Si.33.». Irttja». t. fltÜflUe Reichstag. 201. Sitzung vom Montag, den 8. Februar. nachmittags 2 Uhr. Nm BundeSratStische: v. Bethmann-Hollweg . Aus der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweite» Beratung des Etats für das Reichsamt des Jimern nebst den dazu gestellten Anträgen und Resolutionen. Der an erster Stelle gemeldete Redner, Frhr. v. G a m p(Rp.), ist in d-n, austerordentlich schwach besetzten Hause nicht anwesend. Abg. Irl sZ.) gibt seiner Freude über die bevorstehende Mittelstandsenquete Ausdruck. Die Wirkung der Handwerkergesetz- gebung ist keineswegs so unbedeutend, wie von sozialdemo- kratischer Seite behauptet wird, tzu wünschen ist aber, dah die Handwerkskammern bei den BeKorden mehr Entgegenkommen finden als bisher; dann werden sie noch segensreicher wirken können. Der Redner verbreitet sich ausführlich über die Lage des Hand- Werks, in welchem eS die Arbeiter besser hätten als in der Industrie, und bespricht dann die Frage der Tarifverträge, wobei er ein Tarif- verbot fordert. Gegenüber dem Abg. Zubeil bestreitet der Redner, dast bei allen Malerarbeiren das Blciweist zu entbehren oder durch andere Präparate zu ersetzen sei; auch habe Zubeil die Bleimeist- gefahr übertrieben. Keinesfalls dürften Bleiweistvergistungen, wie eS Zubeil verlange, als Betriebsunfälle angesehen werden Zum Schlust befürwortet Redner eine von ihm eingebrachte Resolution, welche den Berussgenosienschaften Erleichterungen bei der Ansamm- lung von Reservefonds gewähren will. Sächsischer Bundesratsbevollmächtigter Geheimrat Dr. Fischer: Der Abg. Zubeil hat mir am Sommbend einen Vorwurf daraus ge- macht, dast ich gesagt hätte, meine Regierung habe das Vereinsgesetz loyal ausgeführt. Es handelte sich um einen sozialdemokratischen Verein von 23 000 Mitgliedern, der sich über einige 00 Ortschaften erstreckt. Hier kann von einem Verbundensein der Mitglieder gar keine Rede sein. So lange die Gerichte für die Begriffe eines Vereins und der Oeffentlichkeit nicht andere Merkmale ausstellen als bisher, übernimmt die Regierung die Veraulwortung für die Aus- legung des Vereinsgesetzes, wie es gegenüber dem Leipziger sozial- demokratischen Verein geschehen ist. Wenn Herr Zubeil das eine illoyale Ausführung des Gesetzes nennt, so halte ich es nicht für nötig, darauf zu erwidern.(Bravo ! rechts. Zischen bei den Sozial- demokraten.) Abg. Ranmann(frs. Vg.): Die zutreffenden Worte, mit denen der Staatssekretär die Vorkommnisse in Köln brandmarkte, zeigen. wie die Autorität des Staates als Bestandteil der öffentlichen Meinung gegen solche Uebergriffe des Koalitionswesens auftreten kann, wo rein juristisch ein Eingreifen nicht möglich ist. Die Frage deS Koalitionsrechts lätzt sich heute so aussprechen: Wie ist der Schutz der schwächeren Verbände gegenüber den stärkeren möglich? Das ist die zweite Phase des Kampfes um den Arbeiterschutz, in dessen erster Phase eS sich um den Schutz des individuellen Arbeiters handelte. Von ousterordentlicher Bedeutung für die Beurteilung dieser Fragen find die Vorgänge in Oberschlesien . Bekanntlich hat man dort Schläge gegen die Koalttionsfreiheit der Techniker geführt. Der General- dsrektor Uhtemann sagte mit dürren Worten:„Ach waS� Koalitions- sreiheit und persönliche Freiheit sind Redens- arten!"(Hört!'ort!) Und weiter:„Der Verband? Was will der Verband? Dessen Vermögen beträgt ja nicht 1 Prozent des Vermögens dieses einzigen Werkes!" Und dann wurden eine Anzahl Techniker, darunter solche, die sechs Jahre dort tätig waren, auf das brüskefte entlaffen.(Hört! hört!) Wir hoffen, dast der Staatssekretär für diese Vorgänge denselben scharfen Tadel haben wird, den er für die Kölner Vorgänge gehabt hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Formal ist der Generaldirektor Uhteniann im Recht; eS ist aber nötig, dast Reichs- und Staatsbehörden solchen Vorgängen dieselbe Aufmerksamkeit schenken wie etwa Katastrophen nach Art der Katastrophe von Radbod. Was Hilst die Koalitionsfreiheit, wenn sie nur aus dem Papier steht? (Sehr wahr! links.) Die Gesetzgebung must dahin abgeändert werden, dast es direkt verboten wird, beim Abschluß eines Arbeitsvertrages nach der Zugehörigkeit zu dieser oder jener Organisation zu stagen, sowie, dah Reverse vorgelegt werden, die den Arbeitern oder Angestellten die Koalition untersagen. BiS zum Verbot der schwarzen Listen dürfte man dagegeu nicht gehen, denn AuSsperrungSrecht und Streikrecht stehen in Wechselbeziehung, das eine bedingt das andere. Sporadisch auftretende schwarze Listen sind kleines feuilleron. Die Tschudi -Hetze. Der Direktor der Berliner Nationalgalerie, Herr v. Tschudi , den der bekannte Kunstabsoluttsmus und künstlerische Cliquenpolitik von der Stätte seines ersprießlichen Wirtens umsonst zu verdrängen versucht haben, kehrt nach einem aufgezwungenen Urlaub in nächster Zeit in sein Amt zurück. Der kräftige Protest, den der Kunstabsolutismus bei seinen Eingriffen in dies Terrain staatlicher Kunstpflege in der Oeffentlichkeit(nicht etwa bei dem Herrn Minister) fand, ist noch in guter Erinnerung. Aber die Clique lästt nicht locker. In dem bekannten Lakaienblatte, dem..Lokalanzeiger", läuft sie jetzt schon wieder Sturm gegen Tschudi mit Verdächtigungen, die nur den einen Zweck haben können, den KunstabfolutiSmus zu neuen Husarcnrittcn zu ermutigen. (Hoffentlich holt er sich dabei die gleiche Abfertigung wie früher, wenn er noch Lust dazu haben sollte.) Einen Teil dieser Jnsinua- tionen, die die Handlanger der verkannten Kunstgernegrotzen und der„Kaiser-Kunst" vorbrachten, bat ein Mitbeschuldigter, der !iunstschriftsteller Julius Meyer-Gräfe, bereits klipp und klar an der Stelle, wo sie erfolgt waren, widerlegt. Die Kunsthintermänner des Kaiserblattes quittieren über die wohlverdienten Prügel mit dem Biedermanngeschwätz von der höheren Warte der Unparteilich- keit, von der aus sie die Dinge betrachten. Die Verschacherung von Freiheits- und Äunstintereffen belieben diese Althändler der öffent- lichen Meinung als Wahrnehmung höherer Interessen auszugeben. Geschäft und Mode. Die Moden werden heutzutage von den großen Geschäften, die den Ton angeben und den Markt beherrschen, diktiert, geändert, widerrufen. Die Moden sind ein Mittel, dessen sich die kapitalistischen Unternehmer bemächtigt haben, um durch steten Wechsel den Markt der Eitelkeiten zu beleben und ihren Zwecken dienstbar zu machen. Ein Pariser Modebericht macht diesen Zusammenhang besonders deutlich. Es heißt da: Die plötzliche Unterdrückung des Dircctoirestils in der Mode, die in Paris als Stichwort ausgegeben ist, ruft allenthalben Erstaunen hervor. Die Beweggründe dafür liegen nun allerdings nicht in einer ästhetischen Abneigung gegen diesen Stil, sondern sie sind ans materiellen und geschäftliche» Momenten herzuleiten. Tie letzte Saison war für die großen französischcli Modefirmen sehr wenig einträglich, und man schiebt nun die Schuld an den schlechten Geschäften auf die Directoiremode. Die Kleiderstoff- und Wäschefirmen haben am schwersten unter diesem enganliegenden, den Unterrock verpöncnden Stil gelitten. Braucht man doch zu einem Direetoirekleid wenig mehr als die Hälfte des Stoffes, der früher zu einer Robe not- wendig war! Außerdem sind die Directoireformen sehr leicht zu kcpieren, und so haben sich viele Damen ihre Toiletten von Haus- schneiderinnen machen lassen, nachdem sie erst einmal ein Modell bei einer großen Firma erworben. So heischt denn allgemeine Klage unter den Modekünstlern, den Tuch-, Seiden- und Samt- fabriranten und in den Wäschegeschästen. Tie einzigen Kaufleutc, sts Jmiith" zimlich unbedenklich; zu einer schweren volkswirtschaftlicken Gefahr aber werden sie, wenn sie derart epidemisch austreten wie in Rhein- land-Westfalen. Die Verteidiger der schwarzen Listen sprechen vom not- wendigen„Sckmtz gegenKonlraltbruch". Aber was bedentei Kontraklbruch? Den Bruch von Kontrakten, die oftmals gar nicht verstanden werden, die ortsiremdcn, oft kaum des Lesens kundigen Leuten aus Mastiren vorgelegt werden.(Sehr richtig!) Dieie Art Kontrakte sind nichlS als einseitig aufoktroyierte Arbeitsordnungen.(Sehr richtig! links und im Zentrum.) Die Zechen sind Herrschaitsmächte ge- worden mit dem Recht zur Auferlegung von Privatstrafen, kapital- feudale Mächte nach Art der Eisenbahngesellichasten, die Bismarck , als er fie verstaatlichte, als solche schilderte. Von ihrem rein vrivairechtlichen Straftecht machen die Zechen- mächte einen Gebrauch, der die staatliche Justiz als mild und human erscheinen läßt. Der Staatssekretär scheint die schwarzen Listen nur darum für so gefährlich zu halten, weil sie geheim sind. Nach ihm scheint die Oeffentlichkeit der schwarzen Listen das beste Mittel gegen ihren Mißbrauch zu sein. Das ist jedoch zu optiinistisch gedacht. Mit Hilfe eines in ihren Händen liegenden Arbeitsnachweises, mit Hilfe eines einfachen Zettelkastens können die Zechenverwaltungen schließlich dasselbe erreichen, was sie jetzt durch die schwarzen Listen erreichen. Es ist das kaum verhüllte Ziel der Zecheuverwaliungen, eine neue Hörigkeit einzuführen. Der arbeitende Mensch wird wie ein Stück Kohle sortiert und auf die Preisliste gesetzt, und wenn er sich in das System der Materialisierung nicht hineinblingen lassen will. kommt er auf die schlvarzen Listen. Wir sind dein Staatsselretär dankbar, daß in der Eisenindustrie in Zukunft Notierungen über Arbeitszeit und Ueberarbeitszeit vor- genommen werden sollen, welche die Grundlage fiir eine Erbebung über die Arbeitsverhältnisse in der Großeisenindiistrie abgeben können. Die Unfallziffern im Eisengewerbe sind erschreckend hoch. Sie über- treffen den Durchschnitt um das Dreifache. Solche Zahlen legen die Frage nahe, ob diese Unfälle nicht mit der infolge zu' langer Arbeitszeit eintretenden Ermattung zusammenhängen. Gewiß ist es bedenklich, durch die Gesetzgebung die Arbeitszeit regeln zu lassen. Aber diese Leute, denen die schwere Feuerarbeit Kraft und Nerven auf- saugt, sind nicht im stände, vom Koalitionsrecht Gebrauch zu machen. Man muß erst Minimalbedingungen schaffen. um die Leute zu befähigen, aus dem Recht praktischen Nutzen zu ziehen, das jetzt für sie nur auf dem Pavier steht. Aber die Großindustriellen wollen keine Verbände, wollen keine Staatsmaß- regeln, sie wollen Herren in ihrem Betriebe sein. Der kleine Handwerker hat. wie die Ausführungen meines Vorredners Irl be- weisen, gelernt, sich mit der Koalitionsfreiheit abzufinden, mit seinen Arbeitern zu verbandeln. Die Herren der schweren Metallindustrie aber, die kennen keine Menschenrechte, sie wollen über lebendige Menschen herrschen wie über tote Maschinen.(Sehr wahr!) Wenn man durch die Walzwerke geht, staunt man über die unge- heueren Mengen Material, die dort verarbeitet werden. Wendet man sich aber zu der Behandlung der Mcii'chen in diesen Werken, so muß man sagen, daß dorr eine neue Aristokratie von Parvcuü-Existenzrn herrscht, die nicht wissen, wie man Menschen behandelt.(Lebhaftes Bravo I) Diesen Herren möchte man mit Ernst Moritz Arndt zurufen: „Der Gott , der Eisen wachsen ließ, Der wollte keine Knechte!" (Lebhafter Beifall links und auf den Tribünen.) Abg. Graf v. Carmer- Osten(k.): In Oberschlesien hat man nicht irgend welchen Beamten das Koalitionsrecht nehmen wollen, sondern man hat einen Hilfssteiger gekündigt, nicht weil er dem Bund der technisch-industriellen Beamten angehörte, sondern weil er in öffent- licher Versammlung gegen die Beiriebsleitung aufgetreten war. Als sich nunmehr der Bund einmischte, wurde da» von der Betriebsleitung zurückgewiesen. Den Beamten, die sich der Sache annahmen. eröffnete der Generaldirektor ausdrücklich: Es handle sich nicht darum, ob sie dem Verbände angehören oder nicht, ihr KoalitionS- recht solle nicht angetastet werden, sondern es handle sich lediglich darum, daß sie ohne zwingende Veranlaffung öffentlich gegen die Gesellschaft Stellung genommen hätten.(Zurufe bei den Sozial- demolraten.) Was in den Zeitungen gestanden hat, ist alles falsch, auch was im demokratischen„Blaubuch" von Jlgenstein darüber berichtet ist.— Schließlich ist den Beamten gesagt, sie sollen sagen, ob sie im Bunde bleiben oder sich für die Gesellschaft entscheiden wollen. (Abg. Ledebour(Soz.): Sie geben ja alles zu!) Als sie sich für den Bund entschieden, wurde 16 Beamten gelündigt, und fünf mußten sofort entlassen werden, um der eingerissenen'Unbotmäßig- keit zu steuern!(Lebhaste Zustimmung rechts, Zuruf links). Unter diesen fünf befand sich ein technischer Bureaubeaniler. anscheinend der die mit der Directoiremode Geld verdient haben, sind die Fabri- kanten der langen Strümpfe und der„CombinationS", die zu der Toilette unerläßlich waren. Die neue(d. h. die von den führenden Geschäften jetzt diktierte) Mode drängt nun vor allem wieder auf eine weitere Form, bei der sich ein Luxus in Stoffen und Gar- nierungen entfalten kann; man will wieder volle breite Mafien, Röcke mit einem Gewoge von Volants und Spitzen; man will eine besondere Betonung der Unterkleider. Man will sogar wieder der- suchen, den Reifrock und die K r i n o l i n e einzuführen, weil sich in diesen unförmigen Erfindungen der Mode ein besonderer Reich- tum an Material anbringen läßt. Während die Schneiderinnen klagen, sind die Putzmacherinnen vergnügt. Die raschwechselnde Bielgestaltigkeit der Hutformen, die unendliche Fülle des Ge- botenen haben den Hutluxus zu einer erstaunlichen Höhe steigen lasten.„Die durchschnittliche Lebensdauer für einen modernen Hut," so äußert sich ein bekannter Pariser Modist,„ist ein Monat. Die elegante Pariserin muß jeden Monat einen neuen Hut haben, wenn sie nach der Mode gekleidet bleiben will, und jeder Hut kostet etwa 240— 800 M. Aber zwölf Hüte im Jahre sind nicht genug. Sie' muß einen Automobilhut haben. Hüte für das Restaurant, das Theater, für Reisen, für die Riviera, kurz, für jede Gelegenheit einen besonderen Hut. Dreißig Hüte im Jahre sind daher der geringste Bedarf für eine elegante Dame. Die'Menge der Kopf- bedeckungen, die sie mit auf die Reise nimmt, ist so zahlreich ge- worden, daß wir besondere große Hutkoffer haben anfertigen lassen müssen, nicht viel kleiner als ein großer Koffer für Toiletten." ' Musik. Frühlingswchen geht durch Konzerte, die mitM e n d e ls s o h n- scher Musik veranstaltet werden. So war eS am Sonntag: am frühen Abend veranstaltete der BildungSausschuß der Arbeiterschaft RixdorfS und am späten Abend Margarete Walkotte eine Feier zum 100. Geburtstage des Komponisten. Hier gab den Rainn das GewerkichastshauS, dort die Aula der neu- erbauten Mädchenmittelichnle— allerdings erst nach längerem Bemühen um Ueberlassnng des Saales. Bei Walkotte herrschten niniikalischerGenuß und Sololied vor, bei den Rixdorfern musikalische Bildung und Chor- gesang. Daß hier der Einleitnngsvorlrag auch musikalische Beispiele gab. war sehr erfreulich, trotz des störenden Nachklingenlaffens des PedaleS. Eine Verhinderung des Vortragenden ließ infolge eines Mißgriffes der Konzertlcitiing, die ganz wohl beizeiten anfangen tonnte, die Veranstaltung solange dauern, daß der Referent, um noch seinen zweiten Bestich zu machen, ans das vom Berliner VolkSchor gesungene Opcrnfragment der„Loreley " verzichten mutzte. In beiden Konzerten_ spielte die von Richard K u r s ch, dem künstlerischen Leiter des ersten Konzerts, geführte Trio- Vereinigung ein Klaviertrio von Mendelssohn . Man konnte leicht air dem lang- samen Satz eine geringere Freude haben, als an den drei übrigen, die statt seines etwas lahmen Schmachtens so viel frisches Dahin- brausen enthalten. Von einem solchen Dahinbrausen würde dem Vor- trage mancher Rummern der beiden Konzerte ein größerer Betrag Dl'eustag. 9. Februar l909. Führer der Bewegung, ein Jngenieurkandidat, der nur aus Gnade und Barmherzigkeit angenommen war(Lachen links), damit er sein Examen machen könne. Von den anderen drei standen zwei zur Kündigung, einer hat geschrieben, er sähe sein Unrecht ein und bäte um Wiedereinstellung, was auch geschehen ist. Ich wiederhole also: das Koalitionsrecht ist nicht angetastet (Lachen bei den Sozialdemokraten), aber kein Arbeitgeber kann es sich gefallen lassen, daß ein Dritter sich in den Slreit zwischen ihn und seine Arbeiter einmischt.(Zustimmung rcchls.) Das gilt auch bei den Sozialdemokraten, bei denen es auch heißt: Wer nicht pariert, der stiegt.(Znruf rechts: Die edlen Sechs l) Damit komme ich zum Schutz der Arbeitswilligen. Die Regierung muß dafür sorgen, daß nicht seder Arbeiter gezwungen wird, sich dem sozialdemokratischen Verbände anzuschließen.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Wir wünschen Gesetze zum Schutze des Mittelstandes in Stadt und Land I (Lebhaftes Bravo! rechts. Lautes Lachen bei den Sozialdemo- kraten.) Abg. KulerSki(Pole): Vermißt habe ich in den Ausführungen des Staatsiekrelärs die Ankündigung einer Arbeitslosenversicherung. Selbst Bismarck hat geäußert,'jeder habe ein Recht auf Arbeit. Da muß man ihn also, wenn man ihm keine Arbeit geben kann, unter- stützen. Weiter sollte der Staatssekrelär Verständnis für das Recht der vollen Koalitionsfreiheit haben, mindestens müßten die gewerb- lichen Arbeiter besser gegen das Unternehmertum geschützt und es müßte dem Treiben der schwarzen Listen Einhalt geboten werden. Freilich, von einer Regierung, die den Sprachenparagraphen des Vereins- gesetzes durchgebracht hat, kann man nickt allzuviel Gerechtigkeit erwarten.(Zustimmung bei den Polen .) Das schivarze Liftensystem kann einen fast bewegen, die Zeit der Leibeigenichaft zurückzu- wünschen: der Herr des Leibeigenen mußte doch im eigensten Jnrer» esie mindestens daraus achten, daß die Gesundheit und Arbeitslrast des Leibeigenen bewahrt wird. Wer das System der schwarzen Listen anwendet, verrät eine Henker natur.(Sehr richtig bei den Sozialdemokraten.) Die Herren wollen eben keine freien Arbeiter haben, sondern Arbeits s k l a v e n, die sich nicht zu rühren wagen. Dem Mißbrauch der kapitalistischen Uebermacht muß eine Grenze gesetzt werden.(Zust. b. d. Sosiald.) Man klagt über den Mangel an Religion im Volke Aber die Masse hal mehr Religion als die Unternehmer, die Unternehmer liegen ja vor dem goldenen Kalb auf dem Bauch, die Religion ist ihnen eine gute Sacke, um das Volk im Zaume zu halten, für einen aufgeklärten Unternehmer ist sie eine abgetane Sacke I(Sehr richtig I bei den Polen und de» Sozialdcmolraien.) Weiter verlangen wir ein Reichsberggesctz, mindeslenö aber Los- lösung des ArbeiterichntzeS im Bergbau und seine reichSgesetzlicks Regelung. Die dringendste Forderung der Bergarbeiter ist die von Grubeiikontrolleuren. Leider ist der Slaatssekretär nicht auf dem Bergarbciterkongreß gewesen; er hätte dort auS dem Munde von Arbeitern, die mitten in der Arbeit stehen, hören können, wie im Bergbau mit dein Leben der Arbeiler gespielt wird.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn die Regie- rung der Forderung nach Grnbenkontrolleure» nicht nachgibt, so werden wir ihr die Schuld gebe» an den zukünftigen Toien, an denen eS nicht fehlen wird.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und den Polen .) Zum Schluß möchte ich anläßlich des Falles Azew, der jetzt die Preffe beschäftigt, die Aufmerksamkeit der Regierung aus die Tätigkeit der preußischen Lockspitzel in polnischen Vereinen lenken und sie bitten, auf eine Einschränkung dieser Tätigkeit hinzuwirken. (Bravo ! bei den Polen .) Abg. Frhr. v. Gamp-Maffauen(Rp.) spricht zunächst sehr auS- führlich über die Zeitverschwcndung, deren sich andere Abgeordnete nach seiner Behauptung schuldig machen, dann verteidigt er die schwarzen Listen und preist im Zusammenhang bannt das warme Herz der deutschen Aideitgebcr. Herzlos seien bloß die pol- nischen Arbeitgeber. Die Arbeitgeber sind die Sklaven der Ar- beiler.(Minnlenlanqe Heiterkeit.) Im Reichstage wird viel zu viel geredet(Lebhaftes Sehr richtig l und Heiterkeit) und im Reichsamt deS Innern wird zuviel geschrieben. Iii Deuichland werden alljährlich 20— 25 Proz. der Bevölkerung polizeilich bestrast. Das kommt von der übertriebenen Gesetz- mncherei, unter der die kleinen Unternehmer besonders zu leiden hoben. Die Bäckereiverordnung wird viel zu rigoros durchgeführt. Der Staatssekretär hat sein warmeS Herz für die Arbeitgeber betont. Damit ist aber den Arbeitgebern nicht gedient. Sie wollen Taten sehen! Die Arbeitgeber werden vom Staate derart schlecht behandelt, daß sie mißmutig und erbittert werden und ihre Betriebe in Aktiengesellschaften verwandeln. Nirgends werden die Arbeitgeber so schikaniert, wie in Dentschland. Der Reichstag hat den Unternehmern nicht einmal den Gefallen getan, die Be- ratung der Gewerbeordnungsnovelle etwas zu verschieben. Setze zu wünschen sein. Hervorheben möchten wir die beiden Sängerinnen des zweiten, das ist die schon genannte Veranstalterin und Margarete Brieger-Palm, die ihre(doch kaum als Alt zu bezeichnende) liefere Stimme und sympathische Vortragsweise noch besser zur Geltung bnngen könnte, wenn sie die Konsonanten schärfer aus- spräche. Jedenfalls war ein Gesamtbild des ohnehin in sich reckt einheit- lichen und sogar etwas gleichförmigen Komponisten gut zu gewinnen. Nmnemlich die Verbindung von stimmungsvoller Innigkeit und melodischer Uebersüßigkeit konnte gefühlt werden. Von besonderem Interesse würde es nun sein, wenn zum Verständnis der Gegen- sätze demnächst in einigen Konzerten Ueberwinder der älteren Sing» sangweise zum Vortrage kämen. Zumal MännergesangSkonzerte können dies brauchen. Unsereiner wird gelegentlich gefragt, welche Kom- ponisten für � die Ueberwindung der„Liedertafelei" zu empfehlen wäien. Darüber kurZ folgendes. Ueber Mendelsiohn(dessen Männer- chöre in diesen Tagen zu kurz gekommen sei» dürften) führt zunächst Robert Schumann hinaus, in dessen Gesamtausgabe ja eine Auswahl aus den Männergeiangswerken nicht schwer zu treffen sein wird. Sodann sind R. Franz und P. Cornelius, obwohl seit 17 und 35 Jahren tot, doch im besten Sinne weit moderner als so manche Spätere, unter denen aber auch wieder dem Unechten nicht wenig Echtes zur Seite tritt. Kurz: die Bildungsmelhode durch und Gegenbeispiel mag sich auch hier bewähren. Notizen. — Catulle MendvS wurde in einem Tunnel bei P a r'i S tot aufgefunden. Er scheint nachts auf der Heimfahrt nach seinem Wohnort St. Germain aus der Bahn gestürzt zu sein. Der 1341 in Bordeaux geborene vielgewandte Schriftsteller hat sich in der Lyrik. im Roman, im Drama, als Librettoschreiber, als Kritiker und Wagnervorkämpfer betätigt. Er gehörte schließlich zu den„Welt- bekannten Bonlevarddicktern", von denen die amüsanten Pariser Plauderer zu berichten pflegen. — Ein neues Opfer derX-Strahlen. Aus London wird berichtet: Die gefährlichen X-Slrablen haben von der Wissen- schaft ein neues Opfer gefordert: Harry W. Cox, der englische tor'cher, der sich schon seit Jahren mit Experimenten mit den -Strahlen beschäftigt, bat sich jetzt einer Operation unterziehen müssen, bei der er drei Finger und den größten Teil seiner rechten Hand verloren hat. Schon vor einigen Jahren mußte er sich einen Finger der linken Hand amputieren laffeir. Wie Dr. Hall-EdwardS. der beide Hände verloren hat,«st Cox einer jener Märtyrer der Forschung, die als erste Pioniere noch unausgerüstet unbekannten Gefahren entgegenzichen. Ihrem bitteren Schicksal verdankt man die Kenntnis der Gefährlichkeit der X-Strahlen. Die heute mit ihnen operieren, sind solchen Unfällen nicht mehr ausgesetzt. Man hat inzwischen erkannt, daß Blei ein sicheres Abwehrmittel ist, und mlter bleigetränkten Guinmiinasken und mit eben solchen Handschuhen geschützt arbeiten heute die anderen Forscher.
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