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und eine Woche später schon bezogen worden find. Der Goch verständige Stadtbaurat K r a f f t- Hamm sagte in seinem Gutachten, daß beim Bau der Koloniehäuser zweifellos gesündigt worden sei. Durch Zeugenaussagen wurde ferner nachgewiesen, daß auf Nadbod die Gedinge so reduziert worden sind, dah die Leute pro Schicht bis zu einer Mark weniger verdienen. Auch daß Arbeiterentlassungen in größerem Maße vor- gekommen, konnte bewiesen werden. Der AmtSanwalt bezeichnete den Artikel als stark tendenziös und beantragte drei Wochen Gefängnis. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Frank, führte aus, daß der Wahrheitsbeweis vollständig erbracht sei; der Artikel richte sich nicht gegen die Direktoren, sondern gegen die Steiger; es liege also gar keine Beleidigung im Sinne des§ 185 vor. Die Zeugen» aussagen hätten ergeben, daß die Wohnungen tatsächlich alsHunde ställe" bezeictinet werden können. Die Direktoren hätten die Magen der Bergarbeiter über erfrorene Kartoffeln wohl angehört, aber nicht etwa andere Kartoffeln beschafft, sondern nur gute Ratschläge erteilt, was ja freilich sehr leicht und vor allen Dingen außerordentlich billig sei. Die Sachverständigen und Direktoren hätten die Anlage der Kolonie als eines oziale Tat gepriesen. Die Arbeiter zahlten aber monatlich 18,50 M. Miete, was einer fllnfprozentigen Kapitalverzinsung gleich komme. Er be- zeichne das nicht als soziale Tat. Mit dem Worte ZuchthauSkontrakt sei lediglich gesagt, daß die Arbeiter dadurch m größere Abhängig» keit kommen. Es sei eine überaus harte und rigorose Bestimmung. daß sich die Arbeiter in 14 Tagen eine andere Woh» nung beschaffen mußten. Er beantrage Freisprechung. Genoffe N o t t e b o h m äußerte, die Rollen seien vertauscht, nicht er, sondern die Zechenverwaltung von Radbod müßte auf der Anklagebank sitzen. Die.Arbeiterzeitung' habe gegen die Herren den schweren Vorwurf erhoben, daß sie mitschuldig sei an dem ungeheuerlichen Radbodunglück, daS über die Beteiligten so unsagbar großes Elend gebracht habe. Die.Arbeiterzeitung' hätte die Herren mehr als zehnmal aufgefordert, zu klagen. Sie hatten es aber nicht getan. Im Gegensatz zu anderen Vorwüifen sei der unter Anklage stehende Artikel eine Bagatelle. Die.Arbeiterzeitung' habe ach« Tage vor dem Unglück eine ernstliche Mahnung an die Zechenverwaltung gerichtet, endlich zu rieseln, wenn man ein Unglück verhüten wolle. Hätten die Herren Janssen und Andrö dieser Mahnung Beachtung geschenkt, so wäre dank der.verhetzenden' Schreibweise der.Arbeiterzeitung' die schreckliche Katastrophe vermieden worden. Es sei ihm gleichgültig, ob er ins Gefängnis wandre, nur das wolle er noch sagen: von Rechtswegen gehören die. Direktoren der Zeche Nadbod inS Gefängnis. Das Urteil soll am Dienstagnachmittag verkündet werden. Hub der Partei. Die Pforzheimcr Parteigenossen haben am Sonnabend in einer Mitgliederversammlung ihrem bisherigen LandtagSabgeordnelen Geck ein VerlrauenSvottim erteilt. Er wurde in geheimer Ab- stimmnng mit«2« Stimmen(IM Zettel waren abgegeben) wieder zum Kandidaten im Landtagswahlkreis Pforzheim - West ernannt. Vorher wurde der Bericht des Wahlkomitees entgegengenommen, woran sich eine lebhafte Debatte knüpfte. In derselben kam man auch auf die im.Boiwäits' erschienenen Artikel zu sprechen, deren Behauptungen in den wesent- lichen Punkten sich bestätigten. ES ist erwiesen, daß seitens eines Pforzheimer Genossen dem Subkomitee ein Antrag unterbreitet wurde, die Kandidatur Geck in den heute noch aussichtslosen Wahl- kreis abzuschieben; ferner bezeugten sämtliche Teilnehmer der Wahl- kreiSkonserenz die vomVorwärts' mitgeteilte Aeußerung deS Genoffen Kolb gegen die Wiederaufstcllung G.'S. Die Wahl der Delegierten zum Parteitag in Offenburg wurde verbunden mit dem Austrag an die Erwählten, gegen die Freiburger Preßgründung Stellung zu nehmen und zu verhindern, daß auf dem Parteitag die Zeit mit persönlichen Auseinandersetzungen vergeudet wird. Genoffe H o r t e r- Mannheim wurde nahezu einstimmig zum Kandidaten für den zweiten Pforzheimer Wahlkreis ernannt. Auch er gab die Erllärung ab, daß eine Einigkeit in der Fraktion am besten durch die parteigrnössische Disziplin erreicht wird, der gemäß jeder Parteigenosse fich den Beschlüssen deS Parteitages als höchster Instanz fügt. Die Mannheimer, V o l k S st i m m e' hat die Liebenswürdig­keit, in ihrer SonntagSnuinmer in einer Polemik gegen den dortigen Generalanzeiger zu bemerken: Vom.Vorwärts' wurde unstrm Kollegen Kolb von einem gesinnungSgenössischen Waschweib der Ausspruch in den Mund gelegt, mit Adolf Geck kandidiere er nicht mehr.' Wir begreisen, daß der jetzt auch von der Parteiversammlung in Pforzheim bestätigte Ausspruch KolbS unserem Mannheimer Partei- organ im gegenwärtigen Augenblick recht unbequem ist. Aber deswegen braucht sie doch nicht gleich ihre Entrüstung nach der falschen Seite zu kehren und einen Mitarbeiter des »Vorwärts' mit einer Beleidigung anzufallen. Gemeindewahlen. In Offenburg (Baden) wurde bei den Stadtverordneten- Wahlen der ersten Klasse der Genosse Haueisen gewählt; er erhielt, da sein Name auf den Zetteln der beiden bürgerlichen Lager stand, die höchste Stimmeuzahl. Es sind jetzt noch drei Sozial- öemokraten im Offenburger BürgerauSschuß. Genosse Goldstein, so behauptete die.Vossische Zeitting'. wollte auS Gesundheitsrücksichten seine Mandate zum Reichstag und sächsischen Landtag niederlegen. Diese Nachricht macht die Runde durch die ganze bürgerliche Presse, und sächsische Blätter wollen sogar schon erfahren haben, daß Genosse Schöpflin, der kürzlich in Goldsteins Reichstagswahlkreis eine Diskussion mit dem LügenverbandSgeneral Lieber« hatte, sein Nachfolger werde. An die>cn ganzen Erzählungen ist kein wahres Wort. Genosse Goldstein befindet sich erfreulicherweise auf dem Wege der Besserung. ES ist zu hoffen, daß er in einigen Wochen seine politische Tätigkeit wieder aufnehmen kann. Ein neuer Kämpfer für die Sache des Proletariats ist in Rußland in der jüngst als Organ des Jüdischen Arbeiterbundes erschienenen ..Stimme deS Bundes' erstanden. Doppelt zu begrüßen ist ihr Erscheinen in der schweren Zeit der Depression und des Rück- ganges der Organisation. Bedeutet es doch, ebenso wie der Enthusiasmus, mit dem dieStiiiime' aufgenommen wurde, daß die politilche Gleichgültigkeit und Apathie, die sich msolge der Niederlagen von IMS und 1907 der Arbeiterklasse bemächtigt hatte. dem frischen Geist des Kampfes endlich zu weichsp�lwßtrlmt und daß sich auf diese Weise eine neue Periode revoiutuJffacen Auf­schwungs ankündigt. DieStimme' ist illegal erschienen und 1»ttlM«n Ruß- land befindlichen Geheimdruckerei d«#�AtfHalkomitecs desBundes" hergestellt worden. Auch dieser Umstand ist von großer symptomatischer Bedeutung. Bis 1906 kamttr-bie Sozial- demolratie in Rußland keine andere OrgaiitfattlMsform, keine andere Presse, als die geheime. Die siegreichen Oktobertage aber brachten die Möglichkeit offenen Auftretens, die von der Sozial- demokratie ergiebig ausgenutzt wurde. Insbesondere hat es der Jüdische Arbeiterbund" verstanden, wie durch unmittelbare Or- ganisation der Arbeiterklasse so auch durch seine Presse seinen Einfluß ungeheuer zu erN>eitern. Mit dem Erstarken der Reaktion aber, die sich mit aller Wucht auf die Arbeiterklasse stürzte, lah sich die Sozialdemokratie gezwungen, nach hartnäckigen Kämpfen eine eroberte Position nach der anderen aufzugeben. Arbeiter- deputiertenräte, offenes Eintreten in Vereinen und Versamm- lungen, Gewerkschaften, Presse alles fiel nach und nach der Reaktion zum Opfer, die Partei mußte immer mehr das Feld der legalen Tätigkeit räumen. BeimBund" vollzog sich dieser Prozeß am langsamsten, er behauptete am zähesten die einmal gewonnenen Positionen und seine Presse, die täglich in Wilna erscheinende jüdischeVolkszeitung" überdauerte alle übrigen legalen sozial- demokratischen Organe um ein Erkleckliches. Um so bedeutsamer ist es daher, daß jetzt auch derBund" durch die Herausgabe eines illegalen Organs seine Rückkehr zur geheimen Tätigkeit doku- mentiert. Dies ist ein Beweis mehr dafür, daß das Gebiet der vorwiegend legalen Tätigkeit der Sozialdemokratie jetzt ver- schloffen ist, daß sie, um den begonnenen Kampf der Arbeiterklasse erfolgreich weiterführen zu können, auf die alten Formen der Organisation und agitatorischen Arbeit zurückgreifen muß, um sie mit dem Inhalt der reichen Erfahrungen der Revolutionsjahre zu füllen. pollreUlcbes, Öcrtcbtllches ufw. Berechtigte Interessen des Verurteilten. Der verantwortliche Redakteur der in Hamburg erscheinenden Schmiede-Zeitung", Genoffe Kaspar Schmidt, wurde am 1. Fe- bruar 1M8 vom Breslauer Schöffengericht zu einer Geldstrafe von 50 M. verurteilt, weil er einen in Breslau woh- nenden Schmiedemeister beleidigt haben sollte. Da ihm sein Bres- lauer Verteidiger mitteilte, daß der Vorsitzende des genannten Gerichts, Amtsgerichtsrat Mützel, in seiner Urteilsbegründung mit keinem Wort darauf eingegangen sei, ob Sch. in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe, und ihm auch zu verstehen gab, daß angesichts der Breslauer Judikatur eine Berufung keinen Erfolg verspreche, kritisierte Sch. in seinem Organ das Breslauer Urteil unter der Uebcrschrift:Verurteilt" wie folgt: Daß ich von einem Breslauer Gericht verurteilt werden würde, darin konnte ich von vornherein keinen großen Zweifel setzen. Dafür sind die Breslauer Urteile zu bekannt, als daß an dieser klassischen Stätte der Klassenjustiz dem Redakteur einer sozialdemokratischen Zeitung oder auch nur von dem Verbands- organ einer freien Gewerkschaft der Schutz des§ 193 des St.-G.-B. zugebilligt und er freigesprochen werden würde." Durch diese Kritik derKlassenjustiz" soll er den Breslauer Amtsgerichtsrat und die Breslauer Richter im allgemeinen be- leidigt haben, weshalb der Landgerichtspräsident zu Breslau Straf- antrag stellte. DaS Landgericht IV zu Hamburg verurteilte Schmidt zu einer Geldstrafe von 200 M. oder 20 Tagen Gefängnis, weil in den inkriminierten Worten den Breslauer Richtern der Vorwurf der bewußten Rechtsbeugung Andersgesinnten gegenüber gemacht wurde. Durch Dr. Herz. Altona legte Sch. Revision ein, der vom Reichsgericht stattgegeben wurde, indem es erklärte, daß die Er- wägung der Vorinstanz, daß dem Verurteilten ein Recht auf be- leidigende Besprechung des Erkenntnisses nicht anerkannt und ihm mithin der Schutz des§ 193 nicht zugebilligt werden könne, zu Be- denken Anlaß gebe.Das Recht, eine eigene, den Täter nahe angehende Angelegenheit zur Sprache zu bringen, findet in dem Erlaß eines gerichtlichen Strafurteils reine notwendige Schranke. Wenn jemand ein Interesse daran hat. den Inhalt eines gegen ihn erlassenen Strafurteils einer Besprechung zu unterziehen, so ist dieses Interesse nicht schlcchthur ein unberechtigtes. Wird ein solches Interesse verfolgt, so ist ein« in der Besprechung enthaltene Beleidigung nur unter der Voraussetzung strafbar, daß aus der Form der Aeußerung oder den Umständen, unter denen sie geschah, da? Vorhandensein einer Beleidigung hervorgeht." DaS Reichs- geeicht führt weiter auS, das Landgericht werde nachzuprüfen haben, ob unter Berücksichtigung dieser Umstände der Z 193 anwendbar sei und ob, unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, aus der Form der inkriminierten Worte die Absicht der Beleidigung hervorgehe. Die Angelegenheit kam am Donnerstag erneut vor dem Land- gericht Hamburg zur Verhandlung. Der Staatsauwalt meinte, auch bei Zubilligung des Schutzes des§ 193 fei der Artikel be- leidigend, weil den Breslauer Richtern Klassenjustiz, also bewußte .unsten sozialdemokratischer Redakteure, vor- längerer Rede bekämpfte Dr. Herz diese ' richt den Angeklagten freisprach. Die __ Stätte der Klassenjustiz" würde zweifellos eine Beleidigung der Brcslauer Richter enthalten, wenn dem An- geklagten nicbt der Schutz des§ 193 zur Seile stände. Der Ange. klagte habealirn Ausdruck gebracht, daß die Breslauer Richter, von KlassenidM»M>efangen, nicht ordnungsgemäß ihres Amtes walten, sonSprn WWden politischen Gegner betrachteten. Aber der An- geklagte Hove berechtigte Interessen vertreten, als er das BreSlauer Urteil kritisierte. Aus diesen Gründen müsse auf Freisprechung erkannt werden._ Strafkonto der Presse. DaS Schöffengericht zu Saalfeld verurteilte am Sonntag den Genossen Zorn vomVolksblatt" wegen Beleidigung eines Schutzmannes zu 14 Tagen Ge- f ä n g n i S. Der AnttSanwalt hatte einen Monat beantragt. Die Beleidigung fand das Gericht in einer Notiz, in der e» von dem betreffenden Schutzmann, der wegen schwerer Körperverletzung zu l'/o Jahren GcsängpiS vorbestraft ist, hieß, er werde von der Ein- wohnerschaft schief angesehen. Ein vom Genoffen Zorn geladener Zeuge, der daS bekunden sollte, wurde nicht vernommen, sodaß dem Angeklagten der Wahrheitsbeweis abg es chnitten war. Es ist Berufung eingelegt worden. Hub Industrie und Kandel . Rückgang der Schwcineschlachtungen. Die«un vorligenden Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleisch- beschau, sowie Trichinenschau für das 4. Quartal 1908 weisen im Vergleich mit der vorjährigen Parallelzeit bei allen Viehgatlungen absolute Steigerungen auf, nur bei Schweinen zeigt sich ein Rück- gang. Bei der allgemeinen Schlachtvieh- und Fleischbeschau ergibt sich ein Rückgang von 197 440 gleich 6,74 Prozent. Bei der Trichinenschau macht das Weniger sogar 360 756 Stück, gleich 8,29 Prozent aus DaS ist ein Beweis für die Verschlechterung der Lebenshaltung in Arbeiterkreiserr. Bringt man die Resultate der beiden letzten Jahre in Vergleich, dann wandelt sich auch das Mehr bei den übrigen Viehgattungen teilweise in ein Weniger. DaS ist der Junler»nationale Wirtschaftspolitik' unangenehme Folge. Umgehung der Umsatz- und Wertzuwachssteuer.. Die Terrarnspekulation benutzt immer mehr die Gründung als G. m. b. H., um sich der Umsatz- und eventuell der Wertzuwachs- steuer zu entziehen. Justizrat Ernst Heinitz schreibt darüber in der Deutsch . Jur.-Ztg.':Die Terrainspekulatiou und der Handel mit bebauten Grundstücken bilden zum Erwerb eines einzelnen Grundstücks eine G. m. b. H. und beschränken sodann statt der mit erheblichen Ab- gaben belasteten Veräußerung des Grundstücks daS BeräußernngSgeschäft auf die Geschäfisanteile der Gesellschaft, deren Umsatz»ur einer geringen Stempelabgabe linterliegt. Da der alleinige Gesellschafter der als Grundstückseigentümerin eingetragenen G. m. b. H. wirt- schaftlich Eigentümer des Grundstücks ist, so vollzieht sich zwar nicht recbtlich, aber wirtschaftlich durch Veräußerung der sämtlichen Ge- schäflsanteile ein Wechsel im GrundstückSeigentum, ohne daß dem Staate der Wertstempel von 1 Proz., der Gemeinde und den Kreisen die meist 1 bis 2 Proz. betragenden Umsatzsteuern und die Rechtsbeugung zuuiz geworfen werde, z Ansicht, worz Redewendu etwaige Wertzuwachssteuer zufließen. Der hierdurch gebotenen M?g» lichleit, lästige Steuern zu vermeiden und dadurch beim Verkauf einen höhere» Preis zu erzielen, bat sich die Grundstücksspekulation mit außerordentlicher Geschicklichkeit bemächtigt. Terrain- spekulanten, die eine größere Zahl von Baustellen kaufen wollen, gründen oft für jede dieser Baustellen eine besondere G. m. b. H. und bieten, nachdem jede G. m. b. H. das für sie bestimmte Grundstück erworben hat, den« Kauflustigen, der eine Baustelle zum Zwecke der Bebauung erwerben will, statt dieser die Geschäftsanteile der G. m. b. H. zum Kaufe an. Auch für be- baute Grundstücke hat diese Art des Geschäftsbetriebes sich nicht selten bewährt.' Rechtlich ist das natürlich nicht strafbar, aber ist es nicht verwerflicher, als wenn eine arme Mutter für ihr hungerndes Kind ein Brot stiehlt? Und doch wird die Mutter bestraft, während die Grundstücksspekulanten und Hausbesitzer noch ein besonderes Privileg auf Ehrenämter haben, die sie für ihre Wucherintereffen ausnutzen._ Der Grundstücks- und Baumarkt iu Groß-Berlin. Nach den Zusammenstellungen des Vereins Berliner Grund- stücks- und Hypoihekenmakler ergeben sich für Groß-Berlin folgende Gesamtzahlen: 1907 1908 Ausgestellte Bauscheine....... 4493 3669 Gebrauchs abnahmen........ 1997 1641 Gesamtuin'atz 1000 M....... 1365 067 793 180 Bebaute Grundstücke..... Zahl 8416 2513 Umsatz 1000 Mark 848 273 648 796 Unbebaute Grundstücke.... Zahl 2551 1916 Umsatz 1000 Mark 231 744 141 296 Subbastationen: Bebaute Grundstücke... Zahl 525 921 Umsatz 1000 Mark 94 834 160 454 Unbebaute Grundstücke.... Zahl 187 256 Umsatz 1000 Mark 15 527 11 686 Demnach ist die Bautätigkeit erheblich zurückgegangen. Die Subhastaiionen haben stark zugenommen; aber bei den unbebauten Grundstücken handelt es sich anscheinend um nicht wertvolle Objekte, denn obwohl die Zahl der Subbastationen um 37 Proz. gestiegen ist. zeigt sich beim Wert der Objekte ein Slückgang um 25 Proz. Folgen der Krise. In der Metallindustrie in München hat die Arbeitslosigkeit einen bedenklichen Grad angenommen. In der letzten Woche 1908 hatte der Metallarbeiterverband eine gegen das Vorjahr um 170 Proz. höhere Zahl Arbeitsloser. Für das ganze Jahr wurde» Verbands- eitig diese Zahlen ermitielt: 1907: 1042 Arbeitslose mit 26 093 Tagen, die 26 l7S M. Unterstützung beanipruchten, 1903: 1593 Arbeitslose mit 45 576 Tagen. Die Unterstützung erheischte 48 899 M. Eine vom Gewerkschaftskartell in Meißen veranstaltete Zählung ermittelte 674 Arbeitslose, davon 407 verheiratete mit 827 Kindern. Eine Zählung in Rostock ergab daS Vorhandensein von S133 organisierlen Arbeitern, von denen 763 arbeitslos waren. » Der.Phönix' in Ruhrort kündigte Arbeitern deS Martinwerks, außerdem wurde eine Lohnreduktion in Höhe von 29 Prozent an- geordnet._ Soziales« Folterqualen eines vierzehnjährigen Dienstmädchens. Entsetzlich«, grauenhafte Bilder entrollte ein Prozeß gegen die reiche Lkaufmannsehefrau Anna Gebhardt in Dresden -Blasewitz wegen gefährlicher Körperverletzung ihres vierzehnjährigen Dienst- mädchenS. Innerhalb eines Zeitraumes von kaum vier Jahren hat die Angeklagte nicht weniger als 19 Dienstmädchen gehabt, und kein Mädchen hat, wie die Beamten auf dem Gemeindeamte in Erfahrung brachten, den Dienst verlassen, ohne Schläge be- kommen zu haben. Im Mai v. I. trat das kurz vorher aus der Schule entlassene Mädchen Anna Lommatzsch in den Dienst der Angeklagten, und alsbald begann für die Acrnrste eine schwere Leidenszeit. Fast täglich erhielt sie Prügel mit einer Klopf- peitsche, wobei sich das Mädchen auf Geheiß der Diensthcrrin auf den Fußboden legen und ihre Kleider hochnehmen mußte. Hofen durfte das Diädchen nicht tragen, damit die Angeklagte besser Gc- legenheit hatte, die Schläge fühlbarer zu machen. DaS Mädchen bekundete, daß sie bei jeder kleinen und kleinsten Gelegenheit furcht- bare Prügel bekommen habe. Auch auf die Lippen sei sie ge- schlagen worden, so daß diese aufsprangen. Zum Ankleiden und Waschen habe die Dienstherrin ihr nur wenige Minuten gelassen. Sei diese Zeit überschritten worden, dann habe die Angeklagte sie mit kaltem Wasser begossen, so daß sie in nassen Kleidern habe arbeiten müssen. Sie habe nicht geivagt, sich ihren Eltern an, zuVertrauen, denn ihre Dienstherrin habe gedroht, sie bei der Polizi anzuzeigen, weil sie einmal etwas genascht und zu einem Briefe an die Eltern eine Briefmarke entwendet habe. Schließlich habe sie die furchtbaren Qualen nicht mehr ertragen können und habe sich dann an die Eltern gewendet. Zwei Blasewitzer Acrzte haben dann das Mädchen untersucht und am ganzen Körper blut­unterlaufene Stellen und Schwielen festgestellt. Blutige Striemen an den Schenleln und am Gesäß und die Lippen aufgesprungen! Die Ohren waren vom vielen Ohrfeigen stark angeschivollen, das Mädchen selbst aber von grünlich.gelbem Aussehen und fast ein Skelett. Die Angeklagte machte geltend, daß das Mädchen nasch. Haft und unsauber gewesen und der Vater mit der Züchtigung ein- verstanden gewesen sei. Dieser aber hatte der Angeklagten Wohl das Recht eingeräumt, das Mädchen mitzuerziehen, aber er sei nie- mals mit derartigen Mißhandlungen einverstanden gewesen. Tos Gericht erkannte nach umfänglicher Beweisaufnahme nicht auf Gefängnis-, sondern nur auf die höchste zulässige Geldstrafe von 1060 Mark._ Zur Rechtlosigkeit der ländlichen Arbeiter. Wenn unsere Vertreter im Reichstage erklären, daß die Land- arbeitcr rechtlos sind, so brüllen die Junker über Lügen und Hetze. Für sie ist vielleicht folgender Fall lehrreich. Ein Mädchen war bei einem Bauer in Hessen in Stellung, erkrankte an Gelenk- rhcumatiSmus und wurde vom Kassenarzt erwerbsunfähig ge- schrieben. Die Erkrankte bezog auch von der Ortskrankcnkasse, welcher sie nach den Bestimmungen in Hessen glücklicherweise als Mitglied angehörte, die statutenmäßige Unterstützung. daS Krankengeld auf die Dauer ihrer Erwerbsunfähigkeit. Trotzdem sollte daS Mädchen weiter arbeiten und erhielt ihren verdienten Arbeitslohn gemäß der Gesindeordnung einbehaltcn. Nutzlos war auch die Klage auf Herausgabe des verdienten Lohnes, denn das Amtsgericht Vilbel war der Ansicht, daß das Mädchen nicht krank genug war, um den Dienstvcrtrag aufzulösen. Doch lassen wir die wichtigsten Punkte des Urteils zur besserenAufklärung" des Sachverhaltes und der Stellungnahme des Gerichts hier folgen: Die Klägerin verdingte sich am 4. Januar auf ein Jahr als Dienstmagd bei dem Beklagten gegen einen Jahreslohn von 400 Mark. Nach ihrer Behauptung erkrankte sie im Mai v. I. an Gelenkrheumatismus und wurde vom Arzt Dr. K. in G.-K. be- handelt. Eine Heilung sei nicht eingetreten, die Arbeit des Kühe- fütterns für sie zu schwer gewesen, und sei sie dadurch zur Fort- setzung deS Dienstes unfähig gewesen. Obwohl sie nach Art. 16 der Gesindeordnung zum sofortigen Verlassen des Dienstes be- rechtigt(war) gewesen sei, habe sie am 4. Mai v. I. mit sechs