmal, und so erkläre ich nochmals, was auch geschehe, bei dem allmächtigen Gott, daß ich unschuldig bin und unschuldig verurteilt worden bin und daß ich diesen Herren Richtern in der Verhandlung wegen Befangenheit weder eine Antwort, noch Auskunft geben kann. Gott   gebe, daß eS noch gerechte Richter am Kammergericht gibt, wenn nicht, dann bin ich nnwiderruflicki dem Tode verfallen und eines Tages werde ich diese Richter vor GotteS Thron wegen zn Unrecht verübten Mordes an mir anklagen. Meine Unschuld ist erwiesen und ich werde von der Justiz gemordet Staatsanw. Dr. Schindler bemerkt: Zu einer Ablehnung von Richtern gehöre doch mehr, als bewegliche Klagen darüber, daß eine dem Angeklagten unwillkommene Enrscheidung ergangen sei. Daraus lasse sich noch lange nicht eine Befangenheit der Richter herleiten. Rechtsanwalt Dr. A l s b e r g: Er halte es nicht für zulässig. über den Ablehnungsantrag zu plädieren, denn dafür seien die Richter, die hier sitzen, nicht zuständig. Er verzichte deshalb darauf, vor ihnen über diese Frage zu plädieren und dem Staatsanwalt zu erwidern. Zur Erledigung des Ablehnungsantrages verkündet der vor- sitzende hierauf eine einstündige Pause. Nachdem die Sitzung wieder eröffnet worden, verkündet der Landgerichtsrat Rimbach   als Vorsitzender der mit drei Richtern besetzten Kammer, die die drei abgelehnten Richter gehört hat, daß der Ablehnungsantrag des Angeklagten unbegründet sei und die abgelehnten Richter sich in ihren Aeutzerungen für unbefangen erklärt haben. Nachdem die Mitglieder der Strafkammer unter Vorsitz deS Landgerichtsdirektors Dr. Lieber wieder am Richtertisch Play genommen, erfolgt die Verlesung des EröffnungSbeschluffeS, durch welchen der Angeklagte beschuldigt wird, in zwei Fällen mit der«och nicht 14 Jahre alten Else KaminSki un- züchtige Handlungen vorgenommen zuhaben. Auf Antrag des Staatsanwalts beschließt das Gericht den Ausschluß der Oeffentlichkeit für die ganze Dauer der Verhandlung. Für die Verhandlung sind vorläufig sieben Tage angesetzt.__ Ei» nächtlicher Straßenraub ag einem Strafprozeß zugrunde, mit welchem gestern das Schwur- gericht deö LandgenchtZ III unter Vorsitz des LandgerichtSdireklors Liebenow seine erste diesjährige Tagung begann. AuS der Unter- snchnngShast wurde der Schiffer Johann Wangler vor- geführt, welcher sich wegen schweren Raubes zu verantworten hatte. Der Angeklagte ist nicht weniger als 18mal vorbestraft, darunter allein 7mal wegen Diebstahls und vmal wegen Körperverletzung.   Am Abend deS 23. Oktober v. I. hatte der Arbeiter R. aus Charlotten bürg, der in einer Fabrik in Spandau  beschäftigt ist, nach Feierabend eine Dierrcise unternommen, die schließlich in einem Lokale mit Bedienung vonzarter Hand", welches den NamenCafä Niedlich" führte, ihr Ende fand. Der in einem sehr vorgeschrittenen Stadium der Alkoholisieruug be- sindliche R. wurde hier mit dem Angeklagten bekannt, der ihn einlud. auf fernem Kahn zu übernachten. R. lehnte dies zu seinem Glück ab, da ihm der neue Bekannte doch etwas verdächtig vorkam. Auf dem Heimwege folgte der Angeklagte dem Schwcrbczechlen. In einer menschenleeren Gegend fiel er dann plötzlich hinter- rücks über R. her. schlug ihn zu Boden und entriß ihm daS Portemonnaie, welches etwa zwölf Mark enthielt. Durch die Hilferufe des Ueberfallenen wurde eine Schutzmannspattouille ailfmerksam, die den dreisten Räuber sofort verfolgte und verhaftete» Während der An- geklagte in seiner ersten Vernehmung ein Geständnis abgelegt hatte, behauptete er jetzt vor Gericht, in sinnloser Trunkenheit gehandelt zu haben. Dem Wahrspruch der Geschworenen gemäß wurde der Angeklagte wegen Straßenraubes unter Zubilligung mildernder ll in st ä n d e zn 2 f/z Jahren Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust unter Anrechnung von 3 Monaten der erlittenen Untersuchungshaft verurteilt._ Ein Heiratsschwindler, der in der verwerflickfften Weise die Leichtgläubigkeit heiratslustiger Mädchen ausgebeutet hatte, mußte sich in der Person des Glaser- m c i st e r s Paul August Klein aus Wilmersdorf   vor der 2. Straflammer deS Landgerichts III. wegen wiederholten Betrugs verantworten. Der Angeklagte ist verheiratet, lebte aber von seiner Frau ge- trennt. Die Ehe ist erst im Juli v. I. geschieden worden. Schon lange Zeit vorher suchte Klein auf alle mögliche Weise die Bekannt- schafl heiratslustiger Mädchen zu madben, denen er die Ehe ver- sprach. So lernte er im Jahre 1904 die Krankenpflegerin H. kennen, der er viel von seinen Bauten erzählte, für die er viel Geld gebrauche. Schon nach kurzer Bekanntschaft borgte er die Leichtgläubige um 120 Mark an. Als er dann nach und nach etwa 2000 Mark, die gesamten Ersparnisse von der H. erhalten hatte, gab er dem Mädchen den Laufpaß. Noch schlimmer erging es mehreren anderen Mädchen, die nicht nur ihr Geld losgeworden sind, sondern auch noch von dem Angeklagten ein lebendigesAndenken" erhallen haben. In der Verhandlung erschienen drei Mädchen, die von Klein in der schändlichsten Weise betrogen wurden und nun mit ihren Kindern sich mühselig durch daS Leben schlagen müssen. Irgendwelche Ansprüche gegen den Angeklagten zu erheben, hat sich als zwecklos herausgestellt, da 51. selbst nichts besitzt. Vor Gericht behauptete der Angeklagte, daß die Mädchen nicht geschädigt seien, da er ihnen Forderungen, die er an ver- schiedene Bauunternehmer habe, zediert habe. DaS Gericht hielt den Angeklagten jedoch des Betruges für überführt. Als einziger Milderungsgrund wurde nur die bisherige Unbescholtenheit des An- geklagten angesehen. DaS Urteil lautete auf drei Monate Ge- f ä n g n i s._ Unterschlagung von Ortskrankcnkassengeldern. Der 26 Jahre alte frühere Rechnungsführer Rich. Wojciechowski hatte sich am Freitag vor der Posener Sttaskammer zu verant- Worten. Dem Angeklagten, der bis dahin S ch r e i b e r auf dem Landratsamte Posen-West   war. wurde im November 1906 die Kassenführung der Ortskrankenkasse für den KreiS Posen-West   übertragen. Mit dem 1 16.60 M. be­tragenden Einkommen vcnnochie der Angeklagte nicht auszukommen. Seinen Geldbedarf deckte er gleich nach Uebernahme der Kasse, in- dem er sich von den Einnahmen fortgesetzt Beträge von zwanzig bis fünfzig Mark aneignete. Die Fehlbeträge deckte er durch falsche Eintragungen in die Kassenbücher. Zum Teil unterließ er auch die Eintragungen. Diese Unterschlagungen setzte der Angeklagte bis zum Mai 1907 fort, wobei ihm zu statten kam, daß die monatlichen assenrevisionen n ur se h r oberflächlich vorgenommen wurden. Die Jahresaufstellungen machte der Angeklagte dadurch stimmend, daß er Rechnungen von Apothekern, Krankenhäusern und sonstigen Lieferanten, und über den Empfang der oft recht hohen Beträge die Quittungen der Empfangsberechtigten fälschte. Im Mai 1907 kamen die fortgesetzten Defraudationen ans Tageslicht. Als die telephonisch beorderten Polizeibeamte» zur Verhaftung deS Defrau- danten schreiten wollten, hatte dieser durch einen Sprung aus dem Fenster des Kassenlokals die Flucht ergriffen und gelang eS auch nicht, des Flüchligen habhaft zu werden. Erst im Oktober 1908, also nach anderthalb Jahren, wurde sein Aufenthalt ermittelt und W. in Untersuchungshaft genominen. Der Fehlbetrag in der Kasse wurde in Höhe von 2600 M. festgestellt. Im Termin war der Angeklagte in vollem Umfange geständig. Der An- klagevertreter beantragte 2l/s Jahre Gefängnis. Das G e» r i ch t erkannte auf anderthalb Jahre. Durch die Unter- schlagungen ist der K r e i S s e k r e t ä r K r e t s ch m e r in Mitleiden- schaff gezogen worden, weil dieser für den Angeklagten Bürgschaft geleistet hatte und aus dieser zur Erstattung der unterschlagenen Summe in Anspruch genommen wurde. Vermiscktes. SchiffSunfälle, bei denen eine Anzahl Menschen den Tod fanden, werden uns vom gestrigen Tage gemeldet: Melbourne  , 1. Februar. Der DampferChan Ranalde", mit Weizen nach Adelaide   und Durban  , ist bei Edithburgh total wrack geworden. Von der Mannschaft sind 46 Personen, meist Asiaten, ertrunken. Skagen  , 31. Januar. Die norwegische BriggSteed" ist heute nacht bei Skagen   gestrandet. Nur der Steuermann konnte sich retten, während die übrigen acht Mann der Besatzung erttanken. Wegen hoher See war es den auSgesandten Rettungsbooten umnöglich, zur Brigg zu gelangen. Die Vernichtung des marokkanischen Dorfes. Hierüber wird in Ergänzung unserer Meldung noch auS Ceuta   berichtet: Nach weiteren Meldungen von Eingeborenen aus Tetuan   wurde der Erd- stürz, der das Dorf Ramara vernichtete, durch ein äußerst heftiges Erdbeben hervorgerufen, daö sich den Bewohnern des Distrikts durch unterirdisches Rollen angekündigt hatte. Während die Talbewohncr noch rechtzeitig flüchteten, wurde daö am AbHange liegende Ramara vom Geröll, unter dem sich mächtige Steinblöcke befanden, ver- schüttet, ehe sich die Menschen dort retten konnten. Man glaubt, daß alle Dorfbewohner den Tod gefunden haben. Eine Frueröbrunst zerstörte, wie aus Canton gemeldet wird, die Flottille der Bluinenboote. Hundertsiebzig verkohlte Leichen wurden gefunden, eine Anzahl Personen werden noch vermißt. 19 Personen ertrunken. AuS Mailand   wird vom gestrigen Tage gemeldet: Eine Barke mit 19 Personen, darunter 17 Frauen, kreuzte gestern abend den Fluß Adda bei Calolzio, als das Fahrzeug kenterte. Da sich kein Boot in der Nähe befand, war jede Rettung unmöglich. Alle 19 ersonen ertranken. Die verunglückten Frauen waren Spinnerei-Arbeiterinnen._ Amtlicher Marktbericht der ftÄdtilchen MarktbaNen-DireMon über den Grogbandel in den Zentral-Marttballcn, Markilage: Fleisch: Zuluhr stark, Geschäst flau, Vreiie für Ochsenfleisch anziehend, sonst iniver- ändert. Wild  : Zufuhr genügend, Geschäft nicht lebhaft genug, Preiie fast unverändert. Geflügel: Zufuhr genügend, Gefchäst lebhast, Preise bcsriedigcnd. Fische: Znsuhr gering, Geschäft lebhast, Preise im allge- meinen bcsriedigcnd. Bulter und Käse: Gelchäst ruhig, Preise un­verändert. Gemüse, Obit und Südfrüchte: Zusuhr reichlich, besonders in Blumenkohl, Gcschäjt ruhig, Preise wenig verändert. gÄttternngStibcrstcht vom l. Februar Ivos, morgens S Uhr. Swlnemde. 748 W Hamburg 749 W Berlin 749 NW Frantla.M 755 SSW München j 76(5 88 Wien  '754S8 I heiter I halb 65. 4 bedeckt 4 bedeckt 7 Schnee 2 bedeckt 6 Havarnnda 748 SO 2 Petersburg 748 TO -3' Scillh 7K5WNW 760 NNW i 761 WSW 2 halb bd.' 13 2 Schnee12 4 wolkig 2 wolkig 2 bedeckt i 0'iberoetn 4 i Parti 3j t USetterprognole für Dienstag, de« S. Februar Ivos. Zeltweise heiter, aber noch veränderlich mit leichten Schneesällen frischen nordwestlichen Winden; gelinder Frost. Berliner   Setterbnrea» und