Ar. 32. 26. IahrMg. 2. Deillige Scs Jormirls" Kerlincr ödliülilnll. Zonntstg. 7. Ftlirttar lW9. TriUmvitcht Hundfchau. Sin neues Buch Uber äie franzoHfcbe Revolution.*) 8uS der Betrachtung der großen Revolution Frankreichs , die 17S9 begann, enriprang die Auffassung, daß die gesellschaftliche Eni Wickelung ein Produkt von Rlasfenlämpfen sei. Auch die veibohrtesten Ideologen, die in dieser Revolution nur eine Folge philosophischer kehren sahen, konnten nicht umhin, den Kampf der Stände zu be merken, der in ihr zum AuStrag kam. Tiefer blickende Historiker sahen bald, daß die Kämpfe widerstreitender Interessen die eigent- liche Triebkrast der Revolution bildeten. Es war nicht schwer, sobald man auf Grund dieser Emsicht andere Perioden der Weltgeschichte untersuchte, auch dort unter der Hülle gegensätzlicher Ideen die Gegen sätze ihre« materiellen Inhalts zu entdecken. So wurde schon vor Marx die Erkenntnis geboren, die Geschichte der Menschheit sei eine Geschichte von Klassenkäinpfen. Aber diese Erkenntnis nahm nur zu leicht den Charakter einer beguemen Schablone an, als sei die Gesellichast stets bloß in zwe Lager geteilt, die sich bekämpften, etwa Adel und Boll, oder Reiche und Arme, und als genüge eS, diese Tatsache zu konstatieren, um den Schlnsiel zu der gesamten Geschichte der Menschheit und auch zu un'erer Politik in der Tasche zu haben. Diese Auffasiung eines Vulgärmarxismus, die von der vulgär ökonomischen Marxkritik als die marxistische hingestellt wurde, ging vom ersten Augenschein aus, erwies sich aber als trügerisch, wie so mancher Augenschein. Sie ist nicht marxistisch, sondern vormarxistisch gerade Marx war eS. der sie überwand, indem er uns durch seine ökonomische Kritik eine tiefere Erkenntnis des Wesens der Klasse» und damit deS Klassenkampfes erschloß. Für den ersten Augenschein find die Unterschiede der Klasse» Unterschiede entweder in der rechtlichen Stellung oder in der Ein kommenshöhe der verschiedenen Bevölkerungsschichten. Aber diese Unterschiede reichen nicht auS. die Klassengegensätze und Klassenkämpfe zu erklären, ja, sie können sehr oft irreführen. So fühlen sich z. B die kleinen Unternehmer mit den größten Industriellen den Lohn- arbeiten, gegenüber sehr oft solidarisch, auch wenn sie diesen im Einkommen weit näher stehen als jenen. Andererseits können bei gleicher Einkommenshöhe zwischen den Kapitaliste» selbst erhebliche Differenzen bestehen, z. B. zwischen den Geldverleihern und den Kredit brauchenden Industriellen; den schutzzöllnerischen Industriellen und den freihändlerischen Kaufleulen, ja selbst innerhalb der Im duslriellen etwa zwischen den Metallindustriellen und den Textil industriellen usw. Nicht die Einkommens h b h« und auch nicht die rechtliche Stellung im Staate entscheidet in letzter Linie über die Stellung der Klassen zu einander, sondern die Einkommens quelle, die ihrerseits wieder abhängt von der Stellung der Klasse im ProduktionS« Prozeß. Diesen gilt eS in allen seinen Einzelheiten für eine ge gebene Zeit aufzudecken, will man die gesellschaftliche Entwickelung und die gesellschaftlichen Kämpfe jener Periode verstehen, eine keines- wegS einfache Aufgabe mtd durchaus nicht jene bequeme Schablone, als die unsere GeschichtSauffaffung jenen weisen Kritikern erscheint, die nie versucht oder nie vermocht haben, sie richtig anzuwenden. Gerade weil die materialistische GeschichtSauffaffung keine ein fache Schablone ist, die beliebiges Konstruieren ins Blaue hinein ge stattet; weil sie ein tieferes Eindringen in die Verhältnisse einer Zeit erfordert, deshalb ist die Zahl von Geschichtswerlen aus dieser Grundlage noch so gering und ist die so viel verlangte materia listische Universalgeschichte immer noch ein bloßer Traum. Die französische Revolution bot den Anstoß zur materialistischen Auffasiung der Geschichte. In dieser Revolution entfalteten sich zuerst in voller Deutlichkeit ohne religiöse Verbrämung die Klaffen gegensätze der bürgerlichen Gesellschaft, die heute noch in ihr im vollsten Maße fortwirken. Schon vor sechs Jahrzehnten war die materialistische Geschichtsauffassung in meisterhaften Darstellungen entwickelt worden— so von Engels in seiner»Lage der arbeitenden Klaffe in England" 184S, von Marx in seiner„Revolution und Konterrevolution in Deutschland ", t85l und 1852, seinem„Achtzehnten Brumaire ", 1852. Trotzdem fehlte unS bis jetzt eine Geschichte der französischen Revolution auf der Grundlage der materialistischen Geschichtsauffassung. Eine kurze Skizze davon gab ich in meinem Schriftchen über „Die Klaffengegensätze im Zeitalter der französischen Revolution". einer Gelegenheitsarbeit, die 1889 zur Jahrhundertfeier des Beginns der Revolution erschien. Gerade zwei Jahrzehnte dauerte eS, bis der zweite Schritt auf diesem Gebiete gemacht wurde. Allerdings ist dieser Schritt ein gewaltiger, der uns erheblich weiter bringt. WaS uns Genosse C u n o w in seinem jüngsten Buche bietet, ist weit mehr, als der Titel verspricht:„Die revolutionäre Zcitungs- literatur Frankreichs während der Jahre 1789—1794, ein Beitrag zur Geschichte der französischen Klassen« und Parteikämpfe am Ende des 18. Jahrhunderts". ES ist kein„Beitrag", sondern eine grundlegende Arbeit, und nicht bloß die ZeitungSliteratur der Revolution wird hier behandelt, sondern eS wird gezeigt, wie sich die wichtigsten Parteiungen, die entscheidendsten Kämpfe der Revolution in ihrer Zeitungsliteratur spiegeln, wie aber ihre letzten Gründe in den Klassengegensätzen wurzeln, die auS den damaligen ProdultionSverhältniffen und ihren Wandlungen entspringen. Dieser„Beitrag" verbrettet weit mehr Klarheit über daS Wesen jener gewaltigen Umwälzung, als irgend eines der her« kömmlickien Geschichtswerke, die keine Beiträge sein, sondern all- umfassende Darstellungen geben wollen. Allerdings kann man den Wunsch nicht unterdrücken, Genoffe Cunaw möge bald Gelegenheit finden, sein Buch zu einer Gesamt- darstellung der Revolutian zu erweitern. Wohl ist eS für jeden Leser verständlich, aber vollen Nutzen wird nur derjenige auS ihm schöpfen, der scho» die Ercigntffe der Revolution kennt. Wem es möglich ist. der sollte, bevor er an Cunow herangeht, eine oder die andere Schrift über die Revolution vorher lesen, etwa Bios' „Geschichte der französischen Revolution", oder den noch immer recht braucbbaren M i g n« t. Er wird dann daS Cunowsche Werk erst vollständig zu würdigen vermögen. Nicht minder fruchtbar, wie der Standpunkt des historischen Materialismus, der den Berfafier treibt, überall den bewegenden •) Heinrich Cunow ; Dke revolutionäre ZeitungSliteratur Frankreichs während der Jahre 1789—94. Ein Beitrag zur Geschichte der französischen Klassen- und Partei- kämpfe gegen Ende deS 18. Jahrhunderts. Mit IS ZeitungSfakumileS und 11 Porträts. Berlin 1908, Buchhandlung SonvärtS. 828 Seiten GroßokM». Preis broschiert 6,50 M., gebunden 7.89 Bl Produktionsverhältnissen nachzuforschen, erweist sich für ihn sein Ouellenmaterial, die Zeitungen und Zeilschriften des revo- lutionären Frankreichs . Für die herkömmliche Geschichtschreibung der Revolution lonzentriert sich ihr ganzes Interesse auf die parla- meutarischen Verhandlungen und Jmrigen. Auch da herrscht eine Act parlamentarischen Kretinismus. Nun ist ja die Staatsgewalt im Leben der Völker unter den vielen einzelnen Faktoren, die eS bestimmen, sicher der stärkste, aber doch nur einer unter den vielen. Und gerade in den Organen der Staatsgewalt, den Regierungen und Parlamenten, kommen alle die unzähligen Schattierungen der Klassengegensätze, die das gl,„llschaft liche Leben bestimmen, verwaschener und unbestimmter, oft auch ver- logener zum Ausdruck, als sonst wo. Wohl sind die Regierungen nur die Kommis der herrschenden Klasien, aber sie bleiben in ihrem Handeln abhängig von ihrem Regierungsapparat, der Bureaukratie die oft ein recht selbständiges Leben entwickelt; und sie sind daran angewiesen, nach einer breiten Basis zu streben; wo sie mit Parlamenten zu tun haben, noch einer großen und sicheren Majorität die sie nur dadurch erlangen, daß sie möglichst verschiedenartige Interessen unter einen Hui bringen, die verschiedenen Gegensätze innerhalb der herrschenden Klassen möglichst ausgleichen. Andererseits muß auch die Opposition nach möglichster Ge schlossenheit trachten, will sie der Regierung imponieren. Wie die Regierung, muß auch jeder Parteiführer danach streben, alle Nuancen Verschiedenheiten und Gegensätze innerhalb seiner Fraktionsgenossen im Parlament möglichst auszugleichen. Aber schon der Modus der Erwählung des Parlamentariers treibt diesen oft, dem Standpunkt der Klasse, die er verlritt, seine Schroffheit zu nehmen. Die Wähler rekrutieren sich ja aus allen Klassen. Freilich bezeugt die Wahl, welche Klasse unter de» Wählern die Mehrheit besitzt oder beherrscht, aber die Klassen sind in Wirllichleit nicht streng von einander geschieden, es gibt zahlreiche Zwischenstufen und Uebcrgänge, die talsächlich den Ausgang der Wahl in vielen Wahlkreisen entscheiden. Je mehr der Kandidat von ihnen gewinnt, desto besser seine Aussichten. Um diese Zwischen� schichten wird in den Wahlgängen hauptsächlich gekämpft. DaS treibt viele als Kandidaten und später als Parlamentarier. von jeder schroffen Betonung besonderer Klasseninteressen ab- zusehen. Namentlich gilt das für Zeilen und Länder, wo keine geschlossenen Parteiorganisationen mit bestimmten Programmen bestehen. Für die Preffe sind diese Gründe der VerWaschung und Vertuschung der Klassenunterschiede und Gegensätze weit weniger wirksam, ausgenommen die großen Tagesblälter, die es aber zur Zeit der großen Revolution noch nicht gab. Jede Schattierung der Klasseninteressen, die bedeutend genug ist. eine historische Wirkung zu entsalten. findet auch ein Blatt, daö sie vertritt. In der Presse kommt das innere Leben der Parteien, kommen die Verschiedenheiten und Wandlungen innerhalb der großen Massen, die für das politische Leben so wichtig sind, viel klarer zum Ausdruck, als in den Parla- mentcn. Man braucht dabei nur an unsere eigene Partei zu denken Wer vermöchte ihre Geschichte zu schreiben, bloß auf die Reichstags Verhandlungen hin? Ohne Kenntnis der Zeitungen der Partei und der Gewerkschaften wird man ganz schiefe Vorstellungen von der Entwickelung der Sozialdemokratie bekommen. Weit mehr noch aber gilt das für die Parteien der französischen Revolution. Die deutsche Sozialdemokratie betont die Klaffen intereffen sehr stark, dank ihrer marxistischen Bildung und den Jahr zehnten politischen Lebens, die Deutschland durchgemacht, che sie zur Kraft gelangte. Zur Zeil der französischen Revolution boten weder Erfahrung noch Theorie Anhaltspuulte zur bewußten Hervor kehrung der Klossenintereffcn, geschah deren Vertretung fast nur instinltiv. Da kamen sie in den Parlamenten noch weniger offen zum Ausdruck als heutzutage, da wird die Preffe für das Ver ständnis der Parteien noch wichtiger. Durch seinen Standpunkt und sein Ouellenmaterial wird Cunow in Stand gesetzt, vieles klar zu sehen, woran sich die herkömmliche Geschichtsschreibung hilflos abmühte. Sie erkannte gerade noch die Gegensätze zwischen Adel und Geistlichkeit-auf der einen Seite und dem dritten Stand aus der andern, so wie dann innerhalb des letzteren die Gegensätze zwischen der Gironde und der äußersten Linken, dem„Berg Aber selbst diese Gegensätze erscheinen bei ihr sehr schief, namentlich erhält der Berg meist eine proletarische Färbung, die ihm gar nicht eigen war— ganz abgesehen von gutgesinnten deutschen GeschichtS schreibern wie Sybel , der im Polizeisinne schreibt und die Jakobiner einfach zu Anarchisten stempelt. Jedoch auch ernsthafteren und un- befangeneren Historikern blieben die Kämpfe innerhalb der äußersten Linken deS Konvents, zwischen Danlonisten. Hebertisten, Robespierristen, ein Rätsel. Hier sah man nichts als persön liche Unverträglichkeit, Herrschsucht, sinnlosen Blutdurst. Meines Wissens ist Cunow der erste, der diese Gegensätze klar und ei» wandfrei als Klassengegensätze zur Darstellung gebracht hat. Aber auch die anderen, früher schon erkannten Klassengegensätze kommen bei ihm klarer und bestimmter zum Ausdruck als sonst. Und nicht bloß die einzelnen Parteien und Partetungen werden uns bei Cunow völlig begreiflich, auch die einzelnen Per onen werden unS nun nähergerückt und leichter verständlich. Sie schweben nicht mehr in der Luft allgemeiner, abstralter Ideen, die sie repräsentieren, sondern geivinncn festen Boden unter den Füßen, den Boden bestimmter Klassen, aus denen sie hervorgehen oder denen sie sich zugesellen, weil sie sich mit ihnen verwandt fühlen. Ihre Eigenart, soweit sie historische Wirkung hat— und nur insofern braucht sie uns zu beschäftigen— wird jetzt durch die Eigenart der Klasse erklärt, die sie bildete oder anzog. Als Sozialist und historischer Materialist gewinnt Cunow aber auch eine Unbefangenheit gegenüber diesen Personen, die den auf dem Boden der bürgerlichen Wissenschaft stehenden Historikern völlig mangelt, nicht bloß den Reaktionären, sondern auch den Revolutionären. Die einen wie die anderen sehen' in den Kämpfen von heute, an denen sie selbst teilnehmen, bloße Fortsetzungen der Kämpfe der Revolution, sehen dort aus der einen oder der anderen Seite ihre Parteigenossen und fühlen sich gedrängt, diese zu preisen und deren Gegner zu brandmarken. Aber wenn es auch richtig ist, daß in der französischen Revolution schon die Keime zu allen Parteien auftraten, die heute noch im Staate um die Macht ringen, so gilt das noch nicht für eine: die Partei des klassenbewußten Proletariats, die Sozialdemokratie; und ebenso findet man in der Revolution allerdings schon alle Klaffen, die heute in der Gesellschaft um möglichst großen Anteil am gesellschaftlichen Produkt kämpfen, nur eine nicht: das großindustrielle Proletariat. Ein Sozialdemokrat kann daher unbefangen die Kämpfe der Parteien und Klaffen jener Zeit untersuchen, die Partei und Klaffe, für die er eintritt, sind dabei nicht beteiligt. Seine Unbefangenheit ist umso größer, wenn er als Marxist iu dem Einzelnen nur das Produkt der Verhältnisse sieht, so daß er ihn zu begreifen, nicht zu beurteilen sucht. Als Kämpfer können freilich auch wir Marxisten nicht umhin, Urteile zu fällen. Aber sie gelten nur der Gegenwart und der Zukunft, nicht der Vergangenheit. Hier sehen wir nur Notwendigkeit, die wir zu begreifen, von der wir zu lerneit haben. Dank dem ist es Cunow gelungen, den Männern der Revolution mit einer Unbefangenheit entgegenzutreten, zugleich aber auch mit einem Verständnis wie kaum ein anderer Geschichtsschreiber der Revolution. Auch hier wieder erscheinen besonders bemerkenswert seine Darstellungen von Männern der äußersten Linken, die uns ohne jede Gehässigkeit, aber auch ohne verschönernde Schminke vor- geführt werden. Die Charakterisierungen Cnmille DesmoulinS, Marats , HebcrtS sind unübertrefflich durch ihre Bestimmtheit und Schärfe und durch ihre Verknüpfung mit den Klaffen, denen sie dienen. Dank dieser Verknüpfung wird uns ebenso der Mann wie die Bewegung, in der er wirkt, anschaulich näher gebracht. Das Buch Cnnows bedeutet eine wertvolle Bereicherung nnserer h i st o r i s ch e n Literatur, aber nicht minder unserer politischen. Er verfolgt mit ihm wohl den gleichen Zweck, wie ich vor zwanzig Jahren mit meiner schon erwähnten Schrift über die französische Revolution, in deren Vorwort szur 2. Auflage) ich sage: „Sie wollte nicht bloß der Verflachnng der Theorie, sondern auch der der Praxis des Klassenkampfes entgegen- wirken, indem sie zeigte, daß die sozialistische Politik sich nicht damit begnügen darf, den Klassengegensatz zwischen Kapita! und Arbeit im allgememen zu konstatieren, daß sie den ganzen sozialen Organismus in allen seinen Details durchforschen muß, da unter diesem großen Gegensatz»och zahllose andere in der Gesellschaft bestehen von geringerer Bedeutung, die aber nicht übersehen werden dürfen und deren Verständnis und Ausnutzung die prole- tarische Politik bedeutend erleichtern und viel fruchtbarer machen kann." Schon Marx und Engels legten auf daS Verständnis und die Ausnutzung aller dieser Unterschiede den größten Wert. Darum bekämpften sie auch das Laffallesche Wort von der„einen reaktionären Masse", weil sie fürchtete», daß dadurch die schablonenhafte Auf- faslung deS Klassenkampfes gefördert würde, als träten in ihm von vorneherein zwei geschlossene Massen einander gegenüber. AuS Cuuows Buch können wir in dieser Beziehung sehr viel lernen, was die Auffassung unserer eigenen Kämpfe zu verliefen vermag. ES ist schon darauf hingewiesen worden, daß, abgesehen von der Sozialdemokratie und vom großindnslriellen Proletariat, es die« selben Parteien und Klassen waren, die sich heute in Staat und Gesellschaft rühren, die während der großen Revolution in der schärfsten Weise miteinander kämpften. Unerwartet, ohne lange Vorbereitung, einander zu einem Ringen auf Leben und Tod gegenüber gestellt, enthüllten sie ihre Tendenzen mehr, als sie eS in normalen Zeiten zu tu» pflegen. Nirgends kann man sie besser studieren wie zur Zeit der französischen Revolution. Freilich gehört dazu ein Führer wie Cunow, der unter den hocktönenden Phrasen der Schönredner die wirklichen Handlungen der Parteien und Klassen aufzeigt. Jene sonderbaren Käuze unter uns Sozialisten, die noch immer von einem dein Proletariat entgegenkommenden Bürgertum träumen, möge» bei Cunow nachlesen, wie sich schon vor mehr als hundert Jahren das revolutionäre vollkräftige Bürgertum nicht etwa einem politisch selbständigen Proletariat, sondern einem ganz in bürgerlichen Anschauungen befangenen Klein- bürgert» m gegenüber angstvoll ablehnend oder brutal nieder- schlagend verhielt. Das geschah damals, Ivo die Bourgeoisie noch radikal und revo« lutionär dachte. Zum BerständniS unserer Gegner ist daS Verständnis der französischen Revolution unentbehrlich. Aber auch zum Verständnis des proletarischen Klassenkampfes wird das Buch CunowS viel beitragen, freilich nicht durch die Tatsachen, die eS berichtet, sondern durch seine Methode und seine allgemeinen Schlüsse. Da eS zur Zeit der französischen Revolution noch kein klaffen« bewußtes Proletariat gab, können auch die Erscheinungen, die den proletarischen Klassenkampf besonders kennzeichnen, in ihr nicht direkt beobachtet werden. Nur Aualogieschlüffe sind von ihr für heute möglich, bei denen man aber immer sehr vorsichtig sein, die Aenderungen der Verhältnisse stets im Auge behalten muß. Wie sehr aber auch die Berhältuiffe sich gewandelt haben mögen, eins ist sich gleich geblieben: die Abhängigkeit der Politik der einzelucn Schickten der Bevölkerung von ihrer Stellung im Produktionsprozeß. Wenn wir, von diesem Grundsatz ausgehend, die Methode, die Cunow zur Untersuchung der revoluiiouären Schichten des alten Frankreich anwendet, auf das moderne Proletariat übertragen, werden wir finden, daß auch dieses nicht jene einheitliche Klasse ist, als die es anfänglich erscheint. Es zerfällt in verschiedene Schichten, deren Klassenlage insofern die gleiche ist, als sie alle vom Kapital aus- gebeutet werden, alle ihre Befreiung nur durch Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln erlangen können. Aber diese Schichten sind untereinander sehr verschieden in ihren nächsten Jnteressen und den Kampfesmcthoden, wodurch sie diese zur Geltung zu bringen vermöge». Diese Verschiedenheiten berühren nicht da? Endziel des proletarischen 5klasselikampfeS. wohl aber seine jeweilige T a kti k. Niemand wird die taktische» Verschiedenheiten, nicht nur innerhalb unserer Partei, sondern die »och weit größeren innerhalb deS gesamten Proletariats unserer Zeit richtig begreifen und sein eigenes Verhalten in den taktischen Streitfragen zweckmäßig gestalten, der nicht in gleicher Weise, wie eS Cunow für die Klassen der großen Revolution tut, das Proletariat von heute untersucht und in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt. Die Schablone, wonach man die taltischen Differenzen einfach zu einem Werk von Stänkern macht, ist sehr bequem, aber schlimmer als unzureichend. Freilich werden wir bei dieser Untersuchung nicht immer zu Ergebnissen kommen, die uns angenehm sind. Inner« halb der verschiedenen Klassen kreuzen sich die verschiedenartigsten Tendenzen, differenzierende und zusammenschließende. Bald über- wiegen die einen, bald die anderen. So werden z. B. die Gegen- ätze zwischen industriellem Kapital. Handelskapital. Geldkapital heute immer mehr durch das Mtienwesen überwunden, da? dem Finanzkapital die Möglichkeit gibt, das industrielle wie das Handels- kapital aufzusaugen. Und auch der Gegensatz zwischen Grundbesitz und Kapital verschwindet immer mebr. je mehr die groben Grund«
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