4der Herr Staatssekretär endlich einmal sein warme? Herz für dieArbeitgeber in Taten um.(Bravo I rechts.)Abg. Rieseberg(hnrtsch. Vg.): Für den Mittelstand hat manbloß schöne Worte. Die Bäckereiverordnung wird gegenüber Waren-Häusern lax, gegen kleine Bäckermeister hart gehandhabt. So geht dasnicht weiter!Will man den Handwerksmeistern Kosten für die Sozial-gesetzgebung aufbürden, so must man auch für sie eiwaS tun, gehtes ihnen doch häufig schlechter als den Arbeiiern. Wenn die Regie-rung den Handwerkern Einfluß auf die Krankenkassen gewähren will,werden wir ihr dankbar sein. Von den nationalen Arbeitern sagte HerrAlbrecht, das seien die, die bei den Sozialdemokraten herausgeschmissensind. Nein, es sind die, die sich von der Knute der Sozialdemokratielosgemacht haben.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Sie empfindendas auch schmerzlich, denn Sie wenden sich jetzt an die Jugend.In Ihrem Aufruf an die Jugend sprechen Sie(nach links) von der„heiligen Aufgabe der Jugend des Proletariats". Wie kann dieSozialdemokratie das Wort„heilig" anwenden? Dies Wort ver-st e h t sie gar nicht, denn sie verpönt ja jede Religion und so weiter.(Schallende Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Am Ende werdendie Sozialdemokraten noch verlangen, daß den„Herren Jungens"das Wahlrecht gewährt wird.(Sehr gut l rechts.)Abg. Dr. Pachnicke(freis. Bg.): Der deutsche Reichsverband fürArbeitsnachweise sollte vom Reich eine finanzielle Unterstützung er-halten, und zwar schon jetzt in einem der Nachtragsetats, die jakommen werden. Man sollte 80 000 M. für ihn einstellen oder,wenn eS geht, noch mehr.(Bravo I bei den Freisinnigen.)Daraus vertagt sich das HauS. Es folgen persönlicheBemerkungen.Abg. Zubeil(soz.): Wenn Herr Gehelmrat Fischer eS fertiggebracht hat, den Gewaltstreich der sächsischen Behörden gegenden sozialdemokratischen Berein in Leipzig zu verteidigen.Präs. Graf Stolberg: Dieser Ausdruck ist unparlamentarisch.Abg. Zobeil(fortfahrend) so zeigt das nur, auf wie tiefemNiveau die sächsische Regierung steht.(Lebhafte Zustimmung beiden Sozialdemokraten.)Präs. Graf Stolberg: Herr Abgeordneter! Ich rufe Sie zurOrdnung.(Lebhafter Beifall rechts.)Abg. Albrecht(Soz.): Herrn Nieseberg bemerke ich. daß meinZwischenruf bei der neulichen Rede des Abg. Mugdan gemacht wurde.als er von gelben, nicht von nationalen Vereinen sprach; zwischennationalen und gelben Gewerkschaften ist aber ein gewaltiger Unter-schied.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Nächste Sitzung: Dienstag 2 Uhr.(Fortsetzung der Beratung.)Schluß Uhr.Mbgcordnetenbaiid*25. Sitzung: Montag, den 8. Februar, vormittags11 Uhr.Am Ministcrtisch v. Rheinbaben.Auf der Tagesordnung steht diezweite Beratung der Befoldungsordnung für Bolksschullehrerund-lehrerinnen.Abg. Frhr. v. Richthofen(k.): Die Kommission hatte einekulturell wichtige Aufgabe zu lösen, was erreicht worden ist durchdas Entgegenkommen aller Parteien und der Regierung. Leiderist dasselbe Entgegenkommen nicht von der freisinnigen Pressebewiesen; ich denke z. B. an die„Vossische Zeitung". Es handeltsich auch hier um ein Kompromiß, bei dem natürlich keine Parteialle ihre Wünsche durchsetzen konnte. DaS Gesetz gilt für dieganze Monarchie und wird deshalb für einzelne Orte vielleichtHärten mit sich bringen. Falsch ist die Pressenachricht, daß wir inder Kommission prinzipiell eine günstigere Regelung der Alters-zulaaen verhindert haben. Aber wir mußten Rücksicht nehmenauf die Lage der Staatsfinanzen und auf die Belastung der Kom-muncn. Die Ortszulagen sind natürlich nicht obligatorisch, auchbrauchen nicht gleich ihre Höchst sätze eingeführt zu werden. Beidessteht vielmehr in der Entscheidung der Schulverwaltung. Wirhoffen, daß die Regierung bei der Ausführung deö Gesetzesdie kleinen Schulverbände möglichst schonen wird.Abg. Kesternich(Z.): Die Vorlage bedeutet namentlich fürdie Landlehrer im Osten eine ganz erhebliche Verbesserung. Leiderist es nicht gelungen, das Grundgehalt allgemein auf 1b00 M.�fest-zusetzen. Auch die Gehälter der Lehrerinnen sind erfreulich auf-gebessert worden. Ich hoffe, daß das Gesetz Ruhe in die Reihenmeiner Berufsgenossen bringen wird.(Bravo!:m Zentrum.)Abg. Dr. v. Campe(natl.): Auch wir sind überzeugt, daß dieLehrerschaft sich mit dem Erreichten zufrieden geben wird. DemStaat und die Kommunen wird das Gesetz etwa b0 Millionen Markkosten. Selten ist einem einzigen Stande in Preußen ein der»artiges Gesetz geboten worden.(Sehr wahr! bei den National-liberalen.) ES handelt sich um ein Werk von hoher kulturellerBedeutung. Die Bezeichnung„agrarisches Gesetz" akzeptieren wirinsofern, als es in der Tat höchste Zeit war, die zurückgebliebenenLehrer auf dem Lande zu heben. Wir haben das Vertrauen, daßunsere Selbstverwaltungsbehörden die Gelder nur nach dem Be-dürfnis verteilen werden.(Bravo! bei den Nationalliberalen.)Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff: Die Regierung begrüßtes mit Freuden, daß es gelungen ist, das Gesetz schließlich ein-stimmig in der Kommission zur Verabschiedung zu bringen. DieUnterrichtsverwaltung hat ihre Bedenken gegen die Kommissions-beschlüsse im Interesse des Ganzen zurückgestellt. Bei der Beurtei»lung der Leistungsfähigkeit einer Kommune werden die gesamtenVerhältnisse derselben berücksichtigt werden. Die Befürchtungendes Herrn Abg. v. Campe teile ich nach den bisherigen Erfahrungenmit dem Volksschulunterhaltungsgesetz nicht; ich bin überzeugt, daßdie Kommunen durchaus objektiv bei der Verteilung der Geldervorgehen werden.(Bravo!)Abg. Frhr. v. Zedlitz(fk.): Wir sehen in dem Gesetz einenKulturfortschritt, wie er bisher für die Lehrerschaft noch nicht er-reicht worden ist, und erwarten seine baldige Verabschiedung auchdurch das Herrenhaus.(Bravo! rechts.)Abg. Cassel(frf. Vp.): Wenn jetzt mit einem Male so be-deutend größere Zuwendungen für die Aufbesserung derLehrer nötig werden als bei den übrigen Beamten, so liegt dasdaran, daß man die Lehrer früher so vernachlässigt hat.(Sehrrichtig! links.) Dabei mußten wir uns noch eine gewisse Selbst-beschränkung mit Rücksicht auf die Finanzen auferlegen. DerRegelung der Kostenfrage, wie sie die Kommission vorgesehen hat,haben wir mit schwerem Herzen zugestimmt. Der Stadt Berlinerwächst dadurch eine jährliche Mehrausgabe von 430 000 M.Wenn Herr v. NichtHofen auf die Haltung der freisinnigen Pressehingewiesen hat, so muß ich andererseits auf das Verhalten seinesParteigenossen Dr. Hahn verweisen. Dieser hat an die Vertrauens.männer des Bundes der Landwirte ein Zirkular gerichtet, in demsie hingewiesen werden auf die Verbreitung einer neuen Lehrer-zeitung, die unter den Lehrern für die konservative Partei Propa-ganda machen soll. Von dem Eintreten dieser Lehrerzeitung inS-besondere für die Landlehrer, im Gegensatz zu den Großstadt.lehrcrn, erhofft Herr Hahn eine Vermehrung der konservativenWahlstimmen unter den Landlehrern!(Hört! hört! links.) HerrDr. Hahn hat zwar in Hannover den Landlehrern ein Grundgehaltin Aussicht gestellt, wie es in der Kommission keine Partei zu bean-tragen gewagt hat.(Heiterkeit.) Aber ich glaube kaum, daß dieLehrer deshalb seinem Lockruf folgen werden. Ich halte es fürein Uebel, wenn die Gehaltsverhältnisse zu einem Fangballspielder politischen Parteien gemacht werden. In dieser Frage solltensich alle Parteien nur von sachlichen Beweggründen leiten lassen.(Bravo! links.) Wenn wir dazu gezwungen werden, werden wirden Lehrern auf dem Lande die Frage vorlegen, ob eS überhauptjemals zu einer solchen Erhöhung der Besoldungsordnung gekommenwäre, wenn nicht die Städte seit Jahrzehnten mit einer den Be-dürfnissen entsprechenden Erhöhung der Lehrergehälter vorgegangenwären..(Zustimmung links.),Mg. Ernst(stf. Vg.): Auch wir erkennen den erheblichen Fort-schritt an, den die Vorlage bedeutet, sehen aber in dem Erreichtendurchaus noch nicht die Erfüllung aller berechtigten Wünsche derLehrerschaft.Abg. Stpchcl(Pole): Wir haben den Bestrebungen, die Lageder Lehrerschaft zu verbessern, gern zugestimmt. Bei aller Würdi-gung der hohen Bedeutung des Lehrerberufs nehmen wir doch eineSonderstellung gegenüber der Schule im Osten ein. Tort wirdleider die Schule zu politischen Experimenten gemißbraucht.(Sehrwahr! bei den Polen.) In Konsequenz unseres Standpunkteslegen wir Ihnen einen Antrag vor, wonach die in den östlichenProvinzen bis jetzt gewährten Ostmarkenzulagen in Wegfall kommen.Finanzminister v. Rheinbaben: Ter Herr Vorredner ist dererste gewesen, der einen kleinen Mißklang in die Verhandlungengebracht hat. Er hätte besser getan, seinen Antrag nicht zu stellen.Es ist nicht richtig, daß die Lehrer polnischer Zunge von den Ost-markenzulagen völlig ausgeschlossen sind. Davon sind natürlichnur d i e Lehrer ausgeschlossen, die an der dcutsch-feindlichen Agi-tation beteiligt sind.(Bravo! rechts.) Gewiß, die Politik gehörtnicht in die Schule, aber die Polen sind es, die die Politik in dieSchule gebracht haben. Bringen Sie die Politik aus der Schuleheraus, dann werden wir auch die Ostmarkenzulagen fallen lassenkönnen.Abg. Borgmann(Soz.):Die Kommission hat zum Teil die Grundsätze des RegierungS»entwurfs völlig über den Haufen geworfen. Trotzdem habe ich dieBefürchtung, daß dieses Gesetz schließlich dasselbe Schicksal erlebenwird, wie das Gesetz vom Jahre 1897 und selbst das Schulunter-Haltungsgesetz vom Jahre 1903, das heute schon in vielen Be-Ziehungen als unwirksam und unzulänglich erscheint. Die Regie-rung hat allerdings die Verantwortung für den Mißerfolg des Ge-setzes vom Jahre 1897 abgelehnt. Aber ein großer Teil der berech-tigten Forderungen der Interessenten sind auch durch diesen Gesetz-entwurf nicht erfüllt. Vor allem sind die Lehrer nicht in eineGehaltsstufe gebracht, die sie gleichstellt mit den Sekretären in derVerwaltung. Auch die Dienstzeit, mit welcher das Höchstgehalt er-reicht werden kann, ist nicht herabgesetzt, so daß nur ein geringerTeil der Lehrer überhaupt in den Genuß des Höchstgehaltes kommt.Auch die BremSvorschrist gegen die Ortszulagen ist von der Kam-Mission angenommen worden. Selbst die Parteien haben ihr zu-gestimmt, die vorher mit aller Schärfe gegen eine solche Bremseprotestiert haben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Ganz unverständlich ist es, wie man sich dagegen gesträubt hat,die Amtszulage für Lehrer für besonders dauernde Nebenleistungenpensionsfähig zu machen. Nun wird gesagt, daß eine große Zahlvon Millionen für die jetzt geforderte Erhöhung aufgebracht werdenmüsse. Das ist richtig: aber man muß bedenken, wie schlecht dieVerhältnisse früher gewesen sind und eine wie große Zahl vonPersonen an diesen hohen Aufwendungen partizipieren.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Anerkennen muß ich, daß seitensder Kommission eine große Arbeit geleistet worden ist. Auchhinter den Kulissen ist viel gearbeitet worden, um eineKommission zustande zu bringen und die Parteien zu bewegen, ihresonstigen politischen Ansichten bei dieser Frage außeracht zu lassen.Alle Parteien haben in der Kommission betont, daß s i e eS waren.die die gute Absicht hatten, den Lehrern zu helfen, und daß sie nurdurch die Macht der Verhältnisse gezwungen waren, ihre'Wünschezurückzustellen.(Heiterkeit.) Diese überschäumenden Liebes-beteuerungen waren aber nur Seifenblasen, die vor dem Widerstandder Negierung sofort auseinander platzten.(Sehr gutl bei denSozialdemokraten.) Besonders die Besoldungskassen wurden sehrlebhaft verteidigt: aber ich habe nicht verstanden, wie man noch anihnen festhalten konnte, als die Regierung erklärte, sie wären nichtohne Verfassungsänderung durchzuführen. Unter diesen Umständenwäre es ja unmöglich gewesen, das Gesetz rechtzeitig fertigzustellen,und die Lehrer hätten wieder nur Steine statt Brot erhalten.Wenn die Besoldungskassen eingeführt wurden, wäre zweifellos dieSelbstverwaltung völlig lahmgelegt. Der Gedanke der BesoldungS»kästen war auch nur ein Ausfluß des Widerwillens der Recktengegen die großen Städte. Bei dieser Gehässigkeit gegen die großenStädte wundere ich mich nur, daß die betreffenden Herren nichtschon längst den Staub der Großstädte von ihren Füßen geschüttelthaben.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Slavonien!) Siebrauchen gar nicht nach Slavonien zu gehen, sie haben genau die-selben Verhältnisse in ihrer Heimat.(Sehr gut! bei den Sozial-demokraten.) Man sagt, die Landschulen erzögen die Kinder nurfür die großen Städte. Ich lasse das dahingestellt und möchte nurfragen: wo haben denn die Herren, die hier diese Ideen vertreten,ihre Bildung genossen? Doch auch in den großen Städten und nichtin den großen Dörfern! Auch die Weisheit Ihres großen Bismarckist ja auf dem Berliner Mist gewachsen.(Heiterkeit.)Tie Landflucht der Lehrer»deren Beseitigung man durch da? Gesetz erwartet, hängt nicht nurvon der Höhe der Gehälter der Landlehrer, deren Gleichstellung mitden städtischen Lehrern wir natürlich auch wünschen, ab, sondern esist auch notwendig, daß die Wohnungsverhältnisse der ländlichenLehrer verbessert, eventuell ihnen der Mictszuschuß in bar auS-gezahlt wird. Zu der Landflucht trägt auch bei die außerordent-liche Belastung der Lehrer. Wenn z. B. ein Lehrer in Ober-fchlesten und Posen über 289 Kinder zu unterrichten hat. so bedeutetdas eine ungeheuere Belastung, selbst wenn eS sich dabe: um eineHalbtagsschule handelt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)In einer Resolution wird beantragt, daß die jungen Lehrer zu-nächst in mehrklassigen Schulen beschäftigt werden sollen. DaS istaber bei dem großen Lehrcrmangel nur ein frommer Wunsch.Der Herr Ministerialdirektor meinte in der Kommission, mansolle mehr Lehrerseminare schaffen. Er hat dabei auS der Schulegeplaudert, indem er zugab, dav in den letzten 10 Jahren nicht eineinziges Seminar neu geschaffen worden ist.(Hört! hört! links.)Der Lehrermangel hat seinen ganz natürlichen Grund. Bei demwirtschaftlichen Aufschwung haben sich angesichts der schlechten Be-soldungsverhältnisse der Lehrer die Kreise, die sich früher demLehrerberuf zuwandten, lieber anderen Berufen, vor allem dentechnischen Berufen, zugewandt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo-kraten.) Hätte die Regierung frühzeitig den tatsächlichen-Ver-Hältnissen Rechnung getragen, so hätten wir heute nicht eine großeZahl von stellungslosen Technikern und über 3000 unbesetzte Lehrer-stellen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Bedauerlich ist,daß eS nicht gelungen ist, die Lehrer von der herabwürdigendenBeschäftigung mit den niederen Küsterdiensten zu befreien. Nachden Erklärungen der Regierung in der Kommission ist auch in Zu-kunft eine Besserung auf diesem Gebiete nicht zu erwarten.IlnS erschwert vor allemdie Regelung der DeckungSfragedie Zustimmung zu der Vorlage: Den Gemeinden über 7 Schul-stellen find die festen Staatszuschüsse entzogen und die betreffendeSumme ist der Regierung als Dispositionsfonds zur Verfügunggestellt worden. Ich habe gegen die Entziehung des Staatszu-schusses, soweit es sich um leistungsfähige Gemeinden handelt,durchaus nichts einzuwenden, sondern halte es für �eine Ehren-Pflicht der Gemeinden, diese Zuschüsse zugunsten der ärmeren Gc-meinden abzugeben. Aber gegen die Art der Verwendung dieserZuschüsse haben wir die schwersten Bedenken. Man hat gemeint,die Verteilung werde einwandSsrel durch die Selbstverwaltungskörper erfolgen. Wer aber die Kreisausschüsse und Bezirksaus-schüsse als Selbstverwaltungskörper bezeichnet, dem hcrt der Schalkdabei im Nacken gesessen. Dies« sind lediglich Marionetten in derSand deS LandratS.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten. Leb-haster Widerspruch rechts.) Von ihnen wird nur durchgeführt.was der Landrat will oder was diejenigen wollen, die beim Land-rat Einfluß haben. Es gibt gar keinen größeren Gcsetzesverächterals so einen Preußischen Landrat.(Unruhe rechts.) Mit welcherLeichtigkeit sich solche Herren über ganz klare und knapp gefaßteGesetzesbestimmungen hinlvegsetzcn, ist kaum glaublich.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn der Herr Ministcrial-direktor sich mal einen preußischen Landrat unter die Lupe nimmt�Heiterkeit), so wird er bei seinem Vertrauen zu ihrer Objektivitätkaum bleiben. Es ist nicht zu erwarten, daß bei der vorgesehenenRegelung die wirklich Bedürftigen bei der Verteilung der Gelderzu ihrem Recht kommen. Gewisse Gruppen, die politisch weit nachlinks stehen, werden immer die Geschädigten sein.(Sehr wahr!bei d:n Sozialdemokraten.) Nur ein Beispiel. Ein konservativerRedner machte daraus aufmerksam, daß in vielen Fällen es ein-zelne Gutsbezirke sein werden, denen der Staatszuschuß entzogenwird, wo der Gutsbesitzer als alleiniger Träger der Schullastenin Betracht kommt. Wenn er auch reich sei, so dürfe er doch nichtzu den Leistungsfähigen im Sinne des Gesetzes gerechnet werden.Da erklärte die Regierung sofort, daß selbstverständlich in einemsolchen Falle mit dem äußersten Wohlwollen verfahren und derBetreffende als notleidend angesehen werden würde. Anderer-seits ist es klar, daß, wenn ein Bürgermeister in einer kleinenStadt etwa auf fortschrittlichem Standpunkt steht, er die größtenSchwierigkeiten haben wird, wenn der Kreisausschuß ihm die Zu-schüsse bewilligen soll, auf die er bisher gesetzlichen Anspruch hatie.Solche Leute werden jetzt von dem Wege des Rechtsanspruches aufden Weg des BittgängerS und des guten Verhaltens verwiesen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir werden uns aberernstlich zu fragen haben, ob wir trotz dieser Einschränkung derSelbstverwaltung dem Gesetze noch zustimmen können, wenn wirauch anerkennen, daß die Gehaltsverhältnisse der Lehrer einiger-maßen dadurch aufgebessert werden.Dem Antrag der Polen,die Lstmarkenznlagenzu beseitigen, stimmen wir natürlich zu. Die Schaffung der Ost-markenzulagen ist nur erfolgt aus dem Bestreben heraus, die Volks-schule auszunutzen für eine bestimmte politische Richtung.(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn der Finanzminifter denPolen vorgeworfen hat. sie nützten die Schule zu politischeuZwecken aus. so gebe ich ihm diesen Vorwurf tausendfältig zurück.Sind Sie es nicht, die von den Gemeindelehrern verlangen, daßsie die Bestrebungen der Sozialdemokratie in der Schule be-kämpfen?(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Konservativen.) Heißtdas nicht, die Politik in die Schule tragen?(Rufe: Nein! nein!rechts.) Ein Streit mit Ihnen darüber wäre überflüssig. Jedervorurteilsfreie Diensch wird zugeben, daß diese Art, die Politik indie Schule zu tragen, um so gehässiger wirkt, weil in die Volks-schule zum größten Teil Kinder gehen, deren Eltern der Sozial-denwkratie angehören.(Rufe rechts: Nein! nein!) Ihr Nein hilftIhnen nicht über die tatsächlichen Verhältnisse hinweg. Wenn Siesich selbst Scheuklappen vor die Augen binden, so werden doch da-durch die Tatsachen nicht anders.(Bravo! bei den Sozialdemo-kraten.)Abg. v. Tilly(k.) verzichtet aufS Wort.Die Debatte wird geschlossen.Abg. v. d. Hagen(Z.) erklärt, daß seine Freunde prin�iptellaus dem Boden, des polnischen Antrages stehen, aber mit Rücksichtauf die Kompromißbcschlüsse dagegen stimmen würden!In der Abstimmung wird der polnische Antrag abgelehnt, dieersten Paragraphen der Lehrerbesoldungsvorlage werden unver-ändert nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen.Hierauf vertagt sich das HauS.Präsident v. Kriicher schlägt vor, die nächste Sitzung morgen12 Uhr abzuhalten mit der Tagesordnung: Fortsetzung der heutigenBeratung. Zweitens: die Besoldungsordnung der Geist-lichen.Abg. v. d. Heydebrand(k.) beantragt, die Pfarrer besoldungs-gesetze zuerst auf die Tagesordnung zu stellen.Abg. v. Campe(natl.) widerspricht diesem Antrage.Präs. v. Kröcher: Ich habe gegen den Antrag V. Heydebrandnichts und werde abstimmen lassen.Gegen die Stimmen der Linken wird beschlossen, die Pfarrer-besoldungsgesetze zunächst zur Beratung zu stellen.Schluß 4)b Uhr._Die Zeche ßaddod auf der Hnlilagebanlt.Am Freitag hatte sich der Verantwortliche Redakteur der„Dort-munder Arbeiterztg.", Genosse N o t t e b o h m. vor der Strafkammerwegen angeblicher Beleidigung der Direktoren der Zeche Radbod.Generaldirektor Kommerzienrat Janssen und Bergassessor A n d r ö.zu verantworten. Im April 1908 erschim in der„Arbeiterztg." eineNotiz, in der behauptet wurde, daß auf Radbod Lohureduktionen undArbeiterentlassungen vorgekommen seien und die Arbeiter überschlechte Behandlung klagten. Ferner wurden die Häuser der KolonieRadbod zum Teil als„Hundeställe" bezeichnet und der MietSkontrallals ZuchlhauSkontrakt.Zu Beginn der Verhandlung beantragte der Verteidiger unseresGenossen SuSsttzung und Vertagung der Verhandlung, bis die Unter-suchung über das schreckliche Unglück vom 12. November abgeschlossensei. Die Katastrophe sei auf sträfliche Nachlässigkeit zurückzuführen,an der die Direktoren einen großen Teil Schuld trügen. In mehrals 200 Spalten habe die Dortmunder„Arbeiterzeitung" denKlägern den Vorwurf der Ausbeutung, des Raubbaues, des Jgno-rierenS von bergpolizeilichen Vorschriften gemacht. Durch Nackläsflg-keit und Gewinnsucht sei daS Rresenunglück, daS über mehr als300 Familien hereingebrochen ist. geschehen. Wegen dieser Vorwürfehätten die Kläger keinen Strafantrag gestellt, das gebe doch zudenken. Der Generaldirektor Janssen bemerkt darauf, für eine Klageseien keine Unterlagen vorhanden— weil die Zeche unter Wasserstehe! Demgegenüber erklärte der Verteidiger, daß die HerrenUnterlagen ja nicht nötig hätten und ein Strafantrag sei nach dreiMonaten nicht mehr zulässig. Den Erbauer der Kolonie, BaumeisterS i e b o l d, der als Sachverständiger geladen ist, lehne er als be-fangen ab, und wenn die übrigen Gutachter in irgend einem Ver-hältnis zur Zechenverwaltung ständen— auch bei dem KnappschastS-arzt wäre das der Fall fein— würden sie sämtlich abgelehnt. DerBertagungSantrag wurde durch Gerichtsbeschluß verworfen, weil derArtikel nicht(I) mit dem Unglück zusammenhänge und ftüher ge»schrieben worden sei.In der Beweisaufnahme kamen über die WohnungSverhältnisseder Arbeiter auf der Kolonie Radbod geradezu haarsträubendeDinge zutage. Ein Zeuge nach dem andern bekundete sinngemäß:Wohnungen waren so naß. daß dasWasser an den Wändenherablief. Möbel seien verschimmelt, Matratzen und Bettfedern ver-fault, Kleider verdorben. Frauen und Kinder erkrankt und ganzeWohnungseinrichtungen vernichtet worden. ES sei vorgekommen,daß den Männern früh der Bart an die Bettdecke geftoren war.Fast jedem der vernommenen Zeugen find die Kartoffeln erfroren.Gewerkschaftssekretär Genosse Hoffeld und Genosse Boten-kontrolleur R u s ch i tz k a, die viel in den Häusern der Kolonieherumkamen, bemerkten, daß sie eine so schlechte Arbeiterkolonie wieRadbod noch nie angetroffen halten. Das GraS fei zwischen denDielen herausgewachsen. Zwischen Fensterbrett und Bauwerk habeman den Finger hindurchstecken können, die Wände einer Wohnungseien so mit Pilzen bewachsen gewesen, daß eS ausgesehen habe,alS ob manfaule Aepfeldaran geworfen habe. Der Bezilksleiter des christlichen Berg-arbeitervereinS Werner Tebrügge behauptete, die Kolonie feiauf einem Sumpflocherbaut. Schon im Grund der Häuser habe daS Waffer 35 Zentimeter hoch gestanden. Es müßten dort Krankheiten vorkommen.Ein Bauführer gibt zu. daß Häuser inzwei Wochen fertig gebaut