Vorort- JVadmcbtctt* Schöneberg. Die Schöneberger Stadtverordnetenversammlung und die Zlrbcitslosenzählung. Erst in der Sitzung vom Montag kam der Antrag der sozial- demokratischen Fraktion zur Beratung. Der Antrag lautete: „Die Stadtverordnetenversammlung hält eine Zählung der Arbeitslosen nach dem Meldesystem nicht für geeignet, ein vollständiges Resultat über den Umfang der Arbeits- losigkeit zu aeben; sie ist vielmehr der Meinung, daß eine Zählung der Arbeitslosen nach dem Hauslistenshstem bor - zunehmen ist. Aus diesem Grunde richtet die Siadtverordnetenversamm- lung das Ersuchen an den Magistrat, für die am 13. Februar Von der Arbeiterschaft selbst veranstaltete Arbeitsloscnzählung nach dem Hauslistenshstem dem Schöneberger Gewerkschaftslartell eine Beihilfe von lOOl) M. zu gewähren." Stadtv. Wollermann(Soz.) begründet den Antrag mit folgenden Ausführungen: Am 12. Oktober vorigen Jahres hat die Stadtverordnetenversammlung einem Antrage der sozialdemo- kratischen Fraktion zugestimmt, wonach der Magistrat ersucht wurde, sich an der von Berlin veranstalteten Arbeitslosenzählung im November und Februar zu beteiligen. Der Magistrat hatte dem Antrage dann ebenfalls zugestimmt. Bei Bewilligung der dazu erforderlichen Mittel war bereits von sozialdemokratischer Seite auf die Unzulänglichkeit des Meldesystems hingewiesen worden. Auch der Magistratsvertreter trat damals der von sozialdemo- kratischer Seite geübten Kritik bei und erklärte, daß die Zählung nach dem Meldesystem ein ganz schiefes Bild gebe; das einzig Zu- verlässige wäre eine Hausierzählung. Wir beteiligten uns aber trotzdem an der von Berlin eingeleiteten Zählung nach dem Meldesystem. In Schöneberg waren S Zählbureaus errichtet. Es wurden 934 Arbeitslose gezählt, darunter nur 29 Frauen. Man war erstaunt über die Zahl der Arbeitslosen, denn am Tage vorher waren auf dem städtischen Arbeitsnachweis in Schöneberg allein schon über 1000 Arbeitslose eingetragen. Für jeden, der die Verhält- nisse einigermaßen überschauen konnte, stand sofort fest, daß ein großer Teil der Arbeitslosen bei dem Meldesystem nicht gezählt warben ist. Auch in dem kürzlich erschienenen Vierteljahresbericht des städtischen Amtes in Schöneberg wird die gleiche Ansicht ver- treten. Es ist da gesagt, daß die Art des Aufnahmeverfahrens es naturgemäß mit sich gebracht hat, daß in Schöneberg wie überhaupt in Groß-Berlin eine Anzahl tatsächlich arbeitsloser Personen nicht gezählt wurde. Weiter wird gesagt, daß zu diesen Arbeitslosen diejenigen gehören, die trotz aller Bemühungen, die Bevölkerung auf die Zählung aufmerksam zu machen, keine Kenntnis davon erlangt hatten, und darüber hinaus alle die- jcnigen, die aus irgendeinem anderen Grunde davon Abstand nahmen, sich auf einem der Zählbureaus zu melden. Durch Nach- frage auf dem städtischen Arbeitsnachweis sind ebenfalls eine Anzahl von Arbeitslosen ermittelt, die sich an der Zählung nicht beteiligt haben. Von den Frauen kann überhaupt nur ein ver- schwindend kleiner Bruchteil gezählt worden sein, denn unter den Mitgliedern der Schöneberger Ortskrankenkasse befanden sich im November 39 Prog. Frauen. Bei der Zählung stellen die Frauen aber nur 3 Proz. Die von den Gewerkschaften angestellten Er- Mittelungen ergeben ebenfalls, daß eine ganze Anzahl von Ar- beitslofen nicht gezählt worden find. Wenn bei allen andere� Zählungen, die im Reich oder Staat veranstaltet werden, zu dem System der Zählung von Haus zu Haus gegriffen wird, warum will man denn hier nicht dasselbe System anwenden. Berlin hat ja nun bedauerlicherweise abgelehnt, nach dem Hauslistensystrm zu zählen. Die Stadtverordnetenversammlung hat sich dem An- trage unserer dortigen Genossen nicht angeschlossen. Hält die Stadtverordnetenversammlung das Meldesystem für ungeeignet, so bleibt Schöneberg weiter nichts übrig, als dem GewerlschaftS- kartell zu der von der Arbeiterschaft selbst veranstalteten Zählung einen Zuschuß zu gewähren. Denn das steht fest, daß die auf- gewendeten Mittel für die Zählung mit Berlin nach dem Melde- shstem fortgeworfenes Geld sind. Ich empfehle daher, den ersten Absatz unseres Antrages heute anzunehmen und den zweiten Teil einem Ausschuh zu überweisen, da nach unserer Geschäftsordnung jeder Antrag von Mitgliedern, der eine Geldbewilligung in sich schließt, einem Ausschuß überwiesen werden muß. Stadtv. G o t t s ch a l k(lib. Frakt.): An und für sich stehen wir dem Antrage der sozialdemokratischen Fraktion sympathisch gegenüber. Wir sind aber der Meinung, daß die Zählung einen amtlichen Charakter tragen muß; sie muß unter Aufsicht des Magistrats vor sich gehen, erst dann ist dieselbe zuverlässig. Wenn wir Geld geben, mutz uns auch das Recht eingeräumt werden, mit- zuleiten. Den in Verlin gegen die Zählung nach dem Hauslisten- system angeführten Gründen können wir uns nicht anschließen. Wir sind überzeugt davon, daß die Zählung nach dem Meldesystem ver- sagt hat. Oberbürgermeisber Wilde: Wir müssen den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion unterscheiden in seinem ersten und zweiten Teil. Durch die Annahme des ersten Absatzes dokumen- tieren wir, daß nur die Zählung nach dem Meldesystem falsche Zahlen geliefert hat. Nach den uns zugegangenen Berichten hat die Zählung nach dem Meldesystem absolut keinen Wert, die Zahlen bieten uns keinen Anhalt. Wird der erste Absatz angenommen, so ist eS für Schöneberg unmöglich, sich noch an der Zählung Berlins nach dem Meldesystem zu be- teiligen. Bevor der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vor- lag, war der Magistrat schon überzeugt, daß die Zählung nach dem Meldesystem nicht wiederholt werden kann. Eine eigene Zählung nach dem Hauslistenshstem vorzunehmen geht aber nicht, da wir dies unmöglich tun können, wenn die Arbeiterschaft selbst eine Zählung veranstaltet. Auch sind wir nicht imstande, die dazu nötige Organi- sation rechtzeitig zu schaffen. Wir können eine Zählung von Haus zu Haus nur mit Hilfe der Gewcrk- schaften vornehmen. Die gewerkschaftlichen Organisationen sind uns anscheinend ziemlich fremd, aber wir dürfen die- selben nicht unterschätzen. In Wahrheit sind die Gewerkschaften der Mittelpunkt des Wirtschaft- lichen Lebens, sie haben eine große Bedeutung. Ohne sie oder gegen sie kann etwas Durch- greifendes in den Arbeiterfragen nicht unter- n o m m e n werden. Ich halte es für ani besten, daß wir auf eine eigene Zählung verzichten. Damit die Angelegenheit auch heute noch zum Abschluß gebracht werden kann, würde ich vor- schlagen, die für die Zählung nach dem Meldesystem noch vorhan- denen Mittel in der Höhe von 844 M. den Gewerkschaften als Bei- Hilfe zu überweisen. Stadtv. Heyne(Jlnabh. Vereinig.): Meine Fraktion war der Meinung, daß der ganze Antrag zunächst einem Ausschuß zu über» weisen sei. Nach den Ausführungen des Oberbürgermeisters haben wir unsere Ansicht geändert. Wir empfehlen ebenfalls, von einer besonderen Zählung abzusehen und die verfügbaren Mittel den Ge» werkschaften als Beihilfe zu überweisen. Stadtv. Wollermann erklärt namens der sozialdemokra- tischen Fraktion, daß dieselbe nach Lage der Dinge damit ejnver- standen sei, daß die Summe von 1000 M. auf 544 M. ermäßigt wird. Die sozialdemokratische Fraktion trage keine Schuld daran, daß der Antrag erst heute zur Beratung gekommen ist. Hätte man sich gleich in der ersten Sitzung, wo der Antrag vorlag, damit be- schäftigt, so konnte der geschäftsordnungsmäßige Weg beschritten und die Angelegenheit erst einem Ausschuß überwiesen werden. Der erste Absatz des sozialdemokratischen Antrages wird darauf mit großer Majorität angenommen. Dem zweiten Teil stimmte die Versammlung einstimmig in der folgenden abgeänderten Form zu: „Die Versammlung ersucht den Magistrat, von einer Zählung am 15. Februar abzusehen und die nach dem Etat noch porhan- denen Mittel den Gewerkschaften als Beihilfe zu der Arbeits- losenzählung zur Verfügung zu stellen," Zu Begmn der Sitzung erfolgte die Einführung des neu» gewählten Stadtrats, Landgerichtsrat a. D. Dr. B e r w i e n. So- dann kam eine Erklärung des Stadtv. Zobel zur Verlesung, worin derselbe den von ihm in der vorigen Sitzung gemachten Ausdruck zurücknimmt; derselbe sei nur bildlich gemeint gewesen und er be- dauere, daß er anders aufgefaßt worden ist. Damit ist der Friede auf eine Zeitlang wieder einmal hergestellt. Die Versammlung setzte dann die in der vorigen Sitzung ab- gebrochene Debatte über den. Erweiterungsbau des städtischen Krankenhauses fort. Nach längeren Ausein- andersetzungen wird in namentlicher Abstimmung mit 29 gegen 23 Stimmen beschlossen, der Errichtung der beiden Jsolierpavillons sofort zuzustimmen. Der übrige Teil der Vorlage wird einem Ans- schuh überwiesen. Der sozialdemokratische Antrag, die betreffenden Arbeiten soweit als möglich in eigener Regie auszuführen, wird mit 26 gegen 25 Stimmen abgelehnt. Einige Mitglieder der liberalen Fraktion hielten es nicht der Mühe für wert, bei der Ab- stimmung im Saale zu bleiben. Darauf nahm die Versammlung den Bericht des Ausschusses über die Ausnutzung des Druckenmüllers che n Grund- stück es entgegen. Der Ausschuß kam zu dem Resultat, die auf dem Grundstück vorhandene große Maschinenhalle für die Zwecke einer Turnhalle nicht zu verwenden, da die nötigen Veränderungen mindestens ebensoviel kosten würden, wie eine vollständig neue Turnhalle. Die große Halle soll, soweit sie nicht für die Zwecke der Straßenreinigung in Anspruch genommen wird, als Ausstellungs- halle vermietet werden. Da nun aber das Vorhandensein einer städtischen Turnhalle sich als dringend notwendig heraus- gestellt hat, empfiehlt der Ausschuß, den Magistrat zu ersuchen, �bal- digst eine diesbezügliche Vorlage zu machen. Stadtv. K ü ter(Soz.) empfahl, den Bau der städtischen Turnhalle möglichst zu beschlcu- nigen, damit dem Arbeiter-Turnvercin wieder ein Obdach gewährt werden kann. Redner bedauerte, daß der Magistrat in dieser An- gelegenheit nicht energischer vorgegangen ist. Der Antrag des Aus- schusses wird darauf angenommen. Sodann wird beschlossen, für jedes Mitglied des EtatSaus. schusses und des Rechnungsaussckiusses ein Ersatzmitglied zu wählen, das in Behinderungsfällen eines Mitgliedes einzutreten hat. Anläßlich der Nachbewilligung von 4000 M. für die Schlamm- abfuhr aus den Kanälen und Sinkkästen kritisiert Stadtv. B ä u m l e r(Soz.) die Handhabung bei Vergebung des Abfuhr- lvesens, die seiner Meinung nach zu bureaukratisch sei. Dadurch komme es, daß ein Teil des Straßenkebrichts doppelt bezahlt werde. Redner richtet die Anftage an den Magistrat, wie Weit die Vor- arbeiten zur U ebernah me des Abfuhr Wesens in eigener Regie gediehen sind. Vor längerer Zeit habe eine Deputation von Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern meh- vere Städte zu diesem Zweck bereist, aber ein Bericht ist bis heute noch nicht gegeben. Man bedenke, daß der jetzt bestehende Vertrag spätestens ani 31. März d. I. gekündigt Iverden muß. Bis dahin muß doch die Stadtverordnetenversammlung in dieser Angelegenheit Beschluß gefaßt haben. Der Vorsteher erwiderte darauf, daß der Bericht der nächsten Sitzung vorgelegt werden wird. Auf An- trag der sozialdemokratisch.n Fraktion wird die geforderte Nach- bewilligung zunächst dem Etatsausschuß überwiesen. Zugestimmt wird der Errichtung eines neuen Magistrats- sitzungssaäles. Der Barbier-, Friseur- und Perücken macher- I n n u n g wird für ihre Fachschule eine laufende Unterstützung bis auf weiteres gewährt. Weitere Unterstützungen iverden auf Antrag des Petitions- ausschusses gewährt: dem MänNer-Turnverein für Veranstaltung von Spielen 400 M. und dem Verein Schöneberger Lehrerinnen für den eingerichteten Kinderhort 600 M. Der Petition um Verlängerung einer Omnibuslinie von der Bülowstraße nach dem Kaiser-Wilhelmsplatz wird ebenfalls zugc- stimmt._ Rixdorf. Ueber die Behandlung Unterstüvung Nachsucheuder auf der hiesigen Armendirektion wird lebhaft Klage geführt. Der Anlaß ist folgender: Ein armes Mädchen ist vom Sohne der Herrschaft geschwängert worden und wird Mutter eines unehelichen 5kindeS. Wie das nun so geht, drückt sich der Vater davon, die Konsequenzen seiner Hand- lung zu tragen und in entsprechender Weise für das Kind zu sorgen. Dadurch fällt die ganze Last der Versorgung des unschuldigen KindeS der Mutter zu. Die Mutter, die aber in Stellung gehen muß, um sich selbst durchzuschlagen, ist bei ihrem geringen Verdienst nicht im- stände, das Pflegegeld zu zahlen, und ist gezwungen, sich an die zu- ständige Behörde zu wenden um Unterstützung, wenigstens so lange, bis der angestrengte Alinientationsprozcß entschieden ist Eine Verwandte de? Mädchens begibt sich zu diesem Zweck nach der Armendirektion in der Berliner Straße und trägt die Sachlage vor. Die Sache wird ansgenommen und die Antragstellerin nach dem Zimmer Nr. 15 geschickt, um hier wiederum den Fall vorzutragen. Daraufhin erklärte ei» Beamter dem Sinne nach, wer keine Kinder ernähren könne, solle sich keine anschaffen. Ein Mädchen, das ein bißchen Anstand besitze, brauche kein Kind zu haben, unehelichen Müttern könne man die Sorgen nicht abnehmen, damit sie sich mehr in acht nehmen. Schließlich erfolgte Ablehnung der Unterstützung. nachdem der Herr mit einem anderen im Zimmer Nr. 7 Rücksprache genommen hatte. Wir wollen im Augenblick über den von der Antragstellerin eingeschlagenen Weg unö hier nicht verbreiten, rügen müssen wir aber das Betragen, das städlische Beamte sich glauben hiesigen Bürgern gegenüber herausnehmen zu sollen. Zwar entsprechen die gemachten Bemerkungen ganz der Aus- fassung. die in bürgerlichen Kreisen über die unehelichen Mütter im Schwange sind, sie sind aber einmal gänzlich unzutteffend, dann aber entschieden ungehörig. Die be- treffenden Beamten sind zu �solchen Aeußerüngen in keiner Weise befugt, sie haben die Anträge aufzunehmen und die zuständigen Stellen haben Entscheidung zu treffen; ein Recht, in dieser Weise sich über Unterstützung Suchende auszulassen, haben die Herren ent- schieden nicht. Wir möchten annehmen, daß auch der Rixdorfer Magistrat ein solches von städtischen Beamten geübtes Versahren nichl billigt und glauben bestimmt, daß unsere Parteigenössischen Stadtverordneten gelegentlich Veranlassung nehmen werden, darauf hinzuweisen, daß Beamte, die mit Hilfesuchenden zu tun haben, sich in den Grenzen bewegen, die ihnen gezogen sind. Pankow . Eine öffentliche Gewerkschaftsversammlung findet am Donners. tag, den 4. Februar, abends 8V3 Uhr, bei Rozicky, Meuzstraße 3/4, statt. Tic GctyerkschaftSnntglicder und Partelgenosscn werden hier- mit besonders aus diese Versammlung aufmerksam gemacht. Steglitz . AuS dem Zuge gestürzt. Durch das unvernünftige Drängen im Stadtbahuverkehr ist gestern. auf dem Bahnhof i» Steglitz ein schwerer Unfall herbeigeführt worden. Das in der Südendstraße 3 wohnhafte Fräulein Johanna Werkshagen war im Begriff gewesen. den von Zehlendorf kommenden Wannieebahnzug zu verlassen, als von hinten die nachfolgenden Fahrgäste stark nachdrängten. Fräu- lein W. wurde dadurch zu Fall gebiacht und erlitt einen schweren Schenkelbruch. Die Verunglückte fand im Lichterfelder Krankenhause Aufnahme. �riedrichshagen. DaS Opfer einer verhängnisvollen Flaschenverwechfelimg ist der Bäckermeister Raatz, Scharnweberstraße in Friedrichshagen , geworden. R. wollte eine Flasche Bier trinken unö im dunkeln griff er in der Speisekammer nach der Flasche. Statt der Bierflasche ergriff er jedoch eine Flasche, die Gift enthielt. Er tat.einen kräftigen Zug und brach bewußtlos zusammen. Eine Stunde später War der Un- alückliche den Wirkungen dtt Giftes bereits erlegen. Weisieusee. Entschlafen. Mit dem 31. Januar hat die„Weißenleer Bürgerpost" ihr Erscheinen eingestellt, nachdem die Defizits von den Geldgebern nicht mehr gedeckt werden. Vier Monate hat das Organ des ircien Wortes sein Dasein gefristet; das freie Wort artete in böse Schimpfereien gegen die Gemeindeverwaltung aus, so daß noch eine Reihe Prozesse das Resultat der verkrachten Gründung sein werden. Auch die Sozialdemokratie sollte mausetot geschlagen werden, aber auch diese lebt freier wie zuvor. Vor Monatsirist wechselte bereits der Verleger und der Ton wurde etwas zahmer, aber den TodeSkeim trug das Blättchen schon bei der Geburt in sich. Am Sonntag fand eine Jnteressentenversammlung statt, die noch einmal 10000 M. opfern sollte, jedoch nicht die Hälfte konnte garantiert werden, und so war das Schicksal besiegelt. Grünau . Die Gemeindevertretung tagte am 23. Januar bereits zum zweitenmal im neuen Jahre. Zur Beratung stand der Voranschlag 1909. Man muß anerkennen, daß bei dieser ElatSberattmg doch hin und wieder eine Spur von sozialem Empfinden sich bei_ einigen Herren bemerkbar machte. Der Etat balanziert mit 157 000 M. Neu eingesetzt sind 3000 M. für Straßenreinigmig die jetzt durch die Kommune vorgenommen werden soll, sowie 30 000 M. zur Schaffung eines Betriebsfonds. Von wesentlicher Bedeutung ist der einstimmig gefaßte Beschluß, für unsere zirka 360 Schüler aufweisende Schule einen Schularzt einzustellen, für diesen Zweck sind 200 M. ausgeworfen. Recht kleinlich erscheint das Argument, daß zu den Aufgaben des Schularztes auch die Kontrolle über die Kinder, die wegen vorüber- gehender Erkrankung die Schule versäumen, gehöre. Seit dem Herbst vorigen Jahres ist auch die Kirchensteuer für unseren Ort eingeführt. Auf eine Eingabe des Predigers wurde nun beschlossen, zur tcilweisen Deckung dieser Steuer 2000 M. zu spenden. Man glaubt, durch den niedrigen Satz der Kirchensteuer, der vielleicht noch 7— 8 Proz. betrogen würde, den Zuzug zu fördern. Bei dieser Gelegenheit wurde auch bekannt gegeben, daß die Abrechnung vom Kirchenbau nun soweit fertiggestellt sind, daß noch 24000 M. zu decken sind, die niemand übernehmen will. Bisher wurde ein Kommunal- steuerzuschlag von 124 Proz. und eine Grundwertsteuer von 0.225 Proz. erhoben. Auf Antrag des Herrn Ohlrich wurde nun be- schloffen, die Grundwertsteuer auf 0,340 Pioz. zu erhöhen und den Kommunalsteuerzuschlag auf 120 Proz. herabzusetzen. Geplant war nur eine höhere Bestenerung der unbebauten Grundstücke. Ein An- trag Dr. Scholem , die Wertzuwachssteuer einzuführen, wurde lebhaft diskutiert und der Gemcindevorsland beauftragt, Erhebungen anzu- stellen und eine Vorlage zu machen. Mit dem Reubau der Leichen- Halle dürfte im Frühjahr begonnen werden. Bohnsdorf . Mit der Novelle zur Gewerbeordnung beschäftigte sich eine Volksversammlung, die am 31. Januar um 3 Uhr nachmittags im Saale des Restaurants Falkenruh tagte. Der Besuch war ziemlich gut. Dur Vorsitz führte Genoffe Kreckich. Genosse Max Schütte aus Berlin erstattete daS Referat, welches allseitige Zustimmung fand, mahnte dabei auch zum Eintritt in die polittsche Organisation. Nach Schluß erklärten eine Anzahl der Anwesenden ihren Beittitt zum Wahlverein, der in der kurzen Zeit seines Bestehens bereits er- sreuliche Fortschritte gemacht hat. Bernau . I» einer gutbesuchten Bolksversammlnng referierte am hiesigen Orte Stadthagen über das Thema:„Deutschland nach aiisic» hui, nach innen?" Wie sehr die Versammelten mit seinen Ausführungen einverstanden waren, bewiesen die öfteren Beifallskundgebungen, die Redner während seines VorttageS sowohl wie auch am Schluß desselben erntete. Wollen wir hoffen, daß seine Aufforderung, die politischen wie auch die gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter zu stärken, auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Wünschen wollen wir aber auch, daß die Parteigenossen die so notwendige Klein- arbeit in Zukunft mehr pflegen, was nicht immer konstattert werdeir tonnte. In folgendem geben wir hiermit die Namen der neugewählten Funktionäre bekannt: 1. Vorsitzender Genosse Ernst Knöschke; 2. Vor- sitzender Genosse Helbig; Kassierer Richard Kunze ; Schriftführer Genosse Rücker; Beisitzerin Genossin Siemund. Bezirksführer deS 1. Bezirks Genosse Stocklöw. für den 2. Genosse Altmann, für ge- teilten 3. Bezirk die Genossen Siemund und Bogdahn. Lokal- kommission: Genosse Malzahn; Bibliothekar: Genosse Schneider. Die Genossen Schröder, Flöler und Mittelstädt fungieren als Revi- soren. ZeitungSkommissions- Mitglieder sind die Genossen Pank, Brehmer und Mcrfold. Bezirksführer für Röntgental ist Genosse Hoppmann, für Schönow Genosse Duckwitz. Spandau . Eine Privatklagesache zwischen dem Stadtverordneten Genossen Pieck und dem Redakteur des„Spandaner Tageblatts" G. Schob junior wurde am Montag vor dem hiesigen Schöffengericht ver» handelt. Der Klage lag folgender Vorgang zugrunde: In einer Stadtverordnetenversammlung im Oktober v. I. hatte der Stadt- verordnete Genosse Pieck sich etwas scharf gegen den Straßen- reinigungsinspektor Mathwig ausgesprochen. Letzterer beabsichtigte deshalb gegen den Genossen Pieck klagbar zu werden. Nachdem Genosse P. aber in der dgrausfolgenden Stadtverordneten- Versammlung die Aeußerungen, welch« er auf Grund falscher In- formation getan, zurücknahm und sich entschuldigte, brachte das .Spandauer Tageblatt" in seiner Nummer am 13. November einen hämischen Artikel über diese Angelegenheit, durch welche sich der Genosse Pieck beleidigt fühlte. Es war darin von Ehrabschneiderei unter anderem die Rede. In der Hauptsache zielte der Artikel darauf ab. der sozialdemokralischen Partei eins auszuwischen. In der Verhandlung erklärte der beklagte Redakteur Schob jun., daß er den Artikel gar nicht geschrieben habe und daß der Stadtv. Pieck nicht beleidigt werden sollte. Die Sache endete schließlich mit einem Vergleich unter folgenden Bedingungen: Der Angeklagte Schob nimmt mit dem Ausdruck des Bedauerns die in dem fraglichen Artikel enthaltenen Beleidigungen, soweit sich der Privarkläger dadurch getroffen fühlt, zurück und übernimmt die sämtlichen Kosten des Verfahrens einschließlich deS dem Vertreter des Klägers zugebilligten Honorars von 40 Mark. Kläger nimmt die Klage zurück, falls der Beklagte binnen einem Monat die Kosten zahlt.— DaS„Spandauer Tageblatt" dürfte eine» fühlbaren Denkzettel er» halten haben, was es aber kaum abhalten wird, die sozialdemokra- tische Partei auch fernerhin anzupöbeln. /Zus der Frauenbewegung. Männer-Engherzigkeiten. Kürzlich hat in Essen (Ruhr) der Rheinisch-wcstfälische Zweig» verein des Verbandes der Philologen an öffentlichen höheren Mädchenschulen Preußens getagt und eine scharfe Kundgebung gegen die Frau als Leiterin öffentlicher höherer Mädchenschulen angenommen. Begründet wurde diese Stellungnahme damit, daß „nur den Männern Regierung und Verwaltung des Staates" zu- stehe.„Dem Geiste der Verfassung würde es widersprechen, wollte man in einem Zweige der öffeiitlichcn Verwaltung die Frauen zu Vorgesetzten von Männern machen." Hoffentlich protestieren die Herren der Schöpfung auch da. gegen, daß sie von Frauen geboren werden. Für diese Pädagogen gilt aber nicht der Grundsatz, daß Tüchtigkeit und Leitung ent- scheiden sollen. Für die Gehässigkeit und Engherzigkeit, mit der die Lehrerinnen aus den Kreisen ihrer männlichen Kollegen zu kämpfen haben, dafür liefert eine Frau in der„Köln . Ztg." (Nr. 102) einen charakteristischen Beitrag. Die Dame berichtet: „Zweimal wurden bisher von Direktorinnen Oberlehrer ge- sucht. Das eine Mal' meldeten sich 8 Herren, darunter 5, die bisher unter männlichen Direktoren gearbeitet hatten, anerkannt tüchttge Männer, das andere Mal meldeten sich 12 Herren. ES stimmt also nicht, daß kein Mann unter einer Frau arbeiten will.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten