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fffte Sstündige ArbsitZzeit festgesetzt, alle anderen Kategorien ar- bciten t» Stunden und darüber. Man bedenke, daß es sich um Arbeiten handelt, die Zur Lungenschwindsucht führen und die fort während von Unfällen bedroht sind. Notwendig ist es, eine acht. stündige Arbeitszeit der in Betracvt kommenden Berufe einzu führen und als Uebergang den Ncunstundentag für sämtliche Kate- goricn einzuführen. Statt dessen sind die wichtigen Kategorien der Granit- und Marmorarbeiter in der Bundcsratsverordnung ganz ausgelassen.(Hört! hört!) Und dabei steben diese Berufs in der Unfallstatistik an dritter Stelle. Die allereinfachsten Schutz. maßregeln werden in sträflichster Weise verabsäumt. Die Werk. statten haben meist nicht einmal gepflasterten Fussboden. Jetzt stehen die Arbeiter in einer wahren Schlacke, die, zumal da übel- riechende Flüssigkeiten zum Polieren benutzt werden, im Sommer einen schauderhasten Geruch verbreitet. Häufig bringen die Ar- bester Krankheitsstoffe aus solchen Werkstätten in ihre Fannlie mit. Die Technik in diesem Berufe ist in bewundernswerter Weise fortgeschritten. Der dort hergestellte Kunststein gleicht täuschend dem Marmor. Aber die furchtbare Staubentwickelung, die bei dieser Fabrikation herrscht, wirkt geradezu mörderisch. Hunderte von Arbeitern gehen elend zugrunde. Ein gewisser Steinbruch- besiher Schrödter in Sachsen hat einen sehr findigen Ausweg aus. geklügelt, um die Bestimmungen über Frauenarbeit zu umgehen Erverkaufte" die Steine an Arbeiterinnen, ließ sie durch diese zerkleinern undkaufte" sie dann von ihnen zurück I(Lcbh. Hört! hört! bei den Soz.) Die Ortsorganisation erhob Beschwerde gegen diesen findigen Steinbruchbesitzer. Die Sache kam zur ge- richtlichen Verhandlung und das Gericht gab dem Beschwerde- führer recht. Dieses Mal ist es dem Herrn also mit seiner Findig- keit nicht gelungen, aber er wird schon etwas anderes austifteln. In den Granit- und Marmorbc trieben werden über 10 000 Arbeiter beschäftigt, wozu noch mindestens cbensoviele in den ver- wandten Berufen treten. Es sollte sich doch wirklich lohnen, zu- guusten dieser 20 000 Menschen Massnahmen zu treffen. Steigen doch die Unfallzisfcrn in diesen Berufen auf 20 bis 30 Proz. der Gesamtzahl der in ihnen beschäftigten Arbeiter,(Hört? hört! bei den Sozialdemokraten.) Schon im vorigen Jahre habe ich auf die Gefahr bei der Verarbeitung des Bleiweihes hingewiesen. Die Statthalterei in Niederösterreich hat bereits am 27. August vorigen Jahres ein Bleiweissverbot erlassen. Der Stadt- rat von Wien hat bereits am 5. März ISO? verboten, daß auf städtischen Bauten Blcdwciss verwendet wird. In Preußen und Berlin denkt man an so etwas nicht. Hier will man Leben und Gesundheit der Arbeiter nicht schützen. Aber nicht genug damit, daß man an kein Bleiweissverbot denkt, nicht einmal die minimalen Bestimmungen der bestehenden Bundesratsverordnungen werden von den Einzelstaaten, von Preußen und von den Konimunen be- achtet. Ter Verband der Maler und Anstreicher hat im vorigen Jahre eine Enquete darüber veranstaltet, die geradezu nieder- schmetternde Ergebnisse zeittgte. In 84 Proz. der Betriebe tverden die Schutzbcsttmmungen der Verordnung mißachtet, die Arbeiter bekommen weder Wasser noch Bürste zum Reimgen der Hände, ebensowenig Seife nnd Handtücher. Statt einer Nagelbürste gab ein Arbeitgeber einfach eine Scheuerbürste, in mehreren Fällen wurden von den Arbeitern für Seife und Handtuch noch extra 00 Pf. verlangt. Die Verordnung verlangt die Lieferung von Arbeitskitteln, aber der preußische Handelsminister erklärt, bei den Kleinmeistern könne man daS nicht so streng handhaben! Auf staat- lichen und städtischen Bauten werden die Arbeiten aber nicht Klein- meistern übertragen, sondern den größten Firmen, welche ebenfalls die Schutzbestimmungen nicht anwenden. Auf staatlichen und städ- tischen Bauten herrscht auch überall noch Akkordarbeit, diese Mord- arbeit, welche die Arbeiter geradezu zwingt, alle Vorsicht außer acht zu lassen, um das wenige zu schakfen, was unbedingt zur Er- Haltung der Familie notwendig ist.'(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Nicht nur bei der Bearbeitung bringt Bleiweiß Ge- fahren mit sich, sondern die Gefahren greifen viel weiter. So berichtet der Medizinalrat aus Hildesheim von typischer Erkrankung von 3 Personen an Bleiweitzvergiftung. Der Grund war. wie sich schließlich herausstellte, daß von den Zimmern, welche die Familie bewohnte, eines eine neue Tapete bekommen hatte, die einen hohen lßrozentsatz von Bleiweiß enthielt. Der Lieferant konnte nicht ge- fatzt werden, weil ein Verbot für die Verarbeitung dieser Stoffe bei den Tapeten nicht besteht! Dr. Richter teilt die Berufe, die mit Bleiweiß arbeiten, in drei Gruppen: solche, bei denen durch einfache Reinlichkeitsvorschriften und Verkürzung-der Arbeitszeit Bleivergiftung völlig verschwinden kann; zweitens solche, in denen sie durch diese Mittel stark vermindert werden kann, und drittens solche, bei denen ohne gewaltsames Ein- greifen der Gesetzgebung die Gefahren, ivelche der Beruf mit sich dringt, auch nicht einmal vermindert werden können. Für diese Berufe schlägt auch er ein vollkommenes Verbot von Blciweiß vor. Sogar Arbeitgeber verlangen dieses Verbot. wie z. B. der Obermeister der Malerinnung in Hamburg . Es gibt ja auch vollständigen Ersah für daS Äleiweitz, z. B. das so- genannteD i a m a n t w e i ß". Das hat auch der Generaldirektor der badischen Staatsbahnen anerkannt: in Baden darf schon seit Anfang des Jahres 1907 Bleiweiß in keinem Staatsbetrieb ver- wendet werden. In Preußen kann man sich hierzu natürlich nicht aufraffen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ein durch Bleivergiftung invalide gewordener Arbeiter hat keinen Anspruch auf Unfallrente, weil die Bleivergiftung als Betriebsunfall nicht angesehen wird. Stirbt er an der Vergiftung, so sind seine Frau und Kinder von vornherein auf die Mildtätigkeit der Kommunal- behörden angewiesen. Wenn die Regierungen und der Reichstag sich nicht zu einem völligen Bleiiveißverbot aufschwingen können, so müßte doch mindestens dafür gesorgt werden, daß die Arbeiter, welche mit diesem Gift arbeiten müssen, demSegen" der Unfall- Versicherung unterliegen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Auch ia anderen Gewerben zeigen die Berichte der Gewerbe- inspektorew schlimme Zustände. In den Ziegeleien haben wir 14- und löstündige, selbst löstündige Arbeitszeit. Manche Ziegeleien haben überhaupt keine Aborte, sondern in primitivster Weise müssen die Arbeiter ihre Notdurft verrichten; daS schlimmste Ausbeutungssystem, das Trucksystem, steht in den Ziegeleien in voller Blüte. Noch schlimmer steht es in den sogenannten Thomasschlackenmühlen. Die Zahl der Erkrankungen bei dieser mörderischen Arbeit über- steigt 50 Proz. Kein Arbeiter ist langer als 5 Jahre bei dieser mörderischen Arbeit beschäftigt. Denn alle kehren wegen der Ge- fährlichkeit der Arbeit den Betrieben den Rücken. Herr Mugdan macht die Arbeiter vielfach für daS Fehlen von Schutzvorrichtungen verantwortlich. Da mache ich ihn und den Staatssekvetär aus einen Betrieb in Schöneberg , also vor den Toren Berlms, aufmerksam, wo für 80 Personen nur zwei Klosetts existieren. Der Gewerbe, nspektor ist trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Arbeiter noch nicht dazu gekommen, den Betrieb zu re° vidieren. Schließlich sind die Ardeiter jetzt in einen Streik ein- getreten, um eine Besserung der Verhältnisse zu erreichen. Bor kurzem hatten wir hier die Arbeitslosendebatte. Aber trotz-des Ernstes der Lage, der von allen Seiten anerkannt wurde, tst bis heute noch nicht das geringste geschehen, um die Lage der Arbeitslosen zu verbessern. Auch für dee arbeitslosen Eisenbahn- arbeiter hat der preußische Staat nichts getan. Was kümmert das auch den preußischen Eisenbahnminister mit seinem nach Zehn- taufenden zählenden Gehalt, das er von den Steuerzahlerg erhält? Wie der preußische Staat mit semen Arbeitern umspringt, beweist das Verhalten einer königlichen Bauverwaltung m Ostpreußen . wo ein Arbeiter, der 35 Jahre im Staatsdienst tätig war, einfach auf die Straße geworfen wurde.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- krat-n.) Nicht einmal ein Stück Brot kann sich dieser Mann nun kaufen, der ein Lebensalter und mehr für den preußischen Staat tätig gewesen ist. Ich könnt« hier noch eine große Reihe von anderen Fällen mitteilen, tPß der Kskus bei KanMMen ausländische Ar- beiter herangezogen hak, während die einheimischen Arbeiter zu Hunderten und Tausenden auf der Straße liegen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Von dem engherzigsten fiskalischen Stand- Punkt geht die preußische Regierung aus, die die ausländischen Arbeiter nur deshalb beschäftigt, weil sie billiger sind. Anstatt CaS Menschenmöglichste zu tun, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, trägt der Staat noch dazu bei, die Not zu vermehren!(Leb- hafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Bei den Verhandlungen über die Handhabung des BereinSgesctzes hat der sächsische Bundesratsbevollmächttgte Dr. Fischer gesagt, daß das neue Vereinsgesetz auch in Sachsen in liberalem Sinne und ohne Schikane gehandhabt werde. Zur Illustration dieser Aus- führungen verweise ich auf daS Vorgehen der Leipziger Polizei- behörde, die eine Vereinsversammlung des sozialdemokratischen Vereins, auf deren Tagesordnung die Wahl von Delegierten stand, für eine öffentliche politische Versammlung erklärte, trotzdem die genaueste und peinlichste Kontrolle über die Versammlungsbesucher ausgeübt-wurde!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)" Die Kreishauptmannschaft stellte sich auf den Standpunkt, daß die Zahl der Mitglieder dieses Vereins eine so große sei, daß auch bei Ver- einsversammlungen schon der Begriff der Oeffentlichkeit gegeben sei. Auf die Beschwerde ans Ministerium wurde den Beschwerde- sührern folgende Antwort zuteil: Da das Reichsvereinsgcsetz selbst keine Bestimmungen darüber enthält, wenn eine politische Versammlung eines Vereins als geschlossen oder als öffentlich zu gelten hat, da ferner bei den Verhandlungen im Bundesrat ausdrücklich ausgesprochen worden ist, daß eine Vereinsversammlung nicht schon deswegen, weil sie von den Veranstaltern als ge- schlössen bezeichnet wird, auch unbedingt als solche anzusehen ist, da ferner der Staatssekretär des Innern bei der Beratung des Gesetzes namens der Reichsregierung aus- drücklich erklärt hat, daß die Feststellung des BegriffsOeffent- lichkeit" nicht dem Gesetz, sondern der Rechtsprechung überlassen bleiben müsse, kann das Ministerium des Innern bei vieser Sach und Rechtslage der Beschwerde nicht beipflichten." (Hört! hört!) Wenn diese Anschauung allgemein Geltung be- kommen sollte, dann sind die Versammlungen aller Vereine, die diel Mitglieder haben, öftentlichc Versammlungen. Wir hatten in der Kommission einen Antrag gestellt, der verlangte, daß die Ver- ämmlungcn von Vereinen, zu welchen nur Mitglieder Zuttitt haben, auch dann nicht als öffentliche Versammlungen zu gelten haben, wenn sie in öffentlichen Lokalen stattfinden. Aber diesem Antrag hat die Regierung widersprochen, und so erleben wir hier dasselbe Schauspiel wie beim Sprachenparagraph, daß sich die Kom- Mission und der Reichstag durch die Ausführungen des Staats- sekretärs haben täuschen lassen.(Sehr richtig! bei den Sozial- Demokraten.) Im übrigen geht es uns gar nichts an, was im Schöße des Bundesrats gesprochen ist. Der Reichstag hat die Pflicht, dafür einzutreten, daß hier eine Aenderung einttitt.(Lebhafte Zu- stimm ung bei den Sozialdemokraten.) Ich komme nun zur Abrechnung mit Herrn Carstens. Herr Carstens hat hier im Reichstage behauptet: Die Arbeiter meiner Fabrik, die dem Porzellanarbeiter- verbände angehören, haben beschlossen, daß jeder, der über 33 M. pro Woche verdient, den Ueberschuß an die Streikkasse abführen soll. Das muß doch die Unternehmer abhalten, Lohn- erhöhungen eintreten zu lassen, da man ihnen doch nicht zumuten kann, die Streikkassen zu füllen. Zum mindesten werden dadurch die Unternehmer veranlaßt, zu erwägen, ob sie nicht bei nieder- gehender Konjunktur Lohnreduktionen eintteten lassen sollen." (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Herr Carstens scheint ür beabfichtigte Lohnreduktionen in der ihm und seinem Bruder gehörenden Fabrik Stimmung machen zu wollen. Dabei stellt sich hier derselbe Herr Carstens als eiftiger Verehrer des Achtstunden- tages vor und scheint beinahe noch lieber den Sechsstundentag be- willigen zu wollen.(Heiterkeit.) Der Bruder des Herrn Carstens hat einen Ukas erlassen, wonach die Arbeiter in Versammlungen den Namen des Rcichstagsabgeordneten Carstens nicht nennen dürfen, der ein ganz bedeutungsloser Mitbesitzer sei.(Heiterkeit. Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident Dr. Paasch«: Es ist hier nicht Sitte, die Privat- Verhältnisse eines Abgeordneten zu besprechen.(Lebhafter Beifall beim Block.) Abg. Zubell: Ich antworte nur auf das, was Herr Carstens elbst hier im Reichstage ausgeführt hat.(Lebhafte Zustimmung !iei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident Dr. Paasch«: Ich muß wiederholen, daß es der parlamentarischen Sitte widerspricht, hier im Reichstage Privat- Verhältnisse eines Abgeordneten zu besprechen.(Erneuter Beifall beim Block.) Abg. Zubeil: Wie kommt Herr Carstens dazu, sich danach zu erkundigen, was die Arbeiter mit ihrem sauer verdienten Lohn anfangen? Erkundigen sich die Arbeiter danach, was Herr Carstens mit seinem Mehrwert anfängt?(Sehr gut! bei den Sozialdeino- kraten.) Ich habe es nicht mit dem Abgeordneten Carstens, sondern mit der Firma Carstens zu tun. In der Fabrik dieser Firma geht eS zu wie in einem Taubenschlag. Um zum Maximallohn zu gelangen, müssen die Arbeiter die Frühstücks-, Mittags- und Vesper» pause durcharbeiten.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident Dr. Paasch«: Die Lohnverhältnisse der Firma Carstens stehen doch nur in einem sehr losen Zusammenhang mit dem Gehalt des Staatssekretärs.(Heiterkeit und tosender Beifall im Block.) Abg. Zubeil: Ich antworte nur auf das, was der Abg. Carstens hier im November vorigen Jahres ausgeführt hat.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident Dr. Paasch«: Aber doch nicht beim Gehalt des Staatssekretärs. Ich ersuche Sie nochmals, nicht mit dieser Breite Dinge zu behandeln, die in keinen: Zusammenhang mit dem vor- liegenden Etat stehen.(Erneuter Blockbeisall. Ein konservatwer Abgeordneter ruft: Aufhören! Lachen bei den Sozialdemo- kraten.) Abg. Zubeil: Ich spreche(nach rechts) nicht Ihretwegen. Wenn es mir beliebt, werde ich noch eine Stunde sprechen.(Heiter- keit.) Ich werde noch Gelegenheit finden, mit Herrn Carstens Ab- rechnung zu halten. Vizepräsident Paasch«: Aber nicht an diesem Ort. Abg. Zubeil: Ich werde auch hier Gelegenheit dazu finden. Hier wird sicher noch die Arbeitslosigkeit zur Sprache kommen. Die Arbeitslosigkeit herrscht auch in Schleswig-Holstein (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten), z. B. auch in Elmshorn. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Und befördert wird die Arbeitslosig- keit durch die fortwährenden Maßregelungen seitens der Unter- nehmer, z. B. seitens der Firma Carstens.(Sehr gut! und leb- hafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Carstens(frs. Vp.): Mein Betrieb ist durchaus nicht, wie Herr Zubeil behauptet,«in Taubenschlag. Es herrschen in ihm absolut ruhige Verhältnksse, obwohl die Verhetzung der Sozial- demokratie einen geregelten Betrieb schwer zuläßt.(Heiteres Lachen bei den Sozialdemokraten.) Herr Zubeil hat die haltlose Behaup- tung aufgestellt, daß Reich, Staat und Kommunen geflissentlich die Arbeitslosigkeit vermehrten. Min. die Sozialdemokratie ist es, die die Arbeitslosigkeit vermehrt.(Heiteres Lachen bei den Sozial- demokraten.) Ich bin im kommunalen Leben seit Jahren bemüht. Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit durchzusetzen. Gerade des- halb werde ich von den Sozialdemokraten angegriffen, die alles daran setzen, die Durchführung der von mir vorgeschlagenen Maß- nahmen zu verhindern. So sind wir zur Errichtung von Volks- küchen geschritten, um den Arbeitslosen gesunde und billige Nahrung zu verschaffen. Was war die Antwort der Sozialdemokraten? Sie mnke ftir solche Bettelsuppen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo. kraten.) Für meinen Betrieb konnte ich keine Maler mehr be» kommen, tveil die Mqlxrei vom sozialdempkrgjischen JOerbgnd ge, sperrt war. Erst als ich daraufhin gezkvungen Sa?, die Entlassung aller meiner Arbeiter anzudrohen, wenn die Sperre nicht aus- gehoben würde, entschloß man sich dazu. So vermehrt die Sozial- demokratie durch unerhörtes Hetzen die Arbeitslosigkeit.(Heiteres Lachen bei den Sozialdemokraten.) Auf die persönlichen Angriffe des Herrn Zubeil gegen unseren Betrieb gehe ich nicht ein. Er soll sie nur in der Oeffentlichkeit wiederholen, dann wird er sich wundern, was ihm passiert.(Großer Beifall beim Block.) Herr Mugdan wird von der Sozialdemokratie besonders heftig befehdet. Dabei ist er gerade für den Ausbau der Unfallversicherung wieder- holt eingetreten. Er wird ein freiwilliger Regierungskommissar genannt. Dies Beiwort ist weder neu noch geistreich. Wir sind eben gewohnt, objektiv zu urteilen. Wir lehnen es ab, Regierungs - maßregeln mit so fanatischem Haß wie die Sozialdemokratie zu kritisieren.(Heiteres Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die gestrige Rede des Staatssekretärs muß den Sozialdemokraten doch schwere Beklemmungen verursachen.(Heiteres Lachen bei den So- zialdemokraten.) Der Staatssekretär hat ehrliche Arbeit geleistet, und wenn seine Worte unter den Arbeitern Mißtrauen gegen die verhetzenden Tendenzen der Sozialdemokratie erwecken, dann find wir sehr zufrieden.(Großer Beifall beim Block, Lachen bei den Sozialdemokraten.) Herr Zubeil meint, der Staatssekretär hätte den Befähigungsnachweis für Sozialpolitik noch nicht erbracht. Herr Zubeil glaubt wohl, daß er diesen Nachweis durch seine Wahl erbracht habe?(Heiteres Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die Frage, wer segensreicher für das Volk wirkt, der Staatssekretär oder Herr Zubeiß überlasse ich getrost der Oeffentlichkeit.(Heiteres Lachen bei den Sozialdemokraten. Großer Beifall im Block.) Hieraus vertagt das Haus die Weiterberatung auf Montag, 2 Uhr. Schluß 6 Uhr._ Mgeoränetenbaus. 24. Sitzung, Sonnabend. 6. Februar» mittags 1 Uhr. Am Ministertisch: Beseler. Die zweite Beratung des Justizetats wird beim Titel Minister fortgesetzt. Abg. Cassel(freis. Vp.): Zur Sparsamkeit sehen wir bei der Justizverlvaltung keinen Anlaß, im Gegenteil fehlt es noch häufig an den notwendigen Einrichtungen. Eine Vermehrung der Richter- stellen wird auf keinen Fall zu vermeiden sein, wenn ich auch allen Anregungen auf Verminderung des Schreibwerks usw. zustimme. Mit dem Krebsschaden des Hilfsrichtertums muß im Interesse einer ordnungsmäßigen Rechtspflege aufgeräumt werden. Was die in der Diskussion bereits erwähnten Prozesse anlangt, so mißbilligen auch wir die bekannte Verteidigungsrede eines Staatsanwalts für einen Zeugen. Wenn wir auch diese betreffende Rede für deplaziert halten, so kann es aber doch in anderen Fällen sehr wohl vor» kommen, daß ein Staatsanwalt einen Zeugen gegen unberechtigte Angriffe in Schutz nehmen muß. Was den Ausschluß der Oeffent- lichkeit anlangt, so gebe ich zu, daß es Fälle gegeben hat, rn welchen der Ausschluß besser erfolgt wäre. Aber dieser Ausschluß darf nicht weiter gehen, als es die Zwecke der Sittlichkeit und die anderen im Gesetze erwähnten Gesichtspunkte unbedingt erfordern. Im übrigen wird daS Vertrauen in die Gerichte nur erhalten bleiben, wenn in vollster Oeffentlichkeit verhandelt wird.(Sehr richtigl links.) Abg. Peltasohn(freis. Vg.) bestreitet, daß mit dem Fürsten Eulenburg anders verfahren sei, als mit anderen Angeklagten. Die Länge der Verhandlung war in der Menge der Beweisanträge und in der mangelnden VerHandlungsfähigkeit des Angeklagten begründet. Mit solchen Vorwürfen sollte man. zumal in der jetzigen Zeit des Schlagworts der Klassenjustiz, vorsichtiger sein.(Bravo rechts.) Die Erfolge der Jugendgerichte müssen abgewartet werden; die hier an ihnen geübte Kritik war jedenfalls verfrüht. Abg. Dr. MizerSti(Pole) kritisiert einzelne Gerichtsurteile gegen Polenz seine Ausführungen bleiben auf der Tribüne fast ganz unverstandlich. Wg. Leinert(Soz.): I Es ist hervorgehoben worden, daß eine ganze Reihe von Neu- bauten im Justizetat vom Finanzminister gestrichen sei. Das ist besonders bedauerlich in der jetzigen Zeit der wirtschaftlichen Krise. Ich habe weiter eine Beschwerde vorzutragen von Bauarbeitern in Magdeburg . Dort sind zum Bau eines Justizgebäudes, weil im Gerichtsgefängnis in Magdeburg nicht genug gefangene Bauarbeiter vorhanden waren, Gefangene aus anderen Verwaltungen heran. gezogen worden. Die Organisation der Bauarbeiter hat dem Justizminister den Eachverhali mitgeteilt, es ist aber nicht Abhilfe geschaffen worden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Der Herr Abgeordnete Rosenow hat darauf hingewiesen, daß eS notwendig sei, durch die Gefängnisarbeit nicht die wirtschaftliche Lage der Handwerker zu schädigen. Ich möchte an den Herrn Justizminister doch den dringenden Wunsch richten, die Gefangenen auch nicht zu benutzen zu Arbeiten, die den reien Arbeitern unbedingt zustehen. Es ist gesagt worden, daß die JtugendgerichtshSfe dazu dienen könnten, die Justiz zu verwässern. Wir haben die Ein- richtung solcher Jugendgerichtshöfe deshalb begrüßt, weil sie die einzige Möglichkeit bieten, die in den letzten Jahren öffentlich be- 'prochenen Schreckensurteile gegen die Kinder endlich einmal völlig aufhören zu lassen. In einer Verfügung des Justizministers sind die Staatsanwälte angewiesen, wie sie bei den Jugendlichen sich verhalten sollen. Es sollen möglichst frühzeitig die Lebensverhält- nisse erforscht werden und alle sonstigen Umstände, die zur Be- nrtcilung der zur Straftat erforderlichen Einsicht erheblich sind. Auch sollten die Staatsanwälte sich mit den Eltern und den Or- ganen der Jugendfürsorge in Verbindung setzen. Eine solche An- ordnung sollte aber auch für Erwachsene an die Staatsanwälte er- gehen. Es unterliegt keinem Zweifel: Wer das nötige Geld hat, ist immer in der Lage. Irrenärzte über seine geistige Zurechnungs- fähigkeit zu beftagen, wäbrend das dem Armen unmöglich ist. Wir wollen nur wünschen, daß die Jugendgerichte auch wirklich ihren Zweck erfüllen, denn wir haben Urteile, die über das hinausgehess, was der gesunde Menschenverstand begreisen kann. In einem Falle wurde ein l2jähriger Junge und seine 13jährige Schwester ver- urteilt» weil sie auf ein Stratzenbahngleis Steine geworfen hatten, und zwar jeder zu einem Jahr Gefängnis!(Hört! hört!) Die erforderliche Einsicht hat das Gericht angenommen, weil die Bedeutung des Straßenbahnbetriebes einem jttnde zum Bewußt- sein gekommen sein müsse! ES stellte sich aber nachher heraus, daß das Mädchen schwachsinnig gewesen war!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ein I4jährigeS Mädchen wurde in Dortmund wegen Brandstiftung zu 6 Monaten Gefängnis ver- urteilt. Es war ein in der Entwicklung sehr zurückgebliebenes Kind. Freilich konnte es den zweiten Artikel des sogenannten Glaubens- bekenntnifleS am Schnürchen hersagen.(Unruhe rechts.) Meist handelt es sich bei solchen Bergehen um Kinder mit sehr mangel- hafter Schulbildung. Solange der heutige Klassenstaat besteht, können wir nicht erwarten, daß es eine Gleichheit ohne Unterschied des Standes bor Gericht gibt. Die herrische Sprache gegen Ange- hörige der Arbeiterklasse steigert sich zur besonderen Liebenswürdig- keit. wenn irgend ein Fürst als Verbrecher vor die Schranken des Gerichts kommt. Das hat insbesondere der Prozeß Eulenburg be- wiesen. Er durfte seine Familtenongehörige» im Gerichtösaal haben, trotzdem sie nachher als Zeugen vernommen wurden. Ihm wurden Vergünstigungen gestattet, die nie ein Arbeiter bekommen hätte. Er wurde als «Herr Angeklagter" angesprochen, während es bekanntlich in einem Schriftstück gegen ein Mitglied dieses Hauses hieß:»dem Liebknecht". Ein Arbeiter wurde zu 7 Jahren ZnäithauS verurteilt, die Strafe wurde verbüßt, und erst ggchhcr stellte sich heraus, daß er bei Begehung der Straf«